TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/6 W282 2242527-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.09.2021
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Entscheidungsdatum

06.09.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77
FPG §80

Spruch


W282 2242527-3/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Florian KLICKA, BA im am 30.08.2021 amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl XXXX , über die weitere Anhaltung von XXXX , alias XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , alias XXXX , Staatsangehörigkeit Nigeria, alias Liberia in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Nach illegaler Einreise stellte der Beschwerdeführer (BF), ein nigerianischer Staatsangehöriger, am 24.11.2004 einen unbegründeten Asylantrag unter der im Spruch angegebenen Alias Identität. Sein Asylverfahren wurde mit Bescheid vom XXXX 2005 - in zweiter Instanz vom UBAS rechtskräftig am 17.04.2008 - negativ entschieden. Eine Beschwerde an den VwGH hiergegen blieb erfolglos.

2. Am XXXX 2005 wurde der BF mit Urteil eines Landesgerichtes rechtskräftig wegen strafbarer Handlungen gemäß §§ 15 StGB, 27 Abs. 1 u. 2 (1. Fall) SMG für schuldig erkannt und wurde er für diese Straftaten mit einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten bedingt bestraft.

3. Am XXXX 2006 wurden der BF mit Urteil eines Landesgerichtes rechtskräftig wegen strafbarer Handlungen gemäß §§ 15 StGB, 27 Abs 1 u. 2 SMG für schuldig erkannt und wurde er für diese Straftaten mit einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten unbedingt bestraft. Am 14.06.2006 wurde gegen ihn ein unbefristetes Rückkehrverbot erlassen, gegen welches er Beschwerde erhob. In weiterer Folge wurde dieser Beschwerde keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.

4. Am XXXX 2007 wurde der BF mit Urteil eines Landesgerichtes rechtskräftig wegen strafbarer Handlungen gemäß § 27 Abs 1 u. 2 (1. Fall) SMG, für schuldig erkannt und wurde er für diese Straftaten mit einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten unbedingt bestraft.

5. Der BF verblieb ab 2008 jedoch illegal im Bundesgebiet. Weitgehend führte er ein Leben im Verborgenen und war behördlich über längerer Phasen nicht gemeldet.

6. Am XXXX 2010 wurde er mit Urteil eines Landesgerichtes rechtskräftig wegen strafbarer Handlungen gemäß §§ 223 (2), 224 StGB für schuldig erkannt und wurde er für diese Straftaten mit einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten unbedingt bestraft. Der BF befand sich von 2010 bis Februar 2012 in Strafhaft.

7. Am 21.09.2012 stellte der BF einen Antrag auf Aufhebung des Rückkehrverbotes welcher am XXXX 2013 mit Bescheid der BPD Wien abgewiesen wurde. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft. Am 03.12.2012 wurde sein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung, den er am 23.08.2012 gestellt hatte, rechtskräftig abgewiesen.

8. Am XXXX 2014 wurde er mit Urteil eines Bezirksgerichtes rechtskräftig wegen strafbarer Handlungen gemäß §§ 146 StGB und 125 StGB für schuldig erkannt und wurde er hierfür mit einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten bedingt bestraft.

9. Am 21.11.2016 erlangte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) erstmalig davon Kenntnis, dass es sich bei der Person des BF um den nigerianischen Staatsbürger XXXX , geboren am XXXX handelt, da eine Kopie seines nigerianischen Reisepasses, ausgestellt in Wien durch die nigerianische Botschaft, von dritter Seite dem Bundesamt zugespielt wurde.

10. Am 20.04.2017 wurde der BF durch Beamte einer LPD zufällig angetroffen und festgestellt, dass sich dieser nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt. Am 21.04.2017 wurde über den BF eine erste Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot sowie zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikates wurde durch die nigerianische Botschaft zugesagt, nachdem der BF noch am Tage der In-Schubhaftnahme als nigerianischer StA. identifiziert worden war. Durch das Verschlucken eines Gegenstandes (abgebrochener Löffelstiel) presste sich der BF unmittelbar vor der geplanten Abschiebung aus der Schubhaft frei. Seine Abschiebung musste storniert werden und musste der BF aus der Schubhaft entlassen werden.

11. Mit Bescheid vom XXXX 2017 wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr.100/2005 (AsylG) idgF, nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 2 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 1 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen. Es wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig sei. Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 2 Ziffer 6 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wurde gegen ihn auch ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Absatz 2 Ziffer 1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF, die aufschiebende Wirkung aberkannt. Dagegen erhob der BF Beschwerde. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 10.07.2017 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Eine hiergegen eingebrachte Revision beim Verwaltungsgerichtshof blieb ebenfalls erfolglos. Eine Ausreise des BF erfolgte abermals nicht.

12. Am 09.05.2018 wurde der BF im Zuge einer Personenkontrolle erneut im mit unrechtmäßigem Aufenthalt im Bundesgebiet angetroffen und in ein PAZ eingeliefert. Am 10.05.2018 wurde die zweite Schubhaft über den BF verhängt. Am 12.09.2018 wurde er jedoch aus der Schubhaft entlassen, da keine HRZ-Ausstellung möglich war. Es wurde eine Wohnsitzauflage erteilt. Diese Wohnsitzauflage wurde seitens des BF nicht eingehalten.

13. Der BF meldete sich am 15.03.2019 an einer Adresse in 1030 Wien an. Am 18.06.2019 wurde er sodann aber amtlich abgemeldet, da er dort nicht aufhältig war. Am 10.07.2019 wurde der BF erneut festgenommen und in eine Justizanstalt verbracht. Ein Landesgericht verurteilte ihn am XXXX 2019 (rk XXXX 2019) wegen § 28a (1) 5. Fall SMG iVM § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 2 Jahren. Diese verbüßte der BF in Folge von Juli 2019 bis 09.04.2021

14. Mit Schreiben des Bundesamtes vom 11.02.2021 wurde dem BF die Absicht der Verhängung der Schubhaft nach seiner Strafhaft zur Kenntnis gebracht und gleichzeitig die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt. Am 17.02.2021 wurde vom BF eine diesbezügliche Stellungnahme abgegeben.

15. Im Anschluss an das Parteiengehör wurde über den BF mit (ordentlichem) Bescheid vom XXXX 2021 gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Der Bescheid wurde dem BF persönlich übergeben. Begründend wurde ausgeführt der BF habe danach durch sein Vorverhalten die Tatbestandmerkmale des § 76 Abs. 3 Zi. 1, 3, 8 und 9 FPG erfüllt und es sei daher von Fluchtgefahr auszugehen. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit habe ergeben, dass die privaten Interessen der Schonung der persönlichen Freiheit des BF dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung und des Fremdenwesens hintanzustehen haben. Ein gelinderes Mittel sei nach Ansicht der Behörde nicht als ausreichende Sicherung anzusehen, um von einer gesicherten Rückführung des BF in seinen Herkunftsstaat ausgehen zu können. Die gegenständliche Schubhaft sei daher notwendig und rechtmäßig.

16. Am 09.04.2021 wurde der BF bedingt aus der Strafhaft entlassen und direkt bis zum XXXX 2021 in Verwaltungsstrafhaft und am XXXX 2021 in die Schubhaft überführt. Dagegen erhob der BF Beschwerde an das BVwG.

17. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, W171 2242527-1/6E, vom 21.05.2021 wurde die Beschwerde gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG iVM § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG wurde festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen (Spruchpunkt II).

18. Für den BF wurde in Folge erneut am 25.05.2021 eine HRZ Zusage der nigerianischen Botschaft erteilt und der BF in Folge nacheinander für fünf Charterrückführungen nach Nigeria angemeldet. Der BF verweigerte jeweils am Vortag des jeweiligen Abschiebfluges (zuletzt Ende August 2021) vorsätzlich die Durchführung eines PCR-Tests auf COVID-19 um seine Abschiebung zu vereiteln. Zwischenzeitig wurde ein neues HRZ für den BF ausgestellt, da die Gültigkeit des vorhergehenden abgelaufen war. Nachdem dieses bereits erneut abgelaufen ist wurde eine weitere HRZ Verlängerung bei der Botschaft beantragt.

19. Mit Erkenntnis des BVwG vom 12.08.2021 zur GZ W140 2242527-2/11E wurde gemäß
§ 22a Abs. 4 BFA-VG nach einer Anhaltedauer von 4 Monaten festgestellt, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung in Schubhaft vorliegen.

20. Am 30.08.2021 legte das Bundesamt den Verwaltungsakt zur erneuten Überprüfung gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG vor und erstattete eine Stellungnahme, welche dem BF zum Parteiengehör übermittelt wurde. Eine Stellungnahme des BF langte nicht ein.

21. Zur Frage der Abschiebemodalitäten hielt das Bundesamt in seiner Stellungnahme wie folgt fest:

„In einem gleichgelagerten Fall erteilte die BFA Direktion dem BVwG Wien (Fr. Dr. Senft) die Auskunft, dass derzeit Bestrebungen laufen, Alternativen zu schaffen, um die derzeit gültigen Verpflichtungen (verbindlicher PCR Test) anzupassen. Innerhalb der letzten Wochen fanden, lt. Information der BFA Direktion, bereits Gespräche auf ministerieller Ebene mit der nigerianischen Botschaft statt und ein konkreter neuerlicher Gesprächstermin stand für 03.08.2021 fest. Das Ergebnis dieser Besprechungen ist derzeit noch nicht bekannt. Da jedoch Österreich mit dieser Problematik nicht alleine steht, und für andere EU Staaten bereits Ausnahmeregelungen geschaffen wurden, kann davon ausgegangen werden, dass dies auch den österreichischen Behörden in Zusammenarbeit mit der nigerianischen Botschaft gelingen wird. [..]

Lt Auskunft der BFA Direktion (Operative Angelegenheiten) vom 24.08.2021, wird auf Hochtouren an einer Lösung betreffend der Testverweigerer bei den Personen, welche nach Nigeria abzuschieben sind, gearbeitet. Diese Vorbereitungen erfolgen in Zusammenarbeit mit der nigerianischen Botschaft.“

Weiters teilte das Bundesamt mit dass die Durchführung eines nationalen Sondercharters für Testverweigerer in Zusammenhang mit den obigen Bestrebungen in Planung ist. Solche seien bereits aus der Schweiz und aus Belgien durchgeführt worden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zur Person des BF:

Der BF reiste vermutlich 2004 illegal in das Bundesgebiet ein und ist nigerianischer Staatsangehöriger. Seine Identität steht mittlerweile fest.

Der BF leidet an Bluthochdruck und einem Problem mit seinem Augenlid. Er ist jedoch weiterhin haftfähig.

Er ist in Österreich bereits sechsmal vorbestraft, viermal davon einschlägig wegen Suchtgiftdelikten. Der BF befand sich mehrmals für längere Zeiträume in Strafhaft.

Der BF verfügt in Österreich seit Beginn seiner Strafhaft im Jahr 2019 weder über einen gesicherten Wohnsitz noch über wesentliche soziale Beziehungen. Der BF hat einen minderjährigen Sohn im Bundesgebiet, zu dem er seit Jahren aber nur telefonischen und seltenen Besuchskontakt hat. Der Sohn hat den BF auch nur wenige Male in Strafhaft besucht. Der BF geht in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, hat in Österreich kein Einkommen und verfügt über kein zur Sicherung seiner Existenz ausreichendes Vermögen. Der BF verfügt aktuell über keine nennenswerten Barmittel mehr (Stand 30.08.2021). Er hat in Österreich mehrfach im Verborgenen Unterkunft genommen und sich nicht behördlich angemeldet.

2. Zum Verfahrensgang und zu den Voraussetzungen der Schubhaft

Der BF stellte am 24.11.2004 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde negativ beschieden. Der BF hat keinen gültigen dauerhaften Aufenthaltstitel in Österreich erhalten und wurde eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung verbunden mit einem Einreiseverbot gegen ihn erlassen.

Der BF ist nicht Asylwerber oder subsidiär Schutzberechtigter.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX 2021 wurde über den BF die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung verhängt und dem BF der Bescheid an diesem Tage übergeben. Der BF wird seit XXXX 2021- nach seiner Entlassung aus der Strafhaft - in Schubhaft angehalten.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX 2017 wurde dem BF kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass die Abschiebung nach Nigeria zulässig ist, eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt, die aufschiebende Wirkung gegen eine Rückkehrentscheidung aberkannt und ein Einreiseverbot in der Dauer von fünf Jahren verhängt. Das BVwG gab einer Beschwerde hiergegen nicht Folge. Es besteht gegen den Beschwerdeführer daher eine rechtskräftige und durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme.

Der Beschwerdeführer ist haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim Beschwerdeführer vor. Der Beschwerdeführer hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung.

3. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

Der BF ist nicht ausreisewillig und wirkt am Verfahren zu seiner Außerlandesbringung nicht mit. Er verweigert Angaben zu seiner Identität und nutze bereits mehrfach Alias Identitäten um seine wahre Identität zu verschleiern. Der BF befand sich bereits im Jahr 2017 in Schubhaft und war seine Abschiebung bereits organisiert. Der BF hat durch Verschlucken eines abgebrochenen Löffels seine Abschiebung vereitelt und konnte sich so aus der Schubhaft freipressen. Der BF ist in der Vergangenheit mehrfach untergetaucht und war für die Behörden nicht greifbar.

Der BF ist im Hinblick auf sein bisheriges Verhalten in besonders ausgeprägtem Maß vertrauensunwürdig und nicht kooperativ. Der BF wird im Falle der Entlassung aus der Schubhaft mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit untertauchen um sich seiner Abschiebung zu entziehen.

Am 25.05.2021 wurde von der nigerianischen Botschaft ein Heimreisezertifikat (HRZ) gültig bis 25.06.2021 ausgestellt. Da der BF den zur Abschiebung erforderlichen PCR Test im Mai 2021 verweigerte, musste die Charter Anmeldung (Abschiebecharter Nigeria 26.-27.05.2021) storniert werden. Auch eine neuerliche Anmeldung für einen Abschiebecharter (22.-23.06.2021) musste aufgrund der PCR Test Verweigerung des BF storniert werden.

Aus diesem Grund musste auch ein neuerliches HRZ bei der nigerianischen Botschaft beantragt werden. Am 23.07.2021 wurde von der nigerianischen Botschaft neuerlich ein HRZ ausgestellt, welches bis 30.08.2021 gültig war. Der BF wurde daraufhin für den Charter (27.-28.07.2021) angemeldet, welcher erneut aufgrund der PCR Testverweigerung storniert werden musste. Der BF verweigerte auch vor dem Charter am 24.08.2021 zum mittlerweile fünften Mal den PCR-Test und musste die Abschiebung erneut storniert werden.

Seit 11.01.2021 müssen alle nach Nigeria rückzuführenden Personen ein mehrstufiges Quarantäneprotokoll befolgen. Ein Teil dieses Quarantäneprotokolls verlangt, dass vor dem Abflug ein PCR-Test vorzuweisen ist, der nicht älter als 96 Stunden (vier Tage) alt sein darf. Eine schriftliche Ausfertigung dieses Testergebnisses muss in englischer Sprache als Nachweis bei der Übergabe in Nigeria an die Behörden vorgelegt werden. Die notwendigen Tests werden im Zuge der Anhaltung einige Tage vor dem Charter durch die LPD durchgeführt. Personen, die die Durchführung des Tests verweigern, werden in einem anschließenden Gespräch mit der Rückkehrberatung, der Schubhaftbetreuung und im Beisein eines Dolmetschers nochmals aufgeklärt. Durch derartige Gespräche lassen sich manchmal Unklarheiten beseitigen und die Tests werden nachgeholt.

Da – auch auf europäischer Ebene – die Anzahl der Testverweigerer immer mehr zunimmt, um Abschiebungen zu verhindern, werden mehrfach Alternativen implementiert (z. B. durch eine vor oder nach dem Abschiebeflug durchgeführte quarantäneähnliche Unterbringung). Durch bilaterale Gespräche werden Möglichkeiten geschaffen (wie bereits in der Schweiz und in Belgien) auch Testverweigerer in ihre Herkunftsstaaten rückzuführen. Diesbezüglich fanden in den letzten Wochen vermehrt Gespräche mit der nigerianischen Botschaft statt, zuletzt am 03.08.2021. Es ist daher davon auszugehen, dass in der nächsten Zeit Lockerungen zu den verpflichtenden Covid-PCR-Tests als Abschiebevoraussetzungen stattfinden und eine Abschiebung des BF in absehbarer Zeit auch ohne Durchführung eines PCR-Tests stattfinden kann.

Eine relevante Änderung der Umstände seit der letzten Feststellung des Vorliegens der maßgeblichen Voraussetzungen und der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft liegt nicht vor.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die Akten des Bundesamtes und in die Akten des Bundesverwaltungsgerichtes zu den Zahlen W171 2242527-1 und W140 2242527-2 und durch Einsichtnahme in das Zentrale Fremdenregister, in das Strafregister, in das Zentrale Melderegister, in das Grundversorgungsinformationssystem sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

2.1 Zur Person des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zu der in Österreich geführten Identität des BF ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, dem Zentralen Fremdenregister und der Anhaltedatei des Bundesministeriums.

Die Feststellungen zur fehlenden sozialen und beruflichen Integration, dem fehlenden Wohnsitz und ergeben sich aus seiner Einvernahme vor dem Bundesamt. Die Feststellungen zu seinen finanziellen Verhältnissen ergeben sich aus der Anhaltedatei des Bundesministeriums. Die Tatsache, dass der BF im Bundesgebiet nie berufstätig war, ergibt sich aus einem Versicherungsdatenauszug.

Die Feststellung zur Unterkunftnahme im Verborgenen ergibt sich aus dem ZMR, da hierzu unter der tatsächlichen Identität des BF längere Meldelücken aufscheinen. Dass dem BF sein Quartier nach dem Ende der Strafhaft noch zur Verfügung gestanden wäre, ist nicht ersichtlich.

Die Feststellungen zum Sohn des BF und der Häufigkeit des Kontakts ergeben sich aus der Stellungnahme des Bundesamtes hierzu. Aufgrund der eigenen Angaben des BF im Rahmen des Parteiengehörs vom 17.02.2021 und dem vorgelegten Schreiben des Vereins „Oase“ vom 04.05.2021 ergibt sich, dass der BF mit seinem Sohn seit Oktober 2017 regelmäßigen Kontakt hat. Der BF gibt hierzu an, mit seinem Sohn täglich telefoniert zu haben und von ihm in der Haft auch besucht worden zu sein. Ein gemeinsames Familienleben etwa mit demselben Wohnsitz ist jedoch klar nicht gegeben. Weiters wird dies auch dadurch relativiert, dass das Bundesamt darlegte, der BF habe nach Auskunft der Justizanstalt nur selten mit seinem Sohn telefoniert. Weiters gibt der BF den Namen und die Adresse eines Freundes in Wien und einer Freundin in Oberösterreich an. Darüberhinausgehende soziale bzw. familiäre Kontakte wurden weder bescheinigt, noch sind diese im Verfahren hervorgekommen. Der BF hat auch bisher nach dem Akteninhalt zur Folge von Sozialleistungen gelebt und war zur eigenen dauerhaften Existenzsicherung nicht in der Lage. Die Feststellung, dass der BF im Verfahren keinen gesicherten Wohnsitz bescheinigen konnte, beruht darauf, dass der BF lediglich behauptete bei einem namentlich genannten Freund nach der Haft unterkommen zu können.

2.2 Zum Verfahrensgang und zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

Anhaltspunkte dafür, dass der BF die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, in Österreich Asylberechtigter oder subsidiär Schutzberechtigter ist, finden sich weder im Akt des Bundesamtes noch in den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes. Es sind auch keine Ermittlungsergebnisse hervorgekommen, dass der BF nicht volljährig wäre.

Die Feststellungen zum Schubhaftbescheid und der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung ergeben sich widerspruchsfrei aus dem Verwaltungsakt. Mit Erkenntnis des BVwG vom 10.07.2017 wurde die behördlich ausgesprochene Rückkehrentscheidung bestätigt und erwuchs in weiterer Folge in Rechtskraft. Die Feststellung hinsichtlich des Asylverfahrens ergibt sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellung, wonach der BF haftfähig ist und keine die Haftfähigkeit ausschließende gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Erkrankungen vorliegen, ergibt sich aus der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres, gegenteiliges wurde vom BF auch nicht vorgebacht. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des BF – die jedoch keine Haftunfähigkeit begründen (Anhaltedatei) ergeben sich aus der Stellungnahme des Bundesamtes. Weiters wurde die Haftfähigkeit mit Gutachten des Amtsarztes vom 12.08.2021 (OZ 12 im Vorverfahren) bestätigt, welches im Gerichtsakt des Vorverfahrens einliegt.

Aus der Einsichtnahme in das Strafregister sowie aus den im Fremdenakt einliegenden Urteilen eines ergeben sich die strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers.

2.3 Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

Dass der BF nicht rückkehrwillig ist, ergibt sich aus seinem gesamten Verhalten im bisherigen Verfahren. Der BF hat sämtlich gegen in ergangenen Entscheidungen, die seine Ausreise nach sich ziehen müssten, bis dato ignoriert, so er nicht in Strafhaft war. Dass sich der BF seiner Abschiebung im Jahr 2017 durch Schlucken eines Gegenstandes widersetzte und sich so aus der Schubhaft freipresste basiert auf der Stellungnahme des Bundesamtes und der Anhaltedatei. Die Feststellungen zum Heimreisezertifikat, den geplanten / stornierten Charterflügen, der 5-maligen Verweigerung des BF der Durchführung eines Covid-PCR-Tests sowie den Bemühungen des BFA in Bezug auf Testverweigerer ergeben sich aus den Stellungnahmen des BFA anlässlich der Aktenvorlage sowie den aktuellen Informationen des Bundesamtes zu Rückführungen. Weiters hat der BF bis zum letztmöglichen Zeitpunkt seine wahre Identität verschleiert.

Es besteht daher fallbezogen kein Zweifel daran, dass der BF alles tun wird um seine Abschiebung zu vereiteln bzw. zu verhindern. Er ist schon aus diesen Gründen als höchstmöglich unkooperativ einzustufen. Auch zeigen seine Suchtgiftstraftaten im Jahr 2019 wie schnell der BF strafrechtlich rückfällig wird. Aber auch die anderen verübten Straftaten (etwa Betrug, Urkundendelikte und Sachbeschädigung) verstärken seine maßgebliche Vertrauensunwürdigkeit. Die fehlende Rückkehrwilligkeit ergibt sich aus seiner schriftlichen Erklärung im Rahmen des Parteiengehörs vor Verhängung der Schubhaft in welcher er eine freiwillige Rückkehr deutlich ausschloss sowie der anfangs konsequenten Verweigerung der Rückkehrberatung durch die BBU. Trotz nun mehrfacher Beratung ist der BF nach wie vor nicht rückkehrwillig. Auf die wiederholte Verweigerung des PCR-Tests als Voraussetzung für die Flugabschiebung wurde bereits oben eingegangen.

Dass der Beschwerdeführer nicht gewillt ist, mit den Behörden zu kooperieren und sich an die Rechtsordnung in Österreich zu halten, ergibt sich aus dem festgestellten bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers, aus den unrichtigen Angaben zu seiner Identität, seinen strafrechtlichen Verurteilungen sowie auch seinem Verhalten während der Anhaltung in Schubhaft.

Das Gericht geht daher davon aus, dass der Beschwerdeführer bei einer Entlassung aus der Schubhaft untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten werde. Es haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Beschwerdeführer sein bisher gezeigtes Verhalten ändern werde.

Das BVwG zweifelt auch nicht an dem Umstand, dass die Abschiebung des BF nach wie vor durchführbar ist, da für den BF bereits mehrfach befristete HRZ ausgestellt wurden, die jedoch nicht genutzt werden konnten, weil der BF durch die Verweigerung des PCR-Tests die Abschiebung mittlerweile fünf Mal vereitelt hat. Das Bundesamt bringt jedoch glaubwürdig vor, bereits mit hohen Erfolgsaussichten an alternativen Abschiebemodalitäten für Testverweigerer zu arbeiten, wobei hierbei die Verhandlungen mit der nigerianischen Botschaft bereits weit gediehen sind. Anderen Staaten wie Belgien oder der Schweiz hat Nigeria bereits die Rückführung von Ungetesteten mit speziellen Chartern zugestanden, weshalb das Gericht davon ausgeht, dass auch dem Bundesamt die Organisation eines solchen Charters noch in diesem Kalenderjahr – und somit innerhalb der Schubhafthöchstdauer von 18 Monaten (§ 80 Abs. 4 Z 4 FPG) – zugestanden wird. Die Verweigerungstaktik des BF wird daher nicht zum Ziel führen.

Eine Änderung der Umstände für die Verhängung der Schubhaft ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Gegenteiliges ist auch im durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. – Fortsetzungsausspruch

3.1.1. §§ 76 und 77 Fremdenpolizeigesetz (FPG), § 22a Abs 4 Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Verfahrensgesetz (BFA-VG) lauten auszugsweise:

Schubhaft (FPG)


„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. 

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Gelinderes Mittel (FPG)

§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1.         in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2.         sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
2.         eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen;

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Dauer der Schubhaft (FPG)

§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.
(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich,
1.         drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;
2.         sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil,
1.         die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2.         eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3.         der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4.         die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft (BFA-VG)

§ 22a (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde

Anwendungsbereich (Rückführungsrichtlinie)

Art 2. (1) Diese Richtlinie findet Anwendung auf illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhältige Drittstaatsangehörige.

Inhaftnahme (Rückführungsrichtlinie)

Art 15. (1) Sofern in dem konkreten Fall keine anderen ausreichenden, jedoch weniger intensiven Zwangsmaßnahmen wirksam angewandt werden können, dürfen die Mitgliedstaaten Drittstaatsangehörige, gegen die ein Rückkehrverfahren anhängig ist, nur in Haft nehmen, um deren Rückkehr vorzubereiten und/oder die Abschiebung durchzuführen, (…)

(5) Die Haft wird so lange aufrechterhalten, wie die in Absatz 1 dargelegten Umstände gegeben sind und wie dies erforderlich ist, um den erfolgreichen Vollzug der Abschiebung zu gewährleisten. Jeder Mitgliedstaat legt eine Höchsthaftdauer fest, die sechs Monate nicht überschreiten darf. 

(6) Die Mitgliedstaaten dürfen den in Absatz 5 genannten Zeitraum nicht verlängern; lediglich in den Fällen, in denen die Abschiebungsmaßnahme trotz ihrer angemessenen Bemühungen aufgrund der nachstehend genannten Faktoren wahrscheinlich länger dauern wird, dürfen sie diesen Zeitraum im Einklang mit dem einzelstaatlichen Recht um höchstens zwölf Monate verlängern:
a.         mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens der betroffenen Drittstaatsangehörigen oder,
b.         Verzögerung bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten.

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). In einem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung aus, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178).

Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FPG ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Der Behörde kommt aber dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043).

Gemäß § 80 Abs. 4 FPG darf die Anhaltung in Schubhaft nur bei Vorliegen der dort in den Z 1 bis 4 genannten alternativen Voraussetzungen höchstens achtzehn Monate dauern. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so beträgt die Schubhaftdauer - wie in § 80 Abs. 2 Z 2 FPG als Grundsatz normiert - nur sechs Monate. Mit § 80 Abs 4 FPG soll Art. 15 Abs. 6 RückführungsRL umgesetzt werden, sodass die Bestimmung richtlinienkonform auszulegen ist. In diesem Sinn ist auch der Verlängerungstatbestand des § 80 Abs. 4 Z 4 FPG dahingehend auszulegen, dass der Verlängerungstatbestand nur dann vorliegt, wenn das Verhalten des Beschwerdeführers kausal für die längere (mehr als sechsmonatige) Anhaltung ist. Wenn kein Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Drittstaatsangehörigen und der Verzögerung der Abschiebung festgestellt werden kann, liegen die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft gemäß § 80 Abs 4 Z 4 FPG über die Dauer von sechs Monaten nicht vor (VwGH vom 15.12.2020, Ra 2020/21/0404).

3.2 Zum konkret vorliegenden Fall:

Aufgrund der zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht den Verwaltungsakt rechtzeitig zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, welche über die Viermonatsfrist hinausgehen soll, vorzulegen. Nach der erfolgten Überprüfung nach vier Monaten der Anhaltung ist die Überprüfung in vierwöchigem Rhythmus fortzuführen. Nach rezenter Judikatur des VwGH (VwGH 16.07.2020, Ra Ra 2020/21/0163, Rn. 11) ist die Frist für das vierwöchige Überprüfungsintervall nach § 22a Abs. 4 S 1 BFA-VG vom Datum des Ergehens des letzten Erkenntnisses nach § 22a Abs. 4 leg. cit. berechnen. Das letzte entsprechende Erkenntnis des BVwG erging im ggst. Fall am 12.08.2021. Die gegenständliche folgende Überprüfung hat spätestens nach weiteren vier Wochen, also spätestes am 09.09.2021 zu ergehen. Gleichzeitig verbleibt dem BVwG ein Spielraum zur Entscheidung von einer Woche vor diesem Termin (VwGH aaO. unter Verweis auf VwGH 16.7.2020, Ra 2020/21/0099). Die gegenständliche Entscheidung kann bzw. muss daher zwischen dem 02.09.2021 und dem 09.09.2021 ergehen.

Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen (Vorliegen eines Sicherungsbedarfes, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft) – möglich ist. Im vorliegenden Fall liegt eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

3.2.2 Zu Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf:
Es liegt beim BF fortgesetzt Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf iSd § 76 Abs. 3 FPG vor.

Der Beschwerdeführer achtet die österreichische Rechtsordnung nicht, er ist nicht kooperativ. Der Beschwerdeführer wirkt weiters an den HRZ-Verfahren nicht mit, um seine Abschiebung zu verhindern. Er verweigert insb. die notwendigen Angaben zu seiner Identifizierung indem er bereit mehrfach Alias Identitäten verwendet hat. Der BF hat insgesamt im Jahr 2021 5 Mal seine Abschiebung durch seine grundlose Verweigerung eines PCR-Tests auf COVID-19 vereitelt. Darüber hinaus war der BF bereits über längere Phasen für die Behörden nicht greifbar und nicht gemeldet. § 73 Abs. 3 Z 1 FPG ist daher erfüllt.

Auch ist in Zusammenhalt mit Z 1 oben und Z 9 unten ist auch die Z 3 des § 76 Abs. 3 FPG fortgesetzt erfüllt. Der BF hat – wie festgestellt- auch in der Vergangenheit eine Anordnung der Unterkunftnahme ignoriert bzw. deren Verpflichtungen nicht erfüllt, weshalb auch § 76 Abs. 3 Z 8 FPG erfüllt ist.

Der BF verfügt über keine substanziellen sozialen Beziehungen im Bundesgebiet. Er hat in Österreich keinen Wohnsitz mehr, sondern hat bisher teilweise im Verborgenen gelebt. Er geht in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, hat kein Einkommen und verfügt über kein zur Sicherung seiner Existenz ausreichendes Vermögen. Zwar verfügt er über einen Sohn, mit dem er gelegentlich telefoniert und der ihn auch gelegentlich besucht hat, jedoch bestand hier seit langem kein gemeinsamer Haushalt mehr. So wurde auch im Erkenntnis W171 2242527-1/6E dieser Kontakt nicht als ausreichend dafür angesehen, die Fluchtgefahr des BF ausreichend zu mindern. Er verfügt im Inland nicht über ein tragfähiges soziales Netz und auch nicht über einen gesicherten Wohnsitz. Er lebte immer wieder über mehrere Wochen ohne behördliche Meldung und missachtete eine Wohnsitzauflage. Seine wenigen Bezugspersonen waren in der Vergangenheit weder in der Lage den BF von der mehrmaligen Begehung von Straftaten abzuhalten, noch ihn vor dem Untertauchen zu bewahren.

§ 73 Abs. 3 Z 9 FPG ist daher ebenfalls fortgesetzt erfüllt.

Sowohl das Vorverhalten als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose haben bei dem Beschwerdeführer ein erhöhtes Risiko des Untertauchens sowie einen Sicherungsbedarf ergeben. Der BF hat seine in diesem Fall besonders ausgeprägte Vertrauensunwürdigkeit und seine Unzuverlässigkeit durch sein unkooperatives Verhalten und seiner Verweigerungsstrategie hinsichtlich der PCR-Tests auf COVID-19 unter Beweis gestellt.

Es liegt daher weiterhin Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 1, 3, 8 und 9 FPG vor und ist auch Sicherungsbedarf gegeben.

3.2.3 Zur Verhältnismäßigkeit

Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

In Bezug auf die Interessen des BF an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse im Inland ist festzuhalten, dass der BF zwar den regelmäßigen Kontakt mit seinem mj. Sohn ins Treffen führen konnte, aber sonst keinerlei nennenswerte familiäre/soziale Kontakte im Inland hat, die im Rahmen der gerichtlichen und behördlichen Abwägung die Entscheidung zugunsten einer Freilassung bzw. eines Belassen in Freiheit zu beeinflussen ausreichend waren. Der BF hat durch seine Ignoranz der ihn treffenden Ausreiseverpflichtung und die wiederholten Be- bzw. Verhinderung seiner Abschiebungen durch Testverweigerung und sogar Schlucken von Gegenständen klar zum Ausdruck gebracht, dass er keinesfalls ausreisewillig ist und er fremdenrechtliche Bestimmungen gänzlich ignoriert. Er hat in Österreich erfolglos einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt wobei eine aufenthaltsbeendende Maßnahme erlassen wurde, die der BF ebenso konsequent jahrelang ignoriert hat. Dem gegenüber wiegen die persönlichen Interessen des BF weit weniger schwer als das öffentliche Interesse einer baldigen gesicherten Außerlandesbringung des BF.

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

Aufgrund seiner wiederholten Straffälligkeit (sechs Vorstrafen) und dem massiven Rückfall in dieselbe sozialschädliche Neigung (vier Verurteilungen nach dem SMG) ist von einem deutlich erhöhten öffentlichen Interesse an einer gesicherten Abschiebung des BF auszugehen.

Der BF wird seit XXXX 2021 in Schubhaft angehalten. Die Dauer der Anhaltung des BF in Schubhaft ist nur auf die mangelnde Mitwirkung bzw. mehrfachte aktive Vereitelung der Abschiebungen des BF zurückzuführen. Verzögerungen, die in der Sphäre des BFA liegen würden, sind nicht zu erkennen. Der BF ist für seine noch immer andauernde Anhaltung in Schubhaft daher selbst verantwortlich. Für den BF wurden bereits mehrfach HRZ von der nigerianischen Botschaft ausgestellt, die aber nicht genutzt werden konnten, da der BF den für den (regulären) Abschiebeflug notwendigen PCR-Test absichtlich und im Vorsatz seien Abschiebung hierdurch zu vereiteln, bisher 5 Mal verweigert hat.

Das Bundesamt hat aber in seiner Stellungnahme glaubwürdig und nachvollziehbar dargelegt, dass noch im Jahr 2021 eine Möglichkeit bestehen wird, entweder einen Charterflug für Ungetestete nach Nigeria zu realisieren oder Testverweigerer mittel vorangehender Quarantäne vor dem Flug auch bei Verweigerung des Tests abschieben zu können. Die Planungen und die Organisation hierfür sind soweit gediehen, dass das Gericht davon ausgeht, dass die Abschiebung des BF noch in diesem Kalenderjahr erfolgen wird. So wurden auch der Schweiz und auch Belgien die Rückführung von ungetesteten Nigerianern nach Nigeria mittlerweile unter bestimmten Auflagen erlaubt. Es gibt keinen Grund warum dies in Kürze nicht auch für österreichische Behörden möglich sein sollte. Dass der BF bis dahin in Schubhaft angehalten wird, hat der sich im Sinne des Tatbestandes des § 80 Abs. 4 Z 4 FPG alleine selbst zuzuschreiben, stellt doch seine Verweigerung der (harm- und schmerzlosen) PCR-Tests den einzigen Grund dar, aus dem die Anhaltung des BF überhaupt noch andauert. Die vorsätzliche Verweigerungstaktik des BF, mit der der BF seinen weiteren illegalen Aufenthalt im Bundesgebiet erzwingen will, wird nach Ansicht des Gerichts jedenfalls nicht aufgehen.

Unter Berücksichtigung dieser weiteren Umstände bleibt im Zuge der durchzuführenden Abwägung festzuhalten, dass aufgrund des vom BF in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens dass das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung und eines geordneten Fremdenwesens das Interesse des BF am Schutz der persönlichen Freiheit seiner Person weiterhin überwiegt und auch der Gesundheitszustand des BF der weiteren Anhaltung in Schubhaft nicht entgegensteht.

Insgesamt kommt den persönlichen Interessen des BF daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an der Sicherung seiner Aufenthaltsbeendigung.

Das Bundesverwaltungsgericht geht sohin davon aus, dass die seit XXXX 2021 aufrechte Schubhaft im Entscheidungszeitpunkt auch weiterhin das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt. Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen ist zudem jedenfalls gewährleistet, dass eine allfällige weitere längere Anhaltedauer zB. aufgrund Erfolglosigkeit der Bemühungen des Bundesamtes zur Abschiebung Ungetesteter und damit auch die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft einer neuerlichen gerichtlichen Überprüfung zu unterziehen sein wird. Dabei wird abermals eine Prognoseentscheidung hinsichtlich einer zeitnahen Effektuierung der Außerlandesbringung des BF durchzuführen sein.

Zu prüfen ist, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt. Eine Sicherheitsleistung sowie die konkrete Zuweisung einer Unterkunft oder einer Meldeverpflichtung kann auf Grund des vom BF in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens und angesichts fehlender persönlicher Vertrauenswürdigkeit nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen, da diesfalls die konkrete Gefahr des Untertauchens des BF besteht.

Die Verhängung eines gelinderen Mittels kommt daher weiterhin nicht in Betracht.

Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des BF zu gewährleisten.

Zu B):

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dies ist der Fall wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung Einreiseverbot Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel Identität Mittellosigkeit öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Ultima Ratio Untertauchen Vereitelung Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W282.2242527.3.01

Im RIS seit

01.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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