TE Lvwg Beschluss 2021/3/19 LVwG 43.19-3107/2020

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Veröffentlicht am 19.03.2021
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Entscheidungsdatum

19.03.2021

Index

50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §359b
GewO 1994 §74

Text

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch die Richterin Mag. Schermann über die Beschwerden des 1. Herrn C D und 2. Frau E F, beide vertreten durch Mag. H I, Rechtsanwalt, Vstraße, J, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 17.11.2020, GZ: A17-EEV-067727/2020/0021, den

B E S C H L U S S

gefasst:

I. Gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (im Folgenden VwGVG) und gemäß § 359b Abs 1 Gewerbeordnung 1994 (im Folgenden GewO) wird die Beschwerde

z u r ü c k g e w i e s e n .

II.  Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz (im Folgenden VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Sachverhalt

1. Mit Eingabe vom 15.08.2020 stellte Herr A B den Antrag auf gewerbebehördliche Genehmigung eines KFZ-Service-Betriebes in einem „Nebengebäude – Hobbyraum“ und sechs Parkplätzen für Autos in der Tstraße, G. Dem Ansuchen angeschlossen war ua. ein Lageplan sowie Plan- Schnitt bzw. Grundriß- des Gebäudes, und ein Abnahmegutachten für die KFZ-Hebebühne. Die Bruttogeschoßfläche wurde zahlenmäßig und die zum Einsatz gelangenden Maschinen und Geräte beispielhaft – Diagnostikgerät, Multimeter, Werkzeugkoffer, Schlagschrauber mit 18V, Akkuschrauber / nur Geräte ohne Luftkompressoren – angegeben.

2. Die belangte Behörde hat am 27.08.2020 das Projekt „Errichtung und Betrieb eines KFZ-Service-Betriebes mit Werkstatt und Parkflächen am Standort G, K, Tstraße“, gemäß § 359b Abs 1 Z 2 der Gewerbeordnung, bekannt gemacht. In dieser Bekanntmachung wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Nachbarn (§ 75 Abs 2 GewO 1994 idgF) eine auf die Frage, ob die Voraussetzungen des vereinfachten Verfahrens vorliegen, beschränkte Parteistellung haben sowie Weiters, dass die Parteistellung endet, wenn die Nachbarn innerhalb der gesetzten Frist von zwei Wochen keine diesbezüglichen Einwendungen erheben.

3. Die nunmehrigen Beschwerdeführer haben durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter innerhalb der gesetzten Frist, mit Eingabe vom 07.09.2020 Einwendungen gegen das Betriebsanlagenverfahren gemäß § 359b Abs 1 Z 2 GewO erhoben. Zur „Unzulässigkeit der Genehmigung im vereinfachten Verfahren“ führten die nunmehrigen Beschwerdeführer aus, dass die belangte Behörde nicht auf den zweiten Halbsatz des Tatbestandes des § 359b Abs 1 Z 2 GewO eingehe. Demnach sei eine Genehmigung im vereinfachten Verfahren nur zulässig, wenn aufgrund der geplanten Ausführungen der Anlage zu erwarten sei, dass Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs 2 oder Belastungen der Umwelt vermieden werden. Bei abstrakter Sichtweise und auch aufgrund der vorgelegten Projektunterlagen sei nicht auszuschließen, dass es durch die geplante Anlage zur Belästigung und Beeinträchtigung oder nachteiligen Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs 2 GewO kommen werde. Zu befürchten seien insbesondere Gefährdungen und Belästigungen durch Lärm und Geruchsimmissionen auf der Liegenschaft der Erst- und Zweiteinschreiter. Die zu erwartenden Immissionen und Auswirkungen der Betriebsanlage könnten nicht beurteilt werden; aus der Betriebsbeschreibung lasse sich nicht beurteilen, wo und wann, welche Tätigkeiten verrichtet und durchgeführt würden. Auch sei dem Antrag ein Abfallwirtschaftskonzept nicht angeschlossen und könne aufgrund der unklaren bzw. fehlenden Angaben der Eingabe des Genehmigungswerbers überhaupt nicht beurteilt werden, dass bei der geplanten Betriebsanlage Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs 2 GewO vermieden oder gar auszuschließen seien und somit die Voraussetzung für die Durchführung eines vereinfachten Verfahrens im Sinne des § 359b Abs 1 GewO vorlägen. Es wurde eine Gefährdung des Eigentums geltend gemacht sowie Gefährdung der Gesundheit weil sich das Grundstück der Erst- und Zweiteinschreitern in einem Wohngebiet befinde und die Umgebung äußerst ruhig sei. Neben den gesundheitsgefährdeten Lärmimmissionen, drohten auch unzumutbare Geruchsimmissionen. Auch eine Gefährdung der Beschaffenheit des Trinkbrunnens und der Gewässer wurde geltend gemacht. Aufgrund der dargelegten Einwirkungen, welche von der geplanten Betriebsanlage resultierten, bestünde eine Beeinträchtigung von Schutzgütern im Sinne des § 74 Abs 2 beim Erst- und Zweiteinschreiter; folglich lägen die Voraussetzungen für die Durchführung des vereinfachten Genehmigungsverfahrens gemäß § 359b GewO nicht vor. Die Behörde hätte daher ein reguläres Genehmigungsverfahren einzuleiten. Gerügt wurde auch, dass für den „Hobbyraum“ keine aufrechte Baubewilligung für die beabsichtigte gewerbliche Tätigkeit vorliege. Es wurde der Antrag gestellt ein ordentliches Genehmigungsverfahren einzuleiten, den Genehmigungswerber zur Präzisierung seiner Betriebsbeschreibung anzuhalten und die Interessen der Einschreiter entsprechend § 74 Abs 2 iVm § 77 GewO zu wahren.

4. Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid hat die belangte Behörde festgestellt, dass es sich bei dem beantragten KFZ-Service-Betrieb mit Werkstatt und Parkflächen auf dem Standort G, K, Tstraße, um eine den § 359b Abs 1 Z 2 GewO 1994 unterliegende Anlage handelt. Gleichzeitig wurden zum Schutz der gemäß §§ 74 Abs 2 und 77 Abs 3 und 4 GewO wahrzunehmenden Interessen, Aufträge erteilt und ausgesprochen, dass dieser Bescheid als Genehmigungsbescheid für die Anlage gilt. Die Einwände der Nachbarn Herrn C D und E F wurden, als im Gesetz nicht begründet, abgewiesen.

5. C D und E F haben rechtsfreundlich vertreten rechtzeitig Beschwerde gegen diese Entscheidung erhoben und den angefochtenen Bescheid dem gesamten samt Inhalt und Umfang nach angefochten. Die Rechtswidrigkeit ergebe sich im Detail daraus, dass die belangte Behörde keinesfalls anhand der vom Antragsteller in seinem Ansuchen zur Bewilligung der gegenständlichen Betriebsanlage vorgelegten Unterlagen, zu dem Ergebnis habe kommen können, dass diese im Rahmen des vereinfachten Verfahrens nach § 359b GewO zu genehmigen sei. So fänden sich im Ansuchen des Antragesstellers keine konkreten Angaben über die tatsächlich beantragte Betriebsfläche und ergebe sich aus der bloß beispielhaften Aufzählung der zu benutzenden Maschinen und Geräten nicht, ob der Anschluss bei dieser unter 300 kW betrage. Ebenso mangelhaft sei die Prüfung der belangten Behörde bezüglich der Feststellungen erfolgt, ob von der antragsgegenständlichen Betriebsanlage Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs 2 Z 1 GewO vermieden bzw. Belästigungen und Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs 2 Z 2 bis 5 leg cit auf ein zumutbares Maß beschränkt werden könne. Die belangte Behörde sei mit keinem Wort auf das Vorbringen der Beschwerdeführer, betreffend des Geh- und Fahrweges, der Gefährdung des Eigentums und der zu erwartenden Lärm- oder Geruchsemmissionen eingegangen. Gleiches gelte für das Vorbringen der Beeinträchtigung der Beschaffenheit des Trinkwasserbrunnens. Überdies sei das Recht auf das Parteiengehör im Sinne des § 37 AVG nicht gewahrt, da den nunmehrigen Beschwerdeführern mit Ausnahme der schalltechnischen Stellungnahme keines der Weiteren, im bekämpften Bescheid genannten Gutachten und Stellungnahmen, übermittelt worden sei und sie daher keine Möglichkeit gehabt hätten, dazu eine Stellungnahme abzugeben. Es wurde beantragt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, den bekämpften Bescheid dahingehend abzuändern, dass der Antrag des Antragstellers zurück- in eventu abgewiesen werde, in eventu den bekämpften Bescheid ersatzlos aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen. Vorgelegt wurden Lichtbilder bezüglich der Lage der Betriebsanlage.

II. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verfahrensakt, insbesondere aus den darin enthaltenen Einwendungen der nunmehrigen Beschwerdeführer vom 07.09.2020.

III. Folgende Rechtsvorschriften sind für die Beurteilung maßgebend:

§ 359b Abs 1, 2 und 3 GewO:

„Ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren gemäß Abs. 2 bis 4 ist durchzuführen, wenn

    1.   jene Maschinen, Geräte und Ausstattungen der Anlage, deren Verwendung
                  die Genehmigungspflicht begründen könnte, ausschließlich solche sind, die in
                  Verordnungen gemäß § 76 Abs. 1 oder Bescheiden gemäß § 76 Abs. 2
                  angeführt sind oder die nach ihrer Beschaffenheit und Wirkungsweise
                  vornehmlich oder auch dazu bestimmt sind, in Privathaushalten verwendet zu
                  werden, oder

    2.   das Ausmaß der der Betriebsanlage zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten
                  und sonstigen Betriebsflächen insgesamt nicht mehr als 800 m² beträgt und
                  die elektrische Anschlussleistung der zur Verwendung gelangenden
                  Maschinen und Geräte 300 kW nicht übersteigt oder

    3.   die Art der Betriebsanlage in einer Verordnung nach Abs. 5 genannt ist oder

…..

(2) Ergibt sich aus dem Genehmigungsansuchen und dessen Beilagen (§ 353), dass zumindest eine der Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllt ist, so hat die Behörde das Projekt mit dem Hinweis bekanntzugeben, dass die Projektunterlagen innerhalb eines bestimmten, drei Wochen nicht überschreitenden Zeitraumes bei der Behörde zur Einsichtnahme aufliegen und die Nachbarn innerhalb dieses Zeitraumes von ihrem Anhörungsrecht Gebrauch machen können. Für diese Bekanntgabe ist § 356 Abs. 1 sinngemäß anzuwenden. Innerhalb dieser Frist können Nachbarn (§ 75 Abs. 2) einwenden, dass die Voraussetzungen für die Durchführung des vereinfachten Verfahrens nicht vorliegen. Erheben sie innerhalb der gesetzten Frist keine diesbezüglichen Einwendungen, endet die Parteistellung. Auf diese Rechtsfolge ist in der Bekanntmachung ausdrücklich hinzuweisen. § 42 Abs. 3 AVG gilt sinngemäß. Darüber hinaus gehend steht den Nachbarn keine Parteistellung zu.

(3) Nach Ablauf der in der Bekanntgabe angeführten Frist hat die Behörde unter Bedachtnahme auf die eingelangten Äußerungen der Nachbarn und, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden, die die Anwendung des vereinfachten Verfahrens begründende Beschaffenheit der Anlage mit Bescheid festzustellen und erforderlichenfalls Aufträge zum Schutz der gemäß § 74 Abs. 2 sowie der gemäß § 77 Abs. 3 und 4 wahrzunehmenden Interessen zu erteilen.“

IV. Rechtliche Erwägungen:

Den Beschwerdeführern als Nachbarn kommt vorliegend nur eine eingeschränkte Parteistellung in dem Verfahren nach § 359b GewO 1994 zu, in deren Rahmen es ihnen nicht zusteht, die Schutzgüter des § 74 Abs 2 GewO 1994 zu relevieren. Aufgrund der Neustrukturierung des Tatbestandes des § 359b ergibt sich, dass die „Unbedenklichkeitsprognose“ im Hinblick auf die gewerberechtlichen Schutzgüter nicht mehr mit dem Anwendungstatbestand verknüpft ist, sondern nach der Bekanntmachung gemäß § 359b Abs 2 GewO als selbstständiges Kriterium von der Gewerbebehörde zu prüfen ist (vgl. ErläutRV 1475 BlgNr. 25. GP 2, 14). Die Parteistellung der Nachbarn bezieht sich hingegen ausdrücklich nur auf die vorgelagerte Frage, ob die Zuordnung zu einem der Anwendungsfälle der Norm vorliegt. Darüberhinausgehend steht den Nachbarn laut ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung keine Parteistellung zu.

In ihren, entsprechend der Bekanntgabe des Projektes gesetzten Frist erhobene Einwendungen vom 07.09.2020, gingen die nunmehrigen Beschwerdeführer offensichtlich in Anwendung der alten Rechtslage, dh. vor der Novelle des § 359 mit BGBl I 96/2017, davon aus, dass auch die „Erwartungshaltung“, dass aufgrund der geplanten Ausführung der Anlage Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs 2 oder Belastung der Umwelt vermieden werden, eine Anwendungsvoraussetzung für das vereinfachte Genehmigungsverfahren nach § 359b GewO darstellt. In der dzt. geltenden und hier anzuwendenden Fassung des § 359b BGBl I 96/2017, ist für die Beurteilung der Anwendung des vereinfachten Verfahrens ausschließlich Abs 1. maßgeblich; liegt einer der dort angeführten Tatbestände der Z1 bis Z 4 vor, so hat die Behörde das vereinfachte Verfahren durchzuführen. Das Parteirecht der Nachbarn ist beschränkt auf die Geltendmachung, die Behörde ginge zu Unrecht von der Anwendung des vereinfachten Verfahrens aus, da keiner der Tatbestände des Abs 1 Z 1 bis Z 4 erfüllt ist. Wie sich aus § 359b Abs 2 ergibt, müssen diese Einwendungen qualifiziert sein – „diesbezüglichen Einwendungen“ - das heißt, sie müssen sich auf die Behauptung des Nichtvorliegens von in § 359b Abs 1 angeführten Tatbestände beziehen. Da die Beschwerdeführer ihre Einwendungen vom 07.09.2020 ausschließlich darauf stützten, Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs 2 Z 1 GewO würden nicht vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs 2 Z 2 bis 5 GewO würden nicht auf ein zumutbares Maß beschränkt, haben sie ihre Parteistellung verloren. Die Beschwerdeführer waren daher zur Beschwerdeerhebung nicht legitimiert, weshalb wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden war.

Gemäß § 24 Abs 2 Z1 VwGVG konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Betriebsanlage, vereinfachtes Verfahren, Tatbestände, qualifizierte Einwendungen, Nachbarn, Verlust der Parteistellung, Gefährdungen, Schutzinteressen, Belästigungen, Präklusion, beschränktes Parteirecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGST:2021:LVwG.43.19.3107.2020

Zuletzt aktualisiert am

27.09.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Steiermark LVwg Steiermark, http://www.lvwg-stmk.gv.at
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