TE Vfgh Erkenntnis 2021/6/8 V22/2021

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Veröffentlicht am 08.06.2021
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Index

82/02 Gesundheitsrecht allgemein

Norm

B-VG Art139 Abs1 Z1
COVID-19-MaßnahmenG §1, §2
COVID-19-LockerungsV BGBl II 197/2020 idF BGBl II 287/2020 §6 Abs2
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit der COVID-19-LockerungsV betreffend das Verbot des Betretens von Gastgewerbebetriebsstätten für Kunden in der Zeit von 01.00 bis 05.00 Uhr mangels nachvollziehbarer Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen

Spruch

I. §6 Abs2 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Lockerungen der Maßnahmen, die zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 ergriffen wurden, BGBl II Nr 197/2020, idF BGBl II Nr 287/2020 war gesetzwidrig.

II. Die als gesetzwidrig festgestellte Bestimmung ist nicht mehr anzuwenden.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B-VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Tirol, der Verfassungsgerichtshof möge feststellen, dass §6 Abs2 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Lockerungen der Maßnahmen, die zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 ergriffen wurden, BGBl II 197/2020, idF BGBl II 287/2020 gesetzwidrig war.

II. Rechtslage

1. §§1 und 3 des Bundesgesetzes betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahmengesetz – im Folgenden: COVID-19-MG), BGBl I 12/2020, idF BGBl I 23/2020 (§1) und BGBl I 12/2020 (§3) lauteten auszugsweise:

"Betreten von Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und

Dienstleistungen sowie Arbeitsorte

§1. Beim Auftreten von COVID-19 kann der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz durch Verordnung das Betreten von Betriebsstätten oder nur bestimmten Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen oder Arbeitsorte im Sinne des §2 Abs3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz untersagen, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. In der Verordnung kann geregelt werden, in welcher Zahl und zu welcher Zeit jene Betriebsstätten betreten werden dürfen, die vom Betretungsverbot ausgenommen sind. Darüber hinaus kann geregelt werden, unter welchen bestimmten Voraussetzungen oder Auflagen Betriebsstätten oder Arbeitsorte betreten werden dürfen.

[…]

Strafbestimmungen

§3. (1) Wer eine Betriebsstätte betritt, deren Betreten gemäß §1 untersagt ist, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 3 600 Euro zu bestrafen.

(2) Wer als Inhaber einer Betriebsstätte nicht dafür Sorge trägt, dass die Betriebsstätte, deren Betreten gemäß §1 untersagt ist, nicht betreten wird, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 30 000 Euro zu bestrafen. Wer als Inhaber einer Betriebsstätte nicht dafür Sorge trägt, dass die Betriebsstätte höchstens von der in der Verordnung genannten Zahl an Personen betreten wird, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 3 600 Euro zu bestrafen.

[…]"

2. Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Lockerungen der Maßnahmen, die zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 ergriffen wurden (COVID-19-Lockerungsverordnung – COVID-19-LV), BGBl II 197/2020, idF BGBl II 287/2020 (die angefochtene Bestimmung in §6 ist hervorgehoben) lauteten wie folgt:

"Gastgewerbe

§6. (1) Das Betreten von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe ist unter den in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen zulässig.

(2) Der Betreiber darf das Betreten der Betriebsstätte für Kunden nur im Zeitraum zwischen 05.00 und 01.00 [Uhr] des folgenden Tages zulassen. Restriktivere Sperrstunden und Aufsperrstunden aufgrund anderer Rechtsvorschriften bleiben unberührt.

(3) Der Betreiber hat sicherzustellen, dass die Konsumation von Speisen und Getränken nicht in unmittelbarer Nähe der Ausgabestelle erfolgt.

(4) Der Betreiber hat die Verabreichungsplätze so einzurichten, dass zwischen den Besuchergruppen ein Abstand von mindestens einem Meter besteht. Dies gilt nicht, wenn durch geeignete Schutzmaßnahmen zur räumlichen Trennung das Infektionsrisiko minimiert werden kann.

(5) Vom erstmaligen Betreten der Betriebsstätte bis zum Einfinden am Verabreichungsplatz hat der Kunde gegenüber anderen Personen, die nicht zu seiner Besuchergruppe gehören, einen Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten. Beim Verlassen des Verabreichungsplatzes hat der Kunde gegenüber anderen Personen, die nicht zu seiner Besuchergruppe gehören, einen Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten.

(6) Selbstbedienung ist zulässig, sofern durch besondere hygienische Vorkehrungen das Infektionsrisiko minimiert werden kann.

(7) Die Abs1 bis 10 gelten nicht für Betriebsarten der Gastgewerbe, die innerhalb folgender Einrichtungen betrieben werden:

1. Krankenanstalten und Kureinrichtungen;

2. Pflegeanstalten und Seniorenheime;

3. Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung von Kindern und Jugendlichen einschließlich Schulen und Kindergärten;

4. Betrieben, wenn diese ausschließlich durch Betriebsangehörige genützt werden dürfen;

5. Massenbeförderungsmittel.

[…]

Ausnahmen

§11. […]

(9) Sperrstundenregelungen nach dieser Verordnung gelten nicht für geschlossene Gesellschaften, wenn zumindest drei Tage vor Beginn der Veranstaltung dem Betreiber der Betriebsstätte des Gastgewerbes oder dem Betreiber der Veranstaltungsstätte die Teilnehmer der Veranstaltung bekannt gegeben werden. Dabei ist sicherzustellen, dass die Betriebsstätte des Gastgewerbes oder der Veranstaltungsort ausschließlich durch Teilnehmer der geschlossenen Gesellschaft betreten werden.

[…]"

III. Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 1. Oktober 2020 wurde dem Beschwerdeführer des Verfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol (im Folgenden: antragstellendes Gericht) zur Last gelegt, er habe am 26. Juli 2020 um 01:40 Uhr als gewerberechtlicher Geschäftsführer eines näher bezeichneten reglementierten Gewerbes "Gastgewerbe der Betriebsart Diskothek", welche eine Betriebsstätte der Betriebsart des Gastgewerbes darstelle, nicht dafür Sorge getragen, dass die Betriebsstätte nur im Zeitraum zwischen 05:00 Uhr und 01:00 Uhr des folgenden Tages betreten werde, obwohl das Betreten von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe gemäß der COVID-19-LV idF BGBl II 299/2020 nur unter der Voraussetzung zulässig sei, dass der Betreiber das Betreten der Betriebsstätte für Kunden nur im Zeitraum zwischen 05:00 Uhr und 01:00 Uhr des folgenden Tages zulasse. Am 26. Juli 2020 seien gegen 01:40 Uhr noch mehrere Gäste im Bereich der genannten Diskothek aufhältig gewesen. Über den Beschwerdeführer des Verfahrens vor dem antragstellenden Gericht wurde daher eine Geldstrafe verhängt.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer des Verfahrens vor dem antragstellenden Gericht Beschwerde.

2. Das antragstellende Gericht legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, wie folgt dar:

2.1. Zu den Prozessvoraussetzungen führt das antragstellende Gericht aus, dass das in §1 Abs2 VStG normierte "Günstigkeitsprinzip" im vorliegenden Fall nicht anzuwenden sei: Zwar sehe §1 Abs2 VStG vor, dass sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht richte, es sei denn, dass das zur Zeit der Entscheidung geltende Recht in seiner Gesamtauswirkung für den Täter günstiger wäre. Dies gelte allerdings nicht für "Zeitgesetze": Dabei handle es sich um Gesetze, die von vornherein nur für einen bestimmten Zeitraum gegolten hätten und der Wegfall der Regelung somit nicht auf einem geänderten Unwerturteil des Normgebers basiere (vgl VwGH 22.7.2019, Ra 2019/02/0107). Die COVID-19-LV idF BGBl II 287/2020 sei zwischenzeitlich mehrfach abgeändert und spätestens mit der COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung – COVID-19-SchuMaV, BGBl II 463/2020, aufgehoben worden. Die Aufhebung der Verordnung sei jedoch eindeutig auf eine Änderung der für die Anordnung relevanten Sachlage zurückzuführen und nicht auf eine nachträglich andere Beurteilung der Gefährlichkeit des Virus. Da die Handlung des Beschwerdeführers unter den zum Tatzeitpunkt geltenden §6 Abs2 COVID-19-LV idF BGBl II 287/2020 zu subsumieren und die behördlichen Verfolgungshandlungen auch in Übereinstimmung mit dieser Rechtsgrundlage gesetzt worden seien, sei §6 Abs2 dieser Verordnung im vorliegenden Verfahren präjudiziell. Dass die Verordnung bereits außer Kraft getreten sei, sei unter Verweis auf obige Ausführungen zu §1 Abs2 VStG unbeachtlich.

2.2. In der Sache führt das antragstellende Gericht zusammengefasst aus, der Verfassungsgerichtshof habe mit seinem [im Antrag in Auszügen wiedergegebenem] Erkenntnis vom 14. Juli 2020, V411/2020, ausgesprochen, dass der Gesetzgeber mit §1 COVID-19-MG dem Verordnungsgeber (Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz) einen Einschätzungs- und Prognosespielraum übertragen habe, ob und inwieweit er zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 auch erhebliche Grundrechtsbeschränkungen für erforderlich halte, womit der Verordnungsgeber seine Entscheidung als Ergebnis einer Abwägung mit den einschlägigen grundrechtlich geschützten Interessen der betroffenen Unternehmen, ihrer Arbeitnehmer und Kunden zu treffen habe. Angesichts der damit inhaltlich weitreichenden Ermächtigung des Verordnungsgebers verpflichte §1 COVID-19-MG vor dem Hintergrund des Art18 Abs2 B-VG den Verordnungsgeber im einschlägigen Zusammenhang auch, die Wahrnehmung seines Entscheidungsspielraumes im Lichte der gesetzlichen Zielsetzungen insoweit nachvollziehbar zu machen, als er im Verordnungserlassungsverfahren festhalte, auf welcher Informationsbasis über die nach dem Gesetz maßgeblichen Umstände die Verordnungsentscheidung fuße und die gesetzlich vorgegebene Abwägungsentscheidung erfolgt sei. Die diesbezüglichen Anforderungen dürften naturgemäß nicht überspannt werden, sie würden sich maßgeblich danach bestimmen, was in der konkreten Situation möglich und zumutbar sei. Auch in diesem Zusammenhang komme dem Zeitfaktor entsprechende Bedeutung zu.

2.3. Das antragstellende Gericht verweist weiters auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Oktober 2020, G272/2020 ua In dieser Entscheidung sei der Verfassungsgerichtshof zu dem [im Antrag wörtlich wiedergegebenen] Ergebnis gekommen, dass die dort angefochtenen §6 Abs1 und 4 COVID-19-LV idF BGBl II 207/2020 und §6 Abs5 COVID-19-LV idF BGBl II 231/2020 gegen §1 COVID-19-MG verstoßen würden, weil es der Verordnungsgeber gänzlich unterlassen habe, jene Umstände, die ihn bei der Verordnungserlassung bestimmt hätten, so festzuhalten, dass entsprechend nachvollziehbar sei, warum der Verordnungsgeber die mit diesen Regelungen getroffenen Maßnahmen für erforderlich gehalten habe.

2.4. Mit Schriftsatz vom 27. November 2020 sei seitens des antragstellenden Gerichtes das Ersuchen an das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz um Übermittlung der Verordnungsakten betreffend die Novellen der COVID-19-LV, BGBl II 266/2020 sowie BGBl II 287/2020 binnen vierzehn Tagen ergangen; dies zur Beurteilung der Frage, inwiefern das antragstellende Gericht die bezughabende Verordnung dem Verfassungsgerichtshof von Amts wegen vorzulegen habe. Das Ersuchen habe den Hinweis enthalten, dass im Falle, dass dem Ersuchen nicht entsprochen werde, davon ausgegangen werde, dass eine Begründung der Maßnahme gleich wie bei den vorherigen Fassungen der Verordnungen nicht vorliege. Ein Einlangen der Verordnungsakten des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz sei nicht erfolgt. Nach Ansicht des antragstellenden Gerichtes träfen die obigen Ausführungen demnach auch auf den verfahrensrelevanten §6 Abs2 COVID-19-LV, BGBl II 197/2020, idF BGBl II 287/2020 zu.

3. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (im Folgenden: BMSGPK) hat den Verordnungsakt zur Verordnung BGBl II 287/2020 vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der er Folgendes vorbringt:

3.1. Zur Zulässigkeit des Antrags verweist der BMSGPK darauf, dass sich aus dem Sachverhalt nicht ergebe, inwieweit geprüft worden sei, ob im konkreten Fall die Ausnahmebestimmung des §11 Abs9 COVID-19-LV idF BGBl II 287/2020 zur Anwendung komme. Es könne daher nicht abschließend beurteilt werden, ob die angefochtene Bestimmung präjudiziell sei.

3.2. Mangels inhaltlicher Bedenken des antragstellenden Gerichtes sehe er von einer inhaltlichen Stellungnahme zu §6 Abs2 COVID-19-LV idF BGBl II 287/2020 ab. Dadurch solle nicht zum Ausdruck gebracht werden, dass die angefochtene Bestimmung inhaltlich als gesetz- oder verfassungswidrig angesehen werde. Zur behaupteten fehlenden Begründung verweist der BMSGPK auf den der Äußerung angeschlossenen Verordnungsakt.

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B-VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B-VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001, 16.927/2003).

1.2. Im Verfahren ist nichts hervorgekommen, was an der Präjudizialität der angefochtenen Verordnungsbestimmung zweifeln ließe. Die vor dem antragstellenden Gericht belangte Behörde hat ihr Straferkenntnis auf §6 Abs2 COVID-19-LV gestützt, sodass es nicht denkunmöglich ist, dass das antragstellende Gericht die angefochtene Bestimmung anzuwenden hat. Im Übrigen gibt es nach dem sachverhaltsmäßigen Vorbringen des antragstellenden Gerichtes keinen Hinweis darauf, dass es sich bei den im Tatzeitpunkt in der Betriebsstätte aufhältigen Personen um eine geschlossene Gesellschaft iSd §11 Abs9 COVID-19-LV gehandelt hätte. Für den Verfassungsgerichtshof ist daher nicht ersichtlich, dass §6 Abs2 COVID-19-LV idF BGBl II 287/2020 offenkundig keine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet.

1.3. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag insgesamt als zulässig.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof ist in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B-VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).

2.2. Der Antrag ist begründet.

2.3. Das antragstellende Gericht bringt dieselben Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Bestimmung vor, wie sie das antragstellende Gericht in dem beim Verfassungsgerichtshof zu V21/2021 protokollierten Verfahren dargelegt hat.

2.4. Der Verfassungsgerichtshof kann daher auf die diesbezüglichen Erwägungen zur Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Bestimmung im Erkenntnis zu dieser Zahl verweisen (siehe Punkte IV.2.3. bis IV.2.10. des Erkenntnisses vom 8. Juni 2021 zu V21/2021).

V. Ergebnis

1. Die COVID-19-LV, BGBl II 197/2020 (seit der Verordnung BGBl II 407/2020 als COVID-19-Maßnahmenverordnung bezeichnet), ist mit Ablauf des 2. November 2020 außer Kraft getreten (vgl §19 Abs1 und 2 COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung, BGBl II 463/2020, und §19 Abs3 COVID-19-Notmaßnahmenverordnung, BGBl II 479/2020). Der Verfassungsgerichtshof hat sich daher gemäß Art139 Abs4 B-VG auf die Feststellung zu beschränken, dass §6 Abs2 COVID-19-LV, BGBl II 197/2020, idF BGBl II 287/2020 gesetzwidrig war.

2. Der Ausspruch, dass die unter Punkt 1. genannte Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist, stützt sich auf Art139 Abs6 zweiter Satz B-VG.

3. Die Verpflichtung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zur unverzüglichen Kundmachung der Aussprüche kann hier entfallen, weil diese Verpflichtung bereits im heutigen Erkenntnis vom 8. Juni 2021 zu V21/2021 enthalten ist.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

COVID (Corona), Legalitätsprinzip, Determinierungsgebot, VfGH / Gerichtsantrag, Verordnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2021:V22.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.10.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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