Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
Aufenthaltszwecke und Form der Aufenthaltsbewilligung 1995 §1 Abs1 Z8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,
Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des L in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. Juni 1995, Zl. 301.598/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. Juni 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 und 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, gemäß § 5 Abs. 2 AufG dürfe eine Bewilligung zum Zweck der Aufnahme einer Beschäftigung gemäß § 2 Abs. 2 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes nur erteilt werden, wenn die nach dem beabsichtigten Aufenthalt zuständige Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice auf Anfrage durch die gemäß § 6 AufG zuständige Behörde festgestellt habe, daß im Hinblick auf die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes keine Bedenken gegen die Aufnahme der vom Antragsteller angestrebten Beschäftigung bestünden. Im Falle des Beschwerdeführers habe die zuständige Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice mitgeteilt, daß derartige Bedenken bestünden, woraus sich für die belangte Behörde die gesetzliche Verpflichtung ergeben habe, den Antrag des Beschwerdeführers abzuweisen.
Der Berufungsbehörde sei es aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nicht möglich, an sich arbeitsfähigen Personen eine Aufenthaltsbewilligung zum Zweck privater Aufenthalte zu erteilen. Unbestritten sei, daß das Gesetz der Behörde einen Ermessensspielraum einräume und daß aus den §§ 2 und 3 AufG klare Kriterien für die Art und Weise ableitbar seien, wie dieser Spielraum genutzt werden solle. Aus den Angaben des Beschwerdeführers gehe hervor, daß er nach wie vor keiner Erwerbstätigkeit nachgehe und eine solche auch nicht aufzunehmen gedenke. Sein Unterhalt solle allein durch einen Dritten bestritten werden. Eine solche Finanzierung seines Aufenthaltes sei aber nicht glaubwürdig und auch nicht geeignet, die dauernde Sicherung des Lebensunterhaltes im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG zu gewährleisten. Im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen überwögen die öffentlichen Interessen die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
Die belangte Behörde legte unter Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift die Akten des Verwaltungsverfahrens mit dem Antrag vor, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (3. Juli 1995) hatte die belangte Behörde die Rechtslage nach Inkrafttreten der AufG-Novelle, BGBl. Nr. 351/1995 anzuwenden.
§ 5 AufG in der Fassung dieser Novelle lautet auszugsweise:
"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist.
(2) Zum Zweck der Aufnahme einer Beschäftigung gemäß § 2 Abs. 2 AuslBG darf eine Bewilligung nur erteilt werden, wenn die zuständige Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice auf Anfrage durch die gemäß § 6 zuständige Behörde mitgeteilt hat, daß im Hinblick auf die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes keine Bedenken gegen die Aufnahme der vom Antragsteller angestrebten Beschäftigung bestehen. Anträge auf Erteilung solcher Bewilligungen sind unverzüglich und ohne unnötigen Aufschub zu erledigen. Der Antragsteller hat mit dem Antrag die Art der angestrebten Beschäftigung anzugeben und die hiefür erforderliche entsprechende Qualifikation glaubhaft zu machen.
..."
§ 10 Abs. 1 AufG in der Fassung der genannten Novelle lautet:
"§ 10. (1) Fremde, die eine Bewilligung haben, sind zur Einreise und für deren Geltungsdauer zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Die Bewilligung ersetzt einen gemäß dem Fremdengesetz notwendigen Sichtvermerk und ist als österreichischer Sichtvermerk zu erteilen. In der Bewilligung ist deren Beginn und Ende sowie der Aufenthaltszweck festzusetzen. Die Form einschließlich des Kataloges der Aufenthaltszwecke wird durch Verordnung des Bundesministers für Inneres festgelegt."
