Entscheidungsdatum
10.05.2021Norm
BAO §115 Abs1Text
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fasst durch MMag. Kammerhofer als Einzelrichter über die Beschwerde des A, vertreten durch B Rechtsanwälte, ***, ***, vom 11. Februar 2021 gegen den Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde *** vom 7. Jänner 2021, Zl. ***, mit dem die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Abgabenbescheid der Bürgermeisterin der Gemeinde *** vom 30. Juli 2020 betreffend Vorschreibung einer Kanalbenützungsgebühr für die Liegenschaft *** in *** mit Wirkung ab 1. Juli 2020 als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt wurde, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung den
BESCHLUSS:
1. Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 278 Abs. 1 BAO aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an den Gemeindevorstand der Gemeinde *** zurückverwiesen.
2. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig.
Begründung:
1. Sachverhalt:
Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:
Mit Bescheid der Bürgermeisterin der Gemeinde *** vom 30.07.2020, Kundennummer ***, wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 5 NÖ Kanalgesetz für die Liegenschaft *** in ***, ab 01.07.2020 eine jährliche Kanalbenützungsgebühr für die Benützung des öffentlichen Kanals in der Höhe von 1.802,40 Euro zuzüglich der gesetzlichen USt. von 10 % vorgeschrieben. Begründend wurde dazu ausgeführt, dass die Gebühr für die Schmutzwasserentsorgung durch Multiplikation der Berechnungsfläche mit dem Einheitssatz erfolge. Die Berechnungsfläche ergebe sich aus der Summe aller an die Kanalanlage angeschlossenen Geschoßflächen. Die Geschoßfläche sei die sich aus den äußersten Begrenzungen jedes Geschoßes ergebende Fläche. Der Berechnung wurde ein Betriebsgebäude mit einem Erdgeschoß mit einer Fläche von 190 m², einem ersten Obergeschoß mit einer Fläche von 378 m² und einem zweiten Obergeschoß mit einer Fläche von 183 m², gesamt 751 m² zu Grunde gelegt. Multipliziert mit dem Einheitssatz von 2,4000 ergebe sich ein Jahresbetrag von 1.802,40 Euro.
Gegen diesen Abgabenbescheid der Bürgermeisterin vom 30.07.2020 erhob der Beschwerdeführer Berufung. Begründend wurde dazu ausgeführt, dass der angefochtene Bescheid bzw. die zu Grunde liegenden Verordnungen der Gemeinde in mehrfacher Hinsicht den Gesetzen und Verordnungen der Republik Österreich bzw. des Bundeslandes Niederösterreich widersprechen würden. Konkret wurde ausgeführt:
1. Gleichheitswidrigkeit, fehlender Öffentlichkeitscharakter
Öffentliche Einrichtungen, hier die Kanalanlage der Gemeinde ***, seien für die rechtlich in Frage kommenden Nutzer bzw. für die durch Gesetze zur Benutzung sogar verpflichteten Bürger zu gleichen Bedingungen zur Verfügung zu stellen, wobei die Bedingungen landesrechtlich unterschiedlich geregelt seien und für Niederösterreich u.a. das NÖ Kanalgesetz 1977 zur Anwendung komme.
Die Gemeinde *** betreibe hingegen eine Kanalanlage, deren Nutzer gruppenweise zwei völlig unterschiedliche Kostenbeiträge zu zahlen hätten, obwohl die Entsorgung der Abwässer über das gleiche einheitliche Kanalsystem erfolge.
a) Die Kanalbenützer der Katastralgemeinde „***“, „***“ und weiterer, teilweise erschlossener Katastralgemeinden seien verpflichtet, Kanalbenützungsgebühren und Kanalanschlussgebühren laut NÖ Kanalgesetz 1977 zu bezahlen. Lediglich diese (überwiegende) Kanalbenutzergruppe habe in den letzten Wochen einen Bescheid erhalten, welcher eine Verdoppelung der Kanalgebühren zum Inhalt habe.
b) Die Kanalbenutzer der Katastralgemeinden „***“ und „***“ würden ihre Abwässer ebenfalls seit Jahren in die Kanalanlage der Gemeinde *** einleiten, und zwar so, dass sie sowohl den bestehenden Sammelkanal der Katastralgemeinde „***“ auf voller Länge nutzen würden, als auch den offensichtlich zur Gebührenerhöhung herangezogenen geplanten neuen Anschlusskanal an die Zentralkläranlage „***“ (ca. 11 Kilometer) zusätzlich auf voller Länge nutzen werden. Jedoch werde diesem Kanalbenutzerkreis daür keine Kanalbenützungsgebühr laut NÖ Kanalgesetz vorgeschrieben, sondern lediglich eine jährliche Pauschalsumme verrechnet. Diese Vorgangsweise sei jedenfalls gleichheitswidrig und entspreche in keiner Weise den Gesetzen des Bundes und des Landes Niederösterreich. Insbesondere sei auch die Kanalabgabenordnung der Gemeinde *** damit als gesetzes- und gleichheitswidrig anzusehen.
Keinesfalls könnte hier auf die Bestimmung des § 1 Abs 4 NÖ Kanalgesetz 1977 verwiesen werden, da alle Kanalbenützer aller Katastralgemeinden der Gemeinde *** in ein einziges zusammenhängendes Kanalsystem angeschlossen seien, welches in die Kläranlage *** münde.
2. Sachliche Unrichtigkeit
Laut NÖ Kanalgesetz seien die Kanalbenützungsgebühren sowie die Kanalanschlussgebühren derart zu berechnen, dass (grob) als Ausgangsbasis der jährliche Gesamtaufwand der Kanalanlage durch die Anzahl der gesamten angeschlossenen Nutz?äche zu teilen sei und diese Zahl auf alle Kanalnutzer gleich
aufzuteilen sei (§ 3 und § 6 NÖ Kanalgesetz 1977).
Diese Berechnung sei offensichtlich erfolgt ohne die angeschlossenen Nutz?ächen in den KG „***“ und „***“ zu berücksichtigen.
3. Materielle Nichtigkeit
Die Gemeinde *** betreibe eine eigene Kläranlage mit einem Kanalsystem im Ortsnetz. Im Jahr 2003/2004 sei eine Sanierung dieser Kläranlage beschlossen worden, ein diesbezügliches Projekt eines Ziviltechnikers sei ausgearbeitet und dieses wasserrechtlich bewilligt worden.
Ab 2007 sei mehrmals um Verlängerung der Ausführungsfrist angesucht und diese bewilligt worden. Im Jahr 2017 habe offensichtlich die Gemeinde *** verabsäumt, neuerlich eine Fristverlängerung zu beantragen oder endlich mit der Ausführung zu beginnen. Daraufhin sei das genehmigte Projekt obsolet geworden, die dafür aufgewendeten Kosten (Studie, Planung, Einreichung, Bewilligung) seien verloren gewesen.
Nach diesem als fahrlässig anzusehenden Versäumnis habe die Gemeinde *** offensichtlich im Schnellgang versucht, ein neues Projekt zu ?nden. Als Basis dazu habe eine Studie gedient (des gleichen Ziviltechnikerbüros von 2003/2004), welche nunmehr anstatt der Sanierung oder eines Neubaus der Kläranlage einen Anschluss an die Kläranlage *** als günstiger bewertet habe als vormals eine
Sanierung bzw. einen Neubau.
Die gegenständliche Erhöhung der Kanalgebühren stütze sich im Wesentlichen auf diesen geplanten Anschluss der örtlichen Kanalanlage der Gemeinde *** an die 13 Kilometer entfernte Kläranlage ***.
Der betreffende Gemeinderatsbeschluss sei umstritten gewesen und mit knapper Mehrheit gefällt worden. Danach sei sofort die Planung und die wasserrechtliche Einreichung des neuen Projektes erfolgt, ohne die technische und rechtliche Machbarkeit (Privatgrundbesitzer, etc). zuvor abzuklären. Sogar eine Ausschreibung der Arbeiten sei bereits erfolgt, ohne diese grundlegenden Klärungen der Vorfragen zur Machbarkeit.
Das Ergebnis der Ausschreibung stelle nunmehr aber auch durch höher als erwartete Angebotssummen und rechtliche sowie technischen Hindernisse für einen Sammelkanal nach *** die grundsätzliche Entscheidung für den Kanalanschluss nach *** in Frage. Die Errichtung einer eigenen Kläranlage scheine langfristig de facto die günstigere Variante zu sein. Auch hätten sich im Rahmen der Angebotseröffnung Hinweise auf grobe Ungereimtheiten ergeben (Posten „Rückhaltebecken“ zu überteuert, im Gegenzug Grabarbeiten für Kanal auffallend unterpreisig,...) so dass dieses Projekt insgesamt nicht den Vorgaben der Bundes- und Landesgesetze (Vergabegesetz, Verwaltungs- und
Gebarungsvorschriften,..) zu entsprechen scheine.
Verwaltungskörper seien nach den bestehenden Gesetzen wie AVG, Vergabegesetze usw. im Sinne der Gebührenzahler verp?ichtet, die jeweils günstigste Variante zu wählen.
Daneben zahle die Gemeinde *** bereits seit 01.01.2020 laufende Beiträge an den Abwasserverband ***, welcher die Kläranlage in *** betreibe, obwohl bis dato kein einziger Tropfen Abwasser dorthin geleitet worden sei und allem Anschein nach dies auch in absehbarer Zeit aufgrund der Ausführungshindernisse nicht geschehen werde bzw. das Projekt als Ganzes nicht umsetzbar sein könnte.
Auch bei der Festsetzung der jährlichen Beiträge an die Kläranlage *** (Gemeindeverband) habe die Gemeinde *** grob nachteilig zu Lasten der Kanalgebührenzahler von *** agiert.
Es seien völlig überhöhte Werte an Einwohnergleichwerten für die dortige Berechnung der Jahresbeiträge angegeben worden, die dazu führen würden, dass die Gemeinde *** wesentlich höher belastet werde als den tatsächlichen Gegebenheiten dies entspreche. Konkret seien 1.300 Einwohnergleichwerte als
Verrechnungsbasis angegeben worden, obwohl in *** lediglich ca. 800 Einwohnergleichwerte als tatsächliche Abwasserlast vorhanden seien. Somit würden die Kanalgebührenzahler rund 60 % höher belastet als ihr tatsächlicher Anteil an der Kläranlage *** betragen würde. Offensichtlich seien bei der Berechnung der Einwohnergleichwerte-Schmutzfracht auch weit überhöhte theoretische „Reserven“ als Grundlage herangezogen worden, welche ursprünglich dazu errechnet worden seien, um die langfristige Auslegung einer eventuellen eigenen Kläranlage zu bestimmen.
Keinesfalls könne eine solche theoretische Zahl aber als Grundlage für die konkreten Beitrags-Anteile zu einer externen Kläranlage (***) herangezogen werden.
Die Belastung der Kanalgebührenzahler durch ?ktive Anteile (1.300 Einwohnergleichwerte) sei ungerechtfertigt und absurd, es seien die tatsächlichen Einwohnergleichwerte als Beitragsgrundlage heranzuziehen.
Die Gebührenzahler jährlich für ca. 60 % ?ktive Reserven bezahlen zu lassen entbehre jeder Rechtsgrundlage, eine Zustimmung zu einer solchen Regelung durch die Gemeinde *** könne als grob nachteilig bis fahrlässig angesehen werden. Hier seien sowohl die in § 97 der NÖ Gemeindeordnung gelobten P?ichten der Gemeindeorgane, das Wohl der Gemeinde *** nach bestem Wissen und Gewissen zu fördern, als auch der verfassungsmäßige Gleichheitsgrundsatz verletzt.
Vielmehr müsse im Falle eines Anschlusses an die Kläranlage *** die tatsächliche Belastung durch die tatsächliche Einwohnergleichwerte-Schmutzfracht als Beitragsbasis dienen. Dies könne bei späterer Veränderung jederzeit den tatsächlichen Gegebenheiten angepasst werden.
Ähnlich nachteilig bis fahrlässig zu Lasten der Gebührenzahler habe die Gemeinde *** auch die Frage der Kosten für die Durchleitung der Abwässer (nach ***) durch das Gemeindegebiet der Stadtgemeinde *** behandelt.
Diese sei bisher nicht vertraglich geregelt worden, obwohl bereits eine Planung, Einreichung und Ausschreibung für das gesamte Projekt „Kanalanschluss nach ***“ erstellt und bezahlt worden sei.
All diese seit 2003/2004 schlussendlich unnötig durch Fahrlässigkeit und offenbar gesetzeswidrige Vorgänge entstandenen Kosten würden den Kanalbenutzem als „jährlicher Gesamtaufwand“ verrechnet und würden der Gemeinde *** u.a. als Vorwand für die bescheidgegenständliche Kanalgebührenerhöhung dienen. Es könne jedoch in den einschlägigen Gesetzen und Verordnungen zur Gebarung
öffentlicher Körperschaften nicht entnommen werden, dass offensichtlich fahrlässig verursachte Kosten (zB. Fristversäumnis macht Einreichprojekt wertlos) bzw. darauf basierend überhastete Pläne ohne Aussicht auf wirtschaftlich vertretbare Umsetzung (zB. Einreichung und Ausschreibung des neuen Projektes vor Klärung der technischen und rechtlichen Machbarkeit) den Gebührenzahlern anzulasten
wäre.
Schon gar nicht sei zulässig, dass laufende Beiträge an eine Kläranlage (***), an welche die Kanalnutzer in *** nicht angeschlossen seien und aufgrund der angeführten Unsicherheiten in absehbarer Zeit auch nicht angeschlossen sein würden, als Basis für eine Gebührenerhöhung im „jährlichen Gesamtaufwand“ ausgewiesen werden und auf Basis dieser ungerechtfertigten Zahlungen wiederum die Kanalbenützungs- und Anschlussgebühren mit 01.07.2020 verdoppelt werden.
Somit sei die rechnerische Basis der bescheidgegenständlichen Erhöhung sowohl der Kanalbenutzungsgebühren als auch der Kanalanschlussgebühren insbesondere auch nach den Bestimmungen des AVG, der NÖ Gemeindeordnung, des Finanzausgleichsgesetzes, des NÖ Kanalgesetzes etc, als rechtswidrig anzusehen.
Aus den angeführten Vorgängen könne ein grob fahrlässiger Umgang der Gemeinde *** mit dem Geld der Kanal-Gebührenzahler abgeleitet werden.
Es wurde beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen mehrfacher Rechtswidrigkeit und materiellen Mängeln aus den angeführten Gründen ersatzlos aufzuheben.
Der Gemeindevorstand der Gemeinde *** wies die Berufung des Beschwerdeführers vom 01.09.2020 gegen den Abgabenbescheid der Bürgermeisterin vom 30.07.2020 gemäß § 263 Abs 1 iVm § 288 Bundesabgabenordnung als unbegründet ab und bestätigte den angefochtenen Bescheid vollinhaltlich. Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass sich bereits aus dem Spruch des Abgabenbescheides ergebe, dass für die Gebührenberechnung der § 5 NÖ Kanalgesetz sowie die geltende Kanalabgabenordnung der Marktgemeinde *** als Rechtsgrundlagen herangezogen worden seien. Auf Grundlage dieser Bestimmungen sei eine jährliche Kanalbenützungsgebühr in der Höhe von insgesamt 1.802,40 Euro vorgeschrieben worden, wobei eine Berechnungsfläche von 751 m² und ein Einheitssatz von 2,40 Euro zugrunde gelegt worden sei.
Die Kanalabgabenordnung sei zuletzt mit Verordnung des Gemeinderates vom 12.05.2020 geändert worden. Nach dem demnach in Geltung stehenden § 6 Abs 3 der Kanalabgabenordnung der Gemeinde *** ergebe sich der zugrunde gelegte Einheitssatz von 2,40 Euro. Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides sei überdies ersichtlich, dass die Kanalbenützungsgebühr durch Multiplikation der Berechnungsfläche mit dem Einheitssatz berechnet werde. Die Berechnungsfläche ergebe sich aus der Summe aller an die Kanalanlage angeschlossenen Geschoßflächen.
Es lasse sich daher eindeutig erkennen, welche Rechtsvorschriften zugrunde gelegt worden seien, welcher Sachverhalt angenommen worden sei und wie die vorgeschriebene Kanalbenützungsgebühr berechnet werde. Die Abgabenbehörde sei nicht verpflichtet, die Berechnungsgrundlagen für den Einheitssatz in einen Abgabenbescheid aufzunehmen.
Dies umso mehr, als die Änderung der Einheitssätze durch Änderung der Kanalabgabenordnung der Marktgemeinde *** bewirkt werde. Bei der Kanalabgabenordnung handele es sich um eine Verordnung des Gemeinderates, welche wiederum mit Verordnung des Gemeinderates geändert worden sei. Der Bürgermeister als Abgabebehörde erster Instanz sei bei der Vorschreibung der Kanalbenützungsgebühr an diese Verordnung gebunden.
Eine Überprüfung der Gesetzmäßigkeit der monierten Kanalgebührenverordnung stehe dem Beschwerdeführer im Rahmen seiner Berufung gegen den Abgabenbescheid nicht zu. Dies werde durch die NÖ Landesregierung als Aufsichtsbehörde nach § 88 NÖ Gemeindeordnung 1973 bzw. allenfalls durch den Verfassungsgerichtshof nach Art 139 Bundes-Verfassungsgesetz vorgenommen. Im Übrigen sei die Verordnung, wie im Gesetz vorgesehen, an die Aufsichtsbehörde übermittelt worden, welche auch unbeanstandet geblieben sei und per 17.11.2020 zur Kenntnis genommen worden sei.
Gleiches müsse auch hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit des Beitrittes zum Abwasserverband und den Abschluss privatwirtschaftlicher Übereinkommen gelten, welche der strengen Gebarungskontrolle der NÖ Landesregierung als Aufsichtsbehörde bzw. allenfalls des Rechnungshofes nach Art 127a B-VG unterliege.
Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH würden diese aufsichtsbehördlichen Tätigkeiten und die sie regelnden gesetzlichen Vorschriften nicht dem Bereich der Beziehung zwischen der Partei und der Behörde angehören, sondern jenem der Beziehungen zwischen den Organen der unmittelbaren oder auch der mittelbaren staatlichen Verwaltung und den ihnen in der Behördenhierarchie übergeordneten
Verwaltungsorganen. Die aufsichtsbehördliche Tätigkeit liege also außerhalb des Rahmens eines durch Geltendmachung eines subjektiv öffentlichen Rechtes einer Partei eingeleiteten Verwaltungsverfahrens. Daraus folge einerseits, dass eine solche Tätigkeit von jedermann, nicht nur von der Partei im Verwaltungsverfahren angeregt werden könne, andererseits, dass die in diesem Bereich der Behörde obliegenden Verpflichtungen keinen subjektiven Anspruch im Rahmen einer Berufung gegen einen Abgabenbescheid begründen könnten. Die Berufung sei daher als unbegründet abzuweisen gewesen.
Beschwerdevorbringen:
Gegen diesen Bescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde *** vom 07.01.2021 richtet sich die vorliegende Beschwerde vom 11.02.2021.
Der angefochtene Bescheid werde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, insbesondere betreffend des angewendeten Einheitssatzes, bekämpft. Der Beschwerdeführer habe mit seiner Berufung den Abgabenbescheid er Bürgermeisterin der Gemeinde *** vom 30.07.2020 in seiner Eigenschaft als Eigentümer des Objektes mit der Adresse ***, ***, über die Festsetzung der Kanalbenützungsgebühr für den Zeitraum ab 01.07.2020, dem wiederum die Kanalabgabenordnung vom 12.05.2020 zu Grunde liege, wegen Rechtswidrigkeit, insbesondere Gesetzwidrigkeit sowie verfassungsrechtlichen Bedenken bekämpft. Der Gemeindevorstand habe der Berufung keine Folge gegeben und den Bescheid der Bürgermeisterin bestätigt, wobei dies ausschließlich damit begründet worden sei, dass er an die Kanalabgabenordnung der Gemeinde gebunden sei. Nach Ansicht des Beschwerdeführers verstoße die Kanalabgabenordnung, die den bekämpften Bescheid zu Grunde liege, sowohl gegen verschiedene Bestimmungen des NÖ Kanalgesetzes als auch dessen konkrete Anwendung in der Gemeinde dem Recht der Gemeindebürger auf gleiche Behandlung vor dem Gesetz.
Mit dem angefochtenen Bescheid werde u.a. die Kanalbenützungsgebühr gemäß § 6 Kanalabgabenordnung für den Mischwasserkanal mit 2,40 Euro neu festgesetzt, gleichzeitig werde gemäß Abs. 3 der spezifische Jahresaufwand mit 108.900 Euro festgesetzt. Im bekämpften Bescheid, der vom 30.07.2020 stamme, werde aufgrund dieser Einheitssätze die Gebühr für die Schmutzwasserentsorgung rückwirkend ab 01.07.2020 neu mit einem erhöhten Betrag festgesetzt. Grundlage für die neue Kanalabgabenordnung vom 12.05.2020 sei gemäß Gemeinderatsprotokoll vom 04.05.2020, Tagesordnungspunkt 3 – Anpassung der Kanalgebühren, per Beschluss vom 04.04.2019, den Kanal an den Abwasserverband *** anzuschließen. Wiedergegeben werde, dass diesbezügliche Anbote eingeholt worden seien und die Auftragsvergabe an einen Ziviltechniker, nämlich die C GmbH in *** erfolgt sei, wobei es in diesem Fall nur um Bauaufsicht, Ausschreibungen, Ansuchen etc gehe. In der Folge werde wiedergegeben, dass die Arbeiten voranschreiten würden und Probeschlitze bezüglich die Bodenfestigkeit und Untersuchung des Aushubmaterials durchgeführt worden seien. Des Weiteren seien Projektunterlagen angefertigt und bei der Behörde zur wasserrechtlichen Bewilligung bzw. Nutzung des öffentlichen Wassergutes eingereicht worden. Dass die Arbeiten an der neuen Kanalanlage (Anschluss an den Abwasserverband ***) bereits vergeben worden seien bzw. mit den tatsächlichen Abschlussarbeiten begonnen worden sei, sei weder diesem Protokoll noch den folgenden Protokollen aus dem Jahre 2020 des Gemeinderates zu entnehmen. Tatsächlich sei erfolgt bzw. erfolge die Abwasserentsorgung der Gemeinde in den Jahren 2019, 2020 und bis zum heutigen Tage über die bestehende Kläranlage der Gemeinde ***. Mit den tatsächlichen Bauarbeiten zum Anschluss des Kanalnetzes an den Abwasserverband *** sei bis zum heutigen Tag nicht begonnen worden, da diesbezüglich auch noch baurechtliche und wasserrechtliche Bewilligungen ausständig seien.
