TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/24 I421 2233023-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.06.2021
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Entscheidungsdatum

24.06.2021

Norm

BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §66 Abs1
FPG §66 Abs2
FPG §70 Abs3
NAG §51 Abs1 Z2
NAG §52 Abs1
NAG §53a Abs1
NAG §55 Abs1
NAG §55 Abs3
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I421 2233023-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin STEINLECHNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Bulgarien, vertreten durch die BBU, Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, Modecenterstraße 22, 1030 Wien gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX vom 10.06.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)       Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit 27.12.2019 erging eine Information über das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht durch das Amt der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA, belangte Behörde), in der dieser mitgeteilt wurde, dass die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) in den Jahren ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet lediglich zwei Wochen einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sei, somit die Voraussetzungen des § 51 NAG keinesfalls über einen Zeitraum von fünf Jahren erfüllt hätte und daher trotz ihrer seit 2002 bestehenden Meldung im Bundesgebiet nicht zum Daueraufenthalt berechtigt sei. Im Hinblick auf die neuerliche Antragstellung, welche erst im Dezember 2008 erfolgt sei, sowie auf die Tatsache, dass sie bereits zweieinhalb Jahre nach rechtmäßigem Zuzug bzw. Aufenthalt Mindestsicherung bezogen habe und dies seit 2013 ununterbrochen, werde um Prüfung einer möglichen Aufenthaltsbeendigung ersucht.

2. Am 13.05.2020 verständigte das BFA die BF über die beabsichtigte Erlassung einer Ausweisungsentscheidung, den Stand der Beweisaufnahme und erteilte es ihr zugleich die Möglichkeit zur Stellungnahme innerhalb von 14 Tagen ab Zustellung der Verständigung.

3. Die BF, damals vertreten durch die Beratungsstelle Verein Piramidops, bezog sich in ihrer Stellungnahme vom 05.06.2020 darauf, dass sie 67 Jahre alt sei, seit 2002 durchgehend in Wien lebe und ihr Lebensmittelpunkt seit fast 20 Jahren in Wien sei. Aufgrund einer Operation wegen eines Herzklappenaustausches habe sie zuerst nicht arbeiten können. Danach sei sie in einem Gastronomiebetrieb als Küchenhilfe beschäftigt gewesen, es habe sich aber erst im Jahr 2010 herausgestellt, dass sie dort nicht angemeldet gewesen sei. Aus diesem Grund sei sie zur Arbeiterkammer und sei ein gerichtlicher Prozess geführt worden, welcher aufgrund mehreren Umständen nicht zu ihren Gunsten ausgegangen sei. In weiterer Folge habe die BF aufgrund ihres Alters und des Gesundheitszustandes bis auf die zweiwöchige Beschäftigung im Jahr 2010 keine Arbeit mehr gefunden. Die BF sei in der schwierigen Zeit von ihrer Familie, meistens durch die Schwester unterstützt worden, anderenfalls hätte die BF einen Sachwalter gebraucht. Die BF besuche ihre in Burgenland mit ihren Kindern lebende Tochter, österreichische Staatsbürgerin und verheiratet, und werde von dieser nach den Operationen und Krankenaufenthalten gepflegt. Der Gesundheitszustand der BF sei nicht stabil, sie habe bereits zwei Herzoperationen, eine Tumor-OP und mehrere Krankenhausaufenthalte gehabt. Der BF gehe es psychisch nicht mehr gut, leider unter Depressionen, nehme Medikamente und sei regelmäßig in der „ XXXX “ in Betreuung. Die BF beziehe Mindestsicherung und Pflegegeld von der Pensionsversicherungsanstalt (im Folgenden: PVA), wohne in einer Gemeindewohnung als Hauptmieterin und strebe einen Aufenthalt in Österreich an. Eine Rückkehr nach Bulgarien würde das Ende für die BF bedeuten.

4. Mit Bescheid vom 10.06.2020, Zl. XXXX , sprach das BFA die Ausweisung der BF aus (Spruchpunkt I.) und erteilte ihr einen Durchsetzungsaufschub von einem Monat (Spruchpunkt II.).

