TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/10 W158 2234280-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.05.2021
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Entscheidungsdatum

10.05.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
FMABG §22 Abs2a
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W158 2234280-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die vorsitzende Richterin Dr. Yoko KUROKI-HASENÖHRL und die Richter Dr. Martin MORITZ und Mag. Volker NOWAK als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX AG, XXXX , vertreten durch DORDA Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, gegen den Bescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom 25.06.2020, GZ XXXX zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der Bescheid behoben.

Der Finanzmarktaufsichtsbehörde wird die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme des gebrauchten Zurückweisungsgrundes aufgetragen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Mit dem im Spruch genannten Bescheid, zugestellt am 26.06.2020, wies die Finanzmarktaufsichtsbehörde (in Folge: FMA) den Antrag der Beschwerdeführerin (in Folge: BF) auf Verlängerung der Frist für die Veröffentlichung des Jahresfinanzberichts als unzulässig zurück.

Begründend führte die FMA aus, die beantragte Fristverlängerung scheitere an einer richtlinienkonformen Auslegung. Zudem widerspreche eine verspätete Veröffentlichung auch dem Telos der Veröffentlichungspflicht.

I.2. Dagegen richtet sich die Beschwerde vom 24.07.2020 wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts, in der beantragt wurde, der Beschwerde stattzugeben und den Antrag auf Verlängerung der Frist zu bewilligen, in eventu den Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an die FMA zurückzuverweisen.

Dazu führte die BF aus, die von der FMA vorgenommene richtlinienkonforme Auslegung führe zu einem vom Unionsrecht nicht geforderten contra-legem Ergebnis. Die FMA übersehe zudem, dass auch die ESMA unter Bezugnahme auf die unionsrechtlichen Regelungen eine Empfehlung zur Abweichung ausgesprochen habe. Die Auslegung der FMA führe außerdem zu einer unzulässigen umgekehrten vertikalen Auslegung. Auch der Zweck der Veröffentlichung widerspreche einer Verlängerung nicht. Dem Informationsinteresse könne auch durch eine Bekanntmachung der Verspätung der Veröffentlichung entsprochen werden.

I.3. Die Beschwerde und der dazugehörige Verwaltungsakt langten am 21.08.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch Einschau in den vorgelegten Verwaltungsakt.

II.1. Feststellungen:

Die BF ist eine XXXX Aktiengesellschaft, deren Stammaktien seit dem XXXX am Amtlichen Handel der Wiener Börse zugelassen sind. Es handelt sich dabei um die einzige Zulassung von Finanzinstrumenten der BF am geregelten Markt. Das Geschäftsjahr der BF endete am 31.12.2019.

Die BF stellte am 30.04.2020 einen Antrag auf Verlängerung der Frist zur Veröffentlichung des Jahresfinanzberichts bis zum 30.06.2020. Bereits am 28.04.2020 veröffentlichte die BF europaweit, dass der Jahresfinanzbericht und der Konzernabschluss samt Konzernlagebericht coronabedingt erst am 30.06.2020 veröffentlicht werden.

II.2. Beweiswürdigung:

Der bereits von der FMA festgestellte Sachverhalt wurde in der Beschwerde nicht bestritten, sondern vielmehr etwa durch Vorlage entsprechender Dokumente, an denen kein vernünftiger Grund zu zweifeln besteht, bestätigt. Da der Sacherhalt somit auf unbedenklichen Beweismitteln beruht, konnte dieser auch der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und zur „Sache“ des Verfahrens:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 22 Abs. 2a Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz (FMABG) entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide der FMA das Bundesverwaltungsgericht durch Senat, ausgenommen in Verwaltungsstrafsachen bei Bescheiden bei denen weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 600 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde. Es ist daher ein Senat zur Entscheidung berufen.

Der Bescheid wurde der BF am 26.06.2020 zugestellt. Die am 24.07.2020 erhobene Beschwerde ist somit rechtzeitig und zulässig.

Hat die Behörde einen Antrag zurückgewiesen, ist „Sache“ eines Beschwerdeverfahrens ausschließlich die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (VwGH 30.04.2020, Ra 2019/21/0134, 17.12.2019, Ra 2017/04/0141). Insoweit sind die Beschwerdeanträge daher verfehlt. Würde das Bundesverwaltungsgericht nämlich – wie in der Beschwerde beantragt – dem von der FMA zurückgewiesenen Antrag auf Fristerstreckung stattgeben, würde es sein Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belasten, da die „Sache“ des Beschwerdeverfahrens dadurch überschritten werden würde. Das Bundesverwaltungsgericht hat daher nur zu beurteilen, ob der Antrag zurecht zurückgewiesen wurde.

