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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, in der Beschwerdesache des P in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl/See wegen Verletzung der Entscheidungspflicht über einen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Maßnahme aufgrund des Fremdengesetzes, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf die hg. Beschlüsse vom 29. März 1996, Zlen. 96/02/0115 und 96/02/0116 in Verbindung mit 96/02/0113 und 96/02/0114, verwiesen.
Mit Eingabe vom 8. Juli 1996 erhob der Beschwerdeführer Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der er Verletzung der Entscheidungspflicht der belangten Behörde betreffend seine "Beschwerde wegen einer unmittelbar ausgeübten behördlichen Befehls- und Zwangsgewalt" geltend macht. In den Beschwerdegründen verweist der Beschwerdeführer auf seine gemäß § 23 der Polizeigefangenenhaus-Hausordnung (PGHO), BGBl. Nr. 566/1988, eingebrachte "Beschwerde" vom 5. Mai 1995, in der er unter anderem gegenüber der Behörde einerseits die bescheidförmige Feststellung darüber begehrte, daß die zwangsweise Vorführung des Beschwerdeführers vor Vertreter der sudanesischen Botschaft (offenbar gemeint: am 20. März 1995) rechtswidrig war, sowie andererseits im Sinne des "§ 23 Abs. 3" leg. cit. eine Entscheidung darüber begehrte, daß er in seinem "Recht auf Unterbleiben einer zwangsweisen Besuchsvorführung i. S. einer unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt" verletzt worden sei. Nach Ansicht des Beschwerdeführers sei die Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof insbesondere deshalb zulässig, weil ein weiterer Instanzenzug in der vorgenannten Verordnung nicht vorgesehen sei.
Gemäß § 47 Abs. 4 FrG hat der Bundesminister für Inneres die Hausordnung für die Durchführung der Schubhaft in den Hafträumen der Bezirksverwaltungsbehörden und der Bundespolizeidirektionen zu erlassen. Darin sind die Rechte und Pflichten der Häftlinge unter Bedachtnahme auf die Aufrechterhaltung der Ordnung sowie unter Berücksichtigung der räumlichen und personellen Gegebenheiten zu regeln.
Gemäß § 8 der Fremdengesetz-Durchführungsverordnung 1994 (FrG-DV), BGBl. Nr. 121/1995, ist, sofern § 47 FrG nicht anderes bestimmt, für die Durchführung der Schubhaft die Polizeigefangenenhaus-Hausordnung, BGBl. Nr. 566/1988, mit Ausnahme folgender Bestimmungen anzuwenden:
§ 5 Abs. 1 Z. 2, § 6 Abs. 1, § 6 Abs. 2 Satzteil "die zum Strafantritt vorgeführt werden", § 7 Abs. 5, § 16 Abs. 2 Satzteil "und vom Entfall der Vollzugskosten (§ 54d Abs. 1 VStG)", § 20 Abs. 1 zweiter Satz und § 26.
Gemäß § 47 Abs. 1 erster Teilsatz FrG gilt für die Anhaltung in Schubhaft in Hafträumen einer Bezirksverwaltungs- oder Bundespolizeibehörde § 53c Abs. 1 bis 5 VStG.
Nach § 53c Abs. 4 VStG "dürfen" Häftling innerhalb der Amtsstunden Besuche empfangen, soweit dies unter Berücksichtigung der erforderlichen Überwachung ohne Gefährdung der Sicherheit und Ordnung sowie ohne Beeinträchtigung des Dienstbetriebes möglich ist.
Nach § 53c Abs. 5 VStG darf der Brief- und Besuchsverkehr von Häftlingen mit inländischen Behörden und Rechtsbeiständen sowie mit Organen, die durch für Österreich verbindliche internationale Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte eingerichtet sind, weder beschränkt noch inhaltlich überwacht werden. Das gleiche gilt für den Verkehr ausländischer Häftlinge mit diplomatischen und konsularischen Vertretern ihres Heimatstaates.
Gemäß § 21 Abs. 1 der Polizeigefangenenhaus-Hausordnung (PGHO), BGBl. Nr. 566/1988, darf das Recht der Häftlinge, Besuche zu empfangen, nicht über das durch die Hausordnung festgelegte Maß hinaus beschränkt werden.