Von der im § 10 Abs. 1 AufG enthaltenen Ermächtigung machte der Bundesminister für Inneres mit der am 16. Juni 1995 ausgegebenen Verordnung über die Aufenthaltszwecke und die Form der Aufenthaltsbewilligung, BGBl. Nr. 395/1995, Gebrauch, deren § 1 auszugsweise wie folgt lautet:
"§ 1. (1) Aufenthaltsbewilligungen können für folgende Aufenthaltszwecke erteilt werden:
...
8. privater Aufenthalt.
..."
Zutreffend führt der Beschwerdeführer aus, er habe sich in seinem Bewilligungsantrag (vgl. Seite 1 verso des Verwaltungsaktes) nicht nur auf den Aufenthaltszweck der Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit als Maurer, sondern auch - zulässigerweise (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 96/19/2134) - auf jenen des "privaten Aufenthaltes" gestützt.
Bei begründeten Bedenken gegen die Aufnahme der vom Beschwerdeführer angestrebten Beschäftigung wäre gemäß § 5 Abs. 2 AufG lediglich die Erteilung einer Bewilligung zum Zweck der Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit ausgeschlossen. Aus den im hg. Erkenntnis vom 22. März 1996, Zl. 96/18/0046, dargelegten Gründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird und die auch für die Rechtslage aufgrund der Novelle zum Aufenthaltsgesetz, BGBl. Nr. 351/1995, gelten (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, G 1409/95 und Folgezahlen), war die belangte Behörde allerdings nicht - wie sie rechtsirrtümlich annahm - an die diesbezügliche Feststellung des Arbeitsamtes gebunden.
Die Versagung aus dem Grunde des § 5 Abs. 1 AufG ist vorliegendenfalls von der oben dargelegten Rechtswidrigkeit in Ansehung des Versagungsgrundes nach § 5 Abs. 2 AufG mitumfaßt. Im Falle der Erteilung der beantragten Bewilligung zum Zwecke der Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit wäre der Beschwerdeführer nach dem zweiten Satz des § 5 Abs. 3 AufG zur Arbeitssuche unter Zuhilfenahme des Arbeitsmarktservice berechtigt. Er wäre dadurch in die Lage versetzt, seinen Lebensunterhalt aus den Einkünften einer unselbständigen Erwerbstätigkeit zu bestreiten (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 1996, Zl. 96/19/2032, sowie das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Juni 1996, B 3294/95-13). Er wäre dann nicht auf die Verpflichtungserklärung eines Dritten angewiesen.
Im übrigen wäre die Verpflichtungserklärung aus den im hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/19/0612, dargelegten Erwägungen grundsätzlich geeignet, den Unterhalt des Beschwerdeführers zu sichern.
Die Auffassung der belangten Behörde, es sei ihr aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nicht möglich, an sich arbeitsfähigen Personen eine Aufenthaltsbewilligung zum Zweck eines privaten Aufenthaltes zu erteilen, ist unzutreffend. Wie sich aus § 1 Abs. 1 Z. 8 der Verordnung über die Aufenthaltszwecke und die Form der Aufenthaltsbewilligung, BGBl. Nr. 395/1995, ergibt, können Aufenthaltsbewilligungen ohne die von der Behörde angenommene Einschränkung für einen privaten Aufenthalt erteilt werden. Sollte aus dem in der Bescheidbegründung enthaltenen Hinweis auf einen Ermessensspielraum der Schluß gezogen werden, die belangte Behörde habe im vorliegenden Fall eine Ermessensentscheidung treffen wollen, so hätte sie ihr Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes (im materiellen Sinn) ausgeübt. Sie hätte bei ihrer Entscheidung die Wertungsgesichtspunkte des Gesetzes (im materiellen Sinn) außer Acht gelassen, wonach die Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen zu privaten Zwecken nicht GRUNDSÄTZLICH ausgeschlossen ist.
Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des geltend gemachten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Art. III Abs. 2 dieser Verordnung kam nicht zur Anwendung, weil das gegenständliche Verfahren bei ihrem Inkrafttreten noch nicht anhängig war.
Schlagworte
ErmessenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996192163.X00Im RIS seit
07.06.2001