II.3.2. Zu Spruchpunkt A)

Aufgrund der Zulassung der Stammaktien der BF ist diese Emittentin gemäß § 118 Abs. 1 Z 4 iVm § 1 Z 8 BörseG 2018. Sie ist daher zufolge § 124 BörseG 2018 verpflichtet, ihren Jahresfinanzbericht spätestens vier Monate nach Ablauf jedes Geschäftsjahres zu veröffentlichen, im konkreten Fall also bis zum 30.04.2020. § 124 BörseG 2018 setzt Art. 4 der Richtlinie 2004/109/EG (in Folge: TransparenzRL) idgF um, nachdem ein Emittent seinen Jahresfinanzbericht spätestens vier Monate nach Ende jedes Geschäftsjahres zu veröffentlichen hat. Die FMA ist daher insoweit im Recht, als die TransparenzRL im Sinne einer richtlinienkonformen Auslegung grundsätzlich zu beachten ist.

Eine Möglichkeit der Verlängerung dieser Frist sieht nach dem Wortlaut weder das BörseG 2018 noch die TransparenzRL vor. § 22 Abs. 13 FMABG, der durch Art. 1 des 3. COVID-19-Gesetzes (BGBl. I Nr. 23/2020) eingefügt wurde, legt jedoch fest, wie folgt: „Soweit in den in § 2 Abs. 1 bis 4 genannten Gesetzen oder in einer aufgrund der genannten Gesetze erlassenen Verordnung Fristen für

1.       Anzeige-, Melde-, Vorlage- und sonstige Einbringungspflichten,

2.       Veröffentlichungen oder

3.       sonstige Informationspflichten

geregelt sind, können diese auf begründeten Antrag durch die FMA verlängert werden. Soweit es dem Antragsteller zumutbar ist, ist der Antrag im Wege des elektronischen Verkehrs zu stellen. Sofern dies im Interesse der Finanzmarktstabilität oder der Verwaltungsökonomie zweckmäßig ist, kann die FMA auch ohne Antrag durch Verordnung bestimmte Fristen verlängern und nähere Bestimmungen zur Antragstellung vorsehen. Soweit in Unionsrechtsakten, für die die FMA gemäß den in § 2 Abs. 1 bis 4 genannten Gesetzen die zuständige Behörde ist, Fristen im Sinne des ersten Satzes geregelt sind, kann die FMA diese Fristen unter denselben Bedingungen durch Verordnung verlängern.“

Das BörseG 2018 wird in § 2 Abs. 3 Z 2 FMABG genannt. Die FMA wird somit durch § 22 Abs. 13 FMABG ermächtigt, auch die im BörseG 2018 genannten Fristen auf begründeten Antrag zu verlängern.

Wie sich aus den eindeutigem Wortlaut der Bestimmung, insbesondere aus dem letzten Satz, ergibt, hat der Gesetzgeber die Möglichkeit der Fristverlängerung unabhängig von oder gar entgegen im Unionsrecht bestimmten (Maximal-)Fristen vorhergesehen. Auch wenn der letzte Satz nur davon spricht, dass derartige im Unionsrecht vorgesehene Fristen durch Verordnung verlängert werden können, besteht doch kein Zweifel, dass eine Fristenverlängerung in derartigen Fällen auch per Bescheid erfolgen kann. Wie sich nämlich aus dem Gesamtzusammenhang der Norm und der Begründung des Initiativantrags [402/A BlgNR, 27. GP, 28: „Im Interesse der Finanzmarktstabilität bzw. der Verwaltungsökonomie wird die FMA ermächtigt, auch durch Verordnung Fristen zu verlängern oder nähere Bestimmungen zur Antragstellung vorzusehen“ (Hervorhebung durch das Bundesverwaltungsgericht)] ergibt, handelt es sich dabei um eine zusätzliche, jedoch keinesfalls eine ausschließliche Möglichkeit der FMA; wenn eine Verlängerung der Fristen im Interesse der Finanzmarktstabilität an sich liegt oder aufgrund der möglichen Vielzahl an Anträgen der Verwaltungsökonomie dient. Sofern eine Verlängerung der Fristen jedoch nicht aus diesen Gründen, sondern nur aus bei den einzelnen Instituten liegenden Gründen, gerechtfertigt ist, soll eine Verlängerung der Fristen auch per Bescheid möglich sein. Davon geht nicht zuletzt auch die FMA aus, wie sich an § 6 Abs. 1 FMA-FriVerV 2020 zeigt. Auch dort ist geregelt, dass unbeschadet der durch die aufgrund von § 22 Abs. 13 FMABG erlassenen Verordnung weitere Fristverlängerungen beantragt werden können. Auch wenn eine solche Regelung sekundärrechtlich bedenklich sein mag (ebenfalls Zweifel äußernd XXXX , Finanzmarktaufsichtsrechtliche Fristen in Zeiten von COVID-19, ZFR 2020, 235 (239f)), ändert das nichts am klaren gesetzlichen Wortlaut, der unterschiedslos alle im Vollziehungsbereich der FMA liegende Fristen und daher auch solche, die auf unionsrechtlichen Regelungen beruhen, erfasst.

