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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AufG 1992 §10 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,
Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der L in S, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. April 1995, Zl. 110.711/2-III/11/95, betreffend Versagung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.320,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. April 1995 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, gemäß § 5 Abs. 1 AufG sei die Erteilung einer Bewilligung an Fremde ausgeschlossen, deren Lebensunterhalt für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert sei. Die Beschwerdeführerin habe ihren Antrag auf Erteilung einer Bewilligung mit einer beabsichtigten selbständigen Tätigkeit als Werbemittelverteilerin begründet. Dieser Tätigkeit gehe sie nicht mehr nach. Sie habe zwar in ihrer Berufung vorgebracht, sie strebe eine (nach der Aktenlage unselbständige) geregelte Beschäftigung an. Sie habe behauptet, einen "Bürgen" gefunden zu haben, welcher sich bereit erklärt habe, zwischenzeitig für ihren Unterhalt aufzukommen. Eine Verpflichtungserklärung dieser Person sei jedoch nicht vorgelegt worden. Im übrigen sei die Änderung des Aufenthaltszweckes unzulässig gewesen; der neue Aufenthaltszweck könne nur mit einem neuen Antrag verfolgt werden. Die Beschwerdeführerin verfüge über keine nennenswerten privaten und familiären Beziehungen in Österreich, weshalb die öffentlichen Interessen am Ausschluß von Personen, deren Lebensunterhalt nicht gesichert sei, vom Aufenthalt im Bundesgebiet die privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführerin überwögen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerdeführerin macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
Die belangte Behörde legte unter Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift die Akten des Verwaltungsverfahrens mit dem Antrag vor, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (2. Mai 1995) hatte die belangte Behörde die Rechtslage vor Inkrafttreten der AufG-Novelle 1995, BGBl. Nr. 351, anzuwenden.
§ 5, § 6 Abs. 1 und § 10 Abs. 1 AufG in ihrer Fassung vor Inkrafttreten der AufG-Novelle 1995 lauteten:
"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist.
(2) Zum Zweck der Aufnahme einer Beschäftigung gemäß § 2 Abs. 2 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes darf eine Bewilligung nur erteilt werden, wenn die nach dem beabsichtigten Aufenthalt zuständige Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice auf Anfrage durch die gemäß § 6 zuständige Behörde festgestellt hat, daß im Hinblick auf die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes keine Bedenken gegen die Aufnahme der vom Antragsteller angestrebten Beschäftigung bestehen. Anträge auf Erteilung solcher Bewilligungen sind unverzüglich und ohne unnötigen Aufschub zu erledigen. Der Antragsteller hat seine der angestrebten Beschäftigung entsprechende Qualifikation glaubhaft zu machen.
(3) Die Feststellung der Unbedenklichkeit durch die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice ist unter Anführung der Wirtschaftszweige und der Berufsgruppen in der Bewilligung festzuhalten. Die Bewilligung berechtigt den Fremden unter Zuhilfenahme der Einrichtungen des Arbeitsmarktservice zur Arbeitssuche in den angeführten Wirtschaftszweigen oder Berufsgruppen.
(4) Die einem Arbeitgeber für einen namentlich genannten Ausländer gemäß § 11 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ausgestellte gültige Sicherungsbescheinigung ersetzt die Feststellung nach Abs. 2.
§ 6. (1) Außer in den Fällen des § 7 Abs. 1 wird die Bewilligung und deren Verlängerung auf Antrag erteilt. In dem Antrag ist der Zweck des vorgesehenen Aufenthaltes in Österreich genau anzugeben und glaubhaft zu machen, daß kein Ausschließungsgrund (§ 5) vorliegt.
.....
§ 10. (1) Fremde, die eine Bewilligung haben, sind zur Einreise und für deren Geltungsdauer zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Die Bewilligung ersetzt einen gemäß dem Fremdengesetz notwendigen Sichtvermerk und ist in der Form eines österreichischen Sichtvermerkes zu erteilen.
....."
Nach dieser Rechtslage stand einer Änderung des Aufenthaltszweckes jedenfalls im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens kein Hindernis entgegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. März 1996, Zl. 96/18/0045).
Die Beschwerdeführerin hat ihren Antrag auf Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung im vorliegenden Fall zunächst mit der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit begründet (vgl. ON 10 des Verwaltungsaktes). In ihrer am 6. April 1994 bei der erstinstanzlichen Behörde eingelangten Eingabe beantragte sie jedoch die Verlängerung ihres "Aufenthalts- bzw. Arbeitssichtvermerkes".
