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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,
Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des R in Jugoslawien, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. November 1995, Zl. 303.936/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.640,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. November 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufG) abgewiesen.
In der Begründung führte die belangte Behörde aus, die Behörde erster Instanz habe den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 4 Abs. 1 AufG abgewiesen. In der Berufung gegen diesen Bescheid habe der Beschwerdeführer nicht darlegen können, warum die Ermessensausübung der Behörde erster Instanz gesetzwidrig gewesen wäre.
Dem Beschwerdeführer stehe keine ortsübliche Unterkunft zur Verfügung. Die von ihm benützte Wohnung bestehe lediglich aus Küche und einem Zimmer. Darin sollten drei Erwachsene und ein Kind leben; dies entspreche nicht ortsüblichen Wohnverhältnissen.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 4 Abs. 1 AufG ist im Spruch des angefochtenen Bescheides nicht erwähnt. Im Hinblick darauf und im Zusammenhalt mit der Begründung des angefochtenen Bescheides ist davon auszugehen, daß die belangte Behörde den Beschwerdeführer lediglich über die Gesetzmäßigkeit der Ermessensausübung der erstinstanzlichen Behörde belehrt, jedoch nicht eine eigenständige Ermessensentscheidung getroffen hat, zumal sie in einem solchen Falle, ausgehend von den Verhältnissen im Zeitpunkt der Erlassung IHRES BESCHEIDES ihr EIGENES Ermessen ANSTELLE jenes der erstinstanzlichen Behörde zu setzen gehabt hätte (vgl. die bei WALTER-MAYER, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts6 Rz 542 wiedergegebene Judikatur). Der Hinweis auf die Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung der erstinstanzlichen Behörde ist daher nicht geeignet, den Spruch des angefochtenen Bescheides zu tragen.
Der Beschwerdeführer macht geltend, daß die belangte Behörde, die sich auf den von der erstinstanzlichen Behörde nicht herangezogenen Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 AufG stützte, verabsäumt habe, ihm entsprechend der Bestimmung des § 45 Abs. 3 AVG Gelegenheit zu geben, von dem Ergebnis ihrer Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. Hätte ihm die belangte Behörde Parteiengehör gewährt, so hätte er dargelegt, daß die Familie des Beschwerdeführers über zwei Wohnungen verfüge, die sich nebeneinander im selben Haus unter Top Nr. 2 und 3 befänden und von insgesamt drei Personen bewohnt würden.
Eine Änderung des Versagungsgrundes im Verfahren nach dem AufG durch die Berufungsbehörde ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur zulässig, wenn dem Fremden das Parteiengehör im erforderlichen Umfang gewährt wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. September 1995, Zl. 94/18/1137). Für die Behörde besteht allerdings keine Veranlassung, die Partei zu Sachverhaltselementen zu hören, die diese selbst geliefert hat (vgl. die bei HAUER/LEUKAUF, Handbuch des österreichsichen Verwaltungsverfahrens5 335 wiedergegebene Judikatur).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde initiativ darzulegen, daß er über eine ortsübliche Unterkunft verfügt. Die belangte Behörde kann auch bei einer Änderung des Versagungsgrundes von den vom Fremden dargelegten Wohnverhältnissen ausgehen (vgl. das zur Darlegung von Unterhaltsmitteln ergangene hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/19/0327). Seiner Obliegenheit zum Nachweis einer FÜR IHN ortsüblichen Unterkunft hat der Beschwerdeführer durch die Vorlage eines Mietvertrages bezüglich der Wohnung in W, K-G 272 Top 2 entsprochen. Aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren (vgl. S. 2 des Verwaltungsaktes) ist jedoch der von der belangten Behörde gezogene Schluß nicht ableitbar, er teile DIESE Wohnung mit zwei weiteren Erwachsenen und einem Kind, weil er in seinem Antrag auf Aufenthaltsbewilligung die Gesamtnutzfläche der ihm und diesen Personen zur Verfügung stehenden Unterkunft mit 75 m2 angibt, während die Nutzfläche der Wohnung Top 2 laut Mietvertrag 31 m2 beträgt.
Die belangte Behörde konnte daher ihre Annahme, der Beschwerdeführer teile seine Unterkunft im Ausmaß von 31 m2 mit zwei weiteren Erwachsenen und einem Kind, nicht aus dessen eigenen Angaben ableiten. Aus diesem Grund wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, ihre Sachverhaltsannahme und die dieser zugrundeliegenden Ermittlungsergebnisse dem Beschwerdeführer vorzuhalten.
Da die belangte Behörde dies verabsäumt hat und nicht auszuschließen ist, daß sie bei einem Unterbleiben dieses Versäumnisses zu einem anderen Bescheid gekommen wäre, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Kostenersatzbegehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996190009.X00Im RIS seit
02.05.2001