TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/15 W272 2234454-1

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Veröffentlicht am 15.03.2021
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Entscheidungsdatum

15.03.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs1 Z5
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs4
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch


W272 2234454-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. BRAUNSTEIN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Ukraine, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein ukrainischer Staatsangehöriger, reiste am 05.08.2020 über Ungarn in den Schengenraum und am 06.08.2020 weiter in das österreichische Bundesgebiet ein. Am 06.08.2020 wurde der Beschwerdeführer von der Polizei aufgegriffen.

Der Beschwerdeführer wurde am 06.08.2020 von der Polizei festgenommen und in das PAZ Wien Roßauer Lände eingeliefert.

Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.08.2020 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeenden Maßnahme die Schubhaft verhängt.

Der Beschwerdeführer wurde am 08.08.2020 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur in Aussicht genommenen Erlassung einer Rückkehrentscheidung einer aufenthaltsbeenden Maßnahme, zur Erlassung der Schubhaft und der Abschiebung in das Heimatland einvernommen. Dabei gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, dass er am 05.08.2020 in den Schengen-Raum, und am 06.08.2020 nach Österreich eingereist sei. Im Wesentlichen gab er an, dass er nur durch Österreich durchreisen wollte, da er in Portugal arbeiten hätte wollen. Er sei auch schon im Jänner als Tourist in Österreich gewesen. Er sei in der EU keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen. Er habe auf Vorhalt verstanden, dass es sein Recht sein mit einem biometrischen Pass zu reisen aber nicht in der EU arbeiten dürfe. Er sei in seinem Herkunftsland 11 Jahre in die Schule gegangen und habe fünf Jahre eine höhere Schule zur Ausbildung als Ingenieur absolviert. Er habe 4.000 Euro und eine Karte, mit welcher er nicht abheben aber bezahlen könne. In Österreich habe er keine sozialen oder privaten Anknüpfungspunkte.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.08.2020 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 Asylgesetz nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Absatz 2 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 idgF wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 1 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Absatz 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung in die Ukraine gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.), gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 2 Ziffer 6 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wurde gegen ihn ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 55 Absatz 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt V.) und einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Absatz 2 Ziffer 1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. Nr. 87/2012, idgF, die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).

Begründend würde im Wesentlichen durch die belangte Behörde angeführt, dass der Beschwerdeführer in den Schengenraum am 05.08.2020 über Ungarn eingereist ist, am 06.08.2020 von der Polizei kontrolliert wurde und die Polizei festgestellt habe, dass der Beschwerdeführer zum Zwecke einer Arbeitsaufnahme in Portugal ins Schengengebiet eingereist sei, ohne im Besitz eines Aufenthaltstitels zu sein. Der Beschwerdeführer sei nicht im Besitze eines Aufenthaltstitels und dürfe keiner legalen Beschäftigung nachgehen. Er halte sich unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Seine Kernfamilie, bestehend aus seinen Eltern, seinem Bruder und seiner Schwester, würden in der Ukraine leben. In Österreich haben er keine Verwandten oder Sorgepflichten. Es bestehe in Österreich kein tatsächliches Familienleben. Er gestalte sein Privatleben in der Ukraine. Dort lebe seine Familie, dort könnte er eine Beschäftigung annehmen. Sein Privatleben in Österreich sei des Schützens nicht würdig. Er sei im Bundesgebiet weder beruflich, sprachlich, privat, familiär, noch sozial integriert. Der BF könne den Besitz von Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachweisen. Die Lebensumstände lassen erkennen, dass er, um an Geld zu kommen, die Ausübung von Schwarzarbeit fociere. Eine Fortsetzung seines gezeigten Verhaltens könne nicht ausgeschlossen werden. Die Feststellung zu seiner Person ergebe sich aus der im Polizeianhaltezentrums am 08.08.2020 erfolgten Niederschrift. Seine Integration finde in seinem Heimatland statt.

Gegen den oben genannten Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch den gewillkürten Vertreter fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, gegen Spruchpunkt II. bis VI, in eventu den Bescheid zur Gänze zu beheben und zur neuerlichen Verhandlung an das BFA zurückzuverweisen. In dieser wurde der erstinstanzliche Bescheid unter näherer Begründung wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung aufgrund Feststellungs- und Begründungsmängeln angefochten. Es wurde ausgeführt, dass der BF nie die Absicht hatte in Österreich zu arbeiten. Er habe das Recht als ukrainischer Staatsbürger in Österreich mit einem biometrischen Pass einzureisen. Er habe nach Portugal weiterreisen wollen und hätte dort einen Aufenthaltstitel beantragen können, dies hätte man den BF nicht verwehren dürfen. Weiters habe sich der BF bereit erklärt freiwillig auszureisen. Auch habe der BF Mittel in der Höhe von ca. 4.000 Euro gehabt, weswegen nicht davon ausgegangen werden kann, dass der BF keine Mittel zur Bestreitung seines Unterhaltes habe.

Am 12.08.2020 wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl informiert, dass der Beschwerdeführer das österreichische Bundesgebiet am 11.08.2020 verlassen hat und freiwillig ausgereist ist.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt sowie der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, das Zentrale Fremdenregister und Strafregister werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Ukraine, führt die im Spruch ersichtlichen Personalien und ist somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Die Identität des Beschwerdeführers steht fest. Seine Kernfamilie leben in der Ukraine, wo auch sein Lebensmittelpunkt liegt.

Der Beschwerdeführer ist am 05.08.2020 mit einem gültigen Reisepass und ohne Visum, über Ungarn in den Schengenraum und am 06.08.2020 in das österreichische Bundesgebiet eingereist. Der Beschwerdeführer wurde am 06.08.2020 von der Polizei aufgegriffen, angezeigt und am selben Tag festgenommen und in das PAZ Wien Roßauer Lände eingeliefert. Der Beschwerdeführer ist im Bundesgebiet nicht straffällig geworden. Der Beschwerdeführer war bei Festnahme im Besitz einer Verpflichtungserklärung eines Juan Antonio REGEIRA betreffend die Arbeitsaufnahme in Portugal.

Über den Beschwerdeführer wurde mit Mandatsbescheid vom 07.08.2020 Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme erlassen. Der Beschwerdeführer ist am 11.08.2020 per Flugzeug freiwillig in die Ukraine zurückgekehrt.

Der Beschwerdeführer verfügte – abgesehen von der Zeit seines Aufenthaltes im PAZ Wien Roßauer Lände - nie über eine aufrechte Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer befindet sich, seit seiner freiwilligen Rückkehr am 11.08.2020, nicht mehr im Bundesgebiet. Er hat keinen Aufenthaltstitel in Österreich beantragt. Der Beschwerdeführer verfügt weder über einen portugiesischen noch über einen Aufenthaltstitel in Österreich. Der Beschwerdeführer ist nicht im Besitz eines portugiesischen Visum D. Er verfügt in Österreich über keine gesellschaftlichen, familiären oder sonstigen Bindungen.

Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer zum Zwecken einer Arbeitsaufnahme in Portugal vorübergehend in das Bundesgebiet bzw. in den Schengenraum eingereist ist. Der BF wurde von einem portugiesischen Arbeitgeber eingeladen nach Portugal zukommen und ihm wurde ein Arbeitsvertrag angeboten, wenngleich dies von den portugiesischen Behörden für EU-Bürger ausgestellt wurde. Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet über ausreichende finanziellen Mittel in der Höhe von € 4. 184,86 verfügt hat, um seinen Aufenthalt vorübergehend im Bundesgebiet bzw. im Schengenraum zu finanzieren. Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer über keine Unterkunft im Bundesgebiet verfügt bzw. vor Abschiebung verfügt hat.

Der BF hat nicht beabsichtigt in Österreich zu verbleiben und wollte nach Portugal weiterreisen. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF in Portugal oder im Bundesgebiet eine Schwarzarbeit aufnehmen wollte.

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Der oben festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht und auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und wird in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

Die Feststellungen zur Person (Identität und Staatszugehörigkeit) stützen sich auf den im Zuge des Verfahrens vorgelegten ukrainischen Reisepass, an dessen Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel aufgekommen sind.

Der Feststellung betreffend Familienangehörigen und deren Aufenthaltsort, Lebensmittelpunkt, Unterkunftnahme, Einreisezeitpunkt getroffenen wurden, sind diese dem Inhalt der Einvernahme vor dem Bundesamt zu entnehmen. Die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Ausreisebestätigung vom 12.08.2020.

Laut Angaben des Beschwerdeführers wollte er nach Portugal, um zu arbeiten, allerdings verfügt er weder über ein Visum noch über einen Aufenthaltstitel. Er ist dort auch nicht ordnungsgemäß gemeldet.

Die Straflosigkeit des Beschwerdeführers folgt dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich. Der Beschwerdeführer legte keine Bescheinigungsmittel im Hinblick auf allenfalls vorhandene Deutschkenntnisse vor und wurde auch dessen Einvernahme in der Sprache Russisch abgehalten.

Die fehlende Existenz eines Aufenthaltstitels ist dem Inhalt des auf den Namen des Beschwerdeführers lautenden Auszuges aus dem Zentralen Fremdenregister zu entnehmen.

Dass der BF über Barmittel in der Höhe von € 4.184,86 verfügte ist aus seiner Angabe in der Niederschrift vor dem BFA, sowie aus der Effektenverwaltung des PAZ Wien ersichtlich. Mit diesen Geldmitteln wäre es dem BF möglich gewesen, vorübergehend im Bundesgebiet Unterkunft zu nehmen und seinen Unterhalt selbständig zu finanzieren.

Die Feststellungen zur Integration in Österreich ergibt sich aus dem unstrittigen Akteninhalt. Dass der Beschwerdeführer in der Ukraine über ein familiäres Netz verfügt, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben, wonach in der Ukraine seine Eltern leben würden.

Aus den vorgelegten portugiesischen und übersetzten Unterlagen (Akteninhalt) ist ersichtlich, dass der BF nach Portugal weiterreisen wollte, wie von ihm auch angegeben. Es gibt aus der Niederschrift und seinem Verhalten keine Anhaltspunkte für das Verwaltungsgericht, dass der BF im Bundesgebiet länger verbleiben oder gar einer Schwarzarbeit nachgehen wollte. Auch die tatsächliche Arbeitsaufnahme in Portugal ist nicht gegeben und der BF hätte nach Portugal reisen können, um dort feststellen zu können, ob er tatsächlich legal arbeiten darf oder weitere Dokumente bzw. einen Aufenthaltstitel benötige. Auch bei der Einvernahme hat er zur Kenntnis genommen, dass er zwar Einreisen darf, aber keiner Arbeit ohne entsprechenden Bewilligungen aufnehmen darf (Niederschrift vom 08.08.2020).

Die Feststellung, dass der BF am 11.08.2020 aus dem Bundesgebiet ausgereist ist, ergibt sich aus einer dem Akt einliegenden Ausreisebestätigung vom 12.08.2020 (AS 245).

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 3 BFA-G, BGBl. I 87/2012 idF BGBl. I 70/2015, obliegt dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100 (Z 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes – Bund 2005, BGBl. I Nr. 100 (Z 4).

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

Gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG 2005 hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

Gemäß § 31 Abs. 1 Z 1 FPG 2005 halten Fremde sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf:

1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

2. wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind bis zu drei Monaten (Art. 21 SDÜ gilt), sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;

4. solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach dem AsylG 2005 zukommt;

5. bis zur Entscheidung über einen Verlängerungsantrag (§ 2 Abs. 4 Z 17a), solange der Aufenthalt als Saisonier in den vergangenen zwölf Monaten insgesamt die Dauer von neun Monaten nicht überschreitet;

6. wenn sie Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels für unternehmensintern transferierte Arbeitnehmer gemäß ICT-Richtlinie eines anderen Mitgliedstaates sind, der das SDÜ nicht vollständig anwendet, und § 18 Abs. 13 AuslBG erfüllen, solange ihr Aufenthalt im Bundesgebiet in den vergangenen 180 Tagen nicht insgesamt die Dauer von 90 Tagen überschreitet und die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. e SGK erfüllt sind;

7. wenn sie gemäß der Forscher und Studenten-Richtlinie Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels "Forscher" eines anderen Mitgliedstaates sind und eine Tätigkeit für eine Forschungseinrichtung ausüben, die gemäß § 1 Abs. 2 lit. h AuslBG vom sachlichen Anwendungsbereich des AuslBG ausgenommen ist, oder als deren Familienangehörige Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels eines anderen Mitgliedstaates sind, solange jeweils ihr Aufenthalt im Bundesgebiet in den vergangenen 360 Tagen nicht insgesamt die Dauer von 180 Tagen überschreitet und die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. e SGK erfüllt sind;

8. wenn sie gemäß der Forscher und Studenten-Richtlinie Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels "Student" eines anderen Mitgliedstaates sind und an einem Unions- oder multilateralen Programm mit Mobilitätsmaßnahmen teilnehmen oder für sie eine Vereinbarung zwischen zwei oder mehreren Hochschuleinrichtungen besteht, solange ihr Aufenthalt im Bundesgebiet nicht insgesamt die Dauer von 360 Tagen überschreitet und die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. e SGK erfüllt sind, oder

9. soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.

