TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/7 W203 2226265-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.09.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

07.09.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
B-VG Art140 Abs7
PrivSchG §5 Abs1 litd
PrivSchG §5 Abs4

Spruch


W203 2226265-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gottfried SCHLÖGLHOFER über die Beschwerde des XXXX gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Wien vom 17.10.2019, Zl. 600.922351/0028-RPS/2019, zu Recht:

A)

Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.



Text


Begründung

I. Sachverhalt

1. Der XXXX (im Folgenden: beschwerdeführender Verein) zeigte am 20.09.2019 die Verwendung von XXXX als Lehrerin an der Privatschule „ XXXX “ an.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid untersagte die Bildungsdirektion für Wien (in Folgenden: belangte Behörde) gemäß § 5 Abs. 1 lit. d i.V.m. § 5 Abs. 4, 5 und 6 PrivSchG die Verwendung von XXXX als Lehrerin an der Privatschule. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die angezeigte Lehrerin verfüge offenbar über keinen Sprachennachweis auf dem Niveau C1 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen (GER) in der deutschen Sprache und die betreffende Privatschule sei auch nicht in § 1 Z 2 Ausländerbeschäftigungsverordnung (AuslBVO) genannt.

3. Dagegen erhob der beschwerdeführende Verein die vorliegende Beschwerde und führte dabei verfassungsrechtliche Normbedenken ins Treffen.

4. Mit Beschluss vom 19.01.2021, W203 2226265-1/9Z, beantragte das Bundesverwaltungsgericht beim Verfassungsgerichtshof, § 5 Abs. 1 lit. d, Abs. 1 zweiter und dritter Satz und Abs. 4 PrivSchG, BGBl. 244/1962 i.d.F. BGBl. I 35/2019 als verfassungswidrig und § 1 Z 2 AuslBVO, BGBl. 609/1990, i.d.F. BGBl. II 263/2019 als gesetzwidrig aufzuheben.

5. Mit Erkenntnis vom 17.06.2021, G 391/2020-15 ua., erkannte der Verfassungsgerichtshof u.a., dass § 5 Abs. 4 PrivSchG i.d.F. BGBl. I Nr. 35/2019 als verfassungswidrig aufgehoben werde und diese Aufhebung mit Ablauf des 30.06.2022 in Kraft trete.

Begründend führte der Verfassungsgerichtshof im Wesentlichen aus, dass das Erfordernis eines Nachweises von Sprachkenntnissen in der deutschen Sprache auf zumindest dem Referenzniveau C 1 für die an einer Privatschule verwendeten Lehrkräfte gemäß § 5 Abs. 1 lit. d, Abs. 1 zweiter und dritter Satz i.V.m. Abs. 4 PrivSchG gegen das aus dem Gleichheitsgrundsatz abgeleitete Sachlichkeitsgebot verstoße.

Es genüge, § 5 Abs. 4 PrivSchG aufzuheben, weil in dem zugrunde liegenden Verfahren nur eine Lehrerin (und kein Schulleiter) betroffen sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der beschwerdeführende Verein zeigte am 20.09.2019 die Verwendung von XXXX als Lehrerin an der Privatschule „ XXXX “ an. Dabei handelt es sich um eine Privatschule mit eigenem Organisationsstatut, der das Öffentlichkeitsrecht verliehen wurde und an der die allgemeine Schulpflicht erfüllt werden kann. Die Unterrichtssprache ist – mit Ausnahme des Deutsch- und Spanischunterrichts – Englisch.

Mit Bescheid vom 17.10.2019 untersagte die belangte Behörde gemäß § 5 Abs. 1 lit. d i.V.m. Abs. 4 PrivSchG die Verwendung von XXXX als Lehrerin an der Privatschule, weil sie über keinen Nachweis einer Sprachkompetenz in der deutschen Sprache auf dem Referenzniveau C 1 des GER verfüge.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, dem Verfahren vor der belangten Behörde und der Beschwerde. Der Sachverhalt ist aktenkundig, unstrittig und deshalb erwiesen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zur Behebung des Bescheides (Spruchpunkt A)

3.1.1. Gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden, wenn ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden ist oder der Verfassungsgerichtshof gemäß Abs. 4 ausgesprochen hat, dass ein Gesetz verfassungswidrig war. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles ist jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Hat der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis eine Frist gemäß Abs. 5 gesetzt, so ist das Gesetz auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles anzuwenden.

Gemäß § 5 Abs. 1 lit. d) PrivSchG i.d.F. BGBl. I Nr. 35/2019 ist ein Leiter für die pädagogische und schuladministrative Leitung der Privatschule zu bestellen, der in der deutschen Sprache Sprachkenntnisse nach zumindest dem Referenzniveau C 1 des GER nachweisen kann.

Gemäß § 5 Abs. 4 leg. cit. haben die an der Schule verwendeten Lehrer ebenfalls die in Abs. 1 genannten Bedingungen zu erfüllen.

3.1.2. Mit Erkenntnis vom 17.06.2021, G 391/2020-15 ua., hob der Verfassungsgerichtshof § 5 Abs. 4 PrivSchG i.d.F. BGBl. I Nr. 35/2019 als verfassungswidrig auf und sprach weiters aus, dass diese Aufhebung mit Ablauf des 30.06.2022 in Kraft tritt.

3.1.3. Im vorliegenden Fall, der zugleich Anlassfall zum Erkenntnis G 391/2020-15 ua. war, untersagte die belangte Behörde gemäß § 5 Abs. 1 lit. d i.V.m. Abs. 4 PrivSchG die Verwendung von XXXX als Lehrerin an der Privatschule „ XXXX “, weil sie über keinen Nachweis einer Sprachkompetenz in der deutschen Sprache auf dem Referenzniveau C 1 des GER verfügte.

Infolge der Anlassfallwirkung des Art. 140 Abs. 7 B-VG ist § 5 Abs. 4 PrivSchG i.d.F. BGBl. I Nr. 35/2019 als aufgehobene Norm hier nicht mehr anzuwenden (siehe dazu etwa VwGH 01.03.2017, Ro 2015/03/0022, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofes). Damit fehlt die Rechtsgrundlage, auf die sich der angefochtene Bescheid stützt. Folglich ist er ersatzlos zu beheben.

3.1.4. Eine Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, weil eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung erwarten lässt (vgl. etwa Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2. Auflage [2018] § 24 VwGVG Anm. 7a mit Hinweis zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes). Außerdem ist das Schulrecht nicht von Art. 6 EMRK und auch nicht von Art. 47 GRC erfasst (siehe VfGH 10.03.2015, E 1993/2014, sowie VwGH 27.03.2019, Ra 2019/10/0017, m.w.N.).

3.1.5. Es war daher ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß Spruchpunkt A) zu entscheiden.

3.2. Zur Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B)

3.2.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.2.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt: Dass infolge der Anlassfallwirkung des Art. 140 Abs. 7 B-VG die aufgehobene Norm nicht mehr anzuwenden ist, entspricht der oben angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

3.2.3. Es war daher gemäß Spruchpunkt B) zu entscheiden.

Schlagworte

Anlassfall Bescheidbehebung Deutschkenntnisse Gesetzesaufhebung Lehrerbestellung Privatschule Unterrichtssprache verfassungswidrig VfGH

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W203.2226265.1.01

Im RIS seit

01.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten