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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
RSG 1870;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):96/02/0554 E 28. Februar 1997Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 4. September 1996, Zl. VwSen-103903/2/Sch/Rd, betreffend Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 (mitbeteiligte Partei: K in N, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in S), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 8. Juli 1996 (Spruchpunkt 2.) wurde der Mitbeteiligte des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens für schuldig befunden, er habe sich am 3. August 1995 um ca. 23.00 Uhr in einem näher angeführten Krankenhaus gegenüber einem Arzt und einem Organ der Straßenaufsicht geweigert, eine Blutabnahme zum Zwecke der Bestimmung des Blutalkoholgehaltes vornehmen zu lassen, obwohl vermutet hätte werden können, daß er sich anläßlich einer - örtlich und zeitlich umschriebenen - Fahrt als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe und eine Prüfung der Atemluft auf Alkoholgehalt aus medizinischen Gründen nicht möglich gewesen sei. Der Mitbeteiligte habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit § 5 Abs. 6 StVO begangen. Es wurde eine Geldstrafe (Ersatzarreststrafe) verhängt.
Der dagegen vom Mitbeteiligten erhobenen Berufung gab der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Bescheid vom 4. September 1996 Folge, behob das erstinstanzliche Straferkenntnis und stellte das Verfahren unter Berufung auf § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG ein.
Dies im wesentlichen mit der Begründung, beim einschreitenden Gendarmeriebeamten sei am Ort des Unfalles (der mit der gegenständlichen Verwaltungsstrafsache im Zusammenhang steht) die Vermutung einer Alkoholbeeinträchtigung des Mitbeteiligten entstanden. In der Folge habe dieser Gendarmeriebeamte den Mitbeteiligten im Krankenhaus im Beisein eines weiteren Gendarmeriebeamten und des diensthabenden Arztes aufgefordert, sich zum Zwecke der Alkoholbestimmung Blut abnehmen zu lassen (von einer Atemluftuntersuchung sei angesichts der Verletzungen des Mitbeteiligten von vornherein Abstand genommen worden). Dieser Aufforderung sei der Mitbeteiligte nicht nachgekommen. Dieser entscheidungswesentliche Sachverhalt erfülle aber nicht den Tatbestand der dem Mitbeteiligten zur Last gelegten Verwaltungsübertretung, zumal zur Untersuchung nach § 5 Abs. 5 StVO nur "im öffentlichen Sanitätsdienst stehende oder bei einer Bundespolizeidirektion tätige Ärzte" berechtigt seien. Werde daher eine (bei einem Verkehrsunfall verletzte) Person, bei der die Vermutung einer Alkoholbeeinträchtigung beim Lenken bestehe, in ein öffentliches oder privates Spital eingeliefert, so dürften nicht die dort tätigen Ärzte die Untersuchung vornehmen, sondern es müsse ein im Gesetz genannter Arzt herbeigerufen werden. Werde die ursprüngliche Vermutung infolge der amtsärztlichen Untersuchung nach § 5 Abs. 5 Z. 2 StVO zu einem Verdacht erhärtet, so sei bei der betreffenden Person die Blutabnahme zum Zwecke der Alkoholbestimmung durchzuführen. In rechtlicher Hinsicht sei somit festzustellen, daß der Mitbeteiligte nicht zu einem Arzt gemäß § 5 Abs. 5 Z. 2 StVO gebracht worden sei. Der diensthabende Arzt einer öffentlichen Krankenanstalt falle nämlich nicht unter den Begriff eines im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arztes. Die dem § 5 StVO zugrundeliegende "Systematik der Arztbegriffe" müsse dahingehend verstanden werden, daß zwischen dem "Vorführarzt" und dem "Blutabnahmearzt" zu unterscheiden sei und zwar in dem Sinne, daß die Aufforderung zur Blutabnahme durch einen bloß dazu befugten Arzt ohne vorherige Einschaltung eines Arztes, der über die zur Vorführung erforderlichen Voraussetzungen verfüge, nämlich eines bei der Bundespolizeibehörde tätigen oder eines im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arztes, unzulässig sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art. 131 Abs. 1 Z. 2 B-VG gestützte Beschwerde des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst an den Verwaltungsgerichtshof. Sowohl die belangte Behörde als auch der Mitbeteiligte haben Gegenschriften erstattet, in welchen sie die Abweisung der Beschwerde beantragen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Nach § 99 Abs. 1 lit. c StVO in der Fassung der 19. StVO-Novelle (BGBl. Nr. 518/1994) begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit der dort angeführten Geldstrafe (bzw. Ersatzfreiheitsstrafe) zu bestrafen, (Verfassungsbestimmung) wer sich bei Vorliegen der im § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, sich Blut abnehmen zu lassen.
Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 5 Abs. 5 bis 7 StVO (in der Fassung der 19. StVO-Novelle) lauten:
"(5) Die Organe der Straßenaufsicht sind weiters berechtigt, Personen, von denen vermutet werden kann, daß sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden, zum Zweck der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden oder bei einer Bundespolizeibehörde tätigen Arzt zu bringen, sofern eine Untersuchung gemäß Abs. 2
1. keinen den gesetzlichen Grenzwert gemäß Abs. 1 übersteigenden Alkoholgehalt ergeben hat oder
2. aus in der Person des Probanden gelegenen Gründen nicht möglich war.
Wer zum Zweck der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem Arzt gebracht wird, hat sich einer Untersuchung durch diesen zu unterziehen.
(6) (Verfassungsbestimmung) An Personen, die gemäß Abs. 5 Z. 2 zu einem Arzt gebracht werden und die verdächtig sind, sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand zu befinden, ist eine Blutabnahme zum Zweck der Bestimmung des Blutalkoholgehaltes vorzunehmen; die Betroffenen haben diese Blutabnahme vornehmen zu lassen.
(7) Zum Zweck einer Blutabnahme sind die Organe der Straßenaufsicht berechtigt, den Betroffenen (Abs. 6) zum diensthabenden Arzt einer öffentlichen Krankenanstalt zu bringen. Dieser hat eine Blutabnahme zum Zweck der Bestimmung des Blutalkoholgehaltes vorzunehmen."
Nach der hg. Rechtsprechung ist entsprechend dem im Strafrecht allgemein geltenden Grundsatz "nullum crimen sine lege" Voraussetzung für die Verhängung einer Strafe, daß die Tat zur Zeit ihrer Begehung ausdrücklich durch ein Gesetz für strafbar erklärt war. Strafrechtsquelle ist ausschließlich das geschriebene Gesetz. Eine Ergänzung dieses Gesetzes durch Analogie oder jede andere Art von Lückenschließung (etwa durch Größenschluß) zum Nachteil des Täters ist untersagt. Dies schließt zwar eine Auslegung des Gesetzes nach Inhalt, Sinn und Tragweite eines bestehenden Rechtssatzes nicht aus, doch muß die Auslegung jedenfalls ihre äußerste Grenze stets im möglichen Wortsinn der auszulegenden Norm haben; sie muß immer noch im Wortlaut des Gesetzes eine Stütze finden (vgl. zum Ganzen das Erkenntnis vom 14. Juni 1988, Slg. Nr. 12 741/A).
Von daher gesehen erweist sich die vorliegende Beschwerde im Ergebnis als nicht begründet: Die wiedergegebene Verfassungsbestimmung des § 99 Abs. 1 lit. c StVO kann sich nur auf jene Vorschrift des § 5 StVO beziehen, in welcher die Pflicht zur Duldung der Blutabnahme geregelt ist. Dies trifft allerdings nur auf dessen Abs. 6 zu. Der dort geregelte Fall betrifft jedoch nur Personen, die nicht nur verdächtig sind, sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand zu befinden, sondern darüber hinaus "gemäß Abs. 5 Z. 2" zu einem Arzt - sohin zu einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden oder bei einer Bundespolizeibehörde tätigen Arzt - gebracht wurden. Soweit der Beschwerdeführer darauf verweist, unter einem "Betroffenen" im § 5 Abs. 6 StVO sei lediglich eine Person zu verstehen, die verdächtig sei, sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand zu befinden, so vermag ihm der Verwaltungsgerichtshof auf Grund des klaren Wortlautes
(arg.: ... gebracht werden "und" die verdächtig sind ...) nicht
beizupflichten. Nur solche als "Betroffene" bezeichnete Personen im § 5 Abs. 6 StVO sind daher auch verpflichtet, eine Blutabnahme vornehmen zu lassen. Was aber die (im übrigen anders als § 99 Abs. 1 lit. c und § 5 Abs. 6 StVO nicht im Rang einer Verfassungsbestimmung stehende) Vorschrift des § 5 Abs. 7 StVO anlangt, so wird damit nicht eine für den "Betroffenen" hinausgehende Verpflichtung zur Duldung der Blutabnahme normiert (vgl. zutreffend Grundtner/Hellar/Schachter, Die österreichische Straßenverkehrsordnung nach der 19. Novelle, Seite 57/58, "Gliederung des § 5", zu Absatz 7 erster Satz).
Da auch der Beschwerdeführer nicht behauptet, daß es sich beim Mitbeteiligten um einen "Betroffenen" entsprechend der oben dargestellten hg. Rechtsanschauung zu § 5 Abs. 6 StVO gehandelt hat, hat die belangte Behörde das gegen diesen geführte Verwaltungsstrafverfahren zu Recht eingestellt.
Die vorliegende Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren des Mitbeteiligten in Bezug auf Ersatz von Stempelgebühren war mangels Erforderlichkeit des Aufwandes zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (es war lediglich die Gegenschrift in zweifacher Ausfertigung zu erstatten) abzuweisen.
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996020479.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
21.06.2012