TE Vwgh Erkenntnis 1997/1/24 96/19/2117

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Veröffentlicht am 24.01.1997
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

Aufenthaltszwecke und Form der Aufenthaltsbewilligung 1995 §1 Abs1;
Aufenthaltszwecke und Form der Aufenthaltsbewilligung 1995 §1 Abs2;
AufG 1992 §4 Abs2;
AufG 1992 §5 Abs1;
AufG 1992 §5 Abs2;
AufG 1992 §5 Abs3;
AufG 1992 §5 Abs4;
AufG 1992 §6 Abs1;
AufG 1992 idF 1995/351 §10 Abs1;
AufG 1992 idF 1995/351 §6 Abs1;
AuslBG §2 Abs2;
AVG §66 Abs4;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,

Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Z in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. Juli 1995, Zl. 107.967/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer verfügte über eine am 20. Oktober 1993 ausgestellte Aufenthaltsbewilligung für den Zeitraum 31. Juli 1993 bis 20. April 1994 zum Zweck eines privaten Aufenthaltes. Er beantragte am 2. März 1994 die Verlängerung dieser Bewilligung, wobei er sich als Zweck des (verlängerten) Aufenthaltes auf die beabsichtigte Aufnahme einer unselbständigen Tätigkeit als Elektriker berief. Er gab in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der erstinstanzlichen Behörde am 5. Mai 1994 an, in Österreich mit seiner Lebensgefährtin und seiner Tochter zusammenzuleben. Er sei zur Zeit arbeitslos, habe jedoch eine Anstellung als Arbeiter in einer Handelsagentur gefunden, welche eine Beschäftigungsbewilligung beim Arbeitsamt für ihn beantragt habe.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 19. August 1994 wurde dieser Antrag gemäß § 5 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen, weil das nach dem beabsichtigten Aufenthalt zuständige Landesarbeitsamt auf Anfrage festgestellt habe, daß im Hinblick auf die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes Bedenken gegen die Aufnahme der vom Antragsteller angestrebten Beschäftigung bestünden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er die Rechtsansicht vertrat, § 5 Abs. 2 AufG sei auf Verlängerungsanträge nicht anwendbar. Auch gehe die erstinstanzliche Behörde fälschlicherweise davon aus, daß der Antrag des Beschwerdeführers als Aufenthaltszweck ausschließlich die Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit geltend mache, weil sie das "Element der Familienzusammenführung" außer Acht lasse.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. Juli 1995 wurde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 5 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 AufG abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer könne den bei der Antragstellung angegebenen Zweck im Laufe des Verfahrens nicht ändern. Gemäß § 5 Abs. 2 AufG dürfe eine Bewilligung zum Zwecke der Aufnahme einer Beschäftigung gemäß § 2 Abs. 2 (gemeint wohl: des Ausländerbeschäftigungsgesetzes) nur erteilt werden, wenn die zuständige Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice auf Anfrage durch die gemäß § 6 zuständige Behörde mitgeteilt habe, daß im Hinblick auf die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes keine Bedenken gegen die Aufnahme der vom Antragsteller angestrebten Beschäftigung bestünden. Im Antrag habe der Beschwerdeführer ausgeführt, er strebe eine unselbständige Erwerbstätigkeit als Arbeiter an. Im Hinblick auf die negative Auskunft der zuständigen Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice liege der Ausschließungsgrund nach § 5 Abs. 2 AufG vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Hinblick auf die Zustellung des angefochtenen Bescheides am 26. Juli 1995 hatte die belangte Behörde die Rechtslage nach Inkrafttreten der AufG-Novelle BGBl. Nr. 351/1995 anzuwenden.

§ 5 AufG in der Fassung dieser Novelle lautet:

"§ 5. (1) ...

(2) Zum Zweck der Aufnahme einer Beschäftigung gemäß § 2 Abs. 2 AuslBG darf eine Bewilligung nur erteilt werden, wenn die zuständige Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice auf Anfrage durch die gemäß § 6 zuständige Behörde mitgeteilt hat, daß im Hinblick auf die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes keine Bedenken gegen die Aufnahme der vom Antragsteller angestrebten Beschäftigung bestehen. Anträge auf Erteilung solcher Bewilligungen sind unverzüglich und ohne unnötigen Aufschub zu erledigen. Der Antragsteller hat mit dem Antrag die Art der angestrebten Beschäftigung anzugeben und die hiefür erforderliche entsprechende Qualifikation glaubhaft zu machen."

Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, aus der Textierung des § 5 Abs. 2 AufG und aus den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (zu § 5 AufG in seiner Stammfassung) ergebe sich, daß der Ausschließungsgrund nach der in Rede stehenden Gesetzesbestimmung sich ausschließlich auf Erstanträge beziehe.

Vorauszuschicken ist, daß der Wortlaut des § 5 Abs. 2 AufG die Auslegung des Beschwerdeführers nicht gebietet oder indiziert.

Die vom Beschwerdeführer angesprochenen Erläuternden Bemerkungen (RV 525 BlgNR 18. GP) lauten:

"Diese Bestimmung bezeichnet die Ausschließungsgründe für den Aufenthalt in Österreich und knüpft in Abs. 1 an § 25 des Paßgesetzes 1969, BGBl. Nr. 422, an. Diese Ausschließungsgründe sind zwingend und finden sowohl auf die Verlängerung von Bewilligungen als auch in Fällen der Familienzusammenführung Anwendung.

Die Abs. 2 bis 4 sollen sicherstellen, daß eine Bewilligung zum Zwecke der Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nur unter Einhaltung der Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes erteilt wird. Fremde, denen eine Bewilligung zu anderen Zwecken erteilt wird, können nicht damit rechnen, in Österreich arbeiten zu dürfen."

Den Erläuternden Bemerkungen ist nicht - wie der Beschwerdeführer annimmt - zu entnehmen, daß § 5 Abs. 2 AufG grundsätzlich nur auf Erstanträge Anwendung findet. Wenn dort die Rede davon ist, die Bestimmung bezeichne die Ausschließungsgründe, so ist mit "Bestimmung" § 5 AufG in seiner Gesamtheit, also einschließlich seines Absatzes 2 gemeint. Daß sich der im zweiten Satz dieser Erläuternden Bemerkungen aufscheinende Begriff "diese Ausschließungsgründe" nur auf die in § 5 Abs. 1 genannten beziehe, ist aus dem Wortlaut derselben nicht ableitbar.

Gemäß § 4 Abs. 2 zweiter Satz AufG kann eine bestehende Bewilligung um höchstens zwei weitere Jahre verlängert werden, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5) eingetreten ist. Der Verweis des § 4 Abs. 2 AufG auf § 5 AufG in seiner Gesamtheit umfaßt auch den zweiten Absatz der letztgenannten Bestimmung (vgl. demgegenüber den Verweis in § 3 Abs. 1 AufG auf die Versagungsgründe des § 5 Abs. 1 leg. cit.). Unter dem Begriff des "Ausschlußgrundes (§ 5)" sind somit nicht nur die Sichtvermerksversagungsgründe und die anderen, die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausschließenden Tatbestände des § 5 Abs. 1 AufG, sondern auch die arbeitsmarktpolitische Bedenklichkeit iSd § 5 Abs. 2 leg. cit. zu verstehen.

Da der Beschwerdeführer, für den keine der in § 5 Abs. 4 AufG angeführten ausländerbeschäftigungsrechtlichen Bewilligungen ausgestellt wurde, erklärte, eine Beschäftigung gemäß § 2 Abs. 2 AuslBG anzustreben, wäre bei berechtigten Bedenken gegen die Aufnahme derselben der Ausschließungsgrund des § 5 Abs. 2 AufG im Sinne des § 4 Abs. 2 zweiter Satz leg. cit. mit der Wirkung eingetreten, daß die Behörde gehindert gewesen wäre, die Bewilligung zum Zweck der Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, nicht jedoch zu einem anderen Zweck (vgl. das hg. Erkenntis vom heutigen Tag, Zl. 96/19/2134), zu verlängern.

Die belangte Behörde war jedoch nicht - wie sie rechtsirrtümlich meinte - an die diesbezügliche Mitteilung der Arbeitsmarktbehörde gebunden. Indem sie dies annahm, belastete sie ihren Bescheid aus den im hg. Erkenntnis vom 22. März 1996, Zl. 96/18/0046, dargelegten Gründen, die auch für die Rechtslage aufgrund der Novelle zum Aufenthaltsgesetz, BGBl. Nr. 351/1995, gelten (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. März 1996, G 1409/95 und Folgezahlen), mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Zutreffend ist auch der Verweis des Beschwerdeführers darauf, daß er zulässigerweise schon durch sein Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren, insbesondere aber durch jenes in seiner am 8. September 1994 bei der erstinstanzlichen Behörde eingelangten Berufung auch, wenn auch nicht - wie er behauptet - ausschließlich, familiäre Gründe für seinen Aufenthalt geltend gemacht hat. Die Geltendmachung mehrerer Aufenthaltszwecke ist zulässig (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 96/19/2134). Der hier erfolgten Änderung (Ergänzung) des Aufenthaltszweckes vor Inkrafttreten der AufG-Novelle BGBl. Nr. 351/1995 stand kein Hindernis entgegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1996, Zl. 95/19/1837, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3 Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Änderung von Anträgen und Ansuchen im Berufungsverfahren Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996192117.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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