Entscheidungsdatum
30.08.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W176 2244895-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. NEWALD als Einzelrichter in der Beschwerdesache von XXXX gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien (Einbringungsstelle) vom 29.06.2021, Zl. Jv 52782-33a/21 (Ziv 402115/18-X),
beschlossen:
A1)
Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe durch Beigebung eines Rechtsanwaltes wird gemäß § 8a Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG), abgewiesen.
bzw. zu Recht erkannt:
A2)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 9 Abs. 2 Gerichtliches Einbringungsgesetz, BGBl. Nr. 288/1962 (GEG), als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) vom 10.07.2018, Zl. XXXX , wurde die – in Deutschland wohnhafte – nunmehrige Beschwerdeführerin aufgefordert, die in einem vor dem Landesgericht für Zivilrechtsachen Wien geführten Verfahren aufgelaufenen Gerichtsgebühren/Kosten idHv insgesamt EUR 1.204,-- binnen 14 Tagen zur Einzahlung zu bringen.
2. Mit einem am 21.06.2021 beim Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien (in Folgenden: belangte Behörde) eingebrachten Schriftsatz ersuchte die Beschwerdeführerin um „Löschung [ihrer] Schulden“, da sie in Rente sei. Aus diesem Grund habe sie auch nicht genug Geld für eine Ratenzahlung, zumal sie sonst kein Geld mehr zum Essen habe.
Dem Schriftsatz beigelegt war eine Seite („Seite 2 von 4“) eines an die Beschwerdeführerin gerichteten Schreibens betreffend Anpassung ihrer Rente wegen voller Erwerbsminderung, auf dem sich insbesondere Ausführungen zum Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung sowie zur sozialen Pflegeversicherung finden, dem die Höhe der gewährten Rente aber nicht zu entnehmen ist.
3. Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangten Behörde dem – zu Recht als Nachlassantrag gewerteten – Begehren der Beschwerdeführerin mit der Begründung nicht statt, dass diese es verabsäumt habe, die für den Nachlass erforderliche besondere Härte darzulegen und insbesondere ihre Einkommens- und Vermögenslage erschöpfend darzulegen. Die bloße Übermittlung eines Teils eines Informationsschreibens bezüglich der Rentenanpassung reiche dazu jedenfalls nicht aus.
4. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, in der sie im Wesentlichen Folgendes ausführte:
Ihre Rente werde wahrscheinlich verlängert und sei dann endgültig. Sie ersuche darum, „mit dem Prozess zu warten, ob die Rente verlängert werde“. Überdies beantrage sie einen kostenlosen Rechtsbeistand und ein kostenloses Verfahren.
5. In der Folge legte die belangte Behörde die Beschwerde samt den Bezug habenden Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Entscheidung wird der unter Punkt I. dargestellte Sachverhalt zugrunde gelegt.
Insbesondere wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin ihre Einkommens- und Vermögenssituation nicht hinreichend deutlich dargelegt hat.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus den Verwaltungsunterlagen in Zusammenhang mit der Beschwerde.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels einfachgesetzlicher materienspezifischer Sonderregelung liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG), geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991 (AVG), mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 (BAO), des Agrarverfahrensgesetzes, BGBl. Nr. 173/1950 (AgrVG), und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984, BGBl. Nr. 29/1984 (DVG), und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnisverbunden ist.
3.2. Zu Spruchpunkt A)
3.2.1. Gemäß § 9 Abs. 2 GEG können Gebühren und Kosten auf Antrag nachgelassen werden, wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre oder wenn der Nachlass im öffentlichen Interesse gelegen ist. Gemäß § 9 Abs. 4 GEG entscheidet über solche Anträge der Präsident des Oberlandesgerichtes Wien im Justizverwaltungsverfahren durch Bescheid.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es in einem Verfahren über den Nachlass von Gerichtsgebühren Sache des Antragstellers, einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen aller jener Umstände darzutun, auf die der Nachlass gestützt werden kann. Daraus folgt, dass eine Abweisung des Nachlassantrages nicht erst dann zu erfolgen hat, wenn feststeht, dass der Nachlasswerber über Mittel verfügt, die das Vorliegen einer besonderen Härte durch die Einbringung ausschließen, sondern schon dann, wenn substantiierte Zweifel bestehen, dass es ihm an derartigen Mitteln mangelt (VwGH 26.01.1996, 93/17/0265). Im Nachsichtverfahren trifft den Antragsteller somit eine erhöhte Mitwirkungspflicht (VwGH 29.06.2006, 2006/16/0021 mwN; vgl. auch VwGH 29.04.2013, 2010/16/0182).
Enthält der Nachlassantrag keine Angaben zum Vermögen des Antragstellers, ist die Behörde auch nicht verpflichtet, den Beschwerdeführer zu weiteren Aufklärungen zu veranlassen. Sie kann den Antrag vielmehr ohne weitere Erhebungen abweisen (Dokalik aaO, E 10).
Besondere Härte liegt nicht vor, wenn die wirtschaftlichen Schwierigkeiten vorübergehender Natur sind (VwGH 29.04.2013, 2010/16/0182; 27.11.2008, 2007/16/0009; 28.03.1996, 96/16/7297).
3.2.2.1. Zur Abweisung der Beschwerde:
3.2.2.1.1. Wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat, hat die Beschwerdeführerin es entgegen der zuvor dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unterlassen, die für den Nachlass erforderliche besondere Härte darzulegen, und insbesondere ihre Einkommens- und Vermögenslage nicht erschöpfend dargetan. Der Behörde ist Recht zu geben, dass die Übermittlung einer Seite eines – sich offenbar auf die Anpassung einer der Beschwerdeführerin gewährten Rente wegen voller Erwerbsminderung beziehenden – Informationsschreibens zur Darlegung einer besonderen Härte iSd § 9 Abs. 2 GEG nicht ausreicht.
Da die Behörde nach der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes überdies nicht verpflichtet ist, den Nachlasswerber zu weiteren Aufklärungen zu veranlassen, kann in der Abweisung des Nachlassgesuches der Beschwerdeführerin in der vorliegenden Konstellation keine Rechtswidrigkeit erblickt werden.
3.2.2.1.2. Die Beschwerde war daher in Spruchpunkt A2) als unbegründet abzuweisen.
Dem Begehren der Beschwerdeführerin, mit der Entscheidung im gegenständlichen Verfahren so lange zuzuwarten, bis feststeht, ob sie die Rente auf Dauer erhält, war nicht nachzukommen, da sich dadurch mit Blick auf die zuvor dargestellte Judikatur an den entscheidungswesentlichen Umständen nichts ändern würde.
3.2.2.2. Zur Abweisung des Verfahrenshilfeantrages:
3.2.2.2.1. Gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG ist einer Partei, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies aufgrund des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 GRC geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe schließt gemäß Abs. 2 leg. cit. das Recht ein, dass der Partei ohne weiteres Begehren zur Abfassung und Einbringung der Beschwerde, des Vorlageantrags, des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder zur Vertretung bei der Verhandlung ein Rechtsanwalt beigegeben wird.
Für die Gewährung von Verfahrenshilfe müssen alle vier Voraussetzungen kumulativ vorliegen (vgl. EDER/MARTSCHIN/SCHMID, Das Verfahrensrecht der Verwaltunggerichte2, § 8a K 5).
Wie der Verwaltungsgerichtshof mehrfach ausgesprochen hat, fallen Angelegenheiten der Gerichtsgebühren nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK (vgl. VwGH 11.01.2016, Ra 2015/16/0132). Gerichtsgebühren sind Bundesabgaben, weshalb ihre Vorschreibung keine Entscheidung über „civil rights“ iSd. Art. 6 EMRK ist (VwGH 24.09.2009, 2008/16/0051).
3.2.2.2.2. Zum einen erscheint – wie sich aus dem unter Punkt 3.2.2.1. Ausgeführten ergibt – die von der Beschwerdeführerin beabsichtigte Rechtsverfolgung als aussichtlos.
Zum anderen fallen Gerichtsgebühren nach der zuvor dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schon nicht in den Anwendungsbereich von Art. 6 EMRK und ist für das Bundesverwaltungsgericht auch nicht ersichtlich, inwiefern die gegenständliche Rechtssache in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen soll, sodass nicht angenommen werden kann, dass die Gewährung von Verfahrenshilfe aufgrund Art.47 GRC geboten wäre.
Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Beistellung eines kostenlosen Rechtsvertreters war daher in Spruchpunkt A1) abzuweisen.
Soweit die Beschwerdeführerin überdies ein „kostenfreies Verfahren“ begehrte, wird der Vollständigkeit halber festgehalten, dass gegenständlich die Pauschalgebühr für das Beschwerdeverfahren ohnehin nicht anfällt und die Beschwerdeführerin auch keinen Kostenersatz zu leisten hat.
3.3. Zu Spruchpunkt B):
3.3.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
3.3.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Aussichtslosigkeit besondere Härte Gerichtsgebühren Gerichtsgebührenpflicht Nachlass von Gerichtsgebühren Nachlassantrag Nachweismangel Rechtsvertreter Verfahrenshilfe VermögensverhältnisseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W176.2244895.1.00Im RIS seit
01.10.2021Zuletzt aktualisiert am
01.10.2021