TE Vwgh Erkenntnis 1997/1/24 95/19/1950

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Veröffentlicht am 24.01.1997
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Zens, Dr. Bayjones und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des N, zuletzt in W, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. November 1995, Zl. 303.955/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. November 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) und § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen.

Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß er mit Urteil des Jugendgerichtshofes vom 18. Oktober 1995 nach den §§ 15, 269 Abs. 1 und § 198 Abs. 1 StGB zu vier Monaten Freiheitsstrafe unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt wurde. Er bestreitet auch nicht, daß dieser Verurteilung eine Verletzung der Unterhaltspflicht für sein 1990 geborenes außereheliches Kind zugrundeliegt. Ebensowenig bestreitet der Beschwerdeführer, daß er das Delikt des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach § 269 StGB in der Form des Versuches dadurch begangen hat, daß er während einer Verfolgung durch einen Polizeibeamten auf dessen Dienstfahrrad versuchte, diesen mit seinem PKW abzudrängen.

Gemäß § 5 Abs. 1 AufG darf eine Bewilligung Fremden unter anderem dann nicht erteilt werden, wenn ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt.

Nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde. Die belangte Behörde ist zutreffend - und insoweit vom Beschwerdeführer auch nicht bekämpft - davon ausgegangen, daß das wiedergegebene Verhalten des Beschwerdeführers - insbesondere der versuchte Widerstand gegen die Staatsgewalt - den Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG verwirklicht und somit gemäß § 5 Abs. 1 AufG dem Beschwerdeführer keine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen wäre.

Unbeschadet dessen ist der Beschwerde Erfolg beschieden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die belangte Behörde bei Anwendung des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG auf die privaten und familiären Interessen des Fremden Bedacht zu nehmen, und zwar derart, daß sie zu prüfen hat, ob ein Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit derart gefährden würde, daß die im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben rechtfertigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. November 1995, Zl. 95/18/0826, mwN). Auf der unzureichenden Interessenabwägung in diesem Sinne liegt das Schwergewicht der Beschwerdeausführungen.

Der Beschwerdeführer bringt in diesem Zusammenhang vor, daß er seit dem Alter von drei Monaten in Österreich lebe. Der Beschwerde ist - teilweise im Einklang mit dem Akteninhalt - weiters zu entnehmen, daß er in Österreich berufstätig ist und sich als sozialintegriert betrachtet. In Österreich lebe auch seine Familie.

Da im Verfahren erstmals die belangte Behörde vom Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG Gebrauch gemacht hat, war der Beschwerdeführer an seinem diesbezüglichen Vorbringen durch das Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG nicht gehindert.

Die belangte Behörde hat im Zusammenhang mit der von ihr vorzunehmenden Interessenabwägung im dargelegten Sinne sich darauf beschränkt auszuführen, daß im Hinblick auf das dem Beschwerdeführer zur Last liegende Delikt die öffentlichen Interessen überwögen. Sie hat keine Erhebungen über die Dauer des (rechtmäßigen) Aufenthalts des Beschwerdeführers im Inland und über seine familiären und privaten Interessen getroffen. Die belangte Behörde hätte - unter Berücksichtigung des Akteninhaltes - die Beziehung zum außerehelichen Kind des Beschwerdeführers und die Tatsache seiner Beschäftigung im Inland sowie seines Aufenthaltes seit 1987 in Betracht ziehen können. Die behaupteten darüber hinausgehenden privaten und familiären Beziehungen des Beschwerdeführers in Österreich sind nun - nach dem Vorbringen - derart intensiv, daß ein Ausgang der Güterabwägung zugunsten dieser Interessen nicht ausgeschlossen erscheint (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/0535).

Aus diesen Gründen war der Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Kostenersatz für die überzählige (s. § 24 Abs. 1 VwGG) Drittausfertigung der Beschwerde war nicht zuzusprechen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995191950.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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