TE Vwgh Beschluss 2021/9/8 Ra 2021/20/0147

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Veröffentlicht am 08.09.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG 2014 §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
MRK Art3
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Eder und Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Engel, in der Rechtssache der Revision des V M in W, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. März 2021, W232 2216712-2/2E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und den FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein ukrainischer Staatsangehöriger, stellte erstmals am 26. März 2017 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

2        Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 3. Mai 2017 wurde der Antrag gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 - ohne in die Sache einzutreten - als unzulässig zurückgewiesen, die Zuständigkeit Tschechiens gemäß der Dublin III-VO festgestellt, die Außerlandesbringung des Revisionswerbers gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) angeordnet und die Zulässigkeit der Abschiebung nach Tschechien festgestellt.

3        Am 27. Juni 2017 stellte der Revisionswerber den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz.

4        Nach Zulassung des Verfahrens wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag mit Bescheid vom 14. August 2020 ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in die Ukraine zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

5        Die vom Revisionswerber gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht ohne Durchführung einer Verhandlung mit Erkenntnis vom 10. März 2021 als unbegründet ab. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9        In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung mit der Begründung geltend gemacht, dass der entscheidungswesentliche Sachverhalt - insbesondere aufgrund einer unzureichenden Befragung des Revisionswerbers bei der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - nicht geklärt gewesen sei.

10       Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Absehen von der mündlichen Verhandlung gemäß dem - hier maßgeblichen - ersten Tatbestand des ersten Satzes des § 21 Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG; „wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“) dann gerechtfertigt, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (vgl. grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018; sowie aus der jüngeren Rechtsprechung VwGH 28.5.2021, Ra 2021/20/0159, jeweils mwN).

11       Dass die Befragung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unzureichend gewesen und deshalb der entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Behörde nicht vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sei, vermag die Revision nicht aufzuzeigen. Dem Revisionswerber wurde die Möglichkeit geboten, seine fluchtauslösenden Gründe darzulegen, woraufhin vom vernehmenden Referenten klärende Nachfragen gestellt wurden. Abschließend wurde der Revisionswerber gefragt, ob er sämtliche Gründe, die ihn veranlasst hätten, sein Heimatland zu verlassen, vollständig geschildert habe, was dieser bejahte. Das Bundesverwaltungsgericht schloss sich den beweiswürdigenden Erwägungen des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl an. Entgegen dem Vorbringen in der Revision ist der Revisionswerber dem von der Behörde festgestellten Sachverhalt in der Beschwerde auch nicht substantiiert entgegengetreten. Diesbezüglich führte schon das Bundesverwaltungsgericht zutreffend aus, dass in der Beschwerde zum Sachverhalt nichts Entscheidungsrelevantes vorgebracht worden sei. Die Beschwerde wendete sich vor allem gegen die Beweiswürdigung und die rechtliche Beurteilung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl.

12       Somit vermag der Revisionswerber nicht aufzuzeigen, dass das Bundesverwaltungsgericht von den oben dargelegten Leitlinien abgewichen wäre.

13       Weiters wendet sich der Revisionswerber gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und bringt dazu vor, die Lage in der Ukraine lasse keine Abschiebung zu, weil der Revisionswerber aufgrund seines Alters und fehlenden sozialen Netzwerks im Falle einer Rückkehr von Armut und Ernährungsunsicherheit betroffen sei.

14       Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt festgehalten, dass für die Gewährung von subsidiärem Schutz die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK nicht ausreichend ist. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, dass exzeptionelle Umstände vorliegen (vgl. VwGH 4.5.2021, Ra 2021/14/0144, mwN).

15       Es entspricht zudem der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, für sich betrachtet nicht ausreicht, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können oder um die Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative zu verneinen (vgl. etwa VwGH 26.5.2021, Ra 2021/01/0081, mwN).

16       Das Bundesverwaltungsgericht traf Feststellungen zu den persönlichen Umständen des Revisionswerbers und zur Versorgungslage im Herkunftsstaat, die in der Revision nicht substantiiert bestritten werden. Die Versorgung mit Nahrungsmitteln sowie die medizinische Versorgung für Binnenvertriebene seien gewährleistet. Aufgrund der Arbeitsfähigkeit, der Schulbildung und der Berufserfahrung, über die der Revisionswerber verfüge, könne eine Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden. Der Revisionswerber könne auch Rückkehrhilfe beziehen und seine Existenz zunächst durch Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern.

17       Mit seinem Vorbringen, er sei aufgrund seines Alters gefährdet, in eine existenzielle Notlage zu geraten, zeigt der Revisionswerber nicht auf, dass im Falle einer Rückkehr solch exzeptionelle Umstände vorlägen, die die hohe Schwelle einer Verletzung seiner nach Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte erreichen, zumal es sich beim Revisionswerber um einen gesunden, arbeitsfähigen Mann mittleren Alters handelt. Aufgrund seiner Ausbildung und Berufserfahrung gelingt es dem Revisionswerber auch nicht darzulegen, dass er ohne familiäres oder soziales Netzwerk im Falle einer Rückkehr außerstande wäre, eine Existenzgrundlage zu erwirtschaften.

18       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 8. September 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021200147.L00

Im RIS seit

30.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.10.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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