Entscheidungsdatum
10.09.2021Norm
BFA-VG §22a Abs4Spruch
W117 2111689-2/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. DRUCKENTHANER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft zu Recht:
A)
Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen, und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.
B)
Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Verfahrensgang:
Über den Beschwerdeführer wurde mit Bescheid vom 21.04.2021 gemäß § 76 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Die Anhaltung in Schubhaft erfolgt (nach der Entlassung aus der Strafhaft am 14.05.2021) seit 14.05.2021, 08:00 Uhr bis laufend.
Zum Zwecke der Überprüfung der weiteren Anhaltung auf ihre Verhältnismäßigkeit legte die Verwaltungsbehörde am 03.09.2021 den Schubhaftakt vor und verteidigte im Rahmen einer Stellungnahme die bisherige Anhaltung.
Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt erwogen:
Sachverhalt:
Der Fremde ist Staatsbürger der Russischen Föderation und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe. Er reiste erstmals am 18.09.2008 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein. Am gleichen Tag brachte er gemeinsam mit seiner Mutter und seinen beiden Brüdern einen ersten Antrag auf internationalen Schutz ein, welcher am 06.03.2009 vom Bundesasylamt, Zahl 08 08.757-BAG, negativ entschieden wurde.
Gegen diesen Bescheid brachte seine Mutter für ihn Beschwerde ein, welche am 25.03.2009 vom Asylgerichtshof rechtskräftig in Il. Instanz gem. § 5 AsylG zurückgewiesen wurde.
Am 31.03.2009 brachte der Beschwerdeführer, wieder gemeinsam mit seiner Mutter und seinen Brüdern, einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz ein, welcher am 16.06.2009 aufgrund seines unbekannten Aufenthaltes eingestellt wurde.
Am 17.06.2009 brachte der Beschwerdeführer in Vallorbe/Schweiz und am 04.10.2010 in Brussels/Belgien gemeinsam mit seiner Mutter und seinen Brüdern weitere Asylanträge ein.
Am 07.10.2011 brachte der Fremde selbst, ohne gemäß Dublin VO rücküberstellt und ohne in Begleitung seiner Mutter zu sein, einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz in Österreich ein.
In der Folge wurde sein Antrag auf internationalen Schutz mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.11.2013 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gem. § 3 AsylG abgewiesen. Weiters wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Russische Föderation gem. § 8 AsylG abgewiesen. Unter einem wurde er gem. § 10 Abs. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in seinen Herkunftsstaat Russische Föderation ausgewiesen.
Gegen den Bescheid des Bundesasylamtes erhob er fristgerecht Beschwerde an den Asylgerichtshof.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.06.2014, Zahl W226 1438966-1/12E, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes gem. §§ 3 und 8 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 idgF wurde das Verfahren insoweit zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen. Mit Bescheid des BFA vom 05.01.2015, Zahl 811182209 — 1412145, wurde dem Fremden gemäß §§ 57 und 55 Asylgesetz 2005, BGBI. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBI. I Nr. 87/2012 (BFA VG) idgF, wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBI. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen. Es wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist. Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Absatz 2 Ziffer 1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBI. Nr. 87/2012, (BFAVG) idgF, die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Gegen den Bescheid des Bundesamtes erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.01.2015 (rechtskräftig seit 11.03.2015), Zahl W226 1404498-4/3E, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundeamtes als unbegründet abgewiesen. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.06.2015, Zahl 811182209 - 150170553, wurde dem Fremden gemäß §§ 57 und 55 Asylgesetz 2005, BGBI. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBI. I Nr. 87/2012 (BFA VG) idgF, wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 1 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBI. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen. Es wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist. Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBI. Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Absatz 2 Ziffer 1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBI. Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF, die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 29.06.2015 erhob der Fremde fristgerecht Beschwerde.
Mit Erkenntnis des BVwG vom 25.07.2016, Zahl W236 1404498-5/8E, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Am 06.09.2016 brachte der Fremde erneut einen Antrag auf internationalen Schutz ein.
Mit mündlich verkündetem Bescheid vom 21.09.2016 wurde im gegenständlichen Verfahren der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Absatz 2 AsylG aufgehoben.
Mit Beschluss des BVwG vom 03.11.2016, Zahl W103 1404498-6/3E, wurde festgestellt, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß §12a Abs. 2 rechtmäßig ist.
Der Beschwerdeführer reiste danach unrechtmäßig in die Schweiz aus und in weiterer Folge weiter nach Frankreich. Am 10.01.2017 wurde er gemäß der Dublin III-Verordnung aus Frankreich nach Österreich überstellt.
In Frankreich gab sich der Beschwerdeführer als XXXX , geboren am XXXX , aus.
Mit Bescheid des BFA, EASt Ost, vom 18.09.2017, Zahl 811182209/29047621, wurde sein Antrag auf internationalen Schutz vom 06.09.2016 gemäß § 68 Absatz 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Der Bescheid erwuchs am 04.10.2017 in l. Instanz in Rechtskraft.
Im Strafregister der Republik Österreich scheinen 4 Verurteilungen auf.
01) LG ST.POELTEN 009 HV 151/2013h vom 12.12.2013 RK 17.12.2013
127, 129 Z 1 u 2, 130 1. Fall StGB, 142 (1), 143 2. Fall StGB
Freiheitsstrafe 24 Monate, davon Freiheitsstrafe 16 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre
02) LG ST.POELTEN 009 HV 89/2014t vom 26.08.2014 RK 30.08.2014
127, 129 z 1 StGB
Freiheitsstrafe 1 Jahr
03) BG ST.POELTEN 004 U 81/2016s vom 03.02.2017 RK 07.02.2017
§ 15 StGB § 127 StGB, 27 (1), 27 (2) SMG
Freiheitsstrafe 3 Monate
04) LG ST.POELTEN 036 HV 31/2017s vom 09.10.2017 RK 13.10.2017
§ 270 (1) StGB, § 278b (2) StGB
Freiheitsstrafe 30 Monate
Aufgrund der neuerlichen strafrechtlichen Verurteilungen seit der Erlassung des auf die Dauer von 5 Jahren befristeten Einreiseverbotes, wurde ein weiteres Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm einem auf die Dauer von 10 Jahren befristeten Einreiseverbot eröffnet.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.02.2020, Zahl 811182209/200094369, wurde dem Fremden gemäß § 57 Asylgesetz 2005, BGBI. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt. Gemäß § 10 Absatz 2 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBI. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 1 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBI. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen. Es wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist. Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBI. Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Absatz 2 Ziffer 1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBI. Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF, die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 25.02.2020 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 06.05.2020, Zahl 811182209/200094369, wurde seine Beschwerde gem. § 14 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.
Gegenständliches Verfahren befindet sich aktuell im Stande der Beschwerde vor dem BVwG, die aufschiebende Wirkung wurde dem Beschwerdeführer seitens des Bundesverwaltungsgerichtes nicht zuerkannt.
Die Zulässigkeit seiner Abschiebung steht fest.
Im Zuge des Verfahrens zur Erlassung einer neuerlichen Rückkehrentscheidung iVm einem auf die Dauer von 10 Jahren befristeten Einreiseverbot wurde dem Fremden Parteiengehör über die beabsichtigte Vorgangsweise der Behörde — nämlich u.a. die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung — gewährt und ihm wurde die Möglichkeit einer Stellungnahme eingeräumt.
Der Beschwerdeführer hat keine Stellungnahme abgegeben.
Es bestand (daher) und besteht erhebliche Fluchtgefahr.
Zwischenzeitlich hat die Mutter des Beschwerdeführers (anlässlich des Versuches der Erlangung eines Heimreisezertifikates) die Identität des Beschwerdeführers bestätigt; die letzte Urgenz bei der russischen Botschaft erfolgte am 05.08.2021. Die Abschiebung ist daher aller Wahrscheinlichkeit zeitnah möglich.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die getroffenen Feststellungen ergeben sich unzweifelhaft aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der Behörde, Abfragen der Anhaltedatei, des IZR, des Strafregisters, des Melderegisters und den rechtskräftigen Entscheidungen des BVwG (AsylGH) zu den fremdenrechtlichen Verfahren.
Diesen Feststellungen wurde vom BF im Zuge des Parteiengehörs nicht entgegengetreten.
Im Fall des Beschwerdeführers war und ist aufgrund seines bisherigen Verhaltens – insbesondere zahlreiche Asylanträge (auch zwischendurch im Ausland), große Mobilität in Form zwischenzeitlicher illegaler Einreise in die Schweiz und in Frankreich, Identitätswechsel, massive Straffälligkeit, instabile Persönlichkeitsstruktur – von einer erheblichen Fluchtgefahr auszugehen.
Es ist also nicht zu erwarten, dass er in Österreich das gegenständliche Verfahren freiwillig abwarten wird bzw. sich für seine Abschiebung in die Russische Föderation zur Verfügung halten will. Die Behörde hatte und das Bundesverwaltungsgericht hat keinerlei Grund zur Annahme, dass sich der Fremde einem Verfahren auf freiem Fuß stellen wird. Er verfügt über keine gesicherten Bindungen und ist in Österreich nicht integriert. Der Beschwerdeführer hat keinen Wohnsitz im Bundesgebiet, ist mittellos und verweigert jegliche Kooperation mit der Behörde. Er hält seit vielen Jahren an seinem illegalen Aufenthalt in Europa fest und ist, entgegen der Rechtslage, nicht gewillt, nach Russland zurückzukehren.
Am 09.04.2021 wurde nach zwei negativen Verbalnoten der russischen Vertretungsbehörde erneut ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates gestartet. Aufgrund der Tatsache, dass die Mutter des Fremden nunmehr die Identität des Sohnes bestätigt hat, kann die Behörde weiterhin von der Erlangung eines HRZ ausgehen.
Die Feststellungen zum Heimreisezertifikatsverfahren ergeben sich aus der Stellungnahme des Bundesamtes im Verfahren vom 03.03.2021, sowie dem im Akt einliegenden entsprechenden Unterlagen. Die Bestätigung, dass die Mutter des BF ihn als ihren Sohn identifiziert hat, liegt ebenfalls dem Gerichtsakt ein.
Die Chance zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates durch die russische Migrationsbehörde ist aufgrund der Ausstellung der Bestätigung der Mutter zur Identität Ihres Sohnes weiterhin unvermindert aufrecht, was wiederum den Schluss zulässt, dass die Rückführung zeitnah erfolgen kann.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt aufgrund der Aktenlage und der Stellungnahme der Behörde geklärt war und der Beschwerdeführer auch keine Stellungnahme im Rahmen des eingeräumten Parteiengehörs abgab.
Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchpunkt A. – Fortsetzung der Schubhaft
Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.
Gemäß § 76 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn 1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder 2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder 3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit. n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird.
Hinsichtlich der bestehenden Fluchtgefahr hat sich im Hinblick auf den Schubhaftbescheid und die zwischenzeitlich durch die Behörde überprüfte Verhätnismäßigkeit zur gegenständlich zu überprüfenden Schubhaft keine Änderung ergeben, die für eine Freilassung des BF sprechen – der Beschwerdeführer hatte auch diesmal nicht auf das Parteiengehör reagiert.
Die Schubhaft ist weiterhin jedenfalls wegen hoher Fluchtgefahr aufrechtzuerhalten, weil aus dem vergangenen und aktuellen Verhalten des BF – siehe Darstellung im Rahmen des Verfahrensganges und der Feststellungen – mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführer seine Abschiebung mit allen Mitteln zu verhindern oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt.
Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig. Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann. Die Verhängung der Schubhaft darf stets nur ultima ratio sein.
Der Beschwerdeführer wird seit 14.05.2021 in Schubhaft angehalten.
Aufgrund der erfolgten Identifizierung des BF durch seine Mutter ist von einer konkreten Erlangbarkeit eines HRZ mit hoher Wahrscheinlichkeit auszugehen. Die Bemühungen des Bundesamts sind im gegenständlichen Fall erfolgversprechend und entsprechen jedenfalls den Erfordernissen der höchstgerichtlichen Judikatur (Vgl. VwGH Ra 2020/21/0070 vom 26.11.2020 Ra 2020/21/0174-8 vom 22.12.2020).
Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
Der Beschwerdeführer missachtete die Rechtsordnung, wurde mehrfach massiv straffällig und zu Haftstrafen wegen des Begehens von zahlreichen schwerwiegenden Delikten verurteilt. Daher besteht ein besonders hohes öffentliches Interesse an der baldigen Außerlandesbringung des BF. Betrachtet man die Interessen des BF an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse im Inland zeigt sich, dass er zwar Familienangehörige in Österreich hat, aber andere enge soziale oder berufliche Kontakte im Inland – auch aufgrund seiner langjährigen Haftstrafe unmittelbar vor Inschubhaftnahme - nicht vorweisen konnte, die im Rahmen der Abwägung die Entscheidung zu Gunsten einer Freilassung zu beeinflussen geeignet waren. Der BF hat mit seinem Verhalten klar zum Ausdruck gebracht, dass er nicht bereit ist, seiner Rückkehrverpflichtung in die russische Föderation nachzukommen, wie auch seine zahlreichen unbegründeten Asylantragstellungen in der Vergangenheit zeigen – um eben seine Abschiebung zu verhindern.
Für den BF wird zeitnah nach der Ausstellung eines Heimreisezertifikates die Abschiebung, voraussichtlich in den nächsten Monaten effektuiert. Die absehbare weitere Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist nach derzeitigem Stand mit wenigen Monaten, einzustufen. Der Beschwerdeführer befindet sich erst seit Mitte Mai in Haft – im Hinblick auf die erhebliche Fluchtgefahr und die angemessenen Bemühungen des Bundesamtes erweist sich im vorliegenden Fall insbesondere aufgrund der massiven Straffälligkeit des Beschwerdeführers die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers jedenfalls als verhältnismäßig. Es ist fallbezogen jedenfalls vertretbar, die Schubhaft in Erwartung der baldigen Ausstellung eines Heimreisezertifikates aufrecht zu erhalten.
Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass die angeordnete Schubhaft zum Entscheidungszeitpunkt das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt.
Zu prüfen ist, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt. Aufgrund der festgestellten mangelnden Vertrauenswürdigkeit kommt die Verhängung eines gelinderen Mittels weiterhin nicht in Betracht.
Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des Beschwerdeführers zu gewährleisten.
Die Interessen der Republik Österreich an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens als Teil der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, des wirtschaftlichen Wohls des Landes wiegen jedenfalls insgesamt höher als seine persönlichen Interessen an seiner Freiheit, zumal er diese mit größter Wahrscheinlichkeit nützen würde, um wieder unterzutauchen.
Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.
Zu Spruchpunkt B. - Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
Da keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen sind, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen, war die Revision daher nicht zuzulassen.
Schlagworte
Fluchtgefahr Folgeantrag Fortsetzung der Schubhaft illegale Ausreise öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Ultima Ratio Untertauchen VerhältnismäßigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W117.2111689.2.00Im RIS seit
01.10.2021Zuletzt aktualisiert am
01.10.2021