Gemäß § 10 Abs. 1 AufG in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 berechtigte eine Aufenthaltsbewilligung den Fremden zur Einreise und zum Aufenthalt im Bundesgebiet für deren Geltungsdauer. Eine Einschränkung des Umfanges dieser Berechtigung auf den bei der Antragstellung geltend gemachten Aufenthaltszweck war dieser Bestimmung nicht zu entnehmen. Dem geltend gemachten Aufenthaltszweck kam daher in erster Linie der Charakter einer Antragsbegründung zu. Insoweit eine zum Zweck der Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit erteilte Bewilligung gemäß § 5 Abs. 3 AufG in der Fassung vor Inkrafttreten der in Rede stehenden Novelle zur Arbeitssuche unter Zuhilfenahme des Arbeitsmarktservice berechtigte und gemäß § 4b Abs. 2 Z. 2 AuslBG in der hier anzuwendenden Fassung vor Inkrafttreten der Novelle BGBl. Nr. 201/96 bei einer innerhalb von zwölf Monaten erfolgten Antragstellung auf Beschäftigungsbewilligung zum Entfall der Prüfung der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes im Sinne des § 4 Abs. 1 AuslBG führte, ging der Umfang einer zu diesem Zweck erteilten Bewilligung über jenen einer solchen zu anderen Zwecken hinaus. Nach dieser Rechtslage gab es daher gemessen am Umfang der Berechtigungen zwei Arten von Bewilligungen, nämlich solche zum Zweck der Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit und solche, die einem anderen Aufenthaltszweck dienten. Letztere stellten gegenüber ersteren ein "Minus" dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1996, Zl. 95/19/1837, welches auch für die Rechtslage nach Inkrafttreten der vorzitierten AufG-Novelle zum gleichen Ergebnis gelangte).
Ausgehend von dieser Rechtslage erscheint es nicht ausgeschlossen, daß die Beschwerdeführerin bereits mit dem Begehren, ihren "Aufenthalts- bzw. ARBEITSsichtvermerk" zu verlängern, zum Ausdruck bringen wollte, sie strebe nunmehr die Erteilung einer Bewilligung zum Zwecke der Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit an. Andernfalls wäre die Bezeichnung der angestrebten Aufenthaltsbewilligung als "Arbeitssichtvermerk" nicht zu erklären.
Die diesbezügliche Klarstellung, welche herbeizuführen die erstinstanzliche Behörde vernachlässigt hatte, erfolgte in der Berufung, in welcher die Beschwerdeführerin ausdrücklich erklärte, eine unselbständige Erwerbstätigkeit anzustreben und zu diesem Zweck beim Inhaber eines Hotels vorgesprochen zu haben, welcher auch zugesagt habe, sie nach Vorweis der entsprechenden Beschäftigungsbewilligung aufzunehmen. Auch brachte sie vor, der Inhaber eines Restaurationsbetriebes sei für sie um eine Beschäftigungsbewilligung als Küchengehilfin eingekommen.
Ausgehend von ihrer unrichtigen Rechtsansicht, die vorgenommene Änderung des Aufenthaltszweckes sei unbeachtlich, hat es die belangte Behörde unterlassen, eine Anfrage gemäß § 5 Abs. 2 AufG in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 an die nach dem beabsichtigten Aufenthalt zuständige Behörde des Arbeitsmarktservice zu stellen. Im Falle der - die Unbedenklichkeit der Aufnahme der angestrebten Beschäftigung im Hinblick auf die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes voraussetzenden - Erteilung der beantragten Bewilligung zum Zwecke der Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit wäre die Beschwerdeführerin nach dem zweiten Satz des § 5 Abs. 3 AufG in seiner Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 zur Arbeitssuche in den (in der Bewilligung) angeführten Wirtschaftszweigen oder Berufsgruppen unter Zuhilfennahme der Einrichtungen des Arbeitsmarktservice berechtigt. Sie wäre dann in die Lage versetzt, ihren Lebensunterhalt aus den Einkünften einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, etwa bei jenem Hotelier, bei dem sie vorgesprochen hat, oder bei jenem Restaurantbesitzer, der für sie eine Beschäftigungsbewilligung beantragt hat, zu bestreiten (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 1996, Zl. 96/19/2032, sowie das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Juni 1996, B 3294/95). Sie wäre dann nicht auf die Verpflichtungserklärung eines Dritten angewiesen.
Da es - wie oben dargelegt - die belangte Behörde ausgehend von einer unrichtigen Rechtsauffassung unterließ, das Verfahren in die aufgezeigte Richtung zu ergänzen, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Darüberhinaus hat es die belangte Behörde auch unterlassen, sich mit der Behauptung der Beschwerdeführerin, sie verfüge zur Bestreitung ihres Unterhaltes über Barmittel von S 50.000,--, auseinanderzusetzen (vgl. ON 39 des Verwaltungsaktes).
Angemerkt wird, daß sich die Verpflichtungserklärung, welche die Beschwerdeführerin vorgelegt zu haben behauptet, in den Verwaltungsakten nicht befindet. Die Bezugsbestätigung dieser dritten Person (ON 35) wäre für sich allein freilich nicht geeignet, den Unterhalt der Beschwerdeführerin im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG als gesichert erscheinen zu lassen.
Aus diesen Erwägungen war der Bescheid aufgrund der - prävalierenden - Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung wurde aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt.
Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Art. III Abs. 2 dieser Verordnung kam nicht zur Anwendung, weil das Verfahren bei ihrem Inkrafttreten noch nicht anhängig war.
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Inhalt der Berufungsentscheidung Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995190206.X00Im RIS seit
11.07.2001