Gemäß § 21 Abs. 3 PGHO dürfen Besuche
Z. 1 von Rechtsbeiständen, Vertretern inländischer Behörden, diplomatischer oder konsularischer Vertretungen des Heimatstaates sowie von Organen, die für Österreich verbindliche übernationale Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte eingerichtet sind, oder Z. 2 deren Bedeutung für die Regelung wichtiger persönlicher
Angelegenheiten glaubhaft gemacht werden,
jederzeit im erforderlichen Ausmaß empfangen werden; nach Möglichkeit sind sie während der Amtsstunden abzuwickeln.
In seiner "Beschwerde" vom 5. Mai 1995, deren unterlassene bescheidmäßige Erledigung durch die belangte Behörde im Beschwerdefall gerügt wird, wendet sich der Beschwerdeführer gegen eine "zwangsweise Vorführung innerhalb der Schubhafträume" (eines Polizeigefangenenhauses) vor Vertreter der sudanesischen Botschaft am 20. März 1995. Ein derartiger Fall wird jedoch - wie schon aus dem dargestellten Wortlaut eindeutig zu ersehen ist - weder nach § 53c Abs. 4 und 5 VStG noch nach der nach § 8 der FrG-DV anwendbaren Bestimmung des § 21 Abs. 3 PGHO geregelt.
Gemäß § 23 Abs. 1 PGHO sind Beschwerden wegen Verletzung der dem Häftling aus der Hausordnung erwachsenden Rechte vom Häftling dem Kommandanten vorzutragen oder schriftlich mitzuteilen.
Richtet sich die Beschwerde gegen Aufsichtsorgane, so hat gemäß § 23 Abs. 2 PGHO hierüber der Kommandant zu entscheiden. Richtet sie sich gegen eine von ihm oder vom Arzt getroffene Maßnahme oder Entscheidung und hilft er der Beschwerde nicht selbst ab, so ist sie der Behörde vorzulegen. Diese hat, außer bei Beschwerden über vom Arzt getroffene Maßnahmen, mit Bescheid zu entscheiden.
Gemäß § 23 Abs. 3 PGHO sind Vorbringen, die eine Verletzung anderer als der aus der Hausordnung erwachsenden Recht zum Gegenstand haben, ohne unnötigen Aufschub, erforderlichenfalls auch fernmündlich, an die Behörde heranzutragen.
Die Verpflichtung zur bescheidförmigen Erledigung nach § 23 Abs. 2 PGHO ist in Verbindung mit Abs. 1 dieser Bestimmung zu sehen, wobei nur Beschwerden "wegen Verletzung der dem Häftling aus der Hausordnung erwachsenden Rechte" zu behandeln sind. Daß der Beschwerdeführer die Verletzung derartiger ihm aus der Hausordnung unmittelbar erwachsender Rechte im Rahmen seiner "Beschwerde" vom 5. Mai 1995 gerügt hätte, wird von diesem in der vorliegenden Säumnisbeschwerde nicht behauptet und ist auch für den Verwaltungsgerichtshof nicht ersichtlich. Die Möglichkeit einer Verletzung der Entscheidungspflicht nach § 23 Abs. 2 PGHO scheidet daher im Beschwerdefall aus.
§ 23 Abs. 3 PGHO sieht aber im Gegensatz zu dessen Abs. 2 keine Pflicht zur BESCHEIDFÖRMIGEN Erledigung von Vorbringen, "die eine Verletzung anderer als aus der Hausordnung erwachsender Rechte zum Gegenstand haben", vor (vgl. daher zur Unzulässigkeit einer Säumnisbeschwerde etwa den hg. Beschluß vom 22. März 1993, Zl. 92/10/0155). Da sich die geltend gemachte behördliche Entscheidungspflicht offenkundig nur auf derartige, nicht aus der Hausordnung erwachsende Rechte bezog, konnte von vornherein keine Entscheidungspflicht der belangten Behörde entstehen bzw. durch diese Behörde verletzt werden. Schon aus diesem Grunde war daher die Säumnisbeschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Ergänzend sei darauf hingewiesen, daß gegen die behauptete Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ein Beschwerderecht an den unabhängigen Verwaltungssenat nach § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG zugestanden wäre (vgl. allerdings in diesem Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1996, Zl. 95/02/0572).
Schlagworte
Anspruch auf Sachentscheidung Besondere Rechtsgebiete Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive BescheideEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996020318.X00Im RIS seit
01.02.2001