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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
RStDG §57Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des Mag. Dr. F, vertreten durch Mag. Dr. Hanno Zanier, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 27/DG, der gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts als Disziplinargericht vom 5. Februar 2021, DS 001/2020, betreffend Einleitung der Disziplinaruntersuchung nach dem Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz (RStDG), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 und 3 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Begründung
1 Mit Beschluss vom 5. Februar 2021 leitete das Bundesfinanzgericht (BFG - im Weiteren: Disziplinargericht) gegen den Revisionswerber, einem Richter des Bundesverwaltungsgerichts, wegen des Verdachts der Verletzung der allgemeinen richterlichen Pflichten nach § 57 RStDG aufgrund näher konkretisierter Verhaltensweisen die Disziplinaruntersuchung ein. Das Disziplinargericht traf in diesem Beschluss keinen Ausspruch gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hinsichtlich der Zulässigkeit einer Revision und führte im Rahmen der im Beschluss enthaltenen Rechtsmittelbelehrung aus, dass es sich bei dem gegenständlichen Einleitungsbeschluss um eine verfahrensleitende Verfügung handle, gegen die kein Rechtsmittel zulässig sei.
2 Der Revisionswerber erhob gegen den Einleitungsbeschluss eine Revision verbunden mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.
3 Das Disziplinargericht wies die Revision und den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung mit „Vorentscheidung“ vom 15. April 2021 jeweils als unzulässig zurück.
4 Dagegen brachte der Revisionswerber einen Vorlageantrag gemäß § 30b VwGG ein, der dem Verwaltungsgerichtshof samt der Revision verbunden mit dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und den Verfahrensakten vorgelegt wurde.
5 Der Revisionswerber macht in seinem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zusammengefasst geltend, dass gegen ihn keine genügenden Verdachtsgründe vorlägen und viele Disziplinarvorwürfe offenkundig unzutreffend seien. Die qualifiziert rechtswidrig erfolgte Einleitung eines Disziplinarverfahrens stelle „einen unzulässigen Eingriff in seine richterliche Unabhängigkeit dar, der überdies mit einer nicht unbeträchtlichen finanziellen, aber auch einer immensen psychischen Belastung seiner Person verbunden“ sei. Dazu komme eine mit dem Status als Richter, gegen den ein Disziplinarverfahren eingeleitet sei, verbundene Stigmatisierung sowie die unmittelbare Folge, dass die Vorrückung des Revisionswerbers gemäß § 66 Abs. 5 Z 1 RStDG bis zum Abschluss des Disziplinarverfahrens aufgeschoben sei. Bei Abwägung der vom Revisionswerber geltend gemachten Nachteile bzw. Interessen überwiege sein Interesse, vor einer Kontrolle des angefochtenen Einleitungsbeschlusses durch den Verwaltungsgerichtshof nicht rechtskräftig diszipliniert zu werden, bei weitem das öffentliche Interesse, das Disziplinarverfahren ungeachtet des anhängigen Revisionsverfahrens zum Abschluss zu bringen.
6 Die Bundesministerin für Justiz spricht sich in ihrer Stellungnahme gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung aus und bringt insbesondere vor, dass von einem Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit keine Rede sein könne, sei doch auch ein unabhängiger Richter im Rahmen des Disziplinarrechts für seine Handlungen und Unterlassungen verantwortlich. Die richterliche Unabhängigkeit sei nicht mit disziplinarrechtlicher Immunität zu verwechseln. Der Revisionswerber entspreche mit seinem Vorbringen einer nicht unbeträchtlichen finanziellen und einer psychischen Belastung nicht dem von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geforderten Gebot der konkreten Darlegung eines unverhältnismäßigen Nachteils. Darüber hinaus wäre eine Aufschiebung geradezu kontraproduktiv, um eine möglichst schnelle Klärung der durch die Disziplinaranzeige erhobenen Vorwürfe herbeizuführen. Im Zusammenhang mit der Rechtsfolge des § 66 Abs. 5 Z1 RStDG sei auf die rückwirkende Vollziehung gemäß Abs. 6 zu verweisen. Davon abgesehen habe es der Revisionswerber unterlassen, die konkrete Betroffenheit von dieser Bestimmung darzutun.
7 Die Zuständigkeit zur Entscheidung über einen Antrag, einer Revision aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, regelt § 30 VwGG. Ein Unterschied zwischen ordentlicher und außerordentlicher Revision wird in dieser Bestimmung nicht getroffen (vgl. VwGH 25.4.2017, Ra 2017/16/0039).
8 Gemäß § 30 Abs. 2 erster Satz VwGG hat bis zur Vorlage der Revision das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Nach Vorlage der Revision ist der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 30 Abs. 3 VwGG berechtigt, eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes über die Zuerkennung aufschiebender Wirkung abzuändern, wenn er die Voraussetzungen anderes beurteilt. Entscheidungen betreffend die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung trifft gemäß § 14 Abs. 2 VwGG der Berichter.
9 Nach seiner ständigen Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht zu überprüfen, sondern - wenn das in der Revision selbst erstattete Vorbringen nach der Aktenlage nicht etwa von vornherein als zutreffend zu erkennen ist - zunächst von den Annahmen in der angefochtenen Entscheidung auszugehen. Demnach ist die aufschiebende Wirkung nur zuzuerkennen, wenn der Fehler in der angefochtenen Entscheidung nicht bloß ein potenzieller, sondern ein evidenter ist (vgl. etwa VwGH 27.4.2021, Ra 2020/22/0273).
10 Nach dem Akteninhalt ist ein solcher offenkundig vorliegender Fehler des Disziplinargerichts nicht zu sehen, zumal es auf Basis der Disziplinaranzeige darlegt, aus welchen (objektiven) Gründen es den jeweils entsprechenden begründeten Verdacht ableitet und das präsumtive Fehlverhalten auch näher darstellt.
11 Es entspricht weiters der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, dass der Antragsteller bereits in seinem Aufschiebungsantrag zu konkretisieren hat, worin für ihn der unverhältnismäßige Nachteil liege, wobei der Verwaltungsgerichtshof an die Konkretisierungspflicht strenge Anforderungen stellt. Die Beurteilung, ob die geltend gemachten Nachteile die Schwelle der Unverhältnismäßigkeit erreichen, hängt entscheidend von den im Aufschiebungsantrag vorgebrachten konkreten Angaben über den eintretenden Nachteil ab (vgl. VwGH 30.8.2019, Ra 2019/10/0134, mwN).
12 Mit dem oben wiedergegebenen zur Begründung des Antrags erstatteten Vorbringen wird kein mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses verbundener unverhältnismäßiger Nachteil in konkreter Weise dargelegt. Im Hinblick auf die Regelung des § 66 Abs. 6 RStDG, der eine rückwirkende Vollziehung der Vorrückung nach Wegfall des Aufschiebungsgrundes normiert, ist ein unwiederbringlicher Schaden für den Revisionswerber auch unter diesem Gesichtspunkt nicht zu ersehen.
13 Ein solcher unverhältnismäßiger Nachteil wird mit dem allgemein gehaltenen Hinweis auf das Interesse des Revisionswerbers, bis zur Entscheidung über die Revision betreffend den Einleitungsbeschluss durch den Verwaltungsgerichtshof nicht diszipliniert zu werden, angesichts des allgemeinen Interesses an der Vermeidung von Verfahrensverzögerungen im gegenwärtigen Verfahrensstand nicht aufgezeigt (vgl. dazu VwGH 13.1.2015, Ra 2014/09/0007; 8.9.2017, Ra 2017/09/0039).
14 Dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung war daher nicht stattzugeben.
Wien, am 5. August 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RO2021090008.J00Im RIS seit
30.09.2021Zuletzt aktualisiert am
30.09.2021