TE Vwgh Beschluss 2021/9/8 Ra 2021/20/0142

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.09.2021
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Eder und Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Engel, in der Rechtssache der Revision des M M in W, vertreten durch Dr. Christian Perner, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Pramergasse 8/17, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. März 2021, W159 1428907-4/5E, betreffend faktischen Abschiebeschutz nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Für den aus Afghanistan stammenden und damals minderjährigen Revisionswerber wurde am 25. April 2012 ein Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) gestellt.

2        Mit Bescheid vom 24. Juli 2012 wies das Bundesasylamt (nunmehr: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) den Antrag des Revisionswerbers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung mit Gültigkeit bis zum 24. Juli 2013.

3        Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 30. August 2013 wurde dem Revisionswerber im Familienverfahren der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

4        Nach Einleitung eines Aberkennungsverfahrens wurde dem Revisionswerber mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21. Dezember 2018 der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aberkannt und festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme. Weiters wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und ein auf zehn Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Es wurde eine Frist von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise festgelegt.

5        Am 24. Februar 2021 stellte der Revisionswerber einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Er brachte vor, die Sicherheitslage in Afghanistan habe sich verschlechtert. Er habe noch nie in Afghanistan gelebt, habe Angst vor den Taliban und sei homosexuell.

6        Mit am 18. März 2021 mündlich verkündetem Bescheid hob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 den faktischen Abschiebeschutz des Revisionswerbers auf.

7        Mit dem angefochtenen Beschluss stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 rechtmäßig sei. Unter einem sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

8        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Gemäß Art. 133 Abs. 9 erster Satz B-VG sind auf die Beschlüsse der Verwaltungsgerichte die für ihre Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Artikels sinngemäß anzuwenden.

9        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

10       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11       In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht habe die Glaubwürdigkeit des Revisionswerbers nicht wie von der Judikatur gefordert an der Berichtslage gemessen und sei seiner Ermittlungspflicht hinsichtlich der Situation von Homosexuellen in Afghanistan nicht nachgekommen.

12       Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 18.5.2021, Ra 2021/19/0171, mwN). Eine solche Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung vermag die Revision nicht aufzuzeigen. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass auch eine Feststellung allgemeiner Umstände im Herkunftsstaat die Glaubhaftmachung der Gefahr einer konkreten, individuell gegen den Revisionswerber gerichteten Verfolgung nicht ersetzen kann (vgl. VwGH 26.4.2021, Ra 2021/20/0006, mwN).

13       Da das Bundesverwaltungsgericht vertretbar von der Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens des Revisionswerbers betreffend seine Homosexualität ausging, gelingt es dem Revisionswerber nicht, aufzuzeigen, dass das Bundesverwaltungsgericht die Frage, ob hinsichtlich der Situation von Homosexuellen in Afghanistan weitere Ermittlungsschritte zu setzen gewesen wären, grob fehlerhaft beurteilt hätte.

14       Hinsichtlich des Vorbringens in der Revision, eine innerstaatliche Fluchtalternative sei angesichts des zunehmenden Macht- und Einflussbereichs der Taliban für das gesamte afghanische Staatsgebiet zu verneinen, ist der Revisionswerber darauf zu verweisen, dass das Bundesverwaltungsgericht seine Entscheidung an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszurichten hatte. Dieser Zeitpunkt ist bei der Entscheidung durch einen Einzelrichter der Zeitpunkt der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung oder - falls eine solche stattgefunden hat - der mündlichen Verkündung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (vgl. VwGH 27.5.2021, Ra 2021/19/0163, mwN).

15       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 8. September 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021200142.L00

Im RIS seit

30.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.10.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten