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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des T in I, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. April 1995, Zl. 4.327.395/7-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger und reiste am 17. November 1991 in das Bundesgebiet ein. Am 19. November 1991 beantragte er die Gewährung von Asyl und begründete dies laut amtlicher Niederschrift vom 21. November 1991 im wesentlichen damit, er sei kurdischer Abstammung und in seiner Heimatgemeinde Erzincan von den türkischen Behörden verhört sowie einige Male geschlagen worden. In Erzincan bestehe seit ca. fünf Jahren der Ausnahmezustand. Überall gebe es Soldaten und es komme zu Kämpfen mit der PKK. Vor ca. drei Monaten sei er von Soldaten festgenommen und auf einer Militärstation "leicht" geschlagen worden. Ihm sei vorgeworfen worden, für die PKK zu arbeiten. Er sei nie Mitglied einer politischen Partei gewesen. Er habe die Türkei aus "religiösen Gründen" verlassen, weil sein Vater alevitischer Priester sei. Er habe deshalb Schwierigkeiten mit den übrigen Dorfbewohnern gehabt. Er habe seine Religion nicht frei und ungehindert ausüben können. Ihm sei untersagt worden, in die Kirche zu gehen. Die anderen hätten gewollt, daß er seinen Glauben ändere. Er habe sich am 13. November 1991 nach Istanbul begeben, wo er Kontakt zu einem Schlepper aufgenommen habe. Am 15. November 1991 sei er von Istanbul abgereist.
Mit (formularmäßigem) Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 26. November 1991 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Feststellung seiner Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle.
In seiner dagegen erhobenen Berufung verwies der Beschwerdeführer im wesentlichen auf seine bereits in erster Instanz gemachten Angaben.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 27. November 1993 wurde diese Berufung abgewiesen und ausgesprochen, Österreich gewähre dem Beschwerdeführer kein Asyl.
Infolge der dagegen gerichteten Beschwerde hob der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 10. Oktober 1994, Zl. 94/20/0182, diesen Bescheid der belangten Behörde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf (infolge Aufhebung des Wortes offenkundig in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit dessen Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92, 93/94), womit das Berufungsverfahren neuerlich bei der belangten Behörde anhängig wurde. Mit "Manuduktionsschreiben" der belangten Behörde vom 22. Februar 1995 wurde dem Beschwerdeführer freigestellt, "einfache Verfahrensmängel" des Verfahrens erster Instanz und sich allenfalls daraus ergebende Sachverhaltsänderungen geltend zu machen. Darüber hinaus wurde dem Beschwerdeführer vorgehalten, daß er sich vor der Einreise in Ungarn aufgehalten habe, wo er bereits vor Verfolgung sicher gewesen sei. Dazu verwies die belangte Behörde auf eine Stellungnahme des UNHCR vom 4. Juli 1994 gegenüber dem deutschen Bundesverfassungsgericht, aus der sich diese Annahme ergebe. Weiters hielt die belangte Behörde dem Beschwerdeführer vor, er habe sich vor Verlassen seines Heimatlandes in Istanbul aufgehalten, wo er ebenfalls keiner Gefahr der Verfolgung ausgesetzt gewesen sei.
Der Beschwerdeführer erstattete eine Stellungnahme, in der er neuerlich darauf verwies, daß er im Rahmen seiner Verhöre "mißhandelt" worden sei. Die Verfolgungshandlungen der türkischen Behörden gegenüber den Kurden seien politisch motiviert, wobei aber auch ethnische Gründe die türkische Regierung veranlaßten, gegen die Kurden vorzugehen. Der Beschwerdeführer wandte sich gegen die Annahme der belangten Behörde, daß er in Ungarn Sicherheit vor Verfolgung gefunden habe. Zu der vorgehaltenen inländischen Fluchtalternative in Instanbul äußerte sich der Beschwerdeführer nicht.
Mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz-)Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG (neuerlich) ab und sprach aus, Österreich gewähre ihm kein Asyl. Sie übernahm die - lediglich in der Wiederholung der Angaben des Beschwerdeführers in erster Instanz bestehende - Sachverhaltsdarstellung ihres Bescheides vom 27. September 1993 und fügte der Abweisung des Asylantrages ergänzend hinzu, daß das Vorbringen des Beschwerdeführers in erster Instanz nicht geeignet sei, seine Flüchtlingseigenschaft zu begründen. Der Beschwerdeführer habe nach seiner einzigen Festnahme im August des Jahres 1991 keine weiteren ernsthaften Nachteile geltend machen können. Die allgemeine Situation der kurdischen Volksgruppe sowie insbesondere die bürgerkriegsähnlichen Zustände im Gebiet des Heimatdorfes des Beschwerdeführers seien nicht geeignet, eine gegen den Beschwerdeführer selbst gerichtete asylrelevante Verfolgung darzutun. Der Beschwerdeführer habe als Grund für das Verlassen seines Heimatlandes auch nicht diese Festnahme im August des Jahres 1991 angegeben, sondern erklärt, daß er die Türkei ausschließlich aus religiösen Gründen verlassen habe. Dabei handle es sich jedoch um allgemeine Schwierigkeiten und Diskriminierungen, die einerseits mangels ausreichender Eingriffsintensität, andererseits mangels Zurechenbarkeit zu einer staatlich initiierten Verfolgung die Flüchtlingseigenschaft nicht zu begründen vermögen. Überdies hätten sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß sich die vom Beschwerdeführer angeführten Gründe auf das gesamte Gebiet seines Heimatstaates bezögen. Er hätte außerhalb seines Heimatdorfes in einem anderen Teil der Türkei Schutz vor etwaigen Verfolgungen finden können bzw. es sei davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer während seines Aufenthaltes in Istanbul bereits Schutz vor Verfolgung gefunden habe. Der Beschwerdeführer habe dem diesbezüglichen Vorhalt nichts entgegengesetzt. Im Hinblick darauf, daß sich der Beschwerdeführer vor Einreise in das Bundesgebiet in Ungarn aufgehalten habe, wo er vor Verfolgung (Abschiebung in seinen Heimatstaat) sicher gewesen sei, liege auch der Asylausschlußgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 vor.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Der belangten Behörde kann nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie aus den niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers in erster Instanz zu dem Ergebnis gelangte, daß er keiner unmittelbar gegen ihn selbst gerichteten asylrechtlich relevanten Verfolgungshandlung ausgesetzt war. Der Beschwerdeführer gab selbst an, daß er weder einer politischen Partei angehört noch - eine solche, insbesondere die PKK - unterstützt habe. Der Beschwerdeführer wurde zwar auch wegen des Verdachtes der Zugehörigkeit zur PKK verhört und dabei "leicht" geschlagen, jedoch sah der Beschwerdeführer selbst deshalb keine Veranlassung, sein Heimatdorf und die Türkei zu verlassen. Er hielt sich nach seiner (zur Durchführung eines Verhörs) erfolgten Festnahme weiterhin - für die Dauer von ca. drei Monaten - in seinem Heimatdorf auf. Während dieses Zeitraumes war er nach seinen Angaben keinen Maßnahmen oder sonstigen Bedrohungen seitens der türkischen Behörde ausgesetzt gewesen. Die geschilderten Mißhandlungen geben somit lediglich die allgemeinen Beeinträchtigungen der Bewohner in den Gebieten wieder, wo sich unmittelbar die Kämpfe der türkischen Armee mit den Angehörigen der PKK zutragen. Der Beschwerdeführer erklärte dazu, daß bereits seit ca. 5 Jahren in seinem Heimatdorf der Ausnahmezustand bestehe. Ungeachtet dessen habe er aber die Türkei nicht aus politischen Gründen verlassen, sondern aus religiösen. Als Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, daß sein Vater alevitischer Priester sei und er deshalb laufend Schwierigkeiten mit den übrigen Dorfbewohnern gehabt habe. Ihm sei untersagt worden, in die Kirche zu gehen und es hätten die anderen gewollt, daß er seinen Glauben ändere. Abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer damit keine Verfolgungshandlungen durch die staatlichen Behörden geltend gemacht hat, ist unter "Verfolgung" ein ungerechtfertigter Eingriff von ERHEBLICHER INTENSITÄT in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt dann vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Wenn die belangte Behörde dies im Hinblick auf die angeführten Beeinträchtigungen des Beschwerdeführers hinsichtlich der Ausübung seines Glaubens durch die übrigen Dorfbewohner verneint hat, kann dies nicht als rechtswidrig angesehen werden. Ergänzend ist dem hinzuzufügen, daß sich der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht gegen die Annahme der belangten Behörde, er habe innerhalb der Türkei, namentlich in Istanbul, eine inländische Fluchtalternative gefunden, gewendet hat und dagegen auch in der vorliegenden Beschwerde nichts vorbringt. Auch diese Auffassung der belangten Behörde kann angesichts der vom Beschwerdeführer geschilderten Beeinträchtigungen, die ihre Wurzel in der Lage seines Heimatdorfes in unmittelbarer Nähe des Kampfgebietes zwischen dem türkischen Militär und den Angehörigen der PKK haben, nicht als rechtswidrig angesehen werden. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf den von der belangten Behörde überdies noch herangezogenen Asylausschlußgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 Ungarn betreffend.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995200320.X00Im RIS seit
20.11.2000