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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
Aufenthaltszwecke und Form der Aufenthaltsbewilligung 1995 §1 Abs1;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn): 96/19/2155 E 28. Februar 1997Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,
Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. August 1995, Zl.301.689/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. August 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 30. Jänner 1995 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe in seinem Antrag angegeben, in Österreich als Arbeiter für seinen Lebensunterhalt sorgen zu wollen. Gemäß § 5 Abs. 2 AufG dürfe eine Bewilligung zum Zweck der Aufnahme einer Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes nur erteilt werden, wenn die nach dem beabsichtigten Aufenthalt zuständige Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice auf Anfrage durch die gemäß § 6 AufG zuständige Behörde mitgeteilt habe, daß im Hinblick auf die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes keine Bedenken gegen die Aufnahme der vom Antragsteller angestrebten Beschäftigung bestünden. Im Falle des Beschwerdeführers habe die zuständige Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice am 7. August 1995 mitgeteilt, daß gegen die Aufnahme der von ihm angestrebten Beschäftigung als Arbeiter im Gebäudeservice Bedenken bestünden, weshalb sein Antrag abzuweisen gewesen sei. Im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen überwögen die öffentlichen Interessen die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers. In ein aufgrund der gemäß § 12 AufG ergangenen Verordnungen allenfalls bestehendes vorläufiges Aufenthaltsrecht des Beschwerdeführers werde durch den vorliegenden Bescheid nicht eingegriffen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer beantragte, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 6 Abs. 1 und § 10 Abs. 1 AufG in ihrer Fassung vor Inkrafttreten der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 (das ist die im Zeitpunkt der Antragstellung in Kraft gestandene Fassung) lauteten:
"§ 6. (1) Außer in den Fällen des § 7 Abs. 1 wird die Bewilligung und deren Verlängerung auf Antrag erteilt. In dem Antrag ist der Zweck des vorgesehenen Aufenthaltes in Österreich genau anzugeben und glaubhaft zu machen, daß kein Ausschließungsgrund (§ 5) vorliegt.
...
§ 10. (1) Fremde, die eine Bewilligung haben, sind zur Einreise und für deren Geltungsdauer zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Die Bewilligung ersetzt einen gemäß dem Fremdengesetz notwendigen Sichtvermerk und ist in der Form eines österreichischen Sichtvermerkes zu erteilen.
..."
§ 5 Abs. 2, § 6 Abs. 1 und § 10 Abs. 1 AufG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 (das ist die im Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Bescheides (24. August 1995) anzuwendende Fassung) lauten:
"§ 5. (1) ...
(2) Zum Zweck der Aufnahme einer Beschäftigung gemäß § 2 Abs. 2 AuslBG darf eine Bewilligung nur erteilt werden, wenn die zuständige Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice auf Anfrage durch die gemäß § 6 zuständige Behörde mitgeteilt hat, daß im Hinblick auf die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes keine Bedenken gegen die Aufnahme der vom Antragsteller angestrebten Beschäftigung bestehen. Anträge auf Erteilung solcher Bewilligungen sind unverzüglich und ohne unnötigen Aufschub zu erledigen. Der Antragsteller hat mit dem Antrag die Art der angestrebten Beschäftigung anzugeben und die hiefür erforderliche entsprechende Qualifikation glaubhaft zu machen.
...
§ 6. (1) Außer in den Fällen des § 7 Abs. 1 werden die Bewilligung und deren Verlängerung auf Antrag erteilt. In dem Antrag ist der Zweck des vorgesehenen Aufenthaltes genau anzugeben und glaubhaft zu machen, daß kein Ausschließungsgrund (§ 5) vorliegt. Der Antragsteller kann den bei der Antragstellung angegebenen Zweck im Laufe des Verfahrens nicht ändern.
...
§ 10. (1) Fremde, die eine Bewilligung haben, sind zur Einreise und für deren Geltungsdauer zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Die Bewilligung ersetzt einen gemäß dem Fremdengesetz notwendigen Sichtvermerk und ist als österreichischer Sichtvermerk zu erteilen. In der Bewilligung ist deren Beginn und Ende sowie der Aufenthaltszweck festzusetzen. Die Form einschließlich des Kataloges der Aufenthaltszwecke wird durch Verordnung des Bundesministers für Inneres festgelegt."
Von der im § 10 Abs. 1 AufG enthaltenen Ermächtigung machte der Bundesminister für Inneres mit der am 16. Juni 1995 kundgemachten Verordnung über die Aufenthaltszwecke und die Form der Aufenthaltsbewilligung, BGBl. Nr. 395/1995, Gebrauch, deren § 1 auszugsweise wie folgt lautet:
"§ 1 (1) Aufenthaltsbewilligungen können für folgende Aufenthaltszwecke erteilt werden:
1. unselbständige Erwerbstätigkeit
..
3.
Familiengemeinschaft mit Fremden
..
8.
Privater Aufenthalt.
(2) In Anträgen gemäß § 6 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz ist einer dieser Aufenthaltszwecke anzugeben."
Der Beschwerdeführer verweist zunächst zutreffend darauf, daß er sich in seinem Bewilligungsantrag (vgl. Seite 42 des Verwaltungsaktes) als Aufenthaltszweck nicht bloß auf die Ausübung einer unselbständigen Tätigkeit als Arbeiter, sondern auch darauf berufen hat, daß sich seine gesamte Familie im Bundesgebiet aufhalte und er daher auch einen privaten Aufenthalt im Inland anstrebt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 19. Dezember 1996, Zl. 95/19/1837, ausgesprochen, daß gemäß § 10 Abs. 1 erster Satz AufG eine Aufenthaltsbewilligung - unabhängig davon, zu welchem Zweck sie erteilt wurde - den Fremden zur Einreise und zum Aufenthalt im Bundesgebiet für deren Geltungsdauer berechtigt. Eine Einschränkung des Umfanges dieser Berechtigung auf den bei der Antragstellung geltend gemachten Aufenthaltszweck ist dem § 10 Abs. 1 AufG weder in seiner Fassung vor, noch in jener nach Inkrafttreten der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 zu entnehmen, zumal eine solche auch aus dem zweiten Satz dieser Bestimmung (in der Fassung der genannten Novelle), wonach in der Bewilligung der Aufenthaltszweck festzusetzen ist, nicht abgeleitet werden kann. Auch die Zulässigkeit der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung hängt gemäß § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG nur von der Berechtigung des Fremden zum Aufenthalt in Österreich nach dem Aufenthaltsgesetz, nicht aber von dem in der Aufenthaltsbewilligung angeführten Aufenthaltszweck ab. Dem geltend gemachten Aufenthaltszweck kommt daher in erster Linie der Charakter einer Antragsbegründung zu. Insoweit eine zum Zweck der Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit erteilte Bewilligung gemäß § 5 Abs. 3 AufG zur Arbeitsuche unter Zuhilfenahme des Arbeitsmarktservice berechtigt und eine Prüfung gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG unter den in § 4b Abs. 2 Z. 2 AuslBG (in der hier anzuwendenden Fassung vor Inkrafttreten der Novelle BGBl. Nr. 201/1996) normierten Voraussetzungen bei Ausstellung einer Beschäftigungsbewilligung entfällt, geht der Umfang einer zu diesem Zweck erteilten Bewilligung über jenen einer solchen zu anderen Zwecken hinaus. Eine Bewilligung zu diesen anderen Zwecken stellt daher gegenüber der erstgenannten ein "Minus" dar.
Dem § 6 Abs. 1 AufG ist weder in seiner Fassung vor noch in jener nach der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 zu entnehmen, daß "der Zweck" des vorgesehenen Aufenthaltes lediglich ein einziger sein darf. Schon Überlegungen der Verwaltungsökonomie lassen es ausgeschlossen erscheinen, daß der Gesetzgeber einen Fremden, der einen Aufenthalt zu mehreren Zwecken (aus mehreren Gründen) anstrebt, dazu verhalten wollte, dies für jeden Aufenthaltszweck mit einem gesonderten Antrag zu tun. Diese Überlegung trifft umso mehr zu, als - wie oben angeführt - der Umfang der angestrebten Bewilligung bei den im § 1 Abs. 1 Z. 2 bis 8 der Verordnung BGBl. Nr. 395/1995 genannten Aufenthaltszwecken völlig ident ist und gegenüber dem Umfang einer zum Zweck der unselbständigen Erwerbstätigkeit erteilten Bewilligung ein "Minus" darstellt. § 10 Abs. 1
letzter Satz AufG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 ermächtigt den Bundesminister für Inneres nicht, eine über das Gesetz hinausgehende Zulässigkeits- oder Erfolgsvoraussetzung, nämlich die Angabe nur eines einzigen Aufenthaltszweckes, festzusetzen. Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist § 1 Abs. 2 der Verordnung BGBl. Nr. 395/1995 gesetzeskonform dahingehend auszulegen, daß in Anträgen gemäß § 6 Abs. 1 AufG ZUMINDEST einer der im § 1 Abs. 1 der Verordnung festgesetzten Aufenthaltszwecke anzugeben ist.
Fremde waren daher weder aufgrund der Rechtslage vor noch nach Inkrafttreten dieser Verordnung gehindert, ihre Anträge auf mehrere Aufenthaltszwecke zu stützen.
Bei Vorliegen von berechtigten Bedenken gegen die Aufnahme der vom Beschwerdeführer angestrebten Beschäftigung wäre die belangte Behörde daher aus dem Grunde des § 5 Abs. 2 AufG lediglich gehindert gewesen, eine Bewilligung zum Zweck der Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit zu erteilen. Sie hätte diesfalls in Ansehung des (im Sinne eines Minderbegehrens) geltend gemachten weiteren Aufenthaltszweckes eine Ermessensentscheidung zu treffen gehabt.
Indem die belangte Behörde irrtümlich annahm, sie sei an die Mitteilung der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gebunden, belastete sie ihren Bescheid überdies aus den im hg. Erkenntnis vom 22. März 1996, Zl. 96/18/0046, dargelegten Gründen, die auch für die Rechtslage aufgrund der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 351/1995 gelten (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. März 1996, G 1409/95), mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des insgesamt geltend gemachten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Art. III Abs. 2 dieser Verordnung kam nicht zur Anwendung, weil das Verfahren bei ihrem Inkrafttreten noch nicht anhängig war.
Schlagworte
Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996192134.X00Im RIS seit
11.07.2001