Entscheidungsdatum
01.09.2021Norm
AVG §39 Abs2Spruch
W278 2203402-1/6E
W278 2203402-2/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HABITZL als Einzelrichter, über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA Ungarn, vertreten durch Schmid/Hochstöger Rechtsanwälte, in 4020 Linz, gegen die Maßnahmen der Festnahme am 08.08.2018, Anhaltung in Verwaltungsverwahrungshaft von 08.08.2018 20:00 Uhr bis 09.08.2018 16:55 Uhr und Abschiebung nach Ungarn am 09.08.2018 zu Recht:
A.) Die Beschwerdeverfahren werden gemäß § 17 VwGVG iVm § 39 Abs. 2 AVG zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
B.)
I. Den Beschwerden gegen die Festnahme am 08.08.2018 und die Anhaltung von 08.08.2018, 20:00 Uhr, bis 09.08.2018, 16:55 Uhr, wird stattgegeben und die Festnahme sowie die Anhaltung der Beschwerdeführerin werden für rechtswidrig erklärt.
II. Der Beschwerde gegen die Abschiebung am 09.08.2018 wird stattgegeben und die Abschiebung für rechtswidrig erklärt.
III. Gemäß § 35 VwGVG iVm VwG-Aufwandersatzverordnung, hat der Bund der Beschwerdeführerin zu Handen ihrer ausgewiesenen Vertretung Aufwendungen in Höhe von insgesamt € 1475,20 (davon € 737,60 hinsichtlich des Obsiegens im Zusammenhang mit der Beschwerde gegen die Festnahme und Anhaltung sowie € 737,60 hinsichtlich der Beschwerde gegen die Abschiebung) binnen 2 Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
C.) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
A. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin (BF), eine ungarische Staatsangehörige, war seit Januar 2015 im österreichischen Bundesgebiet bei verschiedenen Arbeitgebern als Arbeiterin beschäftigt. Sie war jedoch nach eigenen Angaben weiterhin in Ungarn wohnhaft.
Am 08.08.2018 wurde die BF in dem österreichischen Lokal, in welchem sie zu dieser Zeit legal beschäftigt war, einer fremdenpolizeilichen Kontrolle unterzogen. Dabei wurde sie durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA, Bundesamt oder Behörde) niederschriftlich einvernommen. Sie gab dabei im Wesentlichen an, sie lebe weiterhin in Ungarn, arbeite seit zwei Jahren in dem fraglichen Lokal für Sportwetten und könne keine näheren Angaben zu ihrem Arbeitgeber machen. Die BF habe auch keinerlei Wissen hinsichtlich illegaler Glücksspielaktivitäten in den besagten Lokalräumlichkeiten. Sie sei im Besitz einer Bankomatkarte und habe auch Bargeld bei sich. Sie sei gesund und nehme keine Medikamente.
Ebenfalls am 08.08.2018 wurde die BF auf Basis eines Festnahmeauftrags nach § 34 Abs. 3 Z. 3 BFA-VG (Auftrag zur Abschiebung beabsichtigt) festgenommen. Die BF befand sich fortan in Verwaltungsverwahrungshaft.
Mit Bescheid des BFA vom 09.08.2018 wurde gegen die BF gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs. 3 FPG der BF ein Durchsetzungsaufschub nicht erteilt (Spruchpunkt II.) sowie einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.). Die BF erhob gegen den genannten Bescheid Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG). Mit Beschluss des BVwG vom 16.11.2018 wurde der Bescheid vom 09.08.2018 aufgehoben und in die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen.
Am 09.08.2018 wurde die BF auf dem Landweg in ihren Herkunftsstaat abgeschoben.
Mit Schriftsatz vom 13.08.2018 erhob der BF durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter gegen die Festnahme der BF am 08.08.2018 und mit Schriftsatz vom 17.09.2019 (zudem) Beschwerde gegen die Anhaltung der BF „in Schubhaft“ von 08.08.2018 bis 09.08.2019 sowie die Abschiebung der BF am letztgenannten Tag. Ausgeführt wurde im Wesentlichen, die BF habe sich nicht illegal im Bundesgebiet aufgehalten, sondern sei als Arbeitnehmerin im österreichischen Bundesgebiet gewesen und eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme sei zum Zeitpunkt der Festnahme nicht vorgelegen. Die Voraussetzungen für die „Schubhaft“ und die Abschiebung seien nicht gegeben gewesen. Beantragt wurden die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Beschwerdestattgabe sowie Kostenersatz.
Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 23.03.2021 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung W140 abgenommen und der Gerichtsabteilung W281 zugewiesen.