5. In der darauffolgenden Beschwerde vom 01.07.2020 bekämpfte die BF durch ihre damalige Rechtsvertretung „Verein Menschenrechte Österreich“ den oben angeführten Bescheid und brachte zusammengefasst vor, dass nicht ersichtlich sei, warum eine Ausweisung zu erlassen sei, zumal sie sich seit 18 Jahren im Bundesgebiet befinde, Schwester und Tochter gemeinsam mit ihren Familien hier wohnen und sie in Bulgarien über keine familiären oder sozialen Anknüpfungspunkte mehr verfüge. Auch wenn die Behandlung in Bulgarien möglich wäre, sei die BF auf die ständige Pflege durch ihre Familienangehörigen angewiesen. Aufgrund ihres persönlichen Verhaltens könne nicht davon ausgegangen werden, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch ihren Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet sei. Beantragt werde die Rechtmittelbehörde möge der Beschwerde stattgeben und den hier angefochtenen Spruchpunkt I des Bescheides zur Gänze beheben; in eventu den Bescheid ersatzlos beheben und zur neuerlichen Verhandlung an das BFA zurückverweisen; in eventu die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung anordnen.

6. Am 17.07.2020 langten zur übermittelten Beschwerde weitere medizinische Unterlagen der BF beim Bundesverwaltungsgericht ein.

7. Das BFA legte am 23.07.2020, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 24.07.2020, die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

8. Mit Schreiben vom 08.01.2021 wurde dem erkennenden Gericht die Vollmacht durch die BBU GmbH bekanntgegeben und überdies ein Konvolut an medizinischen Unterlagen vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die BF ist Staatsangehörige von Bulgarien. Ihre Identität steht fest. Die BF wurde am XXXX in XXXX , in Bulgarien geboren und ist im Entscheidungszeitpunkt 68 Jahre alt.

Am 31.03.2009 wurde der BF die Anmeldebescheinigung Sonstige ausgestellt.

In Österreich war die BF vom 23.09.2002 bis zum 29.06.2005 mit Nebenwohnsitz in XXXX gemeldet. Seit dem 11.10.2005, somit seit mehr als 15 Jahren, ist sie durchgehend mit Hauptwohnsitz in Wien gemeldet. Die BF lebt seit 25.06.2011 in einer Mietwohnung bestehend aus Vorraum, Wohnküche, Baderaum und Klo mit einem Mietzins von EUR 259,84.

Die BF verfügt in Österreich über ihre Schwester sowie ihre verheiratete, volljährige Tochter, welche mit ihren Kindern in Burgenland lebt. In Bulgarien hat die BF keine Familienangehörigen.

Die BF geht derzeit keiner geregelten Erwerbstätigkeit nach. Die BF war zuletzt vom 18.03.2010 bis zum 31.03.2010 beschäftigt. Es konnte nicht festgestellt werden, ob die BF in einem Gastronomiebetrieb als Küchenhilfe gearbeitet hat.

Die BF bezieht seit dem Jahr 2013 laufend Sozialleistungen. Die BF bestreitet ihre Lebenserhaltungskosten durch die bedarfsorientierte Mindestsicherung in der Höhe von ungefähr EUR 1.044,51 und einem monatlichen Pflegegeld in der Höhe der Stufe 1 von der PVA von EUR 160,10 monatlich. Die BF verfügt nicht über ausreichend Existenzmittel in Österreich.

Die BF hat schon seit längere Zeit gesundheitliche Probleme. So wurde sie im Jahr 2001 und 2014 einer Herzklappenoperation im Krankenhaus XXXX unterzogen. Im Jahr 2019 und 2020 folgten mehrere stationäre Krankenhausaufenthalte im Krankenhaus XXXX sowie im XXXX in Wien und im Krankenhaus XXXX . Zuletzt war die BF vom 06.12.2020 bis zum 31.12.2020 in stationärer Behandlung auf der Abteilung XXXX XXXX in der Klinik XXXX . Aufgrund ihres Gesundheitszustandes benötigt die BF Unterstützung und Betreuung, die durch ihre Tochter und ihre Schwester gesichert ist. Überdies befindet sich die BF seit 2013 in fachärztlicher Behandlung im sozialpsychiatrischen Ambulatorium XXXX „ XXXX “ Wien.