Aufgrund der bis 12.05.2020 gültigen Kanalabgabenordnung habe der Einheitssatz für den Mischwasserkanal 1,20 Euro betragen, mit welchem Betrag jedenfalls die Abwasserentsorgung über die gemeindeeigene Kläranlage vollständig abgedeckt habe werden können und noch immer abgedeckt werden könne. Die Erhöhung der Gebühren sei unter der fiktiven Annahme erfolgt, dass die Entsorgung der Abwässer bereits über den Abwasserverband *** erfolge, was jedoch tatsächlich bis zum heutigen Tag nicht der Fall sei. Es würden von der Gemeinde Kanalbenützungsgebühren eingehoben, die tatsächlich nicht anfallen dürften. Gemäß § 12 NÖ Kanalgesetz entstehe die Abgabenschuld für die Kanalbenützungsgebühr mit dem folgenden Monatsersten des Monats in dem erstmals die Benützung des Kanals möglich sei, wobei in Abs 2 dieser Bestimmung darauf verwiesen werde, dass die Abgaben schon anlässlich der Umgestaltung oder Ersetzung einer Kanalanlage mit der Inbetriebnahme der umgestalteten oder ersetzten Kanalanlage fällig werden. Eine Neufestsetzung der Kanalbenützungsgebühr per 01.07.2020 entspreche sohin nicht den gesetzlichen Vorgaben, da diese Gebühr, sofern sie tatsächlich in dieser Höhe anfalle, erst eingehoben werden dürfe, wenn ein Anschluss des Kanalnetzes an den Abwasserverband *** tatsächlich erfolgt sei und die erhöhten Gebühren für die tatsächliche Abwasserentsorgung entstanden seien.
Auch die der Kanalabgabenordnung vom 12.05.2020 zu Grunde liegende Berechnung der Kanalbenützungsgebühren (ABA-Betriebsfinanzierungsplan VA 2020, Gemeinde ***) sei unrichtig und entspreche nicht den gesetzlichen Vorgaben. In diesem Betriebsfinanzierungsplan würden tatsächliche Aufwendungen für Personal- und Sachaufwand für das Ortsnetz mit 21.700 Euro und Energiekosten von 2.600 Euro angeführt, dazu würden noch Wartungs- und Instandhaltungskosten von 7.000 Euro kommen. Bei diesen Kosten handle es sich um die derzeit tatsächlich anfallenden Kosten, wozu noch Kläranlagekosten von 300 Euro kommen würden. Bei den Tilgungs- und Errichtungskosten, sowohl Ortsnetz als auch Kläranlage, dürfte es sich um Finanzierungskosten betreffend den zukünftigen Anschluss an den Abwasserverband *** handeln, an welchen das Ortsnetz derzeit nicht angeschlossen sei und die somit noch nicht anfallen dürften. Von dem gesamten Jahresaufwand von 108.900 Euro würden sohin lediglich 31.600 Euro den tatsächlichen derzeitigen Aufwendungen für Ortsnetz und Kläranlage entsprechen, der Betrag von 55.000 betreffe die derzeit nicht fällige Tilgung der Errichtungskosten und Zinsen (die Errichtung sei noch nicht erfolgt), der Betrag von 30.000 Euro sei ein Betrag für den Abwasserverband ***, der erst anfallen könne, wenn tatsächlich die Entsorgung über diesen Abwasserverband erfolge, was bis heute nicht der Fall sei.
Bei dieser Berechnung handle es sich um fiktiv festgesetzte, in Zukunft vielleicht anfallende Kosten. Die Berechnung des Einheitssatzes entspreche damit nicht den Berechnungsgrundlagen des § 5a NÖ Kanalgesetzes. Nach dieser Bestimmung dürfe der Einheitssatz den auf 1 m² der Berechnungsfläche aller angeschlossenen Geschoßflächen entfallenden doppelten Jahresaufwand, von dem der voraussichtliche Ertrag des schmutzfrachtbezogenen Gebührenanteiles abzuziehen sei, nicht übersteigen. Wie bereits dargestellt, betreffe der tatsächliche Aufwand für das bestehende Ortsnetz und Kläranlage maximal 32.000 Euro. Dividiere man dies durch Berechnungsflächen von 48.368 komme man auf 0,67 Euro, wovon maximal 200 % festgesetzt werden dürften, somit höchstens 1,34 Euro.
Zu Grunde gelegt werden dürften immer nur der tatsächliche Aufwand, nicht jedoch ein fiktiver Aufwand oder ein Aufwand, der laut Vertrag allenfalls vorab an den Abwasserverband *** beglichen werde, obwohl dieser derzeit die Abwasserentsorgung tatsächlich nicht vornehme.
Die vorliegende Kanalabgabenordnung entspreche sohin nicht dem NÖ Kanalgesetz. Bei richtiger Berechnung hätte der Einheitssatz mit höchstens 1,34 Euro festgesetzt werden dürfen, sodass die vorliegende Berechnung im Abgabenbescheid zu Unrecht erfolgt sei. Zutreffender Weise hätte eine Erhöhung der bisherigen Vorschreibung überhaupt nicht erfolgen dürfen.
Der Beschwerdeführer habe bereits in seiner Berufung aufgezeigt, dass die der Gebührenberechnung zu Grunde gelegte Einwohnerzahl von 1.300 (Ausbaukapazität der Kläranlage) völlig unzutreffend angesetzt worden sei, wobei dies bei der konkreten Berechnung nicht von Bedeutung sei, sehr wohl jedoch bei der Berechnung des spezifischen Jahresaufwandes. Tatsächlich liege die Anzahl der derzeit angeschlossenen WE bei ca. 600 und habe die Bevölkerung in den vergangenen Jahren nicht zugenommen, sondern abgenommen. Selbst bei optimistischer Betrachtung und Einbeziehung von Zweitwohnsitzen sei daher unter ausreichender Berücksichtigung allfälliger Reserven von einer maximalen Einwohnerzahl von 800 auszugehen und auch ein Gemeindeanteil der Verbandsanlagen nur mit diesem Wert anzusetzen. Somit sei der Verbandsbeitrag, sofern er tatsächlich zur Einhebung gelange, entsprechend günstiger anzusetzen.
Gemäß § 1 Abs 4 NÖ Kanalgesetz könnten in einer Gemeinde für verschiedene Kanalanlagen mit jeweils getrennten Entsorgungsbereichen Kanalerrichtungsabgaben und Kanalbenützungsgebühren verschieden hoch festgesetzt werden, wenn sich dies aufgrund eines unterschiedlichen Kostendeckungserfordernisses ergebe. Der Beschwerdeführer, ebenso wie sonstige Liegenschaftseigentümer der Katastralgemeinde *** und *** sowie weitere teilweise erschlossene Katastralgemeinden, würden vergleichbare Bescheide erhalten, welchen der Einheitssatz von 2,40 Euro zu Grunde gelegt worden sei. Dies habe faktisch zu einer Verdoppelung der Kanalgebühren in Hinblick auf die bisherigen Vorschriften geführt.
Die Kanalbenützer der Katastralgemeinde *** und *** würden ihre Abwässer ebenfalls seit Jahren in die Kanalanlage der Gemeinde *** einleiten. Dies so, dass sie sowohl den bestehenden Sammelkanal der Katastralgemeinde *** auf voller Länge nutzen, als auch in Zukunft den zur Gebührenerhöhung herangezogenen geplanten Anschlusskanal an die Kanalanlage *** zusätzlich auf voller Länge nutzen würden. Diesem Kanalbenutzerkreis werde dafür jedoch nicht eine Kanalbenützungsgebühr entsprechend der Kanalabgabenordnung vom 12.05.2020 vorgeschrieben, sondern werde diesen eine jährliche Pauschalsumme über eine Genossenschaft verrechnet, die hinsichtlich des anzuwendenden Einheitssatzes nur einen Bruchteil der Vorschreibung entspreche, die an den Beschwerdeführer ergangen sei. Dies betreffe näher bezeichnete Liegenschaften in ***, *** und ***.
Gemäß § 1 Abs 4 NÖ Kanalgesetz könnten die Kanalbenützungsgebühren nur dann unterschiedlich hoch festgesetzt werden, wenn sich dies aufgrund des unterschiedlichen Kostendeckungserfordernisses ergebe. Die Kanalbenützungsgebühren würden jedoch auch für diese Liegenschaften in exakt gleicher Höhe anfallen, wie für jene des Beschwerdeführers. Ganz im Gegenteil müssten diesen Nutzern die Gebühren sogar höher vorgeschrieben werden, da sie die gesamte Länge des Abwassernetzes benötigen würden, da sie ja im hintersten Teil und somit in größter Entfernung von der Kläranlage an das Kanalnetz angeschlossen seien. Die unterschiedliche Festsetzung von Kanalgebühren ohne entsprechende sachliche Rechtfertigung sei gleichheitswidrig und entspreche nicht
§ 1 Abs 4 NÖ Kanalgesetz. Vielmehr habe der Beschwerdeführer den Rechtsanspruch, gleichhohe Kanalbenützungsgebühren verrechnet zu erhalten, wie die Kanalbenutzer der Katastralgemeinde *** und ***, soweit für den Beschwerdeführer einsichtig, in der Höhe des ursprünglich verrechneten Einheitssatzes von 1,20 Euro.
Da die Entscheidung über diese Beschwerde von der Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, nämlich der beanstandeten Kanalabgabenverordnung der Gemeinde *** vom 12.05.2020, abhängig sei, werde angeregt, das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich möge den Verfassungsgerichtshof anrufen und die Aufhebung des § 6a und b dieser Verordnung wegen Gesetzwidrigkeit beantragen.
Schließlich werde beantragt, das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich möge in Stattgebung dieser Beschwerde den bekämpften Bescheid ersatzlos beheben.
Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:
Mit Schreiben vom 26. Februar 2021 legte die Gemeinde *** dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde und den bezughabenden Verwaltungsakt (samt Plänen, Gutachten sowie Einladungskurrende und Sitzungsprotokoll der maßgeblichen Sitzung des Gemeindevorstandes) vor.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führte am 23. April 2021 eine gemeinsame öffentliche mündliche Verhandlung zu den Verfahren LVwG-AV-408/001-2021, LVwG-AV-394/001-2021, LVwG-AV-398/001-2021, LVwG-AV-399/001-2021, LVwG-AV-401/001-2021, LVwG-AV-402/001-2021, LVwG-AV-403/001-2021, LVwG-AV-404/001-2021, LVwG-AV-405/001-2021 und LVwG-AV-407/001-2021 durch. In dieser wurde Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten, Einsichtnahme in das öffentliche Grundbuch sowie die Vorbringen der Parteien.
In der mündlichen Verhandlung wurden zunächst die der Abgabenberechnung zugrunde gelegten Berechnungsflächen außer Streit gestellt. Weiters sei unstrittig, dass die Beschwerdeführer Eigentümer der jeweils verfahrensgegenständlichen Liegenschaften sind. Der Beschwerdeführervertreter führte aus, dass der Anschluss an die Kläranlage *** bis dato nicht erfolgt sei. Im Übrigen wurde auf die Ausführungen in den Schriftsätzen verwiesen. Vom Beschwerdeführer D wurde ausgeführt, dass in dem ihm vorliegenden Betriebsfinanzierungsplan der Anschluss der Ortschaften *** und *** nicht vorgesehen sei. Von Seiten der belangten Behörde wurde dazu vorgebracht, dass es einen bestehenden Abwasserplan gebe. Die beiden genannten Ortschaften hätten in der Zwischenzeit eine eigene Genossenschaft gebildet. Diese Genossenschaft entrichte eigene Einleitungsgebühren für die Abwasserentsorgung an die Gemeinde ***. Von den beschwerdeführenden Parteien wurde bestätigt, dass ihre Liegenschaften allesamt an den öffentlichen Kanal angeschlossen sind. Von Seiten der Bürgermeisterin wurde ausgeführt, dass der Kanal bereits seit 1972 existiere und die letzte Gebührenerhöhung im Jahre 2003 erfolgt sei. Vom Beschwerdeführer D wurde in der Folge ein Betriebsfinanzierungsplan für 2020 vorgelegt, der als Beilage zum Akt genommen wurde. Im Betriebsfinanzierungsplan seien in der angeführten Summe der Berechnungsflächen (48.368 m²) die vorgenannten Ortschaften nicht enthalten.
Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist grundbücherlicher Eigentümer der Liegenschaft *** in ***. Auf der Liegenschaft ist ein Betriebsgebäude errichtet, welches mit 3 Geschoßen (Erdgeschoß 190 m², 1. Obergeschoß 378 m² und 2. Obergeschoß 183 m², gesamt 751 m²) an den Ortskanal angeschlossen ist. Die der Abgabenvorschreibung zugrunde gelegte Berechnungsfläche ist unstrittig.
Eine Prüfung des Vorliegens eines Härtefalls iSd § 5b NÖ Kanalgesetz 1977 ist nicht erfolgt.
Beweiswürdigung:
Im Wesentlichen ist der Sachverhalt unstrittig und ergibt sich dieser aus dem unbedenklichen Akteninhalt in Verbindung mit dem bekämpften Bescheid, sowie aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers, soweit dieses den Feststellungen nicht entgegentritt.
2. Rechtslage:
1.
2.
Bundesabgabenordnung (BAO):
§ 1
(1) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.
§ 2a
Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden.
§ 4
(1) Der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.
§ 115
(1) Die Abgabenbehörden haben die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind.
[…]
§ 278
(1) Ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes
a) weder als unzulässig oder nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen (§ 260) noch
b) als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1) oder als gegenstandlos (§ 256 Abs. 3, § 261) zu erklären,
so kann das Verwaltungsgericht mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Eine solche Aufhebung ist unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.
[…]
NÖ Kanalgesetz 1977idF LGBl. Nr. 12/2018:
§ 1
(1) Die Gemeinden werden gemäß § 8 Abs. 5 Finanzverfassungsgesetz 1948, BGBl. Nr. 45, ermächtigt, Kanalerrichtungsabgaben (Kanaleinmündungs-, Kanalergänzungs-, Kanalsonderabgabe) und Kanalbenützungsgebühren nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu erheben.
(2) Für die Erhebung der Kanalbenützungsgebühren aufgrund bundesgesetzlicher Ermächtigung (Finanzausgleichsgesetz) gelten die Bestimmungen des NÖ Kanalgesetzes 1977.
(3) Die Kanalerrichtungsabgaben und Kanalbenützungsgebühren sind in einer Kanalabgabenordnung (§ 6) näher auszuführen.
(4) Für verschiedene Kanalanlagen mit jeweils getrennten Entsorgungsbereichen in einer Gemeinde sind die Kanalerrichtungsabgaben und Kanalbenützungsgebühren verschieden hoch festzusetzen, wenn sich dies aufgrund eines unterschiedlichen Kostendeckungserfordernisses ergibt.
(5) Die Kanalerrichtungsabgaben und die Kanalbenützungsgebühren sind zweckgebundene Einnahmen, die ausschließlich für die Errichtung, für die Erhaltung und den Betrieb der Kanalanlage verwendet werden dürfen. Dies gilt nicht für die den einfachen Jahresaufwand übersteigenden Einnahmen aus den Kanalbenützungsgebühren.
§ 1a
Im Sinne dieses Gesetzes gelten als:
1. bebaute Fläche: Die bebaute Fläche ist diejenige Grundrissfläche, die von der lot-rechten Projektion oberirdischer baulicher Anlagen begrenzt wird. Unberücksichtigt bleiben: bauliche Anlagen, welche die Geländeoberfläche nicht oder nicht wesentlich überragen, nicht konstruktiv bedingte Außenwandvorsprünge, untergeordnete Bauteile.
2. Berechnungseinwohnergleichwerte: 50 v.H. der Summe des EGW-Spitzenwertes und EGW-Durchschnittswertes;
3. Einwohnergleichwerte (EGW): Maßzahl die die Verschmutzung betrieblicher Abwässer in Beziehung zur Verschmutzung häuslicher Abwässer ausdrückt;
4. EGW-Durchschnittswert: Jahressumme der eingebrachten Schmutzfrachten in EGW dividiert durch 365;
5. EGW-Spitzenwert: die höchste an einem Tag eingebrachte Schmutzfracht;
6. Geschossfläche: die sich aus den äußersten Begrenzungen jedes Geschosses ergebende Fläche;
[…]
10. spezifischer Jahresaufwand: Jahresaufwand für die Kläranlage sowie für jene Sammelkanäle, welche zur Ableitung der Abwässer von den Ortsnetzen zur Kläranlage dienen, dividiert durch die EGW, welche der Dimensionierung der Kläranlage zugrundegelegt wurden;
§ 5
(1) Für die Möglichkeit der Benützung der öffentlichen Kanalanlage ist eine jährliche Kanalbenützungsgebühr zu entrichten, wenn der Gemeinderat die Einhebung einer solchen Gebühr beschlossen hat.
(2) Die Kanalbenützungsgebühr errechnet sich aus dem Produkt der Berechnungsfläche und dem Einheitssatz zuzüglich eines schmutzfrachtbezogenen Gebührenanteiles. Dieser wird nur dann berücksichtigt, wenn die eingebrachte Schmutzfracht den Grenzwert von 100 Berechnungs-EGW überschreitet. Werden von einer Liegenschaft in das Kanalsystem Schmutzwässer und Niederschlagswässer eingeleitet, so gelangt in diesem Fall ein um 10 % erhöhter Einheitssatz zur Anwendung.
(3) Die Berechnungsfläche ergibt sich aus der Summe aller an die Kanalanlage angeschlossenen Geschoßflächen. Die Geschoßfläche angeschlossener Kellergeschoße und nicht angeschlossener Gebäudeteile wird nicht berücksichtigt. Angeschlossene Kellergeschoße werden jedoch dann berücksichtigt, wenn eine gewerbliche Nutzung vorliegt, ausgenommen Lagerräume, die mit einem Unternehmen im selben Gebäude in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Wird die Liegenschaft trotz bestehender Anschlußverpflichtung nicht an die Kanalanlage angeschlossen, so ist die Berechnungsfläche so zu ermitteln, als ob die Liegenschaft an die Kanalanlage angeschlossen wäre.
§ 5a
(1) Der Einheitssatz ist vom Gemeinderat in der Kanalabgabenordnung festzusetzen.
(2) Der Einheitssatz darf den auf einen Quadratmeter der Berechnungsfläche aller angeschlossenen Geschoßflächen entfallenden doppelten Jahresaufwand von dem der voraussichtliche Ertrag des schmutzfrachtbezogenen Gebührenanteiles abzuziehen ist, nicht übersteigen.
(3) Der Einheitssatz für ein Kanalsystem in das ausschließlich Niederschlagswässer eingeleitet werden dürfen, darf den auf einen Quadratmeter der Berechnungsfläche aller an dieses Kanalsystem angeschlossene Liegenschaften entfallenden doppelten Jahresaufwand nicht übersteigen.
§ 5b
(1) Ergibt sich bei der Berechnung der Kanalbenützungsgebühr ein offensichtliches Mißverhältnis, zwischen der berechneten Höhe und dem verursachten Kostenaufwand, so ist die Kanalbenützungsgebühr entsprechend der tatsächlichen Inanspruchnahme, unter Berücksichtigung der sonst in der Gemeinde zu entrichtenden Kanalbenützungsgebühren höchstens jedoch um 80 % zu vermindern.
(2) Ein offensichtliches Mißverhältnis im Sinne des Abs. 1 liegt jedenfalls vor, wenn die Schmutzfracht pro 300 m² Berechnungsfläche bei widmungsgemäßer Verwendung geringer als ein EGW ist.
(3) Eine Verminderung der Kanalbenützungsgebühr kommt nur dann in Betracht, wenn die Berechnungsfläche mehr als 700 m² beträgt.
§ 6
(1) In jeder Gemeinde, in der eine öffentliche Kanalanlage vorhanden ist, ist gleichzeitig mit dem Beschluß über die Einhebung von Kanalerrichtungsabgaben und Kanalbenützungsgebühren eine Kanalabgabenordnung zu beschließen.
(2) Die Kanalabgabenordnung hat nach Maßgabe des Einhebungsbeschlusses (§ 1) zu enthalten:
a) die Höhe des Einheitssatzes für die Berechnung der Kanaleinmündungsabgabe und der Ergänzungsabgabe und die der Berechnung des Einheitssatzes zugrunde gelegten Baukosten sowie die Gesamtlänge des Kanalnetzes, erforderlichenfalls getrennt für Schmutz-(Misch-)wasserkanäle und Regenwasserkanäle (§ 3 Abs. 3);
b) die Höhe der Einheitssätze für die Berechnung der Kanalbenützungsgebühr;
c) die Zahlungstermine für die Kanalbenützungsgebühren, soferne eine andere als die in diesem Gesetz subsidiär vorgesehene Regelung (§ 12 Abs. 2) festgelegt wird und die näheren Bestimmungen wie die Kanalbenützungsgebühren zu entrichten sind;
d) die näheren Bestimmungen über die Erhebung der für die Abgabenbemessung maßgeblichen Umstände.
§ 9
Die Kanalerrichtungsabgabe und Kanalbenützungsgebühr sind unabhängig von der tatsächlichen Benützung der öffentlichen Kanalanlage von jedem Liegenschaftseigentümer zu entrichten, für dessen Liegenschaft die Verpflichtung zum Anschluß besteht oder der Anschluß bewilligt wurde. […]
§ 12
[…]
(3) Die Abgabenschuld für die Kanalbenützungsgebühr und die Fäkalienabfuhrgebühr entsteht mit dem Monatsersten des Monats, in dem erstmalig die Benützung des Kanals möglich ist oder die Abfuhr der Fäkalien erfolgt. Wird eine Liegenschaft trotz bestehender Anschlußverpflichtung nicht an die Kanalanlage angeschlossen, so entsteht die Kanalbenützungsgebühr mit dem Monatsersten des Monats in dem der Anschluß an den Kanal möglich ist. Diese Gebühren sind, soferne der Gemeinderat in der Kanalabgabenordnung nichts anderes bestimmt, im vorhinein in vierteljährlichen Teilzahlungen, und zwar jeweils bis zum 15. Jänner, 15. April, 15. Juli und 15. Oktober, zu entrichten.
§ 14
(1) Den Abgabepflichtigen ist die Abgabenschuld mit Abgabenbescheid vorzuschreiben. Durch je einen besonderen Abgabenbescheid sind vorzuschreiben:
a) die Kanaleinmündungsabgaben, Ergänzungsabgaben und Sonderabgaben (§§ 2 und 4);
b) die Kanalbenützungsgebühren und die Fäkalienabfuhrgebühren (§§ 5 und 8);
c) Änderungen der im Abgabenbescheid nach lit.b festgesetzten Gebühren;
[…]
(2) Der Abgabenbescheid hat zu enthalten:
a) die Bezeichnung als Abgabenbescheid;
b) den Grund der Ausstellung;
c) bei der Fäkalienabfuhr die Zahl der jährlichen Einsammlungen;
d) die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe;
e) den Fälligkeitstermin, im Falle des Abs. 1 lit.b und c die Fälligkeitstermine und die Höhe der jeweiligen Teilbeträge;
f) die Rechtsmittelbelehrung und
g) den Tag der Ausfertigung.
(3) Die in der Abgabenentscheidung festgesetzte Kanalbenützungsgebühr oder Fäkalienabfuhrgebühr ist so lange zu entrichten, solange nicht ein neuer Abgabenbescheid ergeht.
(4) Der Abgabenbescheid nach Abs. 1 lit. c ist insbesondere auf Grund einer im § 13 Abs. 1 genannten Veränderung, ferner bei Änderung der Einheitssätze, bei der Fäkalienabfuhr auch bei Änderung des Einsammlungsplanes zu erlassen.
Kanalabgabenordnung der Gemeinde *** idF vom 12. Mai 2020:
§ 6 Kanalbenützungsgebühren für den
a) Mischwasserkanal
(1) Zur Berechnung der laufenden Gebühren für die Benützung der öffentlichen Kanalanlage (Kanalbenützungsgebühr) werden für die Schmutzwasserentsorgung folgende Einheitssätze festgesetzt:
a) Mischwasserkanal € 2,40
(2) entfällt
(3) Zur Berechnung der schmutzfrachtbezogenen Anteile Wird der spezifische Jahresaufwand mit € 108.900,00 festgesetzt.
Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG:
§ 25a
(1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
(2) Eine Revision ist nicht zulässig gegen:
1. Beschlüsse gemäß § 30a Abs. 1, 3, 8 und 9;
2. Beschlüsse gemäß § 30b Abs. 3;
3. Beschlüsse gemäß § 61 Abs. 2.
(3) Gegen verfahrensleitende Beschlüsse ist eine abgesonderte Revision nicht zulässig. Sie können erst in der Revision gegen das die Rechtssache erledigende Erkenntnis angefochten werden. …
(5) Die Revision ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.
3. Erwägungen:
Zur Rückverweisung
Eingangs ist festzuhalten, dass die von den Abgabenbehörden der mitbeteiligten Gemeinde der Abgabenfestsetzung zugrunde gelegten Berechnungsflächen dem Grunde nach außer Streit stehen.
Der Beschwerdeführer beanstandet im Wesentlichen den der Abgabenvorschreibung zugrunde gelegten Einheitssatz.
Bei der Kanalbenützungsgebühr iSd § 5 NÖ Kanalgesetz 1977 handelt es sich um eine Gebühr für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und Gemeindeanlagen. Gebührentatbestand ist die Möglichkeit zur Benützung der öffentlichen Kanalanlagen. Dafür ist vom Liegenschaftseigentümer eine flächenbezogen berechnete Gebühr zu entrichten. Werden jedoch von einer Liegenschaft entweder besonders geringe Mengen an Abwässern (bei großem Flächenausmaß) oder besonders stark verschmutzte Abwässer eingeleitet, so ist die Gebühr entsprechend der tatsächlichen Inanspruchnahme des Kanals zu vermindern (Härteklausel, vgl. § 5b NÖ Kanalgesetz 1977) oder zu erhöhen (um einen schmutzfrachtbezogenen Anteil, vgl. § 5 Abs. 2 iVm § 5 Abs. 4 leg.cit.). Ziel der Regelung ist es, auch in jenen Fällen, in denen große Flächen zur Berechnung herangezogen werden, jedoch nur eine relativ geringe Inanspruchnahme erfolgt, jene Gebührenbelastung herbeizuführen, die üblicherweise in der Gemeinde vorliegt (vgl. VwGH 97/17/0460).
Im gegenständlichen Fall ergibt sich unstrittig eine Berechnungsfläche von 751 m², weshalb zu prüfen ist, ob die Härteklausel des § 5b NÖ Kanalgesetz 1977 anwendbar ist und gegebenenfalls für die konkrete Liegenschaft ein zu berücksichtigender Härtefall zu einer Minderung der Kanalbenützungsgebühr führen kann.
Den Erläuterungen zur Novelle LGBl. 8230-2 zufolge lag dem als Vermeidung von Härtefällen bezeichneten § 5b NÖ Kanalgesetz 1977 die Überlegung des Gesetzgebers zugrunde, dass die im NÖ Kanalgesetz 1977 etablierte flächenbezogene Berechnungsmethode zu Härten führt, wenn ein flächenmäßig sehr großes Gebäude in Relation zur Fläche eine verhältnismäßig geringe Abwassermenge verursacht. Mit der Regelung zur Vermeidung von Härtefällen wollte der Gesetzgeber für diese Fälle ein Korrektiv zur Vermeidung von Härtefällen außerhalb eines Nachsichtsverfahrens (nach der BAO) schaffen (vgl. Ltg.-162/A-1/21-1985, 5). Zweck dieser Regelungen ist es demnach, eine verursachergerechte Berechnung der Kanalbenützungsgebühr zu ermöglichen, um dadurch allfällige Unsachlichkeiten, die sich aus der schematischen Anwendung der flächenbezogenen Gebührenberechnung ergeben könnten, hintanzuhalten. Dabei kommt es auf den tatsächlich für die Schmutzwasserentsorgung entstehenden Kostenaufwand an (vgl. VwGH 94/17/0373). Unter dem verursachten Kostenaufwand sind neben den Kosten aus der Benützung der Kanalanlage auch jene zu verstehen, die daraus resultieren, dass die Benützungsmöglichkeit gegeben ist. Auch durch die Benützungsmöglichkeit erwachsen beträchtliche Kosten, die umzulegen und zu entrichten sind. Als Maßstab für das Vorliegen eines Missverhältnisses und für das Ausmaß der Gebührenreduktion sind daher die tatsächliche Inanspruchnahme der Kanalanlage (Berechnungsfläche pro Einwohnergleichwert) und die durchschnittliche Inanspruchnahme in der Gemeinde (die durchschnittlich auf einen Einwohnergleichwert entfallende Berechnungsfläche) heranzuziehen. Was als offensichtliches Missverhältnis anzusehen ist, wird im Gesetz nicht abschließend geregelt, jedenfalls liegt ein offensichtliches Missverhältnis aber vor, wenn die Schmutzfracht pro 300 m² Berechnungsfläche bei widmungsgemäßer Verwendung der Gebäudes geringer als ein Einwohnergleichwert ist. Für das Vorliegen eines Missverhältnisses ist daher die Inanspruchnahme des Kanals maßgeblich.
Liegt ein offensichtliches Missverhältnis im Sinne des § 5b NÖ Kanalgesetz 1977 vor, dann besteht für den Liegenschaftseigentümer (als Abgabepflichtigen gemäß § 9 NÖ Kanalgesetz 1977) ein Rechtsanspruch auf eine entsprechende Verminderung der Kanalbenützungsgebühr schon bei der Vorschreibung.
Sofern auf einer Liegenschaft die Berechnungsfläche mehr als 700 m² beträgt, hat die Abgabenbehörde das Vorliegen eines offensichtlichen Missverhältnisses im Sinne des § 5b NÖ Kanalgesetz 1977 von Amts wegen zu prüfen. Gegenüberzustellen sind nach dieser Bestimmung die aus dem Produkt von Berechnungsfläche und Einheitssatz ermittelte Kanalbenützungsgebühr einerseits mit dem tatsächlich durch die Benützung des betreffenden Gebäudes entstehenden Kostenaufwand andererseits (vgl. VwGH 94/17/0373).
Ob im konkreten Fall überhaupt ein Härtefall im Sinne des § 5b NÖ Kanalgesetz 1977 vorliegt bzw. in welchem Ausmaß die Kanalbenützungsgebühr zu mindern wäre, kann vom Verwaltungsgericht nicht beurteilt werden. Da jedoch auf Grund des Ausmaßes der von den Abgabenbehörden ermittelten Berechnungsfläche von 751 m² im konkreten Fall eine Anwendbarkeit des § 5b NÖ Kanalgesetz 1977 nicht von vornherein auszuschließen ist, erweist sich das durchgeführte Ermittlungsverfahren der Abgabenbehörden der Gemeinde als mangelhaft, da im angefochtenen Bescheid keine Feststellungen zu der Frage, ob ein Härtefall vorliegt, vorhanden sind. Dazu wurden auch keinerlei Ermittlungen durchgeführt.
Es wäre gemäß § 115 Abs. 1 BAO Aufgabe der Abgabenbehörden der mitbeteiligten Gemeinde gewesen, durch entsprechende Ermittlungen von Amts wegen festzustellen, ob ein offensichtliches Missverhältnis im Sinne des § 5b NÖ Kanalgesetz 1977 gegeben ist bzw. in welchem Ausmaß die Kanalbenützungsgebühr zu mindern wäre. Der in § 115 Abs. 1 BAO verankerte Amtswegigkeits- und Untersuchungsgrundsatz („Die Abgabenbehörden haben die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln …“) legt den Abgabenbehörden die Verpflichtung zur Ermittlung des entscheidenden tatsächlichen Sachverhaltes auf (vgl. VwGH 83/14/0183 mwN, und VwGH 2014/17/0003).
Die Rechtsnatur des § 5b NÖ Kanalgesetz 1977 begründet keine erhöhte Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen, wie dies etwa bei antragsbedürftigen begünstigenden Verwaltungsakten (wie der Gewährung von Nachsicht oder Stundung oder im Haftungsverfahren) der Fall wäre. Ein Abgabenpflichtiger hat einen Rechtsanspruch auf Verminderung der Kanalbenützungsgebühr, wenn die in § 5b Abs. 1 und 2 NÖ Kanalgesetz 1977 genannten Voraussetzungen zutreffen, ein darauf gerichteter Antrag ist nicht erforderlich (vgl. VwGH 94/17/0373). § 5b Abs. 1 und 2 NÖ Kanalgesetz 1977 zufolge sind der Gebührenanteil für die Schmutzwasserentsorgung dem tatsächlich aufgrund der Benutzung der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft für die Schmutzwasserentsorgung entstehenden Kostenaufwand gegenüberzustellen. Für die Gegenüberstellung sind grundsätzlich die jeweiligen Jahreswerte der genannten Ansätze maßgebend. Die Verminderung der Kanalbenützungsgebühr ist nur geboten, wenn die vorstehend angeführte Gegenüberstellung ein offensichtliches Missverhältnis offenbart. Das Missverhältnis muss zwischen dem Gebührenanteil für die Schmutzwasserentsorgung und den tatsächlich für die Schmutzwasserentsorgung entstehenden Kosten entstehen (vgl. VwGH 97/17/0460). Ein offensichtliches Missverhältnis iSd § 5b Abs. 1 NÖ Kanalgesetz 1977 liegt nach § 5b Abs. 2 NÖ Kanalgesetz 1977 jedenfalls dann vor, wenn die Schmutzfracht pro 300 m² Schmutzwasserberechnungsfläche bei widmungsgemäßer Verwendung geringer als ein Einwohnergleichwert ist. Was als offensichtliches Missverhältnis anzusehen ist, ist damit aber nicht abschließend geregelt. Nach der Rechtsprechung kann ein offensichtliches Missverhältnis vielmehr auch in anderen Fällen vorliegen.
Im angefochtenen Bescheid fehlen Feststellungen zu der Frage, ob ein Härtefall im Sinn des § 5b Abs. 1 NÖ Kanalgesetz 1977 vorliegt. Als Maßstab für das Vorliegen eines Missverhältnisses und das allfällige Ausmaß einer Gebührenreduktion sind die tatsächliche Inanspruchnahme der Kanalanlage durch die konkrete Liegenschaft einerseits und die sonst in der Gemeinde zu entrichtenden Gebühren andererseits heranzuziehen. Abgesehen davon, dass die Ermittlung der auf einer Liegenschaft anfallenden Schmutzfracht wohl zumindest dann die Einholung eines Sachverständigengutachtens erfordert, wenn deren Ausmaß strittig ist, hätte die belangte Behörde (zufolge § 115 Abs. 1 BAO von Amts wegen) den tatsächlich für die Schmutzwasserentsorgung entstehenden Kostenaufwand feststellen und diesen Kostenaufwand dem Gebührenanteil für die Schmutzwasserentsorgung gegenüberstellen müssen. Da solche Feststellungen in Verkennung der Rechtslage im angefochtenen Bescheid unterblieben sind, hat die belangte Behörde diesen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.
Die belangte Behörde wäre im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vielmehr verpflichtet gewesen, das Verhältnis zwischen den tatsächlich für die Schmutzwasserentsorgung entstehenden Kosten und dem Gebührenanteil für die Schmutzwasserentsorgung zu ermitteln. Gegenüberzustellen wäre die Kanalbenützungsgebühr je Einwohnergleichwert in Ansehung der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft einerseits, mit den im Gemeindegebiet durchschnittlich (für die Entsorgung einer der gleichen Zahl von Einwohnergleichwerten entsprechenden Schmutzfracht) entstehenden Kosten andererseits (vgl. VwGH 2000/17/0029). Da eine solche Gegenüberstellung nicht erfolgt ist, wurde der entscheidungswesentliche Sachverhalt unzureichend ermittelt. Eine Beurteilung der verfahrensgegenständlichen Rechtsfrage, ob und in welchem Ausmaß ein Härtefall gemäß § 5b Abs.1 NÖ Kanalgesetz 1977 vorliegt, kommt mangels ausreichender Klarheit über den Sachverhalt gar nicht erst in Betracht. Dementsprechend wäre auch das Ermittlungsverfahren noch zu ergänzen.
Wenngleich das Verwaltungsgericht nach Art. 130 Abs. 4 B-VG bzw. § 279 BAO grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden hat, gilt dies bei Ergänzungsbedürftigkeit des Ermittlungsverfahrens nicht schlechthin. Vielmehr besteht in derartigen Fällen aufgrund der genannten Bestimmungen in Zusammenschau mit § 278 Abs. 1 BAO eine Verpflichtung des Verwaltungsgerichtes zu einer solchen Ergänzung und einer darauf folgenden Sachentscheidung nur dann, wenn dies im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist, also das Verfahren insgesamt schneller oder kostengünstiger zu einem Abschluss gebracht werden kann. Davon kann jedenfalls dann nicht ausgegangen werden, wenn die belangte Behörde wesentliche Sachverhaltsermittlungen unterlassen hat, sodass in derartigen Fällen eine Verpflichtung des Verwaltungsgerichtes zur Sachentscheidung nicht besteht und es sich auf eine Aufhebung und Zurückverweisung der Sache zurückziehen kann (vgl. u.a. VwGH Ra 2015/16/0037und VwGH Ra 2015/15/0063). Die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 sieht in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinden ein grundsätzlich zweigliedriges Administrativverfahren mit nachgeordneter Kontrolle durch das Verwaltungsgericht und schließlich die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts vor, wobei es den Verwaltungsbehörden zukommt, den gesamten für die Entscheidung relevanten Sachverhalt zu ermitteln. Dieses System würde aber völlig unterlaufen, wenn es wegen des Unterbleibens eines Ermittlungsverfahrens in erster oder zweiter Instanz zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens vor das Verwaltungsgericht käme und die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen auf Gemeindeebene damit zur bloßen Formsache würde (vgl. u.a. VwGH 2002/20/0315 sowie VwGH 2013/21/0118). Es ist nämlich nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichtes, erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt zu ermitteln, käme es doch beim Unterbleiben eines Ermittlungsverfahrens durch die Abgabenbehörde zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens vor das Verwaltungsgericht. Die Aufgabe des Verwaltungsgerichtes liegt nicht darin, die Verwaltung zu führen, es übt vielmehr gegenüber der Verwaltung eine Kontrollfunktion aus. Es ist nicht im Sinne des Gesetzes und nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichtes, statt seine umfassende Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt – wenn auch nur in Teilaspekten – zu ermitteln und einer Beurteilung zu unterziehen (vgl. z.B. sinngemäß VwGH 2002/20/0315, zu § 66 Abs. 2 AVG; sowie UFS vom 22. Oktober 2008, Zl. RV/0496-G/08, zu § 289 Abs. 1 BAO).
Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. VwGH Ro 2014/03/0063, zu § 28 Abs. 3 VwGVG).
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei Durchführung dieser Ermittlungen ein anders lautender Bescheid zu erlassen wäre. Da die Abgabenbehörde keine für die Beurteilung einer maßgeblichen Rechtsfrage relevanten Feststellungen getroffen und damit die notwendigen Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat, sieh