Entscheidungsdatum
25.05.2020Index
97 Öffentliches AuftragswesenNorm
BVergG 2018 §18 143 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch den Richter Dr. Hanel gemäß §§ 5 ff Steiermärkisches Vergaberechtsschutzgesetz – StVergRG 2018 idgF betreffend das Vergabenachprüfungsverfahren „Neubau“, auch „Um- und Zubau“ „Kinderkrippe B-C D“ durch die Gemeinde B-C, B-C, B, vertreten durch E, Rechtsanwälte in G, Hgasse, über den Antrag der A GmbH & Co KG, F, B, vertreten durch I & J Rechtsanwalts GmbH, Kgasse, G, vom 29.04.2020,
z u R e c h t e r k a n n t:
I. Dem Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung wird
s t a t t g e g e b e n
und die Zuschlagsentscheidung der Auftraggeberin vom 21.04.2020 für nichtig erklärt.
II. Die Auftraggeberin hat der Antragstellerin entrichtete Pauschalgebühren im Ausmaß von insgesamt € 810,00 binnen 14 Tagen bei sonstigen Zwangsfolgen zu ersetzen.
III. Durch diese Entscheidung tritt die einstweilige Verfügung des Landes-
verwaltungsgerichtes Steiermark vom 06.05.2020, GZ: LVwG 45.7-930/2020-4, außer Kraft.
IV. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz (im Folgenden VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Vorbringen der Parteien:
a) Mit Schriftsatz vom 29.04.2020, eingelangt beim Landesverwaltungsgericht Steiermark per E-Mail am selben Tag um 11.53 Uhr, brachte die A GmbH & Co KG, vertreten durch I & J Rechtsanwalts GmbH, Kgasse, G, einen Antrag auf Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens ein. Begehrt wurde, die der Antragstellerin am 21.04.2020 bekanntgegebene Zuschlagsentscheidung der Auftraggeberin zugunsten der L GmbH, etabliert in B-C, B, für nichtig zu erklären.
Des Weiteren begehrte die A GmbH & Co KG eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen sowie die Auftraggeberin dazu zu verpflichten, ihr die für den Nachprüfungsantrag entrichtete Pauschalgebühren binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu Handen des Antragstellervertreters zu ersetzen.
Begründend brachte die Antragstellerin im Wesentlichen vor, dass die Gemeinde B-C öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 4 Abs 4 Z 1 Bundesvergabegesetz 2018 sei und mit E-Mail der vergebenden Stelle, technisches Büro M N, Mstraße, W, aufgefordert worden sei, ein Angebot im Vergabeverfahren „Neubau“, auch „Um- und Zubau“ „Kinderkrippe B-C D“ zu legen, wobei ihr mit diesem E-Mail auch gleich sämtliche Ausschreibungsunterlagen übermittelt worden wären.
Den Ausschreibungsunterlagen sei nicht eindeutig zu entnehmen, welche Art von Vergabeverfahren im Sinne des BVergG gewählt wurde, da ja durchaus Verhandlungen geführt worden wären und eine „Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung“ gemäß § 131 Abs 1 BVergG ausgesendet worden sei. Da jedoch weder in Österreich, noch auf Unionsebene eine Bekanntmachung des zu vergebenden Auftrags erfolgt sei, könne man davon ausgehen, dass es sich um ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung handelte.
Die Angebotsfrist hätte am 16.03.2020, um 12.00 Uhr, geendet und habe die Antragstellerin fristgerecht ein ausschreibungsgemäßes Angebot eingereicht. Den Ausschreibungsunterlagen zur Folge sei jedoch nicht zu entnehmen, ob die Vergabe nach den Billigst- oder Bestbieterprinzip erfolgen soll.
Nunmehr habe die Auftraggeberin der Antragstellerin mit Schreiben vom 21.04.2020 mitgeteilt, dass der Zuschlag im Vergabeverfahren der L GmbH als „ermittelten Billigstbieter“ erteilt werden soll, wobei die Stillhaltefrist (insgesamt wohl falsch ausgerechnet) am 30.04.2020 endet und die Mitteilung der Zuschlagsentscheidung einen Gesamtpreis nicht enthalte.
Die ihrer Meinung nach vorliegende Rechtswidrigkeit der Zuschlagsentscheidung begründet die Antragstellerin im Nachprüfungsantrag wie folgt:
„3.1. Vorbemerkungen
Uns ist bewusst, dass die Ausschreibungsunterlagen bestandfest geworden sind, weil sie nicht binnen der gesetzlichen Anfechtungsfrist bekämpft worden sind und daher sowohl die Auftraggeberin als auch das Landesverwaltungsgericht an diese bestandfesten Bestimmungen der Ausschreibung gebunden sind.
Den Ausschreibungsunterlagen haften jedoch erhebliche Mängel an, die eigentlich allen Grundsätzen des Vergabeverfahrens widersprechen. Eine objektive, diskriminierungsfreie und transparente Ermittlung des erfolgreichen Bieters ist auf der Grundlage dieser Unterlagen praktisch unmöglich.
In den Ausschreibungsunterlagen ist – neben all den anderen offenkundigen Mängeln – nicht einmal festgelegt, nach welchem Zuschlagsprinzip, also nach Billigst- oder Bestbieterprinzip, die Auswahl des erfolgreichen Angebots erfolgen soll. Im Kurz-Leistungsverzeichnis ist unter Position 00 11 24 lediglich folgende Bestimmung festgelegt, die der Auftraggeberin für eine willkürliche Entscheidung Tür und Tor öffnet:
"Die Wahl des Angebots für den Zuschlag erfolgt nach folgenden Zuschlagskriterien:
Freie Auswahl
Der Auftraggeber behält sich in jedem Fall die freie Auswahl aus den vorliegenden Anboten vor."
In der Mitteilung der Zuschlagsentscheidung ist nunmehr von "ermittelten Billigstbieter" die Rede.
Die Auftraggeberin hätte in den Ausschreibungsunterlagen explizit anführen müssen, welches Zuschlagsprinzip gilt (VwGH 01.10.2008, 2004/04/0237, 0238). Da in den Ausschreibungsunterlagen jedoch gegenständlich das Zuschlagsprinzip nicht festgelegt wurde, ist die Ermittlung des erfolgreichen Angebots überhaupt nicht möglich.
Aus diesen Gründen ist die Auftraggeberin gemäß § 149 Abs 1 Z 2 BVergG zum Widerruf des Vergabeverfahrens verpflichtet.
Beweis: Kurz-Leistungsverzeichnis, Beilage /C;
der von der Auftraggeberin vorzulegende Vergabeakt.
Dies vorausgeschickt ist die Zuschlagsentscheidung konkret aus folgenden Gründen rechtswidrig:
3.2. Zuschlagsentscheidung entspricht nicht den Vorgaben des § 143 BVergG
Gemäß § 143 Abs 1 BVergG ist den im Verfahren verbliebenen Bietern in der Mitteilung der Zuschlagsentscheidung das Ende der Stillhaltefrist, die Gründe für die Ablehnung ihres Angebots, der Gesamtpreis, sowie die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebots bekannt zu geben.
Diesen gesetzlichen Anforderungen wird die an uns am 21.04.2020 gesendete Mitteilung über die Zuschlagsentscheidung nicht gerecht:
Unabhängig davon, nach welchem Zuschlagsprinzip das erfolgreiche Angebot ermittelt worden ist, hätte in der Zuschlagsentscheidung der Gesamtpreis des Angebots der präsumtiven Zuschlagsempfängerin angegeben werden müssen. Die Angabe des Gesamtpreises fehlt in der Zuschlagsentscheidung jedoch.
Erfolgt die Vergabe nach dem Billigstbieterprinzip, wie in der Zuschlagsentscheidung vom 21.04.2020 erstmals festgelegt, so ist die Angabe des Gesamtpreises von noch größerer Bedeutung.
Denn: Beim Billigstbieterprinzip ist einziges Zuschlagskriterium der Preis. Die Gründe für die Ablehnung eines Angebots, sowie die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebots können daher beim Billigstbieterprinzip über die Bekanntgabe des Gesamtpreises des erfolgreichen Angebots dargelegt werden.
Wir sind nun in der Situation, dass wir zwar einen Nachprüfungsantrag einbringen können, aber aufgrund dieser Rechtswidrigkeit nicht einmal beurteilen können, ob die angeführten Ablehnungsgründe ("…Ihr Angebot dahinter liegt…") überhaupt zutreffen. Wird der Gesamtpreis in der Zuschlagsentscheidung in einem Billigstbieterverfahren nicht genannt, so besteht letztlich keine Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit der Zuschlagsentscheidung zu prüfen und fundiert zu bekämpfen.
Die Auftraggeberin bzw. die vergebende Stelle hätte daher in der Zuschlagsentscheidung vom 21.04.2020 jedenfalls den Gesamtpreis des erfolgreichen Angebots angegeben müssen.
Die Zuschlagsentscheidung vom 21.04.2020 ist schon aus diesem Grund für nichtig zu erklären.
Nur der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass die Stillhaltefrist, die aufgrund der Versendung der Zuschlagsentscheidung per Email 10 Tage zu betragen hat, nicht wie in der Zu-schlagsentscheidung angeführt am 30.04.2020 endet, sondern vielmehr erst mit Ablauf des 04.05.2020, da das eigentliche Fristende auf den Freitag, 01.05.2020 und somit einen gesetzlichen Feiertag fällt.
Bezeichnend ist letztlich auch, dass in der Zuschlagsentscheidung noch auf "§ 131 Abs 1 BVergG idgF" und somit auf die veraltete Regelung zur Mitteilung der Zuschlagsentscheidung im BVergG 2006 verwiesen wird.
Beweis: Zuschlagsentscheidung vom 21.04.2020, Beilage /A;
der von der Auftraggeberin vorzulegende Vergabeakt.
3.3. Keine Möglichkeit zur Abgabe eines Letztangebots
Wir haben innerhalb der im Email vom 28.02.2020, mit dem wir zur Abgabe eines Angebots aufgefordert wurden, genannten Angebotsfrist, ein Erstangebot abgegeben. Daraufhin hat am 07.04.2020 mittels Webkonferenz zwischen der vergebenden Stelle und uns ein Gespräch stattgefunden. Auch wenn dieses Gespräch im Protokoll als "Aufklärungsgespräch" bezeichnet ist, war es tatsächlich ein Verhandlungsgespräch. Am Ende des Gesprächs wurden Preisverhandlungen geführt, im Zuge dessen wir einen Sondernachlass von 3,0 % in den Raum gestellt haben und eine "eventuelle neue Auftragssumme" in Höhe von EUR 155.866,01 festgehalten wurde.
Obwohl schon allein aus der Wendung "eventuelle neue Auftragssumme" klar war, dass hier noch ein Letztangebot folgen sollte, wurde uns jedoch dann gleich die Zuschlagsentscheidung mitgeteilt, ohne uns zuvor die Möglichkeit zu geben, ein weiteres Angebot bzw. ein Letztangebot zu legen.
Diese gewählte Vorgehensweise war aus folgenden Gründen rechtswidrig:
Wie bereits erwähnt kann den Ausschreibungsunterlagen die Art des gegenständlichen Vergabeverfahrens nicht dezidiert entnommen werden. Bei dem gegenständlichen Verfahren muss es sich jedoch um ein Verhandlungsverfahren handeln:
Einerseits lautet Pos 00 15 03 der Ausschreibung "Für den fall [sic] einer Pauschalauftragsvergabe wird in persönlichen und protokollierten Vergabeverhandlungen zwischen AN und AG…".
Andererseits kann nur im Zuge eines Verhandlungsverfahrens nach Ende der Angebotsfrist über den Auftragsinhalt und vor über allem den Preis verhandelt werden. Bei jeglicher anderen für diesen Auftragswert zulässigen Verfahrensart kann der Bieter nach Ende der Angebotsfrist den Angebotspreis nicht mehr ändern, und schon gar nicht Nachlässe gewähren. Vielmehr ist er an sein Angebot für die Dauer der Zuschlagsfrist gebunden.
Das gilt jedoch nicht für das Verhandlungsverfahren. Im Verhandlungsverfahren kommt den Bietern die Möglichkeit zu ein Erstangebot und nach Führen von Verhandlungen ein oder sogar mehrere weitere Angebote zu legen.
So normiert § 114 Abs 2 und Abs 8 BVergG ausdrücklich:
"Jeder Unternehmer, der vom öffentlichen Auftraggeber zur Angebotsabgabe aufgefordert wurde, kann ein Erstangebot abgeben, das die Grundlage für die späteren Verhandlungen darstellt. Der öffentliche Auftraggeber hat mit dem betreffenden Bieter über das von ihm abgegebene Er-stangebot und alle Folgeangebote, mit Ausnahme des endgültigen Angebotes gemäß Abs. 8, zu verhandeln. (…)"
und weiter:
"Der öffentliche Auftraggeber hat den verbliebenen Bietern den beabsichtigten Abschluss der Verhandlungen bekannt zu geben und eine einheitliche Frist für die Abgabe eines endgültigen Angebotes festzulegen. Von den endgültigen Angeboten, die den Mindestanforderungen entsprechen und nicht auszuscheiden sind, hat der öffentliche Auftraggeber das erfolgreiche Angebot gemäß den Zuschlagskriterien auszuwählen."
(Hervorhebungen durch den Verfasser)
Das heißt: Im Verhandlungsverfahren muss über die gelegten Erstangebote mit den Bietern verhandelt werden; den Auftraggeber trifft eine Verhandlungspflicht. Nach diesen Verhandlungen ist den Bietern die Möglichkeit zur Legung eines weiteren Angebots oder Letztangebots zu geben. Entscheidend ist, dass der Bieter auch informiert werden muss, wenn es sich um das endgültige – letzte - Angebot handelt.
Diese Verpflichtungen bestehen nur dann nicht, wenn sich der Auftraggeber gemäß § 114 Abs 3 BVergG in der Bekanntmachung oder in der Aufforderung zur Interessensbestätigung die Möglichkeit, den Auftrag auf der Grundlage des Erstangebotes zu vergeben, ausdrücklich vorbehalten hat. Da der gegenständliche Auftrag jedoch nicht einmal bekannt gemacht worden ist, konnte sich die Auftraggeberin diese Möglichkeit der Vergabe des Auftrags auf der Grundlage des Erstangebots auch nicht rechtens vorbehalten.
Zusammenfassend ist daher festzuhalten: Im gegenständlichen Fall hätte uns die Auftraggeberin bzw. die vergebende Stelle nach dem am 07.04.2020 stattgefundenen Gespräch, in dem Preisverhandlungen geführt wurden, die Möglichkeit geben müssen, ein weiteres Angebot oder – und zwar ausdrücklich so bezeichnet - ein endgültiges ("Letzt-") Angebot zu legen. Diese Möglichkeit wurde uns allerdings rechtswidrigerweise nicht eingeräumt.
Auch aus diesen Gründen wird die Zuschlagsentscheidung für nichtig zu erklären sein.“
b) Mit Note vom 11.05.2020 replizierte die Auftraggeberin zum Nachprüfungsantrag der A GmbH & Co KG. Vorweg bestritt die Auftraggeberin in ihrer Replik die Legitimation der Antragstellerin zur Stellung des gegenständlichen Nachprüfungsantrages. Es handle sich bei der Antragslegitimation um eine wesentliche Voraussetzung, um einen Nachprüfungsantrag erheben zu können und sei bei deren Fehlen der Antrag zurückzuweisen. Eine besondere Fallgruppe der fehlenden Antragslegitimation stellten die „auszuscheidenden Bieter“ dar und zitiert die Auftraggeberin in weiterer Folge mannigfaltige Rechtsprechung des EuGH, des VwGH sowie diverser Vergabe-Kontrolleinrichtungen, datierend aus den Jahren 2001 bis 2015.
Es sei zusammengefasst unionsrechtlich zulässig, einen Antrag auf Nachprüfung zurückzuweisen, wenn das Angebot des antragstellenden Bieters auszuscheiden wäre, wobei ihm allerdings, bevor sein Antrag zurückgewiesen wird, Gelegenheit gegeben werden müsse, zu den Mängeln seines Angebots Stellung zu nehmen. Des Weiteren führt die Auftraggeberin aus, ein Bieter könne sich nicht mehr auf die Rechtswidrigkeit der Ausschreibungsunterlagen berufen, wenn diese bestandfest geworden wären. Stimme sein Angebot mit den Ausschreibungsbedingungen nicht überein, wäre es demnach vom Auftraggeber auszuscheiden gewesen und fehlte ihm die Legitimation, ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten. Dies gelte selbst dann, wenn das Vergabeverfahren zwingend zu widerrufen gewesen wäre.
Schließlich kommt die Auftraggeberin zum Schluss, das Landesverwaltungsgericht sei amtswegig – jedenfalls aber auf Einwand des Auftraggebers – verpflichtet, das Angebot des Bieters, der das Nachprüfungsverfahren eingeleitet hat, auf Ausscheidungstatbestande hin zu überprüfen.
In weiterer Folge referiert die Auftraggeberin in ihrer Replik über mangelhafte Angebote und kommt zum Schluss, dass das Angebot der Antragstellerin vielfach der bestandfesten Ausschreibung widerspreche und sohin entsprechend den vorigen Ausführungen das Angebot auszuscheiden gewesen wäre.
Nach weiteren Ausführungen über die Präklusion und Bestandkraft der nicht angefochtenen Ausschreibung, hält die Auftraggeberin fest, dass im konkreten Vergabeverfahren mehrmals klargestellt worden wäre, dass der Zuschlag nach dem Billigstbieterprinzip erteilt werde.
Zum Vorbringen der Antragstellerin, die Zuschlagsentscheidung der Auftraggeberin vom 21.04.2020 werde den Anforderungen des § 143 Abs 1 BVergG 2018 nicht gerecht, bringt die Auftraggeberin vor, entsprechend dieser Bestimmung müssten die Gründe der Ablehnung des Angebots eines Bieters sowie die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes nicht bekanntgegeben werden, wenn dem ein öffentliches Interesse oder berechtigte Geschäftsinteressen eines Unternehmers entgegenstünden.
Diesbezüglich moniert die Auftraggeberin, dass die erst- bis drittgereihten Bieter des gegenständlichen Vergabeverfahrens allesamt in der lokalen Region der Auftraggeberin ansässig wären und hätte sich deshalb die Auftraggeberin dazu entschieden, den Gesamtpreis der präsumtiven Billigstbieterin L GmbH nicht bekanntzugeben, um den anderen Bietern für künftige Vergabeverfahren innerhalb der Region keinen Wettbewerbsvorsprung zu verschaffen. Vielmehr solle durch das Zurückhalten des gebotenen und billigsten Preises auch in Hinkunft der Wettbewerb unter den lokal ansässigen Unternehmen gewahrt bleiben, um in allfällig nachfolgenden Vergabeverfahren der Auftraggeberin die Gleichbehandlung aller Bieter zu gewährleisten. Hätte die Auftraggeberin den Gesamtpreis der Billigstbieterin bekanntgegeben, hätten die übrigen Bieter insoweit einen Vorteil, als die ansässigen Bieter durch Kenntnis der Differenz ihres eigenen Angebotes zu jenem der L GmbH für künftige Vergabeverfahren abschätzen könnten, um wie viel sie ihr eigenes Angebot reduzieren müssten, um den Zuschlag zu bekommen. Dies sei vor allem im Hinblick darauf beachtenswert, als die L GmbH und die Antragstellerin im gleichen Segment tätig sind und regelmäßig an denselben Vergabeverfahren teilnehmen.
Schließlich beantragte die Auftraggeberin, den Nachprüfungsantrag der A GmbH & Co KG ab- bzw. zurückzuweisen.
II. Sachverhalt:
Das Landesverwaltungsgericht Steiermark geht aufgrund des vorgelegten Vergabeaktes und des Parteienvorbringens sowie der vorgelegten Urkunden von nachstehendem, entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:
Die Gemeinde B-C führt das Vergabeverfahren „Neubau“, auch „Um- und Zubau“ „Kinderkrippe B-C D“ im Unterschwellenbereich durch. Als Verfahrensart wurde laut dem vorgelegten Vergabeakt das nicht offene Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung seitens des Auftraggebers festgelegt.
Die Funktion der vergebenden Stelle erfolgte durch das Büro M N, etabliert in W, Mstraße.
Die Wahl des Angebotes für den Zuschlag erfolgt entsprechend Punkt 00 11 24 F der Ausschreibung nach folgenden Zuschlagskriterien:
„Freie Auswahl
Der Auftraggeber behält sich in jedem Fall die freie Auswahl aus den vorliegenden Anboten vor.“
Die Verwendung des Billigstbieterprinzips behauptet die Auftraggeberin in ihrem Schriftsatz vom 11.05.2020, wo sie darauf hinweist, im Vergabeverfahren sei mehrmals klargestellt worden, dass der Zuschlag nach dem Billigstbieterprinzip erteilt werde.
Ausschreibungsgegenstand ist der Um- und Zubau der Kinderkrippe und des Kindergartens der Gemeinde B-C – D.
Am 28.02.2020 wurden offensichtlich insgesamt sechs geeignete Unternehmen zur Abgabe von Angeboten aufgefordert, die sämtlich Angebote legten.
Am 18.03.2020 verfasste das mit der Durchführung des Vergabeverfahrens beauftragte technische Büro M N, Ing. M N, einen Angebotsprüfbericht samt Reihung der Angebote nach dem Billigstbieterprinzip sowie einen Vergabevorschlag.
In weiterer Folge führte offensichtlich das beauftragte Büro M N mit den drei erstgereihten Bietern „Vergabegespräche“ und erstellte einen neuen Preisspiegel auf Basis der geführten „Vergabegespräche“.
Aufgrund dieses neuen Preisspiegels erließ sodann das Büro M N, nach Rücksprache mit der Auftraggeberin, im Namen der Gemeinde, die hier von der Antragstellerin angefochtene Zuschlagsentscheidung zugunsten der Firma L GmbH in B-C. Die Zuschlagsentscheidung vom 21.04.2020 lautet wie folgt:
„Neubau Kinderkrippe B-C
Installationstechnik
Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung gemäß § 131 Abs. 1 BVergG idgF
Sehr geehrte Damen und Herren,
zum oben angeführten Vergabeverfahren teilen wir im Sinne des BVergG 2018 idgF folgendes mit:
1. Ermittelter Billigstbieter:
Die Firma L GmbH, B, B-C wurde mit ihrem Angebot als Billigstbieter ermittelt und daher soll diesem Bieter der Zuschlag erteilt werden.
2. Ende der Stillhaltefrist:
Die Stillhaltefrist endet am 30.04.2020
3. Ablehnungsgründe:
Als Grund für die Ablehnung Ihres oben erwähnten Angebotes darf mitgeteilt werden, dass auf Grund der erfolgten Preisbewertung Ihr Angebot dahinter liegt und daher für eine Zuschlagserteilung nicht in Frage kommt.“
III. Beweiswürdigung:
Die getroffenen Feststellungen gründen sich auf die vorliegenden schriftlichen Unterlagen des Verfahrens sowie dem Vorbringen der Parteien.
Bei der Beweiswürdigung haben sich gegen die Echtheit und Richtigkeit der vorliegenden Unterlagen des Vergabeverfahrens keine Bedenken ergeben.
IV. Rechtliche Beurteilung:
a) Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark und Zulässigkeit der Anträge:
Das gegenständliche Nachprüfungsverfahren unterliegt den materiellen Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 2018 sowie hinsichtlich des Nachprüfungsverfahrens dem Steiermärkischen Vergaberechtsschutzgesetz 2018.
Die Gemeinde B-C ist öffentliche Auftraggeberin gemäß Art. 14b Abs 2 Z 2 B-VG. Das gegenständliche Vergabeverfahren fällt somit in den Vollzugsbereich des Landes und unterliegt gemäß § 2 StVergRG der Nachprüfung. Da es sich offensichtlich um ein Verfahren im Unterschwellenbereich handelt, entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch einen Einzelrichter.
Die Antragstellerin bekämpft die mittels E-Mail vom 21.04.2020 bekanntgegebene Zuschlagsentscheidung zugunsten der L GmbH.
Die gegenständliche angefochtene Zuschlagsentscheidung wurde am 21.04.2020 der Antragstellerin bekanntgegeben, der am 29.04.2020 eingebrachte Nachprüfungsantrag ist daher gemäß § 6 StVergRG fristgerecht eingebracht worden.
Im Vergabeverfahren wurde weder der Zuschlag erteilt, noch das Vergabeverfahren widerrufen. Der Nachprüfungsantrag wurde ordnungsgemäß vergebührt und entsprechend den formalen Kriterien des § 7 StVergRG.
Die Antragstellerin begehrt die Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung.
b) Zum Beschwerdevorbringen im Einzelnen:
1. Fehlende/unzureichende Begründung der Zuschlagsentscheidung:
Die Antragstellerin moniert, wie bereits oben ausgeführt, einen Verstoß gegen die Inhaltsanforderungen des § 143 BVergG. Insbesondere rügt die Antragstellerin, dass in der Zuschlagsentscheidung vom 21.04.2020, unabhängig davon, nach welchem Zuschlagsprinzip das erfolgreiche Angebot ermittelt worden ist, in der Zuschlagsentscheidung der Gesamtpreis des Angebots der präsumtiven Zuschlagsempfängerin angegeben werden hätte müssen. Die Angabe des Gesamtpreises fehlte in der Zuschlagsentscheidung jedoch. Gerade hier, wo die Vergabe nach dem Billigstbieterprinzip erfolgt sei, sei die Angabe des Gesamtpreises von noch größerer Bedeutung, denn beim Billigstbieterprinzip ist einziges Zuschlagskriterium der Preis und könnten die Gründe für die Ablehnung eines Angebotes sowie die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes über die Bekanntgabe des Gesamtpreises des erfolgreichen Angebotes dargelegt werden. Die Antragstellerin sei nun in der Situation, dass sie zwar einen Nachprüfungsantrag einbringen könne, aber aufgrund dieser Rechtswidrigkeit nicht einmal beurteilen könne, ob die angeführten Ablehnungsgründe überhaupt zutreffen. Wird der Gesamtpreis in der Zuschlagsentscheidung in einem Billigstbieterverfahren nicht genannt, so bestünde letztlich keine Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit der Zuschlagsentscheidung zu prüfen und fundiert zu bekämpfen.
Dagegen führt die Auftraggeberin ins Treffen, dass es zwar richtig sei, dass sie den Gesamtpreis nicht bekanntgegeben habe, aber es stünde ein öffentliches Interesse oder berechtigte Geschäftsinteressen eines Unternehmers dem entgegen. Die Auftraggeberin habe sich entschieden, den Gesamtpreis der Billigstbieterin L GmbH nicht bekanntzugeben, um den anderen Bietern für künftige Vergabeverfahren innerhalb der Region keinen Wettbewerbsvorsprung zu verschaffen.
Gemäß § 143 Abs 1 BVergG 2018 hat der öffentliche Auftraggeber den im Vergabeverfahren verbliebenen Bietern mitzuteilen, welchem Bieter der Zuschlag erteilt werden soll. In dieser Mitteilung sind den verbliebenen Bietern das jeweilige Ende der Stillhaltefrist, die Gründe für die Ablehnung ihres Angebotes, der Gesamtpreis sowie die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes bekanntzugeben, sofern nicht die Bekanntgabe dieser Informationen öffentlichen Interessen oder den berechtigten Geschäftsinteressen eines Unternehmers widersprechen oder dem freien und lauteren Wettbewerb schaden würde.
Das Bundesvergabegesetz sowie das Unionsrecht unterscheidet zwischen Zuschlagsentscheidung und Zuschlagserteilung, was Folge des vergaberechtlichen Rechtsschutzes ist, der bis zur Zuschlagserteilung die Nichtigerklärung aller anfechtbaren Entscheidungen und nach Zuschlagserteilung im Wesentlichen nur noch die Feststellung einer Vergaberechtswidrigkeit und daran anschließend Schadenersatz vorsieht. In einem Vergabeverfahren ist gerade die Zuschlagsentscheidung die wesentlichste Entscheidung und damit diese auch für nichtig erklärt werden kann, hat der Auftraggeber bei sonstiger Nichtigkeit des Auftrags vorab die Zuschlagsentscheidung den Bietern mitzuteilen. Diese Verpflichtung gilt auch im Unterschwellenbereich, mit Ausnahme der Direktvergabe und der Direktvergabe mit Bekanntmachung, sohin auch für die übrigen nur im Unterschwellenbereich zugelassenen Verfahren „nicht offenes Verfahren ohne Bekanntmachung“ und „Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung“.
Die ständige Judikatur zur Mitteilung der Zuschlagsentscheidung statuiert die gesetzlich vorgegebene Qualität. Der Bieter muss jedenfalls die Gründe der Rechtmäßigkeit der Entscheidung erkennen. Wenn es nun an der gesetzlich vorgegebenen Begründung und/oder der Bekanntgabe des Gesamtpreises fehlt, macht dies die Zuschlagsentscheidung selbst rechtswidrig, ohne dass sich das Verwaltungsgericht im Detail mit den weiteren, gegen die Zuschlagsentscheidung vorgebrachten Gründen auseinandersetzen müsste.
Auch das Unionsrecht fordert im Sinne des effektiven Rechtsschutzes und des Äquivalenzgebotes, die Zuschlagsentscheidung zu begründen, um den Bietern alle Gründe bekanntzugeben, die sie in die Lage versetzen, wirksam dagegen vorzugehen, denn erst mit der Kenntnis aller für einen Nachprüfungsantrag erforderlichen Gründe beginnt die Anfechtungsfrist. Im Sinne der gebotenen Nachvollziehbarkeit der Zuschlagsentscheidung ist die Mitteilungspflicht für die Bieter im Zweifel weit zu verstehen und reicht es definitiv nicht aus, wenn lediglich Punkte oder der sich aus den Ausschreibungsunterlagen ohnehin ergebende Bewertungsmodus bekanntgegeben wird. Darüber hinaus ist – soweit ein solcher feststellbar ist – jedenfalls der Gesamtpreis mitzuteilen.
Die hier in Rede stehende Zuschlagsentscheidung der Auftraggeberin beschränkt sich darauf, den verbliebenen Bietern die Billigstbieterin bekanntzugeben und mitzuteilen, „dass aufgrund der erfolgten Preisbewertung ihr Angebot dahinter liegt“. Wie bereits oben erwähnt, besteht die Mitteilungsverpflichtung nicht bzw. ist eingeschränkt, wenn dadurch öffentliche Interessen berührt werden oder den berechtigten Geschäftsinteressen eines Unternehmers widersprechen oder dem freien und lauteren Wettbewerb geschadet werden könnte. Diese Einschränkung ist in Zusammenhang mit der allgemeinen unionsrechtlichen Pflicht zu verstehen, den Bietern alle Gründe bekanntzugeben, die sie in die Lage versetzen, wirksam dagegen vorzugehen. Diese Gründe müssen im Einzelfall über das allgemeine Interesse an einer vertraulichen Behandlung der Angebotsergebnisse gemäß § 27 BVergG hinausgehen und fordert der Gesetzgeber gemäß Abs 1 im Allgemeinen trotz dieses Vertraulichkeitsgebotes die Bekanntgabe der Gründe, die für eine Zuschlagsentscheidung sprechen. Würde das allgemeine Vertraulichkeitsinteresse die Nichtbekanntgabe der Gründe für die Zuschlagsentscheidung rechtfertigen, wäre Abs 1 sinnentleert.
Jedenfalls hat der Auftraggeber zwischen diesen unterschiedlichen Interessen abzuwägen und das Vorliegen dieser Ausnahme zu den Begründungs- und Mitteilungspflichten zu beweisen, wobei diese Ausnahme eng auszulegen ist. Die Mitteilung über die Zuschlagsentscheidung ist auch durch das Gleichbehandlungsgebot Grundlage für einen effektiven Rechtsschutz, welcher selbst im öffentlichen Interesse gelegen ist und einem freien und lauteren Wettbewerb dient.
Diesbezüglich bringt die Auftraggeberin vor, sie habe sich deshalb entschieden den Gesamtpreis der Billigstbieterin nicht bekanntzugeben, um den anderen Bietern für künftige Vergabeverfahren innerhalb der Region keinen Wettbewerbsvorsprung zu verschaffen.
Mit diesem Vorbringen ist es der Auftraggeberin nicht einmal in Ansätzen gelungen, eine Ausnahme zur Begründungs- und Mitteilungspflicht zu beweisen:
Es liegt in der Natur der Sache, dass sich lokale Unternehmen, die dieselben Dienstleistungen bzw. Bauleistungen anbieten, regelmäßig bei öffentlichen Ausschreibungen begegnen und sich dem Wettbewerb untereinander stellen müssen. Durch die Bekanntgabe eines Gesamtpreises (ohne Detailkalkulationen) erscheint es denkunmöglich, dass sich ein Bieter gegenüber einem anderen für zukünftige Vergabeverfahren – wo auch immer und für welche Ausschreibungen auch immer – einen Wettbewerbsvorsprung verschafft.
Das Vorbringen der Auftraggeberin durch das Zurückhalten des gebotenen und billigsten Preises solle der Wettbewerb unter den lokal ansässigen Unternehmen auch in Hinkunft gewahrt bleiben und damit in nachfolgenden Vergabeverfahren der Auftraggeberin die Gleichbehandlung aller Bieter zu ermöglichen, erscheint nachgerade absurd, abgesehen davon, dass es nicht Aufgabe der Gemeinde B-C sein kann, als Hüterin des fairen Wettbewerbs lokal ansässiger Unternehmen aufzutreten.
Darüber hinaus folgt das erkennende Gericht der Argumentation der Antragstellerin, gerade in einem Verfahren, wo das Billigstbieterprinzip gewählt wurde, der ermittelte Gesamtpreis mehr oder weniger das einzige Kriterium hinsichtlich der Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes ist. Ebenso richtig ist, dass ohne die Kenntnis des erfolgreichen Gesamtpreises in der Zuschlagsentscheidung in einem Billigstbieterverfahren, den verbliebenen Bietern nicht möglich ist, eine Rechtmäßigkeit der Zuschlagsentscheidung zu prüfen und fundiert zu bekämpfen.
Es liegen daher zusammenfassend nach Ansicht des erkennenden Gerichtes, keinesfalls öffentliche Interessen oder berechtigte Geschäftsinteressen eines Unternehmers vor, die die Auftraggeberin berechtigt hätte, eine derart rudimentäre Zuschlagsentscheidung, die nicht im Geringsten den vergaberechtlichen Vorgaben entspricht, den verbliebenen Bietern mitzuteilen.
2. Zur von der Auftraggeberin behaupteten mangelnden Antragslegitimation:
Die Auftraggeberin zitierte in ihrer Replik vom 11.05.2020 ausführlich – vor allem ältere – Judikatur zur Antragslegitimation von auszuscheidenden Bietern. Vorweg behauptet die Auftraggeberin, das Angebot der Antragstellerin A GmbH & Co KG sei entgegen der bestandfest gewordenen Ausschreibung erstellt und damit mangle es ihr, einen Nachprüfungsantrag, der sich gegen die Zuschlagsentscheidung richtet, zu stellen.
Aus dem kürzlich ergangenen Urteil des EuGH vom 05.09.2019, C-333/18, „Lombardi“ ergibt sich, dass der EuGH in diesem Verfahren eine Antragslegitimation von Bietern in einem Vergabeverfahren, die möglicherweise ein auszuscheidendes Angebot gelegt haben, zuerkennt.
Wie Reisner in RPA 2020, 48, ausführlich darlegt, trifft das vorliegende Urteil des EuGH „Lombardi“ für Nachprüfungswerber erfreuliche Aussagen, denn, wie bereits spätestens im Urteil PFE angedeutet, führt der EuGH nun ausdrücklich aus, dass einem Nachprüfungswerber in jedem Fall Antragslegitimation zur Geltendmachung des Ausscheidens vor ihm gereihter Bieter zukommt, auch wenn sein eigenes Angebot möglicherweise auszuscheiden ist.
„Der EuGH wischt damit alle Versuche, an der auf das Urteil Hackermüller 2 gestützte und eine Willkür des Auftraggebers ermöglichenden Haltung festzuhalten, einem Bieter, der ein auszuscheidendes Angebot gelegt hat, jedes rechtlich geschützte Interesse abzusprechen. Diese Haltung blieb für längere Zeit tonangebend.
Das vorliegende Urteil stützt sich auf eine Kette von Urteilen des EuGH, beginnend mit dem Urteil Fastweb, in dem das rechtlich geschützte Interesse am Ausscheiden anderer auszuscheidender Angebote erstmals aus der RL 89/665/EWG abgeleitet wurde, der Erweiterung auf Verfahren mit mehreren Bietern im Urteil PFE und der Betonung, dass das Interesse am Erhalt des Auftrags auch im Erzwingen einer Neuausschreibung liegen kann, im Urteil Archus und Gama 3. Eine Abgrenzung schuf der EuGH in dem Urteil Bietergemeinschaft Technische Gebäudebetreuung und Caverion Österreich 4, in dem er festhielt, dass einem bestandsfest ausgeschiedenen und damit nicht im Vergabeverfahren verbliebenen Bieter keine Antragslegitimation mehr zukommt.5
Dennoch hielten Gericht an der Ansicht fest, dass sichergestellt werden müsse, dass der Auftraggeber jedenfalls zu einer Neuausschreibung gezwungen werden muss, sodass feststehen muss, dass alle anderen Angebote einschließlich jene der Bieter, die nicht am Nachprüfungsverfahren beteiligt sind, ausgeschieden werden müssen.6 Dass diese Anforderung an der Realität von Vergabeverfahren vorbeigeht, in denen nicht notwendigerweise alle Angebote im Detail geprüft werden, spielte bei diesen Überlegungen keine Rolle.
Nun traf der EuGH die Klarstellung, dass es keine Rolle spielt, wie viele Bieter sonst am Vergabeverfahren und am Nachprüfungsverfahren beteiligt. Wie schon im Urteil PFE betont er, dass die Möglichkeit genügt, dass der Auftraggeber zum Widerruf gezwungen sein kann.7 Schließlich geht es bei der zu lösenden Frage nicht um die inhaltliche Entscheidung des Nachprüfungsverfahrens, sondern um den Zugang zur Nachprüfung. Der EuGH stellt somit „nur" klar, dass es keine „Totschlagargumente" geben kann, die den Zugang zur Nachprüfung von vorneherein verhindern. Vielmehr ist das Vorbringen der einzelnen Verfahrensparteien im Nachprüfungsverfahren inhaltlich zu prüfen.8 Der EuGH hat damit klargestellt, dass die Betrachtung der Antragslegitimation ausschließlich auf Bieter abzustellen ist, die im Nachprüfungsverfahren im Ring stehen und miteinander streiten. Alle übrigen können außer Betracht bleiben.“
Daraus ergibt sich zusammenfassend, dass in dem hier durchgeführten Vergabeverfahren die Antragstellerin A GmbH & Co KG antragslegitimiert war, einen Nachprüfungsantrag, gerichtet auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung, zu stellen, unbeschadet der Möglichkeit, ein Angebot gelegt zu haben, das auszuscheiden gewesen wäre. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass es der Auftraggeberin nach wie vor freisteht, das Angebot der Auftraggeberin, bei Vorliegen von Ausscheidensgründen, auszuscheiden (vgl. auch Beatrix Lehner, RPA 2016, 225).
Zu Spruchpunkt II. – Gebührenersatz:
Gemäß § 29 StVergRG haben vor den Landesverwaltungsgerichten, wenn auch nur teilweise, obsiegende Antragstellerinnen/Antragsteller Anspruch auf Ersatz ihrer gemäß § 28 StVergRG entrichteten Gebühren durch die Auftraggeberin/den Auftraggeber. Die Antragstellerin/der Antragsteller hat ferner Anspruch auf Ersatz der entrichteten Gebühren, wenn sie/er während des anhängigen Verfahrens klaglos gestellt wird. Gemäß Abs 2 leg cit besteht ein Anspruch auf Ersatz der Gebühren für den Antrag auf einstweilige Verfügung nur dann, wenn dem Nachprüfungsantrag (Hauptantrag) stattgegeben wird und dem Antrag auf einstweilige Verfügung stattgegeben wurde oder der Antrag nur wegen einer Interessensabwägung abgewiesen wurde.
Da die Antragstellerin mit ihrem Nachprüfungsantrag durchgedrungen ist, hat die Auftraggeberin ihr gemäß § 29 StVergRG die ordnungsgemäß entrichteten Pauschalgebühren in der Höhe von € 810,00 zu ersetzen.
Zu Spruchpunkt IV.:
V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
effektiver Rechtsschutz, Billigstbieterprinzip, Zuschlagskriterium, Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Zuschlagsentscheidung, potentieller Wettbewerbsvorsprung, Natur des Wettbewerbs, Zurückhaltung des Gesamtpreises, Antragslegitimation, Nachprüfungsverfahren, EuGH, LombardiEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGST:2020:LVwG.44.7.929.2020Zuletzt aktualisiert am
28.09.2021