Die BF ist strafgerichtlich unbescholten. Es sind ihr keine Verstöße gegen die öffentliche Ordnung anzulasten.

Insgesamt ist die BF seit 11.10.2005 durchgehend in Österreich mit Hauptwohnsitz erfasst und hält sich damit jedenfalls seit 15 Jahren im Bundesgebiet auf. Schon aufgrund der langen Aufenthaltsdauer liegen maßgebliche private Bezüge der BF im Bundesgebiet vor. Es liegen daher wesentliche Anhaltspunkte für eine Integration der BF in Österreich in familiärer, sozialer und gesellschaftlicher Hinsicht vor.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang unter Punkt I. ergibt sich widerspruchsfrei aus dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakte und des Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts.

Die Feststellungen in Hinblick auf die Person der BF, ihres Geburtsortes und ihrer Staatsangehörigkeit ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

Dass der BF am 31.03.2009 eine Anmeldebescheinigung ausgestellt wurde, war dem Schreiben der Magistratsabteilung 35 Wien und dem Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister zu entnehmen (AS 15).

Die Feststellungen betreffend ihre Familie, insbesondere, dass sie eine Schwester und eine volljährige Tochter mit deren Kindern in Burgenland hat, in Bulgarien jedoch über keine Familienangehörigen verfügt, gründen auf ihren glaubhaften Angaben in der Stellungnahme vom 05.06.2020 (AS 49 ff) und im Beschwerdeschriftsatz (AS 109) und bestanden dabei keine Zweifel.

Hinsichtlich des Gesundheitszustandes der BF ist auszuführen, dass sich dieser einerseits aus den im Akt befindlichen medizinischen Unterlagen, andererseits aus den glaubhaften Ausführungen in der Stellungnahme und im Beschwerdeschriftsatz ableitet. Glaubhaft werden die Angaben in der Stellungnahme und im Beschwerdeschriftsatz erachtet, wonach die BF wegen ihrer gesundheitlichen Probleme durch ihre Angehörigen unterstützt und betreut wird, und war dies auch dem Entlassungsbrief der Klinik XXXX vom 31.12.2020 zu entnehmen. Die Feststellung zur psychiatrischen Behandlung basiert auf den Ausführungen in der Stellungnahme und wird zudem durch den fachärztlichen Befundbericht vom 18.11.2019 belegt (AS 121).

Aus einem Auszug des Zentralen Melderegisters ist ihre Wohnsitznahme im Bundesgebiet nachgewiesen und leitet sich daraus ab, dass die BF jedenfalls seit 2005 in Österreich aufhältig ist. Vorgelegt wurde ein von der BF am 26.06.2011 unterfertigter Mietvertrag für eine Mietwohnung mit einer Fläche von 33,65m2 in der XXXX , XXXX , aus welchem der Mietzins in der Höhe von EUR 259,84 ersichtlich ist (AS 65).

Dass die BF derzeit keiner geregelten Erwerbstätigkeit nachgeht und vorher lediglich im Jahr 2010 für zwei Wochen beschäftigt war, basiert zum einen auf ihren eigenen Ausführungen in der Stellungnahme vom 05.06.2020, zum anderen ist dies im AJ-WEB Auszug ersichtlich. Mangels Nachweis konnte nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, ob die BF in einem Gastronomiebetrieb als Küchenhilfe beschäftigt war.