Das BFA legte mit Schriftsätzen vom 14.08.2018 und 23.04.2021 die Verwaltungsakten zu den jeweiligen Maßnahmenbeschwerden vor und beantragte (erkennbar) die Beschwerdestattgabe. Kostenersatz wurde in keinem Fall beantragt.
Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 29.06.2021 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung W281 abgenommen und der Gerichtsabteilung W278 zugewiesen.
B. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
I. Feststellungen:
1. Die BF ist ungarische Staatsbürgerin und war in Österreich von Jänner 2015 bis zu ihrer Festnahme durchgehend als Arbeiterin bei verschiedenen Dienstgebern beschäftigt. Ihre Identität steht fest. Sie ist EWR-Bürgerin im Sinne des § 2 Abs. 4 Z. 8 FPG.
2. Am 08.08.2018 wurde die BF auf Basis eines - Festnahmeauftrags nach § 34 Abs. 3 Z. 3 BFA-VG (Auftrag zur Abschiebung beabsichtigt) festgenommen. Zum Zeitpunkt der Festnahme lag keine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme gegen die BF vor.
3. Die BF befand sich von 08.08.2018, 20:00 Uhr, bis 09.08.2018, 16:55 Uhr, in Verwaltungsverwahrungshaft.
4. Mit Bescheid des BFA vom 09.08.2018 wurde gegen die BF gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs. 3 FPG der BF ein Durchsetzungsaufschub nicht erteilt (Spruchpunkt II.) sowie einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.) erlassen.
Die BF erhob gegen den genannten Bescheid Beschwerde, eingebracht am 04.09.2018, an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG). Die Behörde legte die zugehörigen Verwaltungsakten am 07.09.2018 vor. Mit Beschluss des BVwG vom 16.11.2018 wurde der Bescheid vom 09.08.2018 aufgehoben und in die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen.
5. Am 09.08.2018, 16:55 Uhr, wurde die BF auf dem Landweg in ihren Herkunftsstaat abgeschoben. Zum Zeitpunkt der Abschiebung war das gegen die BF mit Bescheid vom 09.08.2018 erlassene Aufenthaltsverbot nicht durchführbar.
6. Bei der BF lagen im gegenständlichen Zeitpunkt keine wesentlichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen vor. Die BF war hafttauglich.
7. Sie war im österreichischen Bundesgebiet nicht wohnsitzlich gemeldet und ist strafgerichtlich unbescholten. Die BF ist im Bundesgebiet beruflich verankert. Sie spricht – laut eigenen Angaben – nicht Deutsch.
II. Beweiswürdigung:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde sowie den Akt des BVwG zu G307 2204928-1. Zudem wurden aktuelle Straf- und Melderegisterauskünfte sowie Auszüge aus der Anhaltedatei, dem Zentralen Fremdenregister (IZR) und ein Versicherungsdatenauszug eingeholt. Der Sachverhalt ergibt sich in weiten Teilen aus den im Akt einliegenden unbedenklichen Urkunden.
1. Die Staatsbürgerschaft der BF ist aus dem IZR, ihre Berufstätigkeit in Österreich aus dem eingeholten Versicherungsdatenauszug ersichtlich.
2. Der Festnahmeauftrag vom 08.08.2018 liegt vor. Die Festnahme der BF geht aus dem Akteninhalt und der Anhaltedatei hervor. Zumal der Bescheid des BFA hinsichtlich des Aufenthaltsverbotes gegen die BF erst am 09.08.2018 erlassen wurde und sonstige aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen die BF aus dem gesamten Akteninhalt und insbesondere dem IZR nicht ersichtlich sind lag am 08.08.2018 keinerlei aufenthaltsbeendende Maßnahme gegen die BF vor.
3. Die Anhaltedauer der BF ist aus der Anhaltedatei ersichtlich.
4. Der Bescheid des BFA vom 09.08.2018 und der Beschluss des BVwG vom 16.11.2018 liegen im Akt ein.
5. Die Abschiebung der BF am 09.08.2018 ist der Anhaltedatei zu entnehmen. Dass die gegen die BF erlassene Rückkehrentscheidung zum Zeitpunkt der Abschiebung zwar durchsetzbar, jedoch nicht durchführbar war, ergibt sich daraus, dass mit Bescheid vom 09.08.2019 zwar kein Durchsetzungsaufschub gewährt und die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde ausgeschlossen wurde jedoch nach der Rechtsprechung des VwGH § 16 Abs. 4 BFA-VG analog zum Tragen kommt. Nähere Ausführungen hierzu sind der rechtlichen Beurteilung zu entnehmen.
6. Die BF selbst gab im Rahmen der Einvernahme am 08.08.2018 an, gesund zu sein. Gegenteiliges wurde weder vorgebracht, noch ergibt sich eine gesundheitliche Einschränkung der BF aus dem übrigen Akteninhalt.
