TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/31 W208 2243556-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.08.2021
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Entscheidungsdatum

31.08.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
B-VG Art94
GEG §1 Z2
GEG §6a Abs1
GEG §6b Abs4
GEG §7 Abs1
GEG §7 Abs2
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W208 2243556-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch den Geschäftsführer XXXX , gegen den Bescheid der Präsidentin des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen WIEN vom 10.05.2021, Jv 2103/21p-33a (003 Rev 5345/21g), betreffend Einbringung von Beträgen nach dem Gerichtlichen Einbringungsgesetz (GEG) zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Leopoldstadt (in der Folge: BG) vom 09.12.2019, XXXX (ON 38), wurde der Strafantrag der betreibenden Partei vom 25.11.2019 (ON 31) bewilligt und über die Beschwerdeführerin (in der Folge: BF) als verpflichtete Partei die bereits mit Beschluss vom 06.08.2019 (ON 34) angedrohte Geldstrafe iHv € 8.000,00 verhängt, weil diese ihrer im zivilgerichtlichen Verfahren zu XXXX festgestellten Rechnungslegungspflicht nach wie vor nicht nachgekommen sei. Gleichzeitig wurde der BF unter Punkt 3. des Beschlusses vom 09.12.2019 eine Geldstrafe iHv € 9.000,00 angedroht, sofern sie ihrer Rechnungslegungspflicht abermals nicht nachkommen würde. Dem dagegen erhobenen Rekurs wurde mit Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen WIEN (in der Folge: LG) als Rekursgericht vom 20.04.2020 (ON 41) keine Folge gegeben, woraufhin der Beschluss vom 09.12.2019 in Rechtskraft erwuchs.

2. Mit weiterem Beschluss des BG vom 05.06.2020, XXXX (ON 44), wurde der Strafantrag der betreibenden Partei vom 18.05.2020 (ON 42) bewilligt und die mit Beschluss vom 09.12.2020 bereits angedrohte Geldstrafe iHv € 9.000,00 über die BF verhängt. Dem dagegen erhobenen Rekurs wurde mit Beschluss des LG als Rekursgericht vom 12.10.2020 (ON 47) keine Folge gegeben, woraufhin auch dieser Beschluss vom 05.06.2020 in Rechtskraft erwuchs.

3. Mit Verfügungen vom 29.12.2020 und vom 04.01.2021 ordnete das BG die Einhebung der mit den unter Punkt 1. und 2. genannten Beschlüssen (ON 38, ON 44) auferlegten Geldstrafen iHv € 9.000,00 und iHv € 8.000,00 an.

4. Mit Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) vom 11.01.2021 (zugestellt am 15.01.2021), XXXX , forderte die zuständige Kostenbeamtin des BG für die Präsidentin des LG (im Folgenden auch belangte Behörde genannt) die BF auf, die mit Beschluss des BG vom 09.12.2019 (ON 38) verhängte Geldstrafe iHv € 8.000,00 und die mit Beschluss des BG vom 05.06.2020 verhängte Geldstrafe iHv € 9.000,00 (ON 44), sowie eine Einhebungsgebühr nach § 6a Abs 1 GEG iHv € 8,00, zusammen sohin € 17.008,00, binnen 14 Tagen auf das näher bezeichnete Konto zu Gunsten des BG als Zahlungsempfänger einzuzahlen, widrigenfalls die Beträge zwangsweise eingebracht werden würden.

5. Mit Schriftsatz vom 18.01.2021 (beim BG eingelangt am 20.01.2021) erhob die BF gegen den o.a. Mandatsbescheid fristgerecht das Rechtsmittel der Vorstellung und führte begründend im Wesentlichen aus, dass kein Exekutionstitel zur Erwirkung von anderen unvertretbaren Handlungen der BF vorliege und übermittelte dazu das Urteil des Handelsgerichtes Wien (HG) vom 26.04.2017 zu XXXX sowie das Urteil des Obersten Gerichtshofes (OGH) vom 29.05.2018 zu XXXX .

6. Mit Bescheid vom 10.05.2021, Jv 2103/21p-33a, wies das BG in Spruchpunkt 1) die Vorstellung der BF als unzulässig zurück, und führte in Spruchpunkt 2) aus:

„Der Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) des Bezirksgerichtes Leopoldstadt vom 11.01.2021, erlassen durch die Kostenbeamtin für die Präsidentin des Landesgerichtes für ZRS Wien, über insgesamt € 17.008,00 wird bestätigt.“

Zahlungspflichtig ist die verpflichtete Partei […].

Der Gesamtbetrag hat binnen 14 Tagen auf dem folgenden Konto einzulangen, ansonsten wird ein Exekutionsverfahren gegen Sie eingeleitet werden: […]

Begründet wurde dies im Wesentlich folgendermaßen:

Wer sich durch den Inhalt eines Mandatsbescheids, der von einem Kostenbeamten namens der Behörde erlassen wurde, beschwert erachte, könne gemäß § 7 Abs 1 GEG binnen zwei Wochen Vorstellung bei der Behörde erheben. Bei Beträgen, die vom Gericht rechtskräftig bestimmt worden seien, sei eine Vorstellung nur zulässig, wenn der Zahlungsauftrag der gerichtlichen Entscheidung nicht entspreche. Verspätete und unzulässige Vorstellungen seien gemäß § 7 Abs 2 GEG von der Behörde zurückzuweisen. Werde ein Zahlungsauftrag über einen Betrag der in Durchführung einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung vorgeschrieben wurde nur hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit der durch den Gerichtsbeschluss dem Grunde und der Höhe nach bereits festgestellten Zahlungspflicht bekämpft, so sei die Vorstellung wegen Unzulässigkeit gemäß § 7 Abs 1 letzter Satz GEG (nunmehr § 6b Abs 4 GEG) zurückzuweisen) (Dokalik, Gerichtsgebühren13 (2017) § 7 GEG II. A E9). Die Berichtigung in Ansehung von Beträgen, die in Durchführung einer rechtskräftigen Entscheidung des Gerichts in den Zahlungsauftrag aufgenommen worden seien, stehe nur dann zu, wenn die Zahlungsfrist unrichtig bestimmt worden sei oder wenn der Zahlungsauftrag der ihm zugrundeliegenden Entscheidung nicht entspreche. Werden solche Gründe nicht vorgebracht, sei die Vorstellung zurückzuweisen (Dokalik, Gerichtsgebühren13 (2017) § 7 GEG I D. E9). Da fallbezogen der Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) vom 11.01.2021 den rechtskräftigen Beschlüssen vom 09.12.2019 und vom 05.06.2020 entspreche, sei die Vorstellung der verpflichteten Partei gemäß § 7 Abs 2 GEG idgF unzulässig und daher wie in Spruchpunkt 1) zurückzuweisen gewesen.

Hinsichtlich Spruchpunkt 2) wurde ausgeführt, dass die Behörde gemäß § 6 Abs 2 GEG an einen Bescheid gebunden sei, sobald er zur Ausfertigung abgegeben sei und gemäß § 6 Abs 4 GEG im Verfahren zur Einbringung im Justizverwaltungsweg weder das Bestehen noch die Rechtmäßigkeit einer im Grundverfahren dem Grunde und der Höhe nach bereits rechtskräftig festgestellten Zahlungspflicht überprüft werden könnten. Über die Zahlungspflicht der BF sei bereits mit den rechtskräftigen Beschlüssen vom 09.12.2019 (ON 38) und vom 05.06.2020 (ON 44), jeweils in Punkt 2., entschieden worden. Den dagegen jeweils erhobenen Rekursen der verpflichteten Partei sei vom LG als Rekursgericht keine Folge gegeben worden (ON 41 und ON 47). Die Zustellung der Rechtsmittelentscheidungen sei ordnungsgemäß erfolgt, wodurch die Geldstrafen iHv € 8.000,00 und € 9.000,00 rechtskräftig verhängt worden seien.

Gemäß § 234 Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz (Geo) bedürfe es zur Einbringung einer Geldstrafe der Rechtskraft der Entscheidung im Grundverfahren, mit der die Strafe verhängt worden sei und einer schriftlichen Anordnung des Entscheidungsorgans im Grundverfahren, dass eine Vorschreibung erfolgen könne. Die Einhebung der Geldstrafen sei vom Gericht am 29.12.2020 (zum Beschluss vom 05.06.2020) und am 04.01.2021 (zum Beschluss vom 09.12.2019) angeordnet worden. Die Gesetzmäßigkeit der durch diese Beschlüsse dem Grunde und der Höhe nach bereits rechtskräftig festgestellten Zahlungspflicht dürfe im Wege des Verwaltungsverfahrens nicht mehr aufgerollt werden. Würden die nach § 1 einzubringenden Beträge nicht sogleich entrichtet (§ 4 GGG) oder sei die Einziehung erfolglos geblieben, so seien sie durch Bescheid zu bestimmen (Zahlungsauftrag). Der Zahlungsauftrag habe eine Aufstellung der geschuldeten Beträge und die Aufforderung zu enthalten, den Betrag binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu zahlen. Gleichzeitig sei dem Zahlungspflichtigen eine Einhebungsgebühr in Höhe von € 8,00 vorzuschreiben. Der Zahlungsauftrag sei ein Exekutionstitel im Sinn der Exekutionsordnung.

Da sowohl die Vorschreibung der Ordnungsstrafen iHv € 8.000,00 und € 9.000,00 als auch die Zahlungspflicht der verpflichteten Partei auf bereits rechtskräftigen Entscheidungen des Gerichts gründen würden, die Zahlungsfrist von 14 Tagen richtig bestimmt worden sei, die Einhebung der Geldstrafen ordnungsgemäß angeordnet worden sei und mit den angefochtenen Zahlungsaufträgen (Mandatsbescheiden) exakt diese Beträge (zuzüglich Einhebungsgebühr) eingehoben worden seien, könne gemäß § 6 Abs 4 GEG keine weitere Überprüfung folgen und seien diese Beträge von der BF zu entrichten.

7. Gegen diesen Bescheid (zugestellt am 19.05.2021) richtet sich die am 04.06.2021 eingebrachte Beschwerde.

Begründend wurde darin im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Am 05.05.2021 sei ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens zu XXXX (vormals XXXX ) gemäß § 530 ZPO und die Aufhebung der Rechnungslegungsbegehren laut Urteil des HG vom 26.04.2017 beim HG gestellt worden. Dies werde mit dem Urteil des OGH vom 29.05.2018 zu XXXX begründet, in der die Ansprüche der betreibenden Partei abgewiesen worden seien. Daher werde ein Antrag auf Aufschiebung/Aufhebung der Exekutionssache XXXX beim BG gestellt.

8. Mit Schreiben vom 15.06.2021 legte die belangte Behörde die Beschwerde und den gegenständlichen Verwaltungsakt – ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen – dem BVwG zu Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Spruch des an die BF gerichteten, angefochtenen Bescheides lautet wortwörtlich folgendermaßen:

„1) Die Vorstellung wird zurückgewiesen.

2) Der Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) des Bezirksgerichtes Leopoldstadt vom 11.01.2021 erlassen durch die Kostenbeamtin des Landesgerichtes für ZRS Wien, über insgesamt € 17.008,00 wird bestätigt.

Zahlungspflichtig ist die verpflichtete Partei […]

Der Gesamtbetrag hat binnen 14 Tagen auf dem folgenden Konto einzulangen, ansonsten wird ein Exekutionsverfahren gegen Sie eingeleitet werden: […]“

Dazu wird festgestellt, dass gegen den Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) des BG vom 11.01.2021 eine Vorstellung erhoben wurde, welche mit dem angefochtenen Bescheid in Spruchpunkt 1) als unzulässig zurückgewiesen wurde. In Spruchpunkt 2) wurde sodann der Mandatsbescheid vom 11.01.2021 von der belangten Behörde „bestätigt“.