Eine - wie von der FMA behauptet - vorgenommene richtlinienkonforme Interpretation würde daher zu einer unionsrechtlich nicht geforderten (VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006) Auslegung contra legem führen. Auch eine unmittelbare Anwendung der TransparenzRL, auf die die Auslegung der FMA hinausläuft, kommt im konkreten Fall nicht in Frage. Eine Berufung auf eine unmittelbare Anwendung einer Richtlinie, deren vollständige Umsetzung in innerstaatliches Recht unterblieben ist beziehungsweise die fehlerhaft umgesetzt wurde, würde nur zu Lasten eines Einzelnen oder zur Vorenthaltung von Rechten eines Einzelnen führen, sodass eine solche schon von vornherein nicht in Frage kommt (wiederum VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006).

Auch mit den von der FMA zusätzlich herangezogenen teleologischen Erwägungen, wonach die Veröffentlichungsfrist der Anlegersicherheit und dem Funktionieren des Kapitalmarkts dienen würde, ist nichts zu gewinnen. Einerseits können diese aufgrund des klaren Wortlauts und der klaren gesetzgeberischen Absicht (siehe wiederum VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006, wo ebenfalls dem klaren Wortlaut und der gesetzgeberischen Absicht der Vorrang vor einer teleologischen Reduktion gegeben wurde) zu keinem anderen Ergebnis führen, andererseits überzeugen sie auch bei grundsätzlicher Richtigkeit der von der FMA angeführten Zwecke einer rechtzeitigen Veröffentlichung vor dem Hintergrund der aktuellen Situation nicht. Wie nämlich die ESMA in ihrem Public Statement ESMA31-67-742 selbst unter Bezugnahme auf die TransparenzRL ausführt, sollten die Aufsichtsbehörden im Fall der Veröffentlichungspflichten aufgrund von COVID-19 kurzzeitig von Aufsichtsmaßnahmen absehen. So es einem Emittenten nicht möglich sei, die Veröffentlichungspflicht rechtzeitig zu erfüllen, sollte dieser nach den weiteren Ausführungen der ESMA jedoch den Markt davon informieren, was die BF auch getan hat. Auch die Europäische Aufsichtsbehörde geht daher davon aus, dass die in der TransparenzRL genannten Ziele und Zwecke aufgrund der außerordentlichen Situation durch eine verspätete Veröffentlichung nicht gefährdet sind, soweit dieser Umstand dem Markt mitgeteilt wird.

Der Antrag der BF ist daher zulässig. Ob er auch begründet ist, wird die FMA im weiteren Verfahren zu beurteilen haben.

Eine Verhandlung konnte entfallen, zumal sie von keiner Partei beantragt wurde, es sich lediglich um die Klärung einer Rechtsfrage handelt und bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG).

II.3.3. Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, auch wenn zur hier maßgeblichen Bestimmung des § 22 Abs. 13 FMABG noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs existiert, weil sich die Rechtslage dazu als klar und eindeutig darstellt. Es war daher trotz fehlender Rechtsprechung die Revision nicht zuzulassen.

Schlagworte

Anlegerschutz Auslegung Behebung der Entscheidung Finanzmarktaufsicht Fristenlauf Fristverlängerung Informationsinteresse Kassation Rechtzeitigkeit Transparenz Unionsrecht Verfahrensfortsetzung Veröffentlichungspflicht Zurückweisung Zurückweisungstatbestand

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W158.2234280.1.00

Im RIS seit

29.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

29.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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