Gemäß Art. 20 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) können sich sichtvermerkfreie Drittausländer im Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten frei bewegen, höchstens jedoch drei Monate innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab dem Datum der ersten Einreise an, und soweit sie die in Artikel 5 Abs. 1 Buchstaben a, c, d und e angeführten Einreisevoraussetzungen erfüllen.

Gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. a, c, d und e SDÜ iVm. Art. 6 Abs. 1 Schengener Grenzkodex, VO (EU 2016/399, gelten für einen geplanten Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen, wobei der Zeitraum von 180 Tagen, der jedem Tag des Aufenthalts vorangeht, berücksichtigt wird, gelten für einen Drittstaatsangehörigen die dort genannten Einreisevoraussetzungen. So muss der Drittstaatsangehörige im Besitz eines gültigen Reisedokuments und, sofern dies in der sog. Visumpflicht-Verordnung VO (EG) Nr. 539/2001 vorgesehen ist, im Besitz eines gültigen Visums sein, außer wenn er Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels oder eines gültigen Visums für den längerfristigen Aufenthalt ist. Er muss weiters den Zweck und die Umstände des beabsichtigten Aufenthalts belegen und über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts, sowohl für die Dauer des Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügen oder in der Lage sein, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben; er darf nicht im SIS zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben sein und keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaates darstellen und insbesondere nicht in den nationalen Datenbanken der Mitgliedstaaten zur Einreiseverweigerung aus denselben Gründen ausgeschrieben worden sein.

Die EU-Visum-Verordnung (VO (EU) 2018/1806, ABl. Nr. L 303/39 vom 28.11.2018) trat am 18.12.2018 in Kraft und ersetzte die Verordnung (EG) 539/2001 (Visumpflicht-Verordnung). Ukrainische Staatsangehörige sind gemäß Art. 4 Abs. 1 iVm Anhang II der VO (EU) 2018/1806 von der Visumspflicht für einen Aufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, befreit.

Der Beschwerdeführer hat – wie in der Beschwerde vorgebracht– mit gültigem ukrainischen biometrischen Reisepass seinen Herkunftsstaat Ukraine verlassen und er hat nicht die sichtvermerksfreie Aufenthaltsdauer im Schengen-Raum von 90 Tagen innerhalb von 180 Tagen überschritten hat. Er reiste am 05.08.2020 in den Schengen-Raum ein und war zuletzt im Jänner 2020 in Österreich. Die Ausreise erfolgte am 11.08.2020, wodurch der BF nicht länger als 90 Tage innerhalb der 180 Tage im Schengen-Raum aufhältig war.

Er verfügte über eine Bankkarte, welche es ihm ermöglichte Bezahlungen durchzuführen, sowie über Geldmittel in der Höhe von € 4.184, 86. Mit diesen Mitteln wäre es ihm möglich gewesen, vorübergehend Unterkunft im Bundesgebiet zu nehmen und anschließend nach Portugal weiterzureisen, um festzustellen, ob er mit der im Akt aufliegenden Einladung des Arbeitgebers und Bestätigungen einer legalen Arbeit nachgehen kann. Es wäre ihm möglich gewesen für einen vorübergehenden Zeitraum auch in Portugal zu leben ohne einer Arbeit nachzugehen, zumal ihm der potentielle Arbeitgeber vorübergehend Unterkunft gewährt hätte. Aber auch ohne Unterkunftsgewährung wäre es dem BF mit diesen Barmittel möglich gewesen seinen Unterhalt und Unterkunft, wenngleich nicht im hohen Standard zu finanzieren und bei Bedarf wieder in die Ukraine zurückzukehren.