Die Feststellung betreffend die Zuerkennung der Mindestsicherung ergibt sich aus dem vorliegenden Bescheid vom 10.12.2018, aus welchem hervorgeht, dass die BF EUR 863,04 zur Deckung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfs sowie EUR 181,47 Mietbeihilfe beansprucht (AS 59). Dem AJ-WEB Auszug war zu entnehmen, dass die BF seit 13.06.2013 laufend bedarfsorientierte Mindestsicherung bezieht. Der Anspruch und Bezug von Pflegegeld der Stufe 1 in der Höhe von EUR 160,10 wird durch den Bescheid von 22.01.2020 nachgewiesen. Diesbezüglich war den Ausführungen der belangten Behörde sowie der Magistratsabteilung anzuschließen, dass die BF nicht über ausreichende Existenzmittel verfügt.

Die Feststellungen im Hinblick auf die strafrechtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus einer Anfrage im Strafregister am 21.07.2020.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zur Stattgabe der Beschwerde:

3.1. Zur Rechtslage:

§ 66 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF BGBl. I Nr. 27/2020 regelt die Ausweisung:

„(1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

(2) Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat das Bundesamt insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.

(3) Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, die Ausweisung wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.“

Gemäß § 51 Abs. 1 NAG sind EWR-Bürger auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind (Z 1); für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen (Z 2), oder als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen (Z 3).

Gemäß § 52 Abs. 1 NAG sind auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§§ 51 und 53a) sind, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie Ehegatte oder eingetragener Partner sind (Z 1), Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres und darüber hinaus sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird (Z 2), Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird (Z 3) oder Lebenspartner sind, der das Bestehen einer dauerhaften Beziehung nachweist. Weiters mitumfasst sind sonstige Angehörige des EWR-Bürgers, die vom EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat Unterhalt tatsächlich bezogen haben, oder die mit dem EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben, oder bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege zwingend erforderlich machen.

Abs. 1 des mit "Bescheinigung des Daueraufenthalts von EWR-Bürgern" betitelten § 53a NAG idgF BGBl. I Nr. 146/2020 lautet:

„(1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), erwerben unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 51 oder 52 nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt. Ihnen ist auf Antrag nach Überprüfung der Aufenthaltsdauer unverzüglich eine Bescheinigung ihres Daueraufenthaltes auszustellen.“

Der mit „Nichtbestehen, Fortbestand und Überprüfung des Aufenthaltsrechtes für mehr als drei Monate“ betitelte § 55 NAG idgF BGBl. I Nr. 146/2020 lautet wie folgt:

„(1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

(2) Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs. 3 und 54 Abs. 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.

(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs. 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.

(4) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§ 9 BFA-VG), hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.

(5) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung von Drittstaatsangehörigen, die Angehörige sind, aber die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, ist diesen Angehörigen ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" quotenfrei zu erteilen.

(6) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist ein nach diesem Bundesgesetz anhängiges Verfahren einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird."

3.2. Zur Anwendung auf den gegenständlichen Fall:

Als Staatsangehörige der Republik Bulgarien ist die BF EWR-Bürger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.

Nach Art. 7 Abs. 1 lit. a und b RL 2004/38/EG vom 3.7.2009 (Freizügigkeitsrichtlinie) hat jeder Unionsbürger das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten, wenn er Arbeitnehmer oder Selbständiger im Aufnahmemitgliedstaat ist, oder für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, sodass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, und er und seine Familienangehörigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügen. Nicht von Bedeutung ist die Höhe der Vergütung, Ausmaß der Arbeitszeit und Dauer des Dienstverhältnisses (vgl. EuGH 26.2.1992, C-357/89, Raullin/Minister van Onderwijs en Weteschappen).

Die BF geht in Österreich gegenwärtig keiner selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit nach, wodurch sie auf Grundlage des § 51 Abs. 1 Z 1 NAG zum Aufenthalt in Österreich berechtigt wäre. Es war gegenständlich in weiterer Folge zu prüfen, ob sie den Tatbestand des § 51 Abs. 1 Z 2 NAG erfüllt.

Im Rahmen der Prüfung des Tatbestandes des § 51 Abs. 1 Z 2 NAG ist (unter anderem) zu beurteilen, ob der Unionsbürger über ausreichende Existenzmittel im Aufnahmemitgliedstaat verfügt und ein umfassender Krankenversicherungsschutz besteht, sodass während des Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch genommen werden müssen. Für das Vorliegen ausreichender Existenzmittel genügt, wenn dem Unionsbürger die notwendigen Mittel zur Verfügung stehen; hingegen stellt die Bestimmung keine Anforderungen an die Herkunft der Mittel, sodass diese etwa auch von einem Elternteil des betroffenen Unionsbürgers stammen können (vgl. VwGH 12.12.2017, Ra 2015/22/0149).

Es bedarf also bei der Frage, ob ausreichende Existenzmittel zur Verfügung stehen, einer konkreten Einzelfallbeurteilung (vgl. VwGH 15.03.2018, Ra 2017/21/0222).

Die BF hält sich jedenfalls seit dem Jahr 2005 im Bundesgebiet auf. Die BF bezieht bedarfsorientierte Mindestsicherung und bekommt dadurch monatlich EUR 863,04 zur Deckung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfs sowie EUR 181,47 Mietbeihilfe. Überdies wurde ihr ein monatliches Pflegegeld in der Höhe der Stufe 1 von EUR 160,10 zuerkannt. Die Mietkosten in der Höhe von EUR 259,84 trägt die BF selbst. Die BF nimmt seit dem Jahr 2013 Sozialhilfeleistungen in Österreich in Anspruch. Im Verfahren und aus dem Akt ist nicht hervorgekommen, dass die BF über erspartes Vermögen verfügt oder von im Bundesgebiet lebenden Angehörigen finanziell derart unterstützt wird, dass sie über ausreichende Existenzmittel verfügt.

Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausführt, ist die BF auf die Sozialhilfeleistungen angewiesen und verfügt damit nicht über ausreichende Existenzmittel, weshalb auch die Voraussetzungen des § 51 Abs 1 Z 2 NAG nicht erfüllt sind.

In diesem Zusammenhang gilt es – wie die belangte Behörde bereits festgehalten hat – darauf hinzuweisen, dass die BF trotz fünf Jahre ununterbrochenen Aufenthalt in Österreich mangels regelmäßiger Erwerbstätigkeit kein Daueraufenthaltsrecht iSd § 53a Abs. 1 NAG erworben hat.

Zudem gilt anzumerken, dass aufgrund des Gesundheitszustandes der BF und des erhöhten Lebensalters (sie ist im Entscheidungszeitpunkt 68 Jahre alt) nicht davon auszugehen ist, dass sie jemals wieder eine Erwerbstätigkeit aufnimmt oder sonst über ausreichend Existenzmittel ohne die Inanspruchnahme der bedarfsorientierten Mindestsicherung und des Pflegegeldes erlangen wird.

Hinsichtlich § 52 Abs 1 Z 5 lit c NAG ist auszuführen, dass die BF aufgrund ihres Gesundheitszustandes zwar von ihren Angehörigen betreut und unterstützt wird, sich insofern jedoch keine Hinweise aus dem Akt ergaben, dass schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege zwingend erforderlich machen.

Aus diesem Grund erfolgte die Ausweisung der BF nach § 66 Abs. 1 FPG in Verbindung mit § 55 Abs. 3 NAG im gegenständlichen Beschwerdefall dem Grunde nach zu Recht.

Jedoch steht auch die Erlassung einer Ausweisung gemäß § 66 FPG unter dem Vorbehalt des § 9 BFA-VG. Nach § 66 Abs. 2 FPG und § 9 BFA-VG ist bei Erlassung einer auf § 66 FPG gestützten Ausweisung eine Abwägung des öffentlichen Interesses an der Beendigung des Aufenthalts des EWR-Bürgers mit dessen Interesse an einem Verbleib in Österreich vorzunehmen, bei der insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts im Bundesgebiet, das Alter, der Gesundheitszustand, die familiäre und wirtschaftliche Lage, die soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß der Bindungen zum Heimatstaat sowie die Frage der strafgerichtlichen Unbescholtenheit zu berücksichtigen sind (vgl VwGH vom 30.08.2018, Ra 2018/21/0049). Darüber hinaus ist gemäß § 66 Abs. 3 FPG eine Ausweisung gegen einen EWR-Bürger, der seinen Aufenthalt seit mehr als zehn Jahren im Bundesgebiet hatte, nur dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet sein würde.

Gegenständlich kommt die belangte Behörde in ihrer Interessenabwägung iSd Art 8 EMRK zum Ergebnis, dass eine Abwägung der persönlichen Interessen der BF an einem weiteren Aufenthalt in Österreich gegen die Interessen des Staates ergeben hätten, dass ihr Verlassen des Bundesgebietes notwendig und geboten sei (vgl. AS 102).

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde ist gegenständlich nicht von einem notwendigen und gebotenen Verlassen der BF aus dem Bundesgebiet auszugehen und hat das BFA bei der Entscheidung über die Ausweisung die lange Aufenthaltsdauer der BF im Bundesgebiet bei der durchzuführenden Abwägung gemäß § 9 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK nicht ausreichend berücksichtigt:

Gemäß § 9 BFA-VG ist ua eine Ausweisung gemäß § 66 Abs FPG, die in das Privat- oder Familienleben eines Fremden eingreift, nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei Beurteilung dieser Frage ist eine gewichtende Gegenüberstellung der öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung mit dem persönlichen Interesse des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich vorzunehmen. Dieses Interesse nimmt grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden zu. Die bloße Aufenthaltsdauer ist jedoch nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung der besagten persönlichen Interessen ist aber auch auf die Auswirkungen, die eine Ausweisung auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 15.12.2011, 2010/18/0248).

Der Begriff des Familienlebens in Art 8 EMRK umfasst jedenfalls die Beziehung von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten und schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt. Der Begriff des Familienlebens ist nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterium hiefür kommt etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht (vgl. EGMR 13. 6. 1979, Marckx, EuGRZ 1979). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Europäischen Kommission für Menschenrechte auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg Lettland, EuGRZ 2006, 554). Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 EMRK, ÖJZ 2007, 852 ff).

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist nämlich bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt eines Fremden regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an seinem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurde eine aufenthaltsbeendende Maßnahme ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen. Außerdem erachtete der Verwaltungsgerichtshof auch bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt in Verbindung mit dem Vorliegen gewisser integrationsbegründender Aspekte ein Überwiegen des persönlichen Interesses eines Fremden an einem Verbleib im Inland dann nicht als zwingend, wenn dem Umstände entgegen stehen, die das gegen diesen Verbleib im Inland sprechende öffentliche Interesse verstärken bzw. die Länge der Aufenthaltsdauer im Inland relativieren (vgl. aus jüngerer Zeit etwa VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0243, Rn. 9, mwN). Diese Rechtsprechung zu Art. 8 EMRK ist auch für die Erteilung von Aufenthaltstiteln relevant (vgl. VwGH 26.02.2015, Ra 2015/22/0025; 19.11.2014, 2013/22/0270). Auch in Fällen, in denen die Aufenthaltsdauer knapp unter zehn Jahren lag, hat der VwGH eine entsprechende Berücksichtigung dieser langen Aufenthaltsdauer gefordert (vgl. VwGH 16.12.2014, 2012/22/0169; 09. 09.2014, 2013/22/0247). Im Fall, dass ein insgesamt mehr als zehnjähriger Inlandsaufenthalt für einige Monate unterbrochen war, legte der VwGH seine Judikatur zum regelmäßigen Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt des Fremden zugrunde (vgl. VwGH 26.03.2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082).

Wie bereits in den Feststellungen und in der Beweiswürdigung festgehalten, ist die BF mindestens seit jedenfalls 15 Jahren durchgehend im Bundesgebiet aufhältig, zumal sie von 2002 bis 2004 mit Nebenwohnsitz und seit 2005 ununterbrochen in Wien gemeldet ist. Die BF bewohnt eine Mietwohnung mit einer Fläche von 33,65m2, sohin eine ortsübliche Unterkunft. Der Lebensmittelpunkt der BF liegt jedenfalls in Wien.

Daran vermag auch der Umstand, dass die BF außer einer zwei Wochen langen Beschäftigung keiner Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nachgegangen ist und schon seit geraumer Zeit Sozialhilfeleistungen bezieht, nichts ändern, zumal in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden muss, dass die nachweislichen gesundheitlichen Probleme und das erhöhte Alter Grund für die Arbeitslosigkeit der BF waren.

Auch wenn es der BF damit nicht möglich war, sich beruflich zu integrieren, so liegt unstrittig ein schützenswertes Familienleben iSd Art. 8 EMRK im Bundesgebiet vor: Hinsichtlich ihres Familienlebens ist auszuführen, dass in Österreich die einzige Tochter der BF mit ihren Kindern lebt. Zudem wohnt auch die Schwester der BF im Bundesgebiet. Zwischen der BF und ihrer Familie liegt zweifelsfrei eine Beziehungsintensität vor, so besucht die BF die in Burgendland lebende Tochter und ihre Enkelkinder und wird die BF aufgrund ihres Gesundheitszustandes von ihrer Schwester und ihrer Tochter unterstützt und betreut. Insofern geht aus dem Entlassungsbrief vom Dezember 2020 hervor, dass die BF in abwechselnden Intervallen bei der Tochter oder ihrer Schwester wohnt und die Betreuung somit durch ihre Angehörigen gesichert ist. Im Falle einer Ausweisung würde die BF die familiären Unterstützungen und Bindungen verlieren. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde verfügt die BF in Bulgarien über keine sozialen Anknüpfungspunkte und wäre eine Betreuung durch ihre Familie in Bulgarien nicht möglich. In Anbetracht der langen Aufenthaltsdauer in Österreich ist jedenfalls davon auszugehen, dass die BF hier über maßgebliche soziale, familiäre und gesellschaftliche Beziehungen verfügt. Insgesamt kann davon, dass sich die BF überhaupt nicht integriert hätte bzw., dass bei der BF ein zu berücksichtigendes Privat- und Familienleben nicht vorliegt, vor diesem Hintergrund keine Rede sein (vgl. VwGH 30.06.2016, Ra 2016/21/0165).

Es ist nicht zu erkennen, dass ein weiterer Aufenthalt der unbescholtenen BF im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich nachhaltig und maßgeblich gefährden würde. Es sind ihr keine Verstöße gegen die öffentliche Ordnung anzulasten.

In Anbetracht ihres Alters und Gesundheitszustandes, ihrer insgesamt mehr als fünfzehn Jahre langen Aufenthaltsdauer, der sozialen Integration, ihrer maßgeblichen familiären Interessen sowie ihrer Unbescholtenheit liegt im gegenständlichen Fall ein Überwiegen der persönlichen Interessen der BF an einem Verbleib im Bundesgebiet über die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung vor.

Nach einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG überwiegen somit die privaten und familiären Interessen der BF an einem Verbleib im Bundesgebiet jene an ihrer Ausweisung. Die Erlassung einer Ausweisung würde daher eine Verletzung der Rechte der BF nach Art. 8 EMRK bedeuten. Die Ausweisung erfolgte somit gemäß § 9 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK nicht zu Recht.

Dies bedingt auch die Gegenstandslosigkeit des ihr gewährten Durchsetzungsaufschubs. Beide Spruchpunkte des angefochtenen Bescheids waren daher in Stattgebung der Beschwerde ersatzlos zu beheben. Es war spruchgemäß zu entscheiden.

4. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Im gegenständlichen Fall konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG sowie § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt bereits auf Grund der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint und sich daraus ergibt, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Ausweisung aufgehoben Behebung der Entscheidung Daueraufenthalt EU (int. Schutzberechtigte) Durchsetzungsaufschub Einzelfallprüfung ersatzlose Behebung EU-Bürger EWR-Bürger finanzielle Mittel Gesundheitszustand Interessenabwägung Kassation öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen Unionsbürger Vollversicherung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I421.2233023.1.00

Im RIS seit

30.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

30.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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