Damit steht fest, dass die belangte Behörde über den mit Erhebung der Vorstellung ex lege außer Kraft getretenen Mandatsbescheid explizit als Vorstellungsbehörde abgesprochen hat.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten, unstrittigen Verwaltungsunterlagen sowie den Aktenbestandteilen des gerichtlichen Grundverfahrens.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zulässigkeit und Verfahren

Die Beschwerde wurde gemäß § 7 Abs 4 VwGVG (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz) innerhalb der Frist von vier Wochen bei der belangten Behörde eingebracht. Es liegen auch sonst keine Anhaltspunkte für eine Unzulässigkeit der Beschwerde vor.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels entsprechender Sonderregelung im GEG bzw im GGG liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht – soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet – den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) zu überprüfen.

Das Verwaltungsgericht hat gemäß § 28 Abs 2 VwGVG über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht.

Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteienantrags - der hier ohnehin nicht vorliegt - von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 EMRK noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen. Im gegenständlichen Fall geht der Sachverhalt eindeutig aus den Akten hervor. Wie der Verwaltungsgerichtshof ausführte ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Verfahren zur Vorschreibung und Einbringung von Gerichtsgebühren mangels Vorliegens von „civil rights" unter dem Blickwinkel des Art 6 EMRK nicht erforderlich (VwGH 26.06.2003, 2000/16/0305; 11.01.2016, Ra 2015/16/0132). Auch ist nicht ersichtlich, warum nach Art 47 der EU Grundrechte-Charta eine Verhandlung erforderlich sein soll. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs 4 VwGVG entfallen und ist auch die Rechtsfrage nicht derart komplex, dass es zu deren Erörterung einer mündlichen Verhandlung bedürfte.

Zu A)

3.2. Gesetzliche Grundlagen

Die maßgeblichen Bestimmungen des Gerichtlichen Einbringungsgesetzes, BGBl. Nr. 288/1962 idgF (GEG), lauten:

Gemäß § 1 Z 2 GEG hat das Gericht die rechtskräftig verhängte Geldstrafe von Amts wegen einzubringen.

Gemäß § 6b Abs 4 GEG können im Verfahren zur Einbringung im Justizverwaltungsweg weder das Bestehen noch die Rechtmäßigkeit einer im Grundverfahren dem Grunde und der Höhe nach bereits rechtskräftig festgestellten Zahlungspflicht überprüft werden.

Diese Regelung entspricht dem bereits vor dem 01.01.2014 geltenden Grundsatz, dass gegen einen Zahlungsauftrag, mit dem sich aus einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung ergebende Beträge vorgeschrieben werden, ein Rechtsmittel nur dann erhoben werden kann, wenn die Zahlungsfrist unrichtig bestimmt wurde oder der Zahlungsauftrag der ihm zugrundeliegenden Entscheidung des Gerichtes nicht entspricht (vgl § 7 Abs 1 GEG in der bis zum 31.12.2013 geltenden Fassung). Der Grundsatz der Trennung der Justiz von der Verwaltung soll – wie die Materialien zu § 6b Abs 4 GEG, BGBl. I Nr. 190/2013, ausführen – nun eindeutig im Gesetz normiert werden (Regierungsvorlage 2357 der Beilagen XXIV. GP, S 8f; siehe auch Dokalik, Gerichtsgebühren13, § 6b GEG Anm. 7).

Aus dem im Art 94 B-VG normierten Grundsatz der Gewaltentrennung ergibt sich, dass im Verwaltungsverfahren die Verwaltungsbehörden nicht berechtigt sein sollen, die Richtigkeit gerichtlicher Entscheidungen zu hinterfragen (VwGH 14.09.2004, 2004/06/0074; 27.01.2011, 2010/06/0127).

Die gerichtliche Entscheidung ist im Falle der Einbringung von Geldstrafen, zu welchen entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 28.11.2006, 2006/06/0261) einem weiten Verständnis folgend auch Ordnungs-, Mutwillens- und Zwangsstrafen zählen, die gerichtliche Entscheidung über die Verhängung der Geldstrafe. Eine selbständige Prüfungsbefugnis der Justizverwaltung bezüglich der Rechtmäßigkeit der Verhängung der Geldstrafe besteht nicht (VwGH 13.10.2004, 2000/10/0033; Wais/Dokalik, Gerichtsgebühren12, § 6b GEG E 27).

Betreffend Gerichtsgebühren ist der sich aus der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergebende Grundsatz des Anknüpfens an formale äußere Tatbestände zu berücksichtigen, weil eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes gewährleistet sein muss (siehe zB VwGH 28.03.2014, 2013/16/0218; 29.04.2013, 2011/16/0004). Eine ausdehnende oder einschränkende Auslegung des Gesetzes, die sich vom Wortlaut insoweit entfernt, als sie über das Fehlen eines Elements des im Gesetz umschriebenen formalen Tatbestandes an den die Gebührenpflicht oder Ausnahme geknüpft ist, hinweg sieht, würde diesem Prinzip nicht gerecht werden (Dokalik, Gerichtsgebühren12, § 1 GGG E 13 mwN; VwGH 27.05.2014, 2013/16/0189).

Gemäß § 6a Abs 1 GEG (idF BGBl. I Nr. 19/2015) sind – sofern die nach § 1 GEG einzubringenden Beträge nicht sogleich entrichtet (§ 4 GGG) werden oder wenn die Einziehung erfolglos geblieben ist – diese durch Bescheid zu bestimmen (Zahlungsauftrag). Der Zahlungsauftrag hat eine Aufstellung der geschuldeten Beträge und die Aufforderung zu enthalten, den Betrag binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu zahlen. Gleichzeitig ist dem Zahlungspflichtigen eine Einhebungsgebühr in Höhe von € 8,00 vorzuschreiben. Der Zahlungsauftrag ist ein Exekutionstitel im Sinne der Exekutionsordnung.

§ 7 idF BGBl. I 156/2015 GEG lautet (Auszug, Hervorhebung durch BVwG):

„§ 7. (1) Wer sich durch den Inhalt eines Mandatsbescheids, der von einem Kostenbeamten (§ 6 Abs. 2) namens der Behörde erlassen wurde, beschwert erachtet, kann binnen zwei Wochen Vorstellung bei der Behörde (§ 6 Abs. 1) erheben. In der Rechtsmittelbelehrung des Mandatsbescheids kann auch angeordnet werden, dass die Vorstellung bei der das Grundverfahren führenden Dienststelle einzubringen ist; auch in diesem Fall gilt aber die Einbringung bei der Behörde nach § 6 Abs. 1 als rechtzeitig.

(2) Verspätete und unzulässige Vorstellungen sind von der Behörde zurückzuweisen. Mit der rechtzeitigen Erhebung der Vorstellung tritt der Mandatsbescheid außer Kraft, soweit sich die Vorstellung nicht ausdrücklich nur gegen einen Teil des vorgeschriebenen Betrags richtet. Die Behörde kann erforderlichenfalls Ermittlungen durchführen und hat mit Bescheid auszusprechen, ob und inwieweit eine Zahlungspflicht besteht; dabei ist sie nicht an die Anträge der Partei gebunden, sondern kann auch über eine weitergehende Zahlungspflicht absprechen. Liegt dem Mandatsbescheid ein Antrag zu Grunde, so hat die Behörde über diesen abzusprechen; die Frist nach § 73 Abs. 1 AVG beginnt mit dem Einlangen der Vorstellung. Bescheide nach diesem Absatz dürfen nicht vom Kostenbeamten nach § 6 Abs. 2 im Namen der Behörde erlassen werden. […]“

Das Recht, eine Vorstellung zu erheben, steht der vom Mandatsbescheid betroffenen Partei zu. Als Inhalt der Vorstellung ist lediglich erforderlich, dass der Bescheid bezeichnet wird, gegen den sie sich richtet, und dass zum Ausdruck gebracht wird, dass die Partei Vorstellung erheben will. Ein Begehren oder eine Begründung ist nicht erforderlich (Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 Rz 583 ff; VwGH 19.12.2005, 2005/03/0053).

3.3. Beurteilung des konkreten Sachverhaltes

Nach § 7 Abs 2 GEG sind verspätete und unzulässige Vorstellungen zurückzuweisen. Allerdings tritt mit der rechtzeitigen Erhebung der Vorstellung der Mandatsbescheid außer Kraft.

Im vorliegenden Fall richtet sich der ausdrücklich als Mandatsbescheid bezeichnete Zahlungsauftrag vom 11.01.2021 an die BF und wurde dieser am 15.01.2021 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 18.01.2021 (beim BG eingelangt am 19.01.2021) erhob die deshalb dazu legitimierte BF innerhalb der zweiwöchigen Frist eine zulässige Vorstellung dagegen.

Eine Vorstellung, die sich (wie hier) entgegen § 6b Abs 4 GEG gegen die bereits laut Aktenlage rechtskräftige Bestimmung einer Geldstrafe richtet, ist zulässig, aber allenfalls inhaltlich nicht begründet (vgl BVwG 09.09.2015, W208 2107591-1). Eine Zurückweisung daher nicht zulässig.

Weiters trat, durch die rechtzeitig erhobene und zulässige Vorstellung der Zahlungsauftrag gemäß § 7 Abs 2 GEG ex lege außer Kraft.

Infolge des Außer-Kraft-Tretens des Zahlungsauftrags (Mandatsbescheids) ist kein Verfahren über die Vorstellung anhängig. Die belangte Behörde hätte daher nicht als Vorstellungsbehörde tätig werden dürfen; sie war zur Entscheidung über die Vorstellung unzuständig (vgl VwGH 16.12.2014, Ro 2014/16/0075 zur insoweit vergleichbaren Rechtslage vor Inkrafttreten der Gerichtsgebühren-Novelle 2015 BGBl I 2015/156). Diese Unzuständigkeit der belangen Behörde ist vom BVwG auch dann aufzugreifen, wenn sie in der Beschwerde nicht geltend gemacht wird (vgl Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren § 27 VwGVG Anm 4). In Stattgebung der Beschwerde ist der angefochtene Bescheid daher gemäß § 27 VwGVG iVm § 28 Abs 1, 2 und 5 VwGVG aufzuheben.

3.4. Da dem angefochtenen Bescheid vor diesem Hintergrund eine Rechtswidrigkeit im Sinne des Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG anzulasten ist, ist der Beschwerde gemäß § 28 Abs 2 VwGVG Folge zu geben und der angefochtene Bescheid zu beheben.

Das Außer-Kraft-Treten des Mandatsbescheids und die Aufhebung des angefochtenen Bescheids bewirken aber nicht, dass damit die betreffende Verwaltungsangelegenheit zu Gunsten der BF abgeschlossen ist. Es steht der Vorschreibungsbehörde vielmehr frei, darüber neuerlich zu entscheiden (vgl VwGH 15.12.2008, 2008/02/0235).

Die belangte Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren auszusprechen haben, ob und inwieweit eine Zahlungspflicht der BF besteht und – wenn die in der Vorstellung vorgebrachten Einwendungen nicht stichhaltig sind – einen neuerlichen Zahlungsauftrag (gemäß § 7 Abs 2 letzter Satz GEG als „Vollbescheid“) zu erlassen haben oder – wenn die Einwendungen zutreffen – auszusprechen haben, dass keine Zahlungspflicht besteht (siehe Wais/Dokalik, Gerichtsgebühren12 § 7 GEG Anm 3).

In diesem Zusammenhang wird aus verwaltungsökonomischen Gründen darauf hingewiesen, dass die im angefochtenen Bescheid geäußerte Rechtsansicht, die Gesetzmäßigkeit der durch Gerichtsbeschluss dem Grunde und der Höhe nach bereits rechtskräftig festgestellten Zahlungspflicht dürfe im Verwaltungsverfahren zur Einbringung der Forderung nicht mehr aufgerollt werden, nicht zu beanstanden ist.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Auf die oben dargestellte Judikatur des VwGH wird verwiesen.

Schlagworte

äußere Formaltatbestände Außerkrafttreten Bescheidbehebung Einbringung von Beträgen Einhebungsgebühr Geldstrafe Gerichtsgebühren Gerichtsgebührenpflicht Mandatsbescheid unzuständige Behörde Vorstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W208.2243556.1.00

Im RIS seit

01.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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