Der Beschwerdeführer ist am 05.08.2020 in den Schengen-Raum eingereist, wobei dieser über kein Visum "D" verfügte. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF in Österreich oder Portugal illegal arbeiten wollte. Er war vorübergehend in Österreich und wollte aufgrund einer Einladung eines Arbeitsgebers nach Portugal weiterreisen. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF für einen längeren Zeitraum in Österreich verbleiben oder gar einer Schwarzarbeit nachgehen wollte. Auch hätte der BF daher seinen Aufenthalt und die Weiterreisen nach Portugal und zurück in die Ukraine mit den verfügbaren Barmitteln finanzieren können.

Es kann daher der Behörde nicht gefolgt werden, dass der BF beabsichtigt habe, in Österreich oder Portugal einer Schwarzarbeit nachzugehen oder über keine Mittel für den vorübergehenden Unterhalt zu besitzen und stellte er daher im Bundesgebiet oder anderen Staat keine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder innere Sicherheit dar.

Daraus leitet sich in der Folge ab, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zum Zeitpunkt der Erlassung der Rückkehrentscheidung als rechtmäßig zu qualifizieren war. Damit fehlt jedoch die rechtliche Grundlage für die Entscheidung der belangten Behörde.

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 7 AsylG 2005 („Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“) von Amts wegen zu prüfen, wenn sich ein Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstücks des FPG („Zurückweisung, Transitsicherung, Zurückschiebung und Durchbeförderung“; §§ 41 ff FPG) fällt. Aufgrund des rechtmäßigen Aufenthalts des Beschwerdeführers war die Erteilung des Aufenthaltstitels nicht zu prüfen und demzufolge Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides zu beheben.

Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstücks des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, ist diese Entscheidung gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

Gemäß § 52 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (Z 1) oder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde (Z 2).

Der Beschwerdeführer fällt nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG. Aufgrund des rechtmäßigen Aufenthalts des Beschwerdeführers findet die Berufung auf § 52 Abs. 1 Z 1 FPG im Bescheid keine Rechtsgrundlage mehr. Die Erlassung der Rückkehrentscheidung erfolgte daher nicht zu Recht, weshalb auch Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides zu beheben war. Dies wirkt sich auch auf die damit – wie dem Wortlaut der Normen entnehmbar – untrennbar im Zusammenhang stehenden Aussprüche nach § 52 Abs. 9 FPG (Abschiebung), § 55 Abs. 4 FPG (Ausreisefrist) und § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG (Aberkennung der aufschiebenden Wirkung) aus, sodass auch die Spruchpunkte III., V. und VI. ebenfalls zu beheben waren.

Wird eine Rückkehrentscheidung gegenstandslos, so erfasst dies nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nämlich auch die damit im Zusammenhang stehenden Aussprüche. Das gilt auch für das an die Rückkehrentscheidung anknüpfende Einreiseverbot, zumal es nach der insoweit umgesetzten Richtlinie 2008/115/EG keine von der Rückkehrentscheidung losgelösten Einreiseverbote gibt (vgl. VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0151, mwN; diese Entscheidung betraf den Spezialfall der Gegenstandslosigkeit einer Rückkehrentscheidung aufgrund der nachträglichen Erlangung eines rechtmäßigen Aufenthalts, ist aber nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auch auf einen Fall wie den vorliegenden zu übertragen, in dem eine Rückkehrentscheidung zu Unrecht erging und aufzuheben ist). Dem folgend war auch Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides (Einreiseverbot) zu beheben.

Dafür, dass der Beschwerdeführer durch sein (sonstiges) Verhalten eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt, gab es im gegenständlichen Fall keine Anhaltspunkte.

Der Bescheid war daher vollinhaltlich aufzuheben.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte im vorliegenden Fall gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.

B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Da die Entscheidung über die gegenständliche Beschwerde letztlich lediglich von Fragen der Beweiswürdigung abhängig war, ist die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Einreiseverbot aufgehoben ersatzlose Behebung freiwillige Ausreise Gegenstandslosigkeit illegale Beschäftigung illegaler Aufenthalt Kassation Mittellosigkeit rechtmäßiger Aufenthalt Rechtsgrundlage Rechtswidrigkeit Rückkehrentscheidung behoben Schwarzarbeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W272.2234454.1.00

Im RIS seit

30.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

30.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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