Index
L92059 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Wien;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Zens, Dr. Bayjones und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des D in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. Juli 1995, Zl. 301.909/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. Juli 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 11. März 1995, mit dem dem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nicht stattgegeben wurde, gemäß § 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufG) abgewiesen.
Als wesentlichen Einwand des Beschwerdeführers in der Berufung gab die belangte Behörde wieder, die Frau des Beschwerdeführers besitze ein unbefristetes Visum, er wolle bei ihr bleiben. Da das Bruttogehalt der Gattin des Beschwerdeführers von S 12.500,-- nicht ausreiche, um für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, habe er mitgeteilt, daß sein Bruder die Miete bezahle und sich auch sonst um ihn kümmere.
Begründend führte die belangte Behörde zur Frage des gesicherten Lebensunterhaltes des Beschwerdeführers im wesentlichen aus, daß im vorliegenden Fall "einem grundsätzlichen Mindestbedarf von öS 9.540,-- netto gemäß dem Sozialhilferichtsatz des Bundeslandes Wien tatsächlich öS 12.500,-- brutto, welche von Ihnen aufgebracht werden können, gegenüberstehen". Der Beschwerdeführer habe zwar in der Berufung angegeben, daß sein Bruder für die Kosten der Miete aufkomme, belege dies jedoch mit einer Lohnbestätigung seines Bruders, woraus nicht entnommen werden könne, ob die Angaben des Beschwerdeführers richtig seien. Daher sei der Beschwerdeführer seiner Pflicht, am Berufungsverfahren entsprechend mitzuwirken, nicht ausreichend nachgekommen. Im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen habe die Berufungsbehörde festgestellt, daß unter Abwägung der persönlichen Interessen mit den öffentlichen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK die öffentlichen Interessen überwögen. Angesichts dieser Tatsachen könne eine Aufenthaltsbewilligung nicht erteilt werden.
Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid in der vorliegenden Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte unter Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde geht im Fall des Beschwerdeführers von einem grundsätzlichen Mindestbedarf von S 9.540,-- netto gemäß dem Sozialhilferichtsatz des Bundeslandes Wien aus.
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes begegnet die Heranziehung des Maßstabes des Sozialhilferechtes des betreffenden Bundeslandes zur Beurteilung der Frage des nicht gesicherten Unterhaltes für die Geltungsdauer der Bewilligung im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG keinen Bedenken (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 28. September 1995, Zl. 95/18/0668, u.v.a.).
Die Berechnung des Richtsatzes durch die belangte Behörde ist jedoch nicht nachvollziehbar.
Gemäß § 13 Abs. 2 des Wiener Sozialhilfegesetzes, in der Fassung der 3. Sozialhilfegesetz-Novelle, LGBl. Nr. 17/1986, haben die Richtsätze für den Hauptunterstützten und für den Mitunterstützten ZUSAMMEN den Lebensunterhalt eines Hilfesuchenden, seines Ehegatten oder Lebensgefährten und der sonst mit ihm in FAMILIENGEMEINSCHAFT lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen im Umfange des Abs. 3 zu decken.
Da der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall beabsichtigt, während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet gemeinsam mit seiner Ehegattin in ihrer mit dem Bruder des Beschwerdeführers angemieteten Wohnung zu leben, haben die maßgeblichen Richtsätze - wobei für den Beschwerdeführer der Richtsatz für den Mitunterstützten und für seine Ehegattin, weil diese (gemeinsam mit dem Bruder des Beschwerdeführers) die eheliche Wohnung angemietet hat, der Richtsatz für den Hauptunterstützten heranzuziehen ist - somit ZUSAMMEN den Lebensunterhalt zu decken.
Laut § 1 Abs. 1 der Richtsatzverordnung, LGBl. Nr. 68/1994, die im Beschwerdefall heranzuziehen war, beträgt der Richtsatz für den Hauptunterstützten S 4.652,-- und für den Mitunterstützten (ohne Anspruch auf Familienbeihilfe) S 2.388,--, sohin zusammen S 7.040,--. Die belangte Behörde hätte daher von einem grundsätzlichen Mindestbedarf von S 7.040,-- auszugehen gehabt. Die Differenz von S 2.500,-- zu dem von der belangten Behörde angenommenen Mindestbedarf von S 9.540,-- bleibt unklar.
Weiters stützt sich die belangte Behörde bloß auf das Bruttoeinkommen der Ehegattin von S 12.500,--, wobei die belangte Behörde es unterläßt, festzustellen, wieviel die Ehegattin des Beschwerdeführers NETTO ins Verdienen bringt.
Weiters wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, weitere Ermittlungen hinsichtlich der Sicherung des Lebensunterhaltes des Beschwerdeführers anzustellen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde von sich aus (initiativ) zu belegen, daß er über die zur Bestreitung seines Unterhaltes erforderlichen Mittel verfügt. Nur dadurch kommt er seiner Obliegenheit gemäß § 6 Abs. 1 AufG nach, um glaubhaft zu machen, daß kein Ausschließungsgrund im Sinne des § 5 leg. cit. vorliegt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1996, Zl. 95/19/0575). Diese Obliegenheit darf jedoch nicht dahingehend überspannt werden, daß der Fremde vorweg zur Zerstreuung aller denkmöglicher Zweifel an der Verfügbarkeit von Unterhaltsmitteln verpflichtet wäre (vgl. ebenfalls das zuletzt zitierte Erkenntnis).
Angesichts des Mietvertrages, der neben der Ehegattin des Beschwerdeführers auch vom Bruder des Beschwerdeführers als Mieter abgeschlossen wurde - diesen Umstand hat die belangte Behörde außer acht gelassen -, ist der Beschwerdeführer mit der Behauptung in der Berufung, daß die Miete vom Bruder bezahlt wird, ausreichend der ihm obliegenden Behauptungs- und Glaubhaftmachungsverpflichtung nachgekommen.
Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Umfang des insgesamt gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Offizialmaxime Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht VwRallg10/1/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995190739.X00Im RIS seit
13.07.2001