7. Dass die BF nicht in Österreich, sondern weiter in Ungarn lebte und in Österreich lediglich arbeitete gab sie selbst vor dem BFA an. Die Unbescholtenheit der BF ist einem vorliegenden Strafregisterauszug zu entnehmen. Die berufliche Verankerung der BF war festzustellen, da sie im relevanten Zeitpunkt seit mehreren Jahren im Bundesgebiet berufstätig war. Sie selbst gab gegenüber dem BFA an, kein Deutsch zu sprechen. Gegenteiliges wurde nicht vorgebracht.
III. Rechtliche Beurteilung:
1. Zu Spruchpunkt A. Verbindung der Beschwerdeverfahren
Das BVwG kann nach § 17 VwGVG iVm § 39 Abs. 2 AVG unter Bedachtnahme auf möglichste Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis mehrere in seine Zuständigkeit fallende Rechtssachen zur gemeinsamen Entscheidung verbinden, soweit dies im Rahmen der Geschäftsverteilung möglich ist (Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 Rz 276/1 und 798).
In beiden Verfahren handelt es sich um dieselbe Beschwerdeführerin. Die Beschwerden stehen in engem zeitlichen und thematischem Zusammenhang. So ist die Anhaltung der BF im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Festnahme zu überprüfen. Die Überlegungen zum Bescheid vom 09.08.2018 sind für Verfahren gleichermaßen relevant. Zumal in den Beschwerdeverfahren ähnliche Tatsachen- und Rechtsfragen zu klären und diese derselben Gerichtsabteilung am BVwG zugewiesen sind, waren die Verfahren aus Zweckmäßigkeitsgründen zur gemeinsamen Entscheidung zu verbinden.
2. Zu Spruchpunkt B.I.: Beschwerdestattgabe hinsichtlich Festnahme und Anhaltung:
2.1. Gesetzliche Grundlagen:
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären und gegebenenfalls aufzuheben, wenn im Verfahren wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG eine Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, idgF, lautet auszugsweise:
"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn
1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,
2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder
3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.
(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.
(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt. (...)"
Der mit "Bundesverwaltungsgericht" betitelte § 7 Abs. 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:
„§ 7. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über
1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes,
2. Beschwerden gegen Bescheide der Vertretungsbehörden gemäß dem 11. Hauptstück des FPG,
3. Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG,
4. Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes und
5. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesministers für Inneres in Verfahren gemäß §§ 3 Abs. 2 Z 1 bis 6 und 4 Abs. 1 Z 1 und 2."
In § 34 BFA-VG idF BGBl. I Nr. 145/2017 finden sich die Voraussetzungen für die Anordnung der Festnahme eines Fremden:
„§ 34. (1) Das Bundesamt kann die Festnahme eines Fremden anordnen (Festnahmeauftrag), wenn dieser
1. Auflagen gemäß §§ 56 Abs. 2 oder 71 Abs. 2 FPG verletzt, oder
2. sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.
(2) Das Bundesamt kann die Festnahme eines Fremden auch ohne Erlassung eines Schubhaftbescheides anordnen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die Voraussetzungen für die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vorliegen und
1. der Fremde ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zu eigenen Handen zugestellten Ladung, in der dieses Zwangsmittel angedroht war, nicht Folge geleistet hat oder
2. der Aufenthalt des Fremden nicht festgestellt werden konnte.
(3) Ein Festnahmeauftrag kann gegen einen Fremden auch dann erlassen werden,
1. wenn die Voraussetzungen zur Verhängung der Schubhaft nach § 76 FPG oder zur Anordnung gelinderer Mittel gemäß § 77 Abs. 1 FPG vorliegen und nicht aus anderen Gründen die Vorführung vor das Bundesamt erfolgt;
2. wenn er seiner Verpflichtung zur Ausreise (§§ 52 Abs. 8 und 70 Abs. 1 FPG) nicht nachgekommen ist;
3. wenn gegen den Fremden ein Auftrag zur Abschiebung (§ 46 FPG) erlassen werden soll oder
4. wenn eine aufgrund eines Bescheides gemäß § 46 Abs. 2b FPG erlassene Vollstreckungsverfügung nicht vollzogen werden konnte oder der Fremde ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zu eigenen Handen zugestellten Ladung gemäß § 46 Abs. 2b FPG, in der dieses Zwangsmittel angedroht war, zur Befragung zur Klärung seiner Identität und Herkunft, insbesondere zum Zweck der Einholung einer Bewilligung gemäß § 46 Abs. 2a FPG bei der zuständigen ausländischen Behörde durch die Behörde, nicht Folge geleistet hat.
(4) Das Bundesamt kann die Festnahme eines Asylwerbers anordnen, wenn er sich dem Verfahren entzogen hat (§ 24 Abs. 1 AsylG 2005).
(5) Der Festnahmeauftrag ergeht in Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt; er ist aktenkundig zu machen. Die Anhaltung auf Grund eines Festnahmeauftrages darf 72 Stunden nicht übersteigen und ist nach Durchführung der erforderlichen Verfahrenshandlungen zu beenden.
(6) In den Fällen der Abs. 1 bis 4 ist dem Beteiligten auf sein Verlangen sogleich oder binnen der nächsten 24 Stunden eine Durchschrift des Festnahmeauftrages zuzustellen.
(7) Die Anhaltung eines Fremden, gegen den ein Festnahmeauftrag erlassen wurde, ist dem Bundesamt unverzüglich anzuzeigen. Dieses hat mitzuteilen, ob der Fremde in eine Erstaufnahmestelle oder Regionaldirektion vorzuführen ist.
(8) Ein Festnahmeauftrag ist zu widerrufen, wenn
1. das Verfahren zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten eingestellt wurde und die Fortsetzung des Verfahrens nicht mehr zulässig ist (§ 24 Abs. 2 AsylG 2005) oder
2. der Asylwerber aus eigenem dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht seinen Aufenthaltsort bekannt gibt und nicht auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, er werde sich wieder dem Verfahren entziehen.
(Anm.: Z 3 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 70/2015)
? (9) Das Bundesamt hat die Erlassung und den Widerruf eines Festnahmeauftrags den Landespolizeidirektionen bekannt zu geben.“
Der mit „Festnahme“ betitelte § 40 BFA-VG idF BGBl. I Nr. 70/2015 lautet:
„§ 40. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, einen Fremden zum Zweck der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen,
1. gegen den ein Festnahmeauftrag (§ 34) besteht,
2. wenn dieser Auflagen gemäß §§ 56 Abs. 2 oder 71 Abs. 2 FPG verletzt oder
3. der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.
(2) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, Asylwerber oder Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, zum Zwecke der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen, wenn
1. dieser Fremde nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist,
2. gegen diesen eine durchsetzbare – wenn auch nicht rechtskräftige – aufenthaltsbeendende Maßnahme gemäß dem 8. Hauptstück des FPG erlassen wurde,
3. gegen diesen nach § 27 AsylG 2005 ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet wurde,
4. gegen diesen vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme gemäß dem 8. Hauptstück des FPG erlassen wurde oder
5. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.
(3) In den Fällen der Abs. 1 und 2 kann die Festnahme unterbleiben, wenn gewährleistet ist, dass der Fremde das Bundesgebiet unverzüglich über eine Außengrenze verlässt.
(4) Das Bundesamt ist ohne unnötigen Aufschub über die erfolgte Festnahme zu verständigen. Die Anhaltung eines Fremden ist in den Fällen der Abs. 1 Z 2 und 3 und Abs. 2 bis zu 48 Stunden und in den Fällen des Abs. 1 Z 1 bis zu 72 Stunden zulässig; darüber hinaus ist Freiheitsentziehung nur gemäß § 77 Abs. 5 FPG oder in Schubhaft gemäß § 76 FPG möglich. Dem festgenommenen Fremden ist die Vornahme der Festnahme über sein Verlangen schriftlich zu bestätigen.
(5) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 70/2015)
(6) Während der Zulässigkeit der Sicherung der Zurückweisung im Flughafenverfahren sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, zu verhindern, dass ein zurückgewiesener Asylwerber in das Bundesgebiet einreist, soweit es ihm nicht gestattet ist.“
2.2. Judikatur
Während der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung VwGH 26.1.2001, 2000/02/0340, zu § 72 Abs. 1 FrG 1997 noch davon ausging, dass mit Anhaltung nur die Anhaltung in Schubhaft gemeint war, subsumierte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VwGH 19.5.2011, 2009/21/0214, zu § 82 Abs. 1 FPG aF eine Anhaltung ohne Erlassung eines Schubhaftbescheides ausdrücklich unter § 82 Abs. 1 Z 2 FPG, weil diese Bestimmung nicht nur für Beschwerden gegen die Anhaltung in Schubhaft, „sondern für jede Beschwerde, die sich gegen eine auf das FPG gestützte Anhaltung richtet,“ zur Verfügung stand. Gleiches hat auch für die Anfechtungsbefugnis gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG zu gelten, der ausweislich der Erläuterungen (RV 2144 BlgNR 24. GP) § 82 Abs. 1 FPG aF entspricht (vgl. Szymansiki, § 22a BFA-VG Anm. 1, in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht, 2014).
Die gesonderte Anfechtung eines Festnahmeauftrages kommt jedenfalls nach vollzogener Festnahme schon zur Vermeidung von Doppelgleisigkeiten nicht in Betracht (VwGH 03.09.2015, Ro 2015/21/0025); bei der Überprüfung der Festnahme ist allerdings zu prüfen, ob die Festnahme rechtswidrig war, weil der zugrundeliegende Festnahmeauftrag nicht hätte ergehen dürfen oder weil er jedenfalls vor seinem Vollzug zu widerrufen gewesen wäre (VwGH 25.10.2012, 2010/21/0378).
Nach Art. 5 Abs. 1 EMRK hat jedermann ein Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf einem Menschen nur in den Fällen des Abs. 1 lit. a bis f und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden. Art. 1 PersFrBVG gewährleistet dieses Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) ebenfalls. Nach Art. 1 Abs. 2 PersFrBVG darf niemand aus anderen als den in diesem BVG genannten Gründen oder auf andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen oder angehalten werden. Der Entzug der persönlichen Freiheit darf nach Art. 1 Abs. 3 PersFrBVG nur vorgesehen werden, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme notwendig ist. Er ist nur zulässig, wenn und soweit dies nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht. Nach Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG darf die persönliche Freiheit einem Menschen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden, wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern.
Im Verfahren gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG ist die Frage der Rechtmäßigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme keiner Prüfung zu unterziehen (VwGH 27.03.2007, 2007/21/0019; 31.08.2006, 2004/21/0138), ebenso wenig die Rechtmäßigkeit der Abschiebung. Beachtlich ist vielmehr im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit von Festnahme und Anhaltung, ob die belangte Behörde bei Setzung dieser Maßnahme realistischer Weise mit der tatsächlichen Durchführung der Abschiebung rechnen durfte.
Die Anhaltung eines Fremden ist in den Fällen der § 40 Abs. 1 Z 1 gemäß Abs. 4 BFA-VG bis zu 72 Stunden zulässig. Dabei handelt es sich aber – wie bei § 39 FPG (vgl. VwGH 12.09.2013, 2012/21/0204) – um eine Maximalfrist. Auch im Bereich fremdenpolizeilicher Festnahmen ist die Behörde schon aus verfassungsrechtlichen Gründen verpflichtet, die Anhaltedauer so kurz als möglich zu halten und im Interesse einer kurzen Haftdauer die dafür notwendigen und ihr zumutbaren organisatorischen und personellen Maßnahmen zu treffen.
Die auf eine untaugliche Grundlage gestützte Festnahme wird aber auch dadurch, dass eine andere (aber nicht herangezogene) Rechtsgrundlage zur Verfügung gestanden wäre, nicht zu einer rechtmäßigen Maßnahme (vgl. VwGH 19.05.2011, 2009/21/0214).
2.3. Rechtlich folgt daraus:
Gemäß §22a Abs. 2 BFA-VG hat der Fremde das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn 1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist, 2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder 3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.
Das Bundesverwaltungsgericht ist sohin für die Entscheidung in den gegenständlichen Beschwerden gegen Festnahme und Anhaltung zuständig.
Gemäß dem mit Festnahmeauftrag betitelten § 34 BFA-VG in der zitierten Fassung kann ein Festnahmeauftrag gegen einen Fremden auch dann erlassen werden, wenn gegen ihn ein Auftrag zur Abschiebung (§ 46 FPG) erlassen werden soll (Abs. 3 Z 3 leg cit.). Gemäß Abs. 5 leg cit. ergeht der Festnahmeauftrag in Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt; er ist aktenkundig zu machen. Die Anhaltung aufgrund eines Festnahmeauftrags darf 72 Stunden nicht übersteigen und ist nach Durchführung der erforderlichen Verfahrenshandlungen zu beenden.
Gemäß § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG idF BGBl. I Nr. 70/2015 sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einen Fremden zum Zweck der Vorführung für das Bundesamt festzunehmen, wenn gegen ihn ein Festnahmeauftrag nach § 34 BFA-VG besteht.
Am 08.08.2018 wurde die BF auf Basis eines Festnahmeauftrags nach § 34 Abs. 3 Z. 3 BFA-VG (Auftrag zur Abschiebung beabsichtigt) festgenommen und befand sich von 08.08.2018, 20:00 Uhr, bis 09.08.2018, 16:55 Uhr, in Verwaltungsverwahrungshaft.
Erst mit Bescheid des BFA vom 09.08.2018 wurde gegen die BF gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs. 3 FPG der BF ein Durchsetzungsaufschub nicht erteilt (Spruchpunkt II.) sowie einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).
