TE Vwgh Beschluss 2021/8/3 Ro 2021/04/0020

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.08.2021
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

VwGG §30 Abs3

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der Ö GmbH, vertreten durch die Schramm Öhler Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Bartensteingasse 2, die der Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Juni 2021, Zl. W139 2234548-2/67E, betreffend vergaberechtliche Nachprüfung, zuerkannte aufschiebende Wirkung aufzuheben, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 3 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

1        1. Mit Erkenntnis vom 2. Juni 2021 wurde der Antrag der revisionswerbenden Partei, das Bundesverwaltungsgericht möge die sie betreffende Ausscheidensentscheidung im Vergabeverfahren „[...]“ für nicht nichtig erklären, abgewiesen und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof für zulässig erklärt.

2        Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Juli 2021 wurde der gegen diese Entscheidung erhobenen Revision die beantragte aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Das Bundesverwaltungsgericht begründete dies im Wesentlichen damit, dass von der revisionswerbenden Partei ein unverhältnismäßiger Nachteil aufgezeigt werde, der mit dem sofortigen Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses verbunden wäre. Die revisionswerbende Partei habe nach dem endgültigen Ausscheiden ihres Angebotes keine Chance mehr auf den Abschluss der Rahmenvereinbarung. Sie führe in diesem Zusammenhang die große wirtschaftliche Bedeutung des Auftrages angesichts einer Laufzeit von acht Jahren, den hohen Prestigefaktor und künftigen Wettbewerbsvorteil, die Bedeutung als wertvolles Referenzprojekt, die bisher auf Grund der Teilnahme am Vergabeverfahren entstandenen Kosten, die Bindung von Ressourcen zu Lasten anderer Projekte und das öffentliche Interesse an der Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter ins Treffen.

Die mitbeteiligte Partei (Auftraggeberin) verweise demgegenüber auf das öffentliche Interesse an der Vergabe des gegenständlichen Auftrags, das darin liege, zur Aufrechterhaltung ihrer Geschäftsbetriebes für eine funktionsfähige Büroausstattung mit Druckerlandschaft zu sorgen. Nur so würden vertragliche Verpflichtungen verwaltet und abgewickelt sowie zwingend notwendige IT-Security-Standards eingehalten werden können.

Das Bundesverwaltungsgericht hielt der von der Auftraggeberin ins Treffen geführten Verfahrensverzögerung entgegen, dass die Pflicht zur Berücksichtigung auch mehrerer Nachprüfungsverfahren in der Verfahrensabwicklung umso mehr bei Auftragsvergaben wie der gegenständlichen gelte, weil die Wahrscheinlichkeit möglicher Nachprüfungsverfahren mit der Komplexität bzw. der Größenordnung des Auftrages zunehme. Darüber hinaus sei die Auftraggeberin in ihrer Handlungsfreiheit durch die allfällig getroffenen Sicherungsmaßnahmen gerade nicht ungebührlich eingeschränkt und sei ihr die Fortführung des Vergabeverfahrens nicht gänzlich untersagt. Das gegenständliche Vergabeverfahren sei im Juli 2017 eingeleitet worden, Teilnahmeanträge hätten bis zum 25. August 2017 abgegeben werden müssen. Die erste Aufforderung zur Legung eines technischen Angebotes sei allerdings erst knapp zehn Monate später am 13. Juni 2018 erfolgt. Nach Abschluss des ersten Nachprüfungsverfahrens im Juni 2019 seien wiederum beinahe sechs Monate bis zur Aufforderung zur Legung eines ersten kommerziellen Angebotes vergangen. Eine allfällige Dringlichkeit erscheine insofern relativiert. Die nicht allein auf mehrere (von unterschiedlichen Bietern angestrengte) Nachprüfungsverfahren zurückzuführende Verfahrensdauer könne nicht zu Lasten der revisionswerbenden Partei gehen.

Es liege auch im öffentlichen Interesse, dass ein effektiver Vergaberechtschutz gewährleistet werde. Ebenso bilde die Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter bei der Interessenabwägung in Zusammenhang mit dem Vergaberechtschutz ein zu berücksichtigendes öffentliches Interesse.

3        2. Mit dem nunmehr gegenständlichen Antrag vom 14. Juli 2021 beantragt die im Revisionsverfahren mitbeteiligte Partei (als Auftraggeberin), die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung aufzuheben.

4        Dazu wird vorgebracht, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung im vorliegenden Fall nicht vorlägen.

Der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung stünde das europarechtliche Gebot der raschen Nachprüfung entgegen, zumal der revisionswerbenden Partei immer noch die Möglichkeit offenstehe, Schadenersatzansprüche geltend zu machen, falls ihr ein Schaden entstehen sollte.

Der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkungen dürften zudem keine zwingenden öffentlichen Interessen entgegenstehen. Im gegenständlichen Fall habe die Auftraggeberin für die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes eines gesamten Konzerns mittels angemessener EDV- und Druckerlandschaft zu sorgen. Der Beschaffungsvorgang diene aber nicht nur der laufenden Modernisierung der Druckerlandschaft der Auftraggeberin. Er sei auch zwingend erforderlich, um die IT-Sicherheit des gesamten Konzerns weiterhin gewährleisten zu können.

Es sei jedenfalls im öffentlichen Interesse gelegen, dass Vergabenachprüfungsverfahren nicht dazu führen, den Abschluss von öffentlichen Aufträgen durch Nachprüfungsanträge um Jahre zu verzögern. Im Fall der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Revision gegen eine Ausscheidensentscheidung sei es für den Auftraggeber nicht mehr möglich, das Vergabeverfahren abzuschließen, bis über die Revision entschieden sei.

Auch die vorzunehmende Interessenabwägung schlage zugunsten der Auftraggeberin aus. Da diese zur Aufrechterhaltung ihres Geschäftsbetriebes für eine funktionsfähige Büroausstattung mit Druckerlandschaft sorgen müsse, habe sie die gegenständliche Leistung vorausschauend schon im Juli 2017 ausgeschrieben. Die Auftraggeberin habe von Anfang an einen entsprechenden Zeitpuffer eingeplant. Allein durch die Dauer der mittlerweile drei Nachprüfungsverfahren sei jedoch eine Verzögerung von insgesamt circa 21 Monaten eingetreten. Durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung würde erneut eine Verzögerung von unbestimmter Zeit eintreten, was aus den bereits dargelegten Gründen problematisch wäre.

Es liege im vorliegenden Fall auch kein unverhältnismäßiger Nachteil der revisionswerbenden Partei vor. Diese habe nämlich keinesfalls eine realistische Chance auf den Abschluss der Rahmenvereinbarung, weil von ihr kein ausschreibungskonformes Angebot abgegeben worden sei.

Schließlich sei der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung auch in Hinblick auf die mangelnden Erfolgsaussichten der Revision abzuweisen. Es sei bereits auf Grund der Aktenlage ersichtlich, dass die behaupteten Rechtsverletzungen der revisionswerbenden Partei nicht vorlägen. Alle vom Bundesverwaltungsgericht aufgegriffenen Ausscheidensgründe lägen Beurteilungen der Ausschreibungsunterlagen und der Bietererklärungen zu Grunde, die nicht vor dem Verwaltungsgerichtshof revisibel seien.

5        3. Die revisionswerbende Partei hält dem in ihrer Stellungnahme vom 30. Juli 2021 unter anderem entgegen, dass durch die Verhinderung des Abschlusses des Vergabeverfahrens kein - wie auch immer geartetes - Risiko für die Auftraggeberin bestehe, sodass auch keine zwingenden öffentlichen Interessen auf Seiten der Auftraggeberin vorlägen.

Auch gehe aus dem Vorbringen der revisionswerbenden Partei und den entsprechenden Überlegungen des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Beschluss vom 5. Juli 2021 deutlich hervor, dass die Interessenabwägung im vorliegenden Fall eindeutig zugunsten der revisionswerbenden Partei auszufallen habe.

6        4. Nach § 30 Abs. 3 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ab Vorlage der Revision Beschlüsse gemäß § 30 Abs. 2 VwGG von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei aufheben oder abändern, wenn er die Voraussetzungen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung anders beurteilt oder wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Revision maßgebend waren, wesentlich geändert haben.

7        5. Im vorliegenden Fall wird nicht vorgebracht, dass sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Revision maßgebend waren, wesentlich geändert hätten.

8        Die mitbeteiligte Partei vermag mit Ihrem Antrag aber auch nicht aufzuzeigen, dass die Voraussetzungen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung anders (als im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Juli 2021) zu beurteilen wären.

9        Von der mitbeteiligten Partei wird vorgebracht, dass durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung erneut eine Verzögerung des Vergabeverfahrens von unbestimmter Dauer eintreten würde, was die näher dargelegten Schwierigkeiten für sie als Auftraggeberin zur Folge hätte. Sie legt in diesem Zusammenhang aber nicht dar, inwieweit es - wie von ihr behauptet - einem öffentlichen Auftraggeber nicht möglich sein sollte, das Vergabeverfahren abzuschließen, wenn der Revision gegen eine Ausscheidensentscheidung aufschiebende Wirkung zuerkannt wird.

10       Soweit sich mitbeteiligte Partei in ihrem Antrag auf die mangelnden Erfolgsaussichten der Revision stützt, ist ihr entgegenzuhalten, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht zu beurteilen ist (vgl. VwGH 11.9.2019, Ro 2019/04/0027).

11       6. Dem Antrag der mitbeteiligten Partei auf Aufhebung der zuerkannten aufschiebenden Wirkung war daher nicht stattzugeben.

Wien, am 3. August 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RO2021040020.J00

Im RIS seit

30.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

30.09.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten