TE Vwgh Erkenntnis 1997/1/24 95/19/1595

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Veröffentlicht am 24.01.1997
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §3 Abs1 Z2;
AufG 1992 §3 Abs1;
AufG 1992 §4 Abs3;
AVG §37;
AVG §58 Abs2;
B-VG Art130 Abs2;
MRK Art8;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Zens, Dr. Bayjones und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der A in W, vertreten durch den Vater I, dieser vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 3. Oktober 1995, Zl. 302.921/4-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.680,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 3. Oktober 1995 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Die belangte Behörde ging in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon aus, daß zwar der Vater der Beschwerdeführerin über eine Aufenthaltsbewilligung verfüge, jedoch der Mutter keine Aufenthaltsbewilligung erteilt worden sei. Unter Berücksichtigung des Alters der Beschwerdeführerin, aber auch unter Bedachtnahme darauf, daß ihr Vater einer Erwerbstätigkeit nachgehen müsse, sei gerade die Mutter jene Person, die den Haushalt führe und der die Obsorge über die Beschwerdeführerin zukomme. Die Mutter sei somit jene Bezugsperson, nach der sich der Zweck der Familienzusammenführung (diese sah offenbar die belangte Behörde als Aufenthaltszweck an) richte. Da aber der Mutter der Beschwerdeführerin keine Aufenthaltsbewilligung erteilt worden sei, könne auch der Beschwerdeführerin gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 4 Abs. 3 AufG keine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden.

Gemäß § 3 Abs. 1 AufG haben unter anderem eheliche und außereheliche minderjährige Kinder von Fremden, die aufgrund einer Bewilligung, eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerkes oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 bis 5 AufG rechtmäßig seit mehr als zwei Jahren ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben (Z. 2), einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 Z. 3 und 4 AufG, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1 AufG) vorliegt.

Die belangte Behörde ging in ihrer rechtlichen Beurteilung davon aus, daß keiner der vom Gesetz hier genannten, die Erteilung einer Bewilligung hindernden Umstände vorliege; sie stützte ihre abweisende Entscheidung auf § 4 Abs. 3 AufG. Gemäß dieser Bestimmung ist eine Bewilligung nach § 3 Abs. 1 und Abs. 4 AufG jeweils mit der gleichen Befristung zu erteilen wie die Bewilligung (unter anderem) des Elternteiles.

Schon aus dem systematischen Bezug dieser Gesetzesstelle folgt, daß sinnvollerweise nur derjenige Elternteil gemeint sein kann, der über eine Aufenthaltsbewilligung verfügt. Diese Auffassung entspricht auch einer im Hinblick auf Art. 8 MRK verfassungskonformen Interpretation. Allein der Umstand, daß die Mutter der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht über eine Aufenthaltsbewilligung verfügte, berechtigte die belangte Behörde im vorliegenden Fall somit nicht zur Abweisung des (offenbar auch) auf Familiengemeinschaft mit ihrem Vater gerichteten Antrages der Beschwerdeführerin (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 95/19/0674, mwN).

Der zwingende Charakter des § 3 Abs. 1 AufG schließt die Verweigerung einer Aufenthaltsbewilligung aufgrund einer Ermessensentscheidung jedenfalls aus. Die belangte Behörde verkennt ihre Aufgaben, wenn sie meint, sie sei dazu berufen, zu entscheiden, ob für die Beschwerdeführerin das Leben in Gemeinschaft mit ihrer Mutter jenem in Gemeinschaft mit ihrem Vater im Interesse des Kindeswohles vorzuziehen ist (vgl. das zitierte Erkenntnis vom 14. Mai 1996).

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Im Hinblick auf den Akteninhalt sei ergänzend noch angemerkt, daß danach die Behauptung des Vaters in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 11. Juni 1994, Zl. MA 62-9/1126872/1, daß die Beschwerdeführerin sein eheliches Kind sei, nicht bestätigt ist. Nach dem Akteninhalt hat er zwar am 30. Oktober 1992 seine Vaterschaft anerkannt, eine Ehe der Kindeseltern ist jedoch nicht belegt. Dessen ungeachtet gelten die oben angestellten rechtlichen Überlegungen auch in dem Fall, daß die Beschwerdeführerin nicht als eheliches Kind anzusehen wäre, wie dies schon die diesbezügliche Gleichstellung in § 3 Abs. 1 AufG gebietet.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, im Umfang des geltend gemachten Begehrens.

Schlagworte

Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3 Ermessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995191595.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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