Wie festgestellt lag somit im Zeitpunkt der Festnahme keine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor. Da damit eine Abschiebung unzulässig war, waren der Festnahmeauftrag zur Erlassung eines Auftrags zur Abschiebung und die darauf basierende Festnahme und Anhaltung schon aus diesem Grund rechtswidrig (vgl. etwa VwGH 22.05.2014, 2014/21/0001; 29.02.2012, 2010/21/0062). Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.
3. Zu Spruchpunkt B.II.: Beschwerdestattgabe hinsichtlich Abschiebung:
3.1. Rechtliche Grundlagen:
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären und gegebenenfalls aufzuheben, wenn im Verfahren wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG eine Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Der mit „Bundesverwaltungsgericht“ betitelte § 7 BFA-VG idgF lautet:
„§ 7. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über
1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes,
2. Beschwerden gegen Bescheide der Vertretungsbehörden gemäß dem 11. Hauptstück des FPG,
3. Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG,
4. Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes und
5. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesministers für Inneres in Verfahren gemäß §§ 3 Abs. 2 Z 1 bis 6 und 4 Abs. 1 Z 1 und 2.
(2) Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision oder der Verfassungsgerichtshof einer Beschwerde gegen ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes gemäß Abs. 1 stattgegeben hat.“
§46 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) StF BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017 lautet:
„§ 46. (1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn
1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,
2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,
3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder
4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.
(2) Ein zur Ausreise verpflichteter Fremder, der über kein Reisedokument verfügt und ohne ein solches seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen kann, hat – vorbehaltlich des Abs. 2a – bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus Eigenem ein Reisedokument einzuholen und gegenüber dieser Behörde sämtliche zu diesem Zweck erforderlichen Handlungen, insbesondere die Beantragung des Dokumentes, die wahrheitsgemäße Angabe seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft sowie die Abgabe allfälliger erkennungsdienstlicher Daten, zu setzen; es sei denn, dies wäre aus Gründen, die der Fremde nicht zu vertreten hat, nachweislich nicht möglich. Die Erfüllung dieser Verpflichtung hat der Fremde dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen. Satz 1 und 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt des Fremden gemäß § 46a geduldet ist.
(2a) Das Bundesamt ist jederzeit ermächtigt, bei der für den Fremden zuständigen ausländischen Behörde die für die Abschiebung notwendigen Bewilligungen (insbesondere Heimreisezertifikat oder Ersatzreisedokument) einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (§ 97 Abs. 1) auszustellen. Macht es davon Gebrauch, hat der Fremde an den Amtshandlungen des Bundesamtes, die der Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung oder der Ausstellung des Reisedokumentes gemäß § 97 Abs. 1 dienen, insbesondere an der Feststellung seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft, im erforderlichen Umfang mitzuwirken und vom Bundesamt zu diesem Zweck angekündigte Termine wahrzunehmen.
(2b) Die Verpflichtung gemäß Abs. 2 oder 2a Satz 2 kann dem Fremden mit Bescheid auferlegt werden. Für die Auferlegung der Verpflichtung gemäß Abs. 2a Satz 2 gilt § 19 Abs. 2 bis 4 iVm § 56 AVG sinngemäß mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Ladung die Auferlegung der Verpflichtung tritt; ein solcher Bescheid kann mit einer Ladung vor das Bundesamt oder zu einer Amtshandlung des Bundesamtes zur Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung bei der zuständigen ausländischen Behörde verbunden werden (§ 19 AVG). § 3 Abs. 3 BFA-VG gilt.
(3) Das Bundesamt hat alle zur Durchführung der Abschiebung erforderlichen Veranlassungen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles (insbesondere Abs. 2 und 4) ehestmöglich zu treffen, insbesondere hat es allfällige Gebühren und Aufwandersatzleistungen an ausländische Behörden im Zusammenhang mit der Abschiebung zu entrichten und sich vor der Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Fremden zu vergewissern, dass dieser einem Mitglied seiner Familie, einem offiziellen Vormund oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung im Zielstaat übergeben werden kann. Amtshandlungen betreffend Fremde, deren faktischer Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben wurde, sind prioritär zu führen.
(4) Liegen bei Angehörigen (§ 72 StGB) die Voraussetzungen für die Abschiebung gleichzeitig vor, so hat das Bundesamt bei der Erteilung des Auftrages zur Abschiebung Maßnahmen anzuordnen, die im Rahmen der Durchführung sicherstellen, dass die Auswirkung auf das Familienleben dieser Fremden so gering wie möglich bleibt.
(5) Die Abschiebung ist im Reisedokument des Fremden ersichtlich zu machen, sofern dadurch die Abschiebung nicht unzulässig oder unmöglich gemacht wird. Diese Eintragung ist auf Antrag des Betroffenen zu streichen, sofern deren Rechtswidrigkeit durch das Bundesverwaltungsgericht festgestellt worden ist.
(6) Abschiebungen sind systematisch zu überwachen. Nähere Bestimmungen über die Durchführung der Überwachung hat der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festzulegen.“
Der mit „Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde“ betitelte § 18 BFA-VG StF BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 145/2017 lautet auszugsweise:
„§ 18. (…)
(2) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn
1. die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,
2. der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist
oder
3. Fluchtgefahr besteht.
(3) Bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.
(…)
(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.
(6) Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.
(7) Die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG sind in den Fällen der Abs. 1 bis 6 nicht anwendbar.“
Abs. 4 des § 16 BFA-VG StF BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 140/2017 lautet:
„(4) Kommt einer Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen oder abgewiesen wurde, oder mit der eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG erlassen wurde, die aufschiebende Wirkung nicht zu, ist diese durchsetzbar. Mit der Durchführung der mit einer solchen Entscheidung verbundenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der die bereits bestehende Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung ist bis zum Ende der Rechtsmittelfrist, wird ein Rechtsmittel ergriffen bis zum Ablauf des siebenten Tages ab Einlangen der Beschwerdevorlage, zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Beschwerdevorlage und von der Gewährung der aufschiebenden Wirkung in Kenntnis zu setzen.“
3.2. Zur Judikatur:
Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Abschiebung ist auf den Zeitpunkt ihres Vollzugs abzustellen (VwGH 29.06.2017, Ra 2017/21/0089; vgl. VwGH 20.12.2013, 2012/21/0118).
Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Abschiebung kommt es nach § 46 Abs. 1 FPG nicht nur auf das Vorliegen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Entscheidung, sondern auch auf die Erfüllung einer der in den § 46 Abs. 1 Z 1 bis 4 FPG genannten Tatbestandsvoraussetzungen an (VwGH 20.10.2011, 2010/21/0056).
In seinem Erkenntnis vom 05.03.2021, Ra 2020/21/0175-6, stellte der VwGH klar, dass § 16 Abs. 4 BFA-VG auch in Fällen von Beschwerden gegen Rückkehrentscheidungen außerhalb des asylrechtlichen Kontextes - also bei Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 2 BFA-VG - (analog) anzuwenden ist und aus dem Unionsrecht überdies die Verpflichtung folgt, vor der Durchführung der Rückkehrentscheidung - gegebenenfalls auch über die Wochenfrist nach § 16 Abs. 4 und § 18 Abs. 5 BFA-VG hinaus - die gerichtliche Entscheidung über die aufschiebende Wirkung abzuwarten.
3.3. Rechtlich folgt daraus:
Es ist kein Grund ersichtlich weshalb die in Ra 2020/21/0175-6 geteilte Rechtsansicht des VwGH nicht auch für den Fall einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG gelten sollte. Bei einer analogen Anwendung des § 16 Abs. 4 BFA-VG ergibt sich, dass die erlassene Rückkehrentscheidung im Zeitpunkt der Abschiebung noch nicht durchführbar war. Die gegenständlich angefochtene Abschiebung war sohin unrechtmäßig und zwar aus folgendem Grund:
Das Aufenthaltsverbot wurde am 09.08.2018 erlassen. Mit diesem Tage begann die vierwöchige Beschwerdefrist zu laufen. Ohne Erhebung einer Beschwerde wäre die Rückkehrentscheidung sohin mit Ablauf des 06.09.2018 rechtskräftig respektive und durchführbar iSd § 16 Abs. 4 BFA-VG geworden. Eine Abschiebung hätte daher in diesem Fall ab dem 07.09.2018 vorgenommen werden können. Daran ändert auch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gem. § 18 BFA-VG nichts.
Im vorliegenden Fall aber erhob die BF mit Schriftsatz vom 04.09.2018 Beschwerde gegen das Aufenthaltsverbot. Gemäß der Bestimmung des § 16 Abs. 4 BFA-VG hat die Behörde sohin den Akt mit der Beschwerde dem Gericht vorzulegen, um die vorgesehene Frist von einer Woche in Gang zu setzen. Die Behörde legte den Akt zur Behandlung der Beschwerde dem Gericht per 07.09.2018 vor, was als fristauslösender Zeitpunkt anzusehen ist. Ab diesem Zeitpunkt wäre die aufenthaltsbeendende Maßnahme sohin erst nach Ablauf einer weiteren Woche durchführbar gewesen.
Durch die Abschiebung des BF am wurden demnach in jedem Fall die gesetzlich normierten Fristen für die Durchführung der Abschiebung nicht eingehalten. Sohin war die Abschiebung rechtswidrig und es war spruchgemäß zu entscheiden.
Angemerkt wird zudem, dass gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen einen Bescheid dann von der Behörde aberkannt werden kann, wenn die sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Wie sich aus dem angeführten Beschluss des BVwG vom 16.11.2018 ergibt, hat die Behörde hinsichtlich des Bescheides Ermittlungen im nötigen Ausmaß unterlassen. Da die Abschiebung jedoch bereits aus den oben angeführten Gründen rechtswidrig war, war hierauf an dieser Stelle nicht weiter einzugehen.
4. Im vorliegenden Fall konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens hinreichend geklärt werden konnte. Der Sachverhalt konnte aus den Akten abschließend ermittelt und beurteilt werden. Gründe für die zwingende Abhaltung einer mündlichen Verhandlung lagen daher nicht vor.
5. Zu den Spruchpunkt B.III.: Kostenentscheidung:
In den gegenständlichen Verfahren wurde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß § 22a BFA-VG (Festnahme und Anhaltung) und § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG (Abschiebung) Beschwerde erhoben. Im vorliegenden Verfahren begehrte die BF den Ersatz ihrer Aufwendungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Richtet sich die Beschwerde gegen mehre, trennbare Verwaltungsakte, so steht für jeden dieser Verwaltungsakte Kostenersatz zu.
Hierzu führte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 31.08.2017, Ro 2016/21/0014 aus, dass ein Anspruch auf Kostenersatz im Verfahren vor dem VwG unter anderem dann besteht, wenn sich eine Maßnahmenbeschwerde gegen mehrere Verwaltungsakte richtet und mit der Bekämpfung eines davon erfolgreich ist. Nach der - zu § 79a Abs. 7 AVG iVm § 52 Abs. 1 (und § 53 Abs. 1) VwGG idF vor Inkrafttreten des BGBl. I Nr. 33/2013 ergangenen - Judikatur (vgl. E 12. April 2005, 2004/01/0277) kommt es für den Ersatzanspruch des Beschwerdeführers darauf an, wie viele Verwaltungsakte er mit einer Maßnahmenbeschwerde erfolgreich angefochten hat. Bei der Ermittlung der Anzahl der Verwaltungsakte kann allerdings nicht allein darauf abgestellt werden, wie die zu Grunde liegende Beschwerde strukturiert ist und wie viele Einzelakte sie im Rahmen des bekämpften Amtshandelns zu erkennen vermeint. Wesentlich sind vielmehr die behördlichen Feststellungen über das angefochtene Verwaltungsgeschehen, anhand derer zu beurteilen ist, wie viele sachlich und zeitlich trenn- und unterscheidbare Akte, die einer isolierten Betrachtung zugänglich sind, vorliegen, wobei für diese Beurteilung auch der jeweils verfolgte Zweck der Amtshandlung(en) und die in Frage kommenden Rechtsverletzungen eine Rolle spielen. Diese Judikatur wurde auf den Anwendungsbereich des § 35 VwGVG 2014 übertragen (vgl. B 4. Mai 2015, Ra 2015/02/0070; E 16. März 2016, Ra 2015/05/0090).
Folglich ist zwischen den Verwaltungsakten Festnahme und Anhaltung auf der einen Seite, sowie der Abschiebung auf der anderen Seite als jeweils eigene Verwaltungsakte zu unterscheiden, da einer Abschiebung nicht zwangsweise eine Festnahme zur Verhängung der Verwaltungsverwahrungshaft vorangeht.
§ 35 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) StF BGBl. I Nr. 33/2013 idgF lautet auszugsweise:
„(1) Die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.
(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.
(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. (…)“
Im Hinblick auf die Festnahme und Anhaltung sowie auch die Abschiebung der BF ist auszuführen:
Die BF begehrte den Ersatz ihrer Aufwendungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Da sie sowohl im Hinblick auf Festnahme und Anhaltung als auch auf die Abschiebung vollständig obsiegte, steht ihr nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz ihrer Aufwendungen zu. Die Höhe der zugesprochenen Verfahrenskosten stützt sich auf die im Spruch des Erkenntnisses genannten rechtlichen Bestimmungen.
Das BFA beantragte keinen Kostenersatz, sodass ihm ein solcher schon dem Grunde nach nicht zukommt.
2.5. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
Es sind keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren hervorgekommen und sind solche aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts auch nicht gegeben.
Im Hinblick auf die klare höchstgerichtliche Judikatur und die eindeutige Rechtslage war die Revision daher nicht zuzulassen.
Schlagworte
Abschiebung Aufenthaltsverbot aufgehoben aufschiebende Wirkung Erwerbstätigkeit EWR-Bürger Frist Kostenersatz Rechtswidrigkeit VerfahrensverbindungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W278.2203402.2.00Im RIS seit
01.10.2021Zuletzt aktualisiert am
01.10.2021