TE OGH 2021/9/14 14Os73/21y

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.09.2021
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. September 2021 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mock in der Strafsache gegen ***** A***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1, Abs 4 Z 3 SMG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 14. April 2021, GZ 80 Hv 113/20m-69, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1]       Soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant wurde ***** A***** mit dem angefochtenen Urteil (unter anderem) des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1, Abs 4 Z 3 SMG (I./) schuldig erkannt.

[2]       Danach hat er in K***** vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er von Anfang 2018 bis 3. Juli 2020 in einer Vielzahl von Angriffen insgesamt 378 Gramm Heroin, beinhaltend 68,1912 Gramm Heroin-Base, und 150 Gramm Kokain, beinhaltend 34,05 Gramm Kokain-Base, gewinnbringend an die nachgenannten Abnehmer veräußerte, wobei sein Vorsatz jeweils auf eine Tatbildverwirklichung in Teilmengen gerichtet war, die kontinuierliche Tatbegehung über einen längeren Deliktszeitraum und den daran geknüpften Additionseffekt sowie die vielfache Überschreitung der Grenzmenge mitumfasste, „er die Tat in Bezug auf Suchtgift in einer insgesamt das 25-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge begangen hat“ und er in der Absicht handelte, sich „durch die fortgesetzte Weitergabe von die Grenzmenge übersteigenden Suchtgiftmengen“ (US 5) eine längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, wobei er schon einmal wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden ist (US 4), und zwar

[3]       ***** K***** von Ende August bis 22. Dezember 2019 und von 12. Juni bis 3. Juli 2020 85,5 Gramm Kokain;

[4]       ***** G***** von Herbst 2019 bis Ende Juni 2020 72 Gramm Heroin;

[5]       ***** T***** von Anfang 2018 bis 2. Juli 2020 29 Gramm Kokain und 219 Gramm Heroin;

[6]       ***** D***** von Ende 2019 bis Anfang Juli 2020 9 Gramm Heroin und 9 Gramm Kokain;

[7]       ***** V***** von Jänner bis Anfang Juli 2020 50 Gramm Heroin;

[8]       ***** Z***** von Mai bis 2. Juli 2020 10,5 Gramm Kokain;

[9]       ***** S***** von November/Dezember 2019 bis 29. Juni 2020 16 Gramm Heroin und 16 Gramm Kokain;

[10]     ***** St***** von Anfang März bis Anfang Juli 2020 12 Gramm Heroin.

Rechtliche Beurteilung

[11]     Die dagegen erhobene, auf § 281 Abs 1 Z 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

[12]           Die Tatsachenrüge (Z 5a) richtet sich gegen die Feststellungen zur vom Angeklagten überlassenen – und insgesamt das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden – Suchtgiftmenge, welche die Tatrichter aus den Angaben der als Zeugen vernommenen Suchtgiftabnehmer abgeleitet haben (US 7 ff).

[13]           Indem die Beschwerde eingangs vermeint, das Erstgericht wäre im Hinblick auf das (bloß) geringfügige Überschreiten der 25-fachen Grenzmenge verpflichtet gewesen, soweit die Drogenabnehmer zum Tatzeitraum und den Suchtgiftmengen „keine gesicherten Angaben“ machen konnten, „im Zweifel“ von einem kürzeren Tatzeitraum und einer geringeren Suchtgiftmenge auszugehen, wird Nichtigkeit nicht zur Darstellung gebracht, sondern in unzulässiger Form (nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung) die Beweiswürdigung der Tatrichter bekämpft (RIS-Justiz RS0102162). Im Übrigen hat das Schöffengericht den beweiswürdigenden Erwägungen zufolge dem Angeklagten ohnehin „jeweils nur die feststellbaren Mindestmengen zugerechnet“, „und zwar in jenem Umfang, in dem sich die Zeugen auch sicher waren“, vom Angeklagten Suchtgift bezogen zu haben (US 7, 9).

[14]           Keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen weckt die Rüge, indem sie aus den gewürdigten und den Feststellungen zugrunde gelegten (US 8 f) Angaben der Zeugen G***** (ON 54a S 2 ff) und S***** (ON 54a S 11 ff) über die von ihnen erworbenen Suchtgiftmengen für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen als die Tatrichter zieht (RIS-Justiz RS0099674, RS0118780).

[15]           Erhebliche Bedenken gegen die Feststellungen zur bloß dreiwöchigen Abwesenheit des Angeklagten im Tatzeitraum (US 6) versucht die Beschwerde durch Verweis auf die Angaben einerseits des Angeklagten (ON 45 S 6 f), er sei zwischen Mitte Juli 2018 und seiner Festnahme fünf- bis sechsmal zwischen 20 Tagen und zwei Monaten in Spanien gewesen, und andererseits des Zeugen S***** (ON 54a S 13), wonach er „glaube“, der Angeklagte sei im Zeitraum seiner Suchtgiftkäufe drei- oder viermal angeblich in Spanien gewesen, zu wecken. Dabei vernachlässigt sie, dass die ins Treffen geführten Beweismittel hinsichtlich ihrer Eignung, erhebliche Bedenken hervorzurufen, an der Gesamtheit der beweiswürdigenden Erwägungen zu messen sind (RIS-Justiz RS0117446 [T1, T5]), das Schöffengericht aber den Angaben des Angeklagten mit Blick auf die erhobenen Fluggastdaten und die Aussagen des Zeugen ***** G***** keinen Glauben geschenkt hat (US 7).

[16]     Die Subsumtionsrüge (nominell Z 9 lit a „bzw.“ Z 10, der Sache nach nur Z 10) vermisst Feststellungen, wonach der Angeklagte bereits bei der ersten Übergabe von Drogen den „Vorsatz auf die Deliktsqualifikation des § 28a Abs 4 Z 3 SMG“ hatte. Sie nimmt dabei nicht an sämtlichen Konstatierungen zur subjektiven Tatseite Maß (vgl aber RIS-Justiz RS0099810), wonach dem Angeklagten (beim Verkauf der im Urteil angeführten Suchtgiftmengen) der mit der kontinuierlichen Tatbegehung verbundene Additionseffekt bewusst sowie erkennbar war und er sich damit abfand sowie es „billigend in Kauf“ nahm, „dass er insgesamt sogar eine die 25-fache Grenzmenge übersteigende Menge Kokain und Heroin an andere weitergab“ (US 4 f). Eine – auch den Tenor (US 2) in den Blick nehmende (RIS-Justiz RS0114639) – Analyse des Urteils (vgl insb US 10 [„Der Vorsatz auf das Inverkehrsetzen einer das 25-fache übersteigenden Menge im Wege des an die kontinuierliche Tatbegehung geknüpften Additionseffekts…“]) lässt aber aus Sicht des Obersten Gerichtshofs die Beurteilung zu, dass die Tatrichter einen von vornherein auf die kontinuierliche Begehung und den Additionseffekt in Bezug auf eine in Summe das 25-Fache der Grenzmenge übersteigenden Suchtgiftmenge gerichteten Vorsatz des Angeklagten (vgl dazu 13 Os 55/19s; Hinterhofer, SMG2 § 28a Rz 69) feststellen wollten (RIS-Justiz RS0117228; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19).

[17]     Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

[18]           Bleibt anzumerken, dass dem Erstgericht zu I./ ein Subsumtionsfehler (Z 10) unterlaufen ist, weil die Urteilsfeststellungen die Qualifikation nach § 28a Abs 2 Z 1 SMG nicht tragen. Das Schöffengericht hat zwar festgestellt, dass es dem Angeklagten darauf ankam, sich durch die fortgesetzte Weitergabe von (gemeint: jeweils) die Grenzmenge übersteigenden Suchtgiftmengen ein fortlaufendes, monatlich 400 Euro übersteigendes Einkommen zu erschließen (US 5; vgl dazu etwa 12 Os 3/21i, 12 Os 66/20b, 15 Os 88/19h, 14 Os 117/18i, 15 Os 47/18b). Konstatierungen, die eine der in § 70 Abs 1 StGB genannten Voraussetzungen gewerbsmäßiger Begehung abdecken, fehlen jedoch. Die Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen Wien vom 9. November 2012, AZ 161 Hv 121/12p, (unter anderem) wegen § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG, § 15 StGB, ist zwar als „solche“ im Sinn des § 70 Abs 1 Z 3 zweiter Fall StGB sowie als „Straftat nach § 28a Abs 1 SMG“ (vgl § 28a Abs 2 Z 1 SMG) anzusehen, liegt aber außerhalb des von § 70 Abs 3 StGB geforderten zeitlichen Zusammenhangs und ist daher nicht qualifikationsbegründend (RIS-Justiz RS0130966). Teilakte von Suchtgifthandel nach § 28a Abs 1 SMG (im Sinn von sukzessiv begangenen Tathandlungen in Bezug auf die Grenzmenge nicht übersteigende Suchtgiftquanten) genügen wiederum als Bezugspunkt für wiederkehrende Begehung iSd § 70 Abs 1 Z 3 StGB (vgl dazu RIS-Justiz RS0130965) – seit der Entscheidung des verstärkten Senats zu 12 Os 21/17f (RIS-Justiz RS0131856) – nicht.

[19]           Anlass für eine amtswegige Maßnahme nach § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO besteht gegenständlich nicht, weil sich der Subsumtionsfehler bei der Strafrahmenbildung (nach § 28a Abs 4 SMG) nicht ausgewirkt hat. Angesichts dieser Klarstellung ist das Oberlandesgericht bei der Entscheidung über die Berufung nicht an den insoweit fehlerhaften Schuldspruch gebunden.

[20]     Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E132734

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0140OS00073.21Y.0914.000

Im RIS seit

30.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

30.09.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten