Entscheidungsdatum
16.06.2021Norm
LVergabenachprüfungsG NÖ 2003 §16 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch seinen Vergabe-senat 5 unter dem Vorsitz von HR Mag. Dr. Schwarzmann und der weiteren Berufsrichter HR Mag. Dr. Becksteiner (Berichterstatter) und HR Mag. Marihart (Beisitzerin) sowie der fachkundigen Laienrichter Mag. Schrötter (Auftragnehmerseite) und Ing. D.WI.(FH) Haslehner (Auftraggeberseite) im Vergabeverfahren „***, Bodenmarkierungsarbeiten, AZ:***“ (öffentlicher Auftraggeber: Land Niederösterreich, ***, vertreten durch die A Rechtsanwälte GmbH in ***, ***) über den Antrag der Bietergemeinschaft „B“ (bestehend aus C Gesellschaft m.b.H. und D GmbH, vertreten durch die F Rechtsanwalts GmbH in ***, ***), auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung vom 14.04.2021 (mitbeteiligte Partei: „E GmbH, vertreten durch G Rechtsanwälte GmbH in ***, ***) nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:
1. Der Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung vom 14.04.2021 wird abgewiesen.
2. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig.
Rechtsgrundlagen:
§ 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG
§§ 1, 4, 6, 8, 13, 16 und 19 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz – NÖ VNG
§§ 78, 83, 137, 141 Bundesvergabegesetz 2018 – BvergG 2018
§§ 1, 2, 24a Abfallwirtschaftsgesetz 2002 – AWG 2002
§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG
Entscheidungsgründe:
Mit Schriftsatz vom 26.04.2021 hat die Bietergemeinschaft „B“ (bestehend aus C Gesellschaft m.b.H. und D GmbH, im Nachfolgenden: Antragstellerin) durch ihre ausgewiesene Rechtsvertreterin beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich im Vergabeverfahren „***, Bodenmarkierungsarbeiten, AZ: ***“ (öffentlicher Auftraggeber: Land Niederösterreich, p. A. *** in ***) einen Antrag auf Nachprüfung (Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung vom 14.04.2021) und auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gestellt.
Begründet werden die Anträge im Wesentlichen damit, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin („E Gesellschaft m.b.H.) die Vorrausetzungen gemäß Punkt 2.1.2 der Angebots-bestimmungen nicht erfüllen würde, konkret mangle es an der Eignung aufgrund fehlender Befugnis. Der Bieter müsse nämlich im Rahmen der Leistungserbringung auch das Wegschaffen von Materialien besorgen und somit spätestens zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe und in weiterer Folge während des gesamten Vergabeverfahrens die Erlaubnis zur Sammlung jener Abfälle gemäß § 24a AWG 2002 vorweisen können, die gemäß Leistungsverzeichnis wegzuschaffen sind. Laut elektronischem Datenmanagement – Umwelt (EDM–Portal) weise die präsumtive Zuschlagsempfängerin keine Sammlergenehmigung gemäß § 24a AWG 2002 für die erforderlichen Schlüsselnummern auf, auch der von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin geführte Subunternehmer verfüge laut EDM-Portal lediglich über die Genehmigung zum Sammeln von Bau- und Abbruchabfällen, nicht jedoch die Genehmigung für die Schlüsselnummer 55502 oder für Klebstoff- und Dichtmassenabfälle.
Das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin wäre daher jedenfalls auszuscheiden.
Des Weiteren habe in der Vergangenheit festgestellt werden müssen, dass öffentliche Auftraggeber die Bieter wiederholt zur Nachreichung von Unterlagen aufgefordert haben. Der Antragstellerin sei zwar nicht bekannt, ob im gegen-ständlichen Vergabeverfahren es zu Nachforderungen von Unterlagen gegenüber der präsumtiven Zuschlagsempfängerin gekommen ist, und wenn ja, ob es auch mehrfach zur Aufforderung zur Nachreichung solcher Unterlagen gekommen ist. Beantragt wird in diesem Zusammenhang die Nachprüfung dahingehend, ob der öffentliche Auftraggeber durch mehrfache Aufforderung zur Verbesserung des Angebotes oder zur Nachreichung von Unterlagen an die präsumtive Zuschlags-empfängerin den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Bieter verletzt habe.
Des Weiteren sei der Antragstellerin bekannt, dass die präsumtive Zuschlags-empfängerin einen öffentlichen Auftrag des Landes Oberösterreich betreffend Bodenmarkierungsarbeiten im Kalenderjahr 2018 nicht ordnungsgemäß ausgeführt habe. Es wären Mängel bei den Flächenmarkierungen ebenso aufgetreten wie bei Längsmarkierungen, daher sei es zu einer Ersatzvornahme auf Kosten der präsumtiven Zuschlagempfängerin (damals in ARGE mit der Firma H) gekommen, ebenso wäre ein Pönale im Rahmen der Schlussrechnung in Abzug gebracht worden. Dies sei auch vom Landesverwaltungsgericht Steiermark mit Urteil vom 06.02.2020, ***, gerichtlich festgestellt worden und deshalb auch die Zuschlagsentscheidung des Landes Steiermark über Bodenmarkierungsarbeiten zu Gunsten der präsumtiven Zuschlagsempfängerin aufgehoben worden.
Der Antragstellerin sei zwar bewusst, dass in einem später ergangenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark (***) das Gericht überzeugt werden konnte, dass eine vergaberechtliche „Selbstreinigung“ durch-geführt worden sei; interessanter Weise aber schon zu einem Zeitpunkt, der auch im früheren Verfahren *** ausreichend gewesen wäre.
Des Weiteren werde seitens der Antragstellerin vermutet, dass auch bei einem öffentlichen Auftrag durch das Land Niederösterreich (Bodenmarkierungsarbeiten im Baubezirk ***) der Auftrag durch die präsumtive Zuschlagsempfängerin nicht ordnungsgemäß erfüllt worden sei. Jedenfalls wäre vom öffentlichen Auftraggeber eine Verlängerungsoption nicht gezogen worden.
Überdies gehe die Antragstellerin davon aus, dass die präsumtive Zuschlags-empfängerin für den erwähnten öffentlichen Auftrag in Oberösterreich als auch jenen im Baubezirk *** Referenzbestätigungen nicht erhalten habe. Bezweifelt werde daher, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin die laut Ausschreibungs-bedingungen geforderte Anzahl an Referenzen erbringt.
Letztendlich weise der Gesamtpreis des Angebotes der präsumtiven Zuschlags-empfängerin keine plausible Zusammensetzung auf und hätte daher das Angebot gemäß § 141 Abs. 1 Z 3 BVergG 2018 ausgeschieden werden müssen. Bereits aus dem Angebotsöffnungsprotokoll sei zu ersehen, dass von den fünf abgegebenen Angeboten alle anderen Angebote eine Angebotssumme von mehr als € *** aufweisen. Das Angebot der Antragstellerin sei das zweitgünstigste nach jenem der präsumtiven Zuschlagsempfängerin. Der von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin angebotene Preis unterbiete das Angebot der Antragstellerin um gute 21 %. Aufgrund dieses auffallend niedrigen Preises hätte jedenfalls eine vertiefte Angebotsprüfung durchgeführt werden müssen. Der öffentliche Auftraggeber habe es daher entweder unterlassen dieses Angebot vertieft zu prüfen samt Preisange-messenheitsprüfung auf Basis einer sachkundigen Kostenschätzung oder wurde durch den öffentlichen Auftraggeber bei der Preisprüfung eine unrichtige Kostenschätzung zu Grunde gelegt und damit eine Notwendigkeit zur vertieften Angebotsprüfung nicht erkannt. Jedenfalls sei deswegen auch die Zuschlags-entscheidung für nichtig zu erklären. Hätte nämlich der öffentliche Auftraggeber eine vertiefte Angebotsprüfung samt Preisangemessenheitsprüfung vorgenommen, wäre die unplausible Zusammensetzung des Gesamtpreises des Angebotes der präsumtiven Zuschlagsempfängerin aufgefallen und das Angebot ausgeschieden worden.
Die Antragstellerin vermutet auch, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin ihren Preis nur dadurch niedrig kalkulieren habe können, dass sie entweder Lohnbestand-teile außer Acht gelassen oder den Material- oder Geräteaufwand vernachlässigt habe (immer davon ausgehend, dass nicht auch noch eine unterkollektivvertragliche Bezahlung vorliege).
Es werde daher aufgrund des niedrigen Preises davon ausgegangen, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin wesentliche Kostenbestandteile wie Lohn, Material- oder Gerätschaften, gar nicht oder nicht realistisch gebildet habe. Auch werde davon ausgegangen, dass der Gesamtpreis im Angebot nicht richtig in den K3, K4 und K7-Blättern aufgeschlüsselt ist oder diese Formblätter vom öffentlichen Auftraggeber gar nicht verlangt wurden. Da im Verfahren vor dem Landes-verwaltungsgericht Steiermark zur Zl. *** gerichtlich bestätigt worden sei, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin Gerätekosten nicht oder nicht verursachungsgerecht zuordenbar, also umgelagert, kalkuliert habe, werde auch jetzt davon ausgegangen, dass nur deswegen ein derart niedriger Preis angesetzt habe werden können, weil die genannte Bieterin Lohn und/oder Gerätekosten einfach nicht oder nicht in angemessener Höhe zum Ansatz gebracht habe.
Beantragt wurde die Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung vom 14.04.2021, die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung sowie die Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers, der Antragstellerin die für den Nachprüfungsantrag sowie den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung entrichteten Pauschal-gebühr binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu Handen der Antragstellerver-treterin zu ersetzen.
Darüber hinaus wurde die Erlassung einer einstweiligen Verfügung dahingehend beantragt, dass dem öffentlichen Auftraggeber untersagt werde, auf die Dauer des beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich anhängigen Nachprüfungs-verfahrens den Zuschlag zu erteilen.
Dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat das Landes-verwaltungsgericht Niederösterreich mit Beschluss vom 03.05.2021,
LVwG-VG-4/001-2021 stattgegeben und dem öffentlichen Auftraggeber untersagt, auf die Dauer des beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich anhängigen Nachprüfungsverfahrens den Zuschlag zu erteilen.
Die präsumtive Zuschlagsempfängerin hat nach Verständigung über den eingelangten Nachprüfungsantrag innerhalb offener Frist mit Schriftsatz vom 05.05.2021 begründete Einwendungen erhoben und somit die Parteistellung im gegenständlichen Vergabenachprüfungsverfahren behalten. Im Wesentlichen wird in diesen begründeten Einwendungen vorgebracht, dass „E“ in Übereinstimmung mit Punkt 2.1.2 der Ausschreibungsbedingungen auch einen Subunternehmer namhaft gemacht habe und dieser über die erforderlichen Erlaubnisse verfüge.
Hinsichtlich des Vorwurfes von erheblichen Mängeln bei früheren öffentlichen Aufträgen würden jedenfalls keine Mängel im Sinne von § 78 Abs. 1 Z 9 BVergG 2018 vorliegen, weder hinsichtlich des Auftrages in Oberösterreich noch hinsichtlich jenes in ***. Es liege jedenfalls keine relevante Störung des Vertrauens-verhältnisses vor. In beiden Fällen wäre es nicht zu einer vorzeitigen Beendigung des Auftragsverhältnisses gekommen. Darüber hinaus habe E zeitgerecht konkrete technische, organisatorische, personelle und sonstige Maßnahmen getroffen um Verfehlungen zu verhindern.
Zum Thema „Referenzen“ wird seitens der präsumtiven Zuschlagsempfängerin vorgebracht, dass im Zuge der Bieterfragenbeantwortung durch den öffentlichen Auftraggeber klargestellt worden sei, dass für den zu erbringenden Nachweis sämtliche Markierstoffklassen und Materialien gleichgesetzt sind und somit lediglich in Summe 1.800.000 lfm für alle Längsmarkierungen nachzuweisen sind. Die diesbezüglichen Nachweise würden vorliegen.
Letzten Endes wird zum Vorwurf der nichtplausiblen Zusammensetzung des Gesamtpreises vorgebracht, dass dieser Vorwurf zu Unrecht erhoben worden sei. Das eigene Angebot wäre vergabekonform kalkuliert, plausibel zusammengesetzt und betriebswirtschaftlich nachvollziehbar. Beantragt wurde daher die Abweisung des Nachprüfungsantrages ebenso wie die Nichtgewährung der Akteneinsicht durch die Antragstellerin in das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin.
Der öffentliche Auftraggeber hat durch seine ausgewiesene Rechtsvertreterin mit Schriftsatz vom 14.05.2021 zum Nachprüfungsantrag ebenso Stellung genommen und vorgebracht, dass dem Nachprüfungsantrag keine Berechtigung zukomme und die angefochtene Entscheidung vergaberechtskonform zustande gekommen sei. So habe die präsumtive Zuschlagsempfängerin den Nachweis der erforderlichen Befugnis ausschreibungskonform erbracht. Das Vorbringen betreffend möglicher Bieterungleichbehandlung stelle lediglich eine Vermutung dar und sei gänzlich unsubstantiiert, so dass auf dieses Vorbringen nach der Judikatur des Verwaltungs-gerichtshofes überhaupt nicht einzugehen sei.
Zum Vorwurf der fehlenden beruflichen Zuverlässigkeit argumentiert der öffentliche Auftraggeber dahingehend, dass bis zum nunmehrigen Vorbringen im Nachprüfungs-antrag hinsichtlich des öffentlichen Auftrages durch das Amt der Oberöster-reichischen Landesregierung keine konkrete Wahrnehmung betreffend § 78 Abs. 1 Z 9 BVergG 2018 vorgelegen sei, zumal dies ja einen anderen öffentlichen Auftraggeber betroffen habe. Selbst für den Fall, dass bei diesem öffentlichen Auftrag bzw. dessen Erfüllung erhebliche oder dauerhafte Mängel vorgelegen wären, hätte zwischenzeitig die präsumtive Zuschlagsempfängerin die erforderlichen Selbstreinigungsmaßnahmen iSd § 83 Abs. 2 BVergG 2018 getroffen. Hinsichtlich des Auftrages im Baubezirk *** lägen die Tatbestandsvoraus-setzungen gemäß § 78 Abs. 1 Z 9 BVergG 2018 schlicht nicht vor. Weder habe die präsumtive Zuschlagsempfängerin bei der Erfüllung einer wesentlichen Anforderung im Rahmen der Auftragserfüllung erhebliche oder dauerhafte Mängel erkennen lassen, noch erfolgte die vorzeitige Beendigung des Auftrages bzw. Schadenersatz-forderungen oder andere vergleichbare Sanktionen. Die tatsächlich aufgetretenen Mängel wären behoben worden, wären weder erheblich noch dauerhaft und hätten auch nicht zu einer vorzeitigen Beendigung des Auftrages geführt.
Auch das Nachprüfungsvorbringen zu den zwingend vorzulegenden Referenzen sei unzutreffend. Sämtliche geforderten Referenzen wären ausschreibungskonform erbracht worden.
Ebenso unzutreffend wäre der Vorwurf der nichtplausiblen Zusammensetzung des Gesamtpreises im Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin. Seitens des öffentlichen Auftraggebers sei sehr wohl eine vertiefte Angebotsprüfung durchgeführt worden, in deren Rahmen die Angemessenheit der Preise bestätigt worden wäre. Maßstab für die Preisprüfung sei die in den Ausschreibungsunterlagen festgelegte Leistung samt Umständen der Leistungserbringung, keinesfalls jedoch allein das Preisangebot eines Mitbewerbers oder eine Kostenschätzung des Auftraggebers. Trotz fehlender Verpflichtung für eine vertiefte Angebotsprüfung sei eine solche vom öffentlichen Auftraggeber vorgenommen worden. Das Gutachten habe die plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises bestätigt.
Noch vor Durchführung der öffentlichen mündlichen Nachprüfungsverhandlung hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 01.06.2021 replizierend vorgebracht, dass ihr der von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin geführte Subunternehmer bekannt sei. Dieser verfüge aber nicht über die Erlaubnis zur Sammlung von Abfällen gemäß § 24 AWG für die gegenständlichen Abfallarten. Wenngleich in der Ausschreibung die Schlüsselnummern nicht konkret angeführt seien, würde dies nicht bedeuten, dass sich die präsumtive Zuschlagsempfängerin die Schlüsselnummern aussuchen könne. Es sei unstrittig, dass Altfarben unter der Abfallschlüsselnummer 55502 zu entsorgen sind.
Sollte sich die präsumtive Zuschlagsempfängerin auf die Schlüsselnummer 55513 beziehen, so müsse dazu ausgeführt werden, dass diese Schlüsselnummer nur dann gelte, wenn die Abfälle nicht gefährlich sind. Sind diese gefährlich, so würden auch ausgehärtete Reste unter die Schlüsselnummer 55502 fallen.
Des Weiteren müsse berücksichtigt werden, dass Farbreste in Gebinden nicht vollständig aushärten, da die Aushärtung oxidativ erfolge. Lediglich die oberste Schicht im Eimer würde im Kontakt mit Sauerstoff aushärten und eine nahezu luftdichte Deckschicht bilden, wodurch der darunter befindliche Rest nicht mehr oder nur über Jahr aushärten würde.
Ebenso müsse berücksichtigt werden, dass verschieden Farbtöne zum Einsatz gelangten und daher immer wieder eine Reinigung der eingesetzten Maschinen vor Ort vorgenommen werden müsse. Die hier entstehenden Lackschlämme könnten wegen des verwendeten Lösungsmittels gar nicht aushärten und müssten daher zwingend unter der Schlüsselnummer 55503 entsorgt werden.
Auch werde die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht verkannt, wonach gänzlich unsubstantiiertes Vorbringen nicht zu berücksichtigen sei. Im gegen-ständlichen Fall würde von Antragstellerseite jedoch sehr wohl ein konkretes Vorbringen erstattet und um Nachprüfung ersucht; dies auch insbesondere zur Frage, ob die präsumtive Zuschlagsempfängerin vom öffentlichen Auftraggeber rechtswidrig mehrmals zur Verbesserung des Angebotes bzw. zur Nachreichung von Unterlagen aufgefordert worden ist.
Zur mangelnden Eignung wegen erheblicher Mängel bei der Erfüllung von früheren öffentlichen Aufträgen bringt die Antragstellerin ergänzend vor, dass sich das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich über die angeblich erfolgte Selbst-reinigung durchaus selbst ein Bild machen könne. Bemerkenswert sei in diesem Zusammenhang, dass im zweiten Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark mit einer Selbstreinigung argumentiert worden sei, die aber zeitlich bereits zu einem Zeitpunkt abgeschlossen gewesen sein soll, bevor das erste Nachprüfungsverfahren vor dem LVwG Steiermark überhaupt begonnen habe und diese angebliche Selbstreinigung in diesem ersten Verfahren aber nicht vorgebracht wurde.
Zur Thematik der plausiblen bzw. nichtplausiblen Zusammensetzung des Gesamt-preises beim Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin bringt die Antrag-stellerin vor, dass der Gesamtpreis immerhin um gute 20 % unter jenem Wert liege, von dem die Antragstellerin ausgehe und der vom öffentlichen Auftraggeber im Rahmen seiner hoffentlich sachkundige ex-ante Kostenschätzung ermittelt worden sei. Abweichungen von mehr als 12 % von der Kostenschätzung würden jedenfalls eine Verpflichtung zur Vornahme einer vertieften Preisangemessenheitsprüfung bewirken. Ein allfälliges Sachverständigengutachten wäre jedenfalls einer Nach-prüfung zugänglich.
Ebenso ginge die Antragstellerin nach wie vor davon aus, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin nicht die geforderten vier Referenzen mit Fertigstellungs-zeitpunkt in den letzten fünf Jahren nachweisen könne, wobei jede einzelne Referenz mindestens einen Auftragswert von € *** aufzuweisen habe und insgesamt 1.800.000 lfm Längsmarkierungen mit diesen Referenzen abgedeckt sein müssen.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat am 07.06.2021 eine öffentliche mündliche Vergabe-Nachprüfungsverhandlung durchgeführt, in deren Rahmen eine Beweisaufnahme durch Vorbringen der Parteienvertreter (teilweise über Befragung) und durch Einsicht in den gesamten Vergabe- und Nachprüfungsakt erfolgte.
Aufgrund dieser Beweisaufnahme ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
I) Allgemeine Feststellungen:
Das Bundesland Niederösterreich (vertreten durch die *** in ***, ***) ist öffentlicher Auftraggeber im Vergabeverfahren „***, Bodenmarkierungsarbeiten, AZ: ***“. Es handelt sich um einen Bauauftrag im Unterschwellenbereich, der im Rahmen eines offenen Verfahrens vergeben werden soll. Die Angebotsfrist endete am 10.11.2020, der Zuschlag wurde bis dato noch nicht erteilt und soll nach dem Bestangebots-prinzip erteilt werden.
Neben weiteren Bietern sind sowohl die antragstellende Nachprüfungswerberin als auch die präsumtive Zuschlagsempfängerin Bieter im gegenständlichen Vergabe-verfahren.
Der öffentliche Auftraggeber hat den Bietern am 14.04.2021 über das verwendete Vergabeportal mitgeteilt, dass der Zuschlag der Bieterin „I baugm“ (richtig wohl: „E Gesellschaft m.b.H.) in ***, ***, erteilt werden soll. Die Gesamtangebotssumme des Angebotes der präsumtiven Zuschlagsempfängerin beträgt € ***, die Gesamtangebotssumme der zweitgereihten Antragstellerin beträgt € ***.
II) Besondere Feststellungen:
a) Themenbereich „Abfall“:
Der öffentliche Auftraggeber verwendet im Ausschreibungstext für das Entfernen von Materialien von der Baustelle unterschiedliche Formulierungen, beispielsweise „Wegschaffen“.
Unter Punkt 2.1.2 „Nachweis der Befugnis“ der Angebotsbestimmungen findet sich die Vorgabe, dass die erforderliche berufliche Befugnis spätestens zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung sowie während der Durchführung des Vergabeverfahrens und der gesamten Auftragsabwicklung vorzuliegen hat und gem. § 81 BVergG 2018 nachzuweisen ist. Sofern im Leistungsumfang Positionen enthalten sind, im Rahmen derer das „Wegschaffen“ von Materialien zu besorgen ist, hat die Erlaubnis zur Sammlung von Abfällen gemäß § 24a AWG 2002 für jene Abfallarten vorzuliegen, die gemäß Leistungsverzeichnis wegzuschaffen sind. Ein Bescheid gemäß § 24a AWG 2002 oder ein Auszug aus dem elektronischen Datenmanagement-Umwelt (EDM-Portal) muss vorhanden sein und über Aufforderung vorgelegt werden. Soweit der Bieter für jene Abfallarten, die gem. Leistungsverzeichnis wegzuschaffen sind, selbst kein berechtigter Abfallsammler ist, hat er einen Subunternehmer mit der entsprechenden Erlaubnis namhaft zu machen.
Der Begriff „Wegschaffen“ findet sich im Leistungsverzeichnis - ***, Boden-markierungsarbeiten, LAKIS – Nr./AZ: ***, unter der Position 4310 (Vorarbeiten für Bodenmarkierungen – ständige Vorbemerkungen) unter Punkt 1. im letzten Satz mit der Formulierung „Rückstände, Altmaterial, Fräsgut und Gebinde sind vom Auftragnehmer auf seine Kosten, den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend, wegzuschaffen. Auf Verlangen des Auftraggebers muss die ordnungsgemäße Entsorgung nachgewiesen werden.“
Ebenso findet sich der Begriff „Wegschaffen“ unter zwei konkreten im Leistungs-verzeichnis aufscheinenden Positionen, nämlich „431003A“ und „431003B“. Bei diesen Positionen handelt es sich um „Reinigen Längsmarkierung Kehren“ und „Reinigen Flächenmarkierung Kehren“. Bei beiden Positionen ist vorgegeben das Reinigen von für die Längs- bzw. Flächenmarkierung vorgesehenen Bereichen der Fahrbahnoberfläche durch Kehren. Der für die Markierung vorgesehene Teil der Fahrbahnoberfläche ist mittels mechanischer Hilfsmittel (Kehrmaschine) von Resten des Streugutes bzw. von stark haftenden Verschmutzungen, die durch händisches Kehren nicht leicht zu entfernen sind, zu säubern. Diese Vorarbeiten werden nur vergütet, wenn sie vom Auftraggeber angeordnet werden. Die Leistung beinhaltet auch: die Aufnahme des geräumten Materials, das Wegschaffen des Materials.
Des weiteren findet sich der Begriff „Wegschaffen“ unter der Positionsnummer 4311 (Bodenmarkierungsstandardausführung – ständige Vorbemerkungen) unter Punkt 1., Seite 19, in der Formulierung „Rückstände, Altmaterial, Fräsgut und Gebinde sind vom Auftragnehmer auf seine Kosten, den gesetzlichen Bestimmungen ent-sprechend, wegzuschaffen. Auf Verlangen des Auftraggebers muss die ordnungs-gemäße Entsorgung nachgewiesen werden.“
Ebenso findet sich der Begriff „Wegschaffen“ unter der Positionsnummer 4312 (Bodenmarkierungen mit erhöhten Anforderungen – ständige Vorbemerkungen), Seite 40, in der Formulierung „Rückstände, Altmaterial, Fräsgut und Gebinde sind vom Auftragnehmer auf seine Kosten, den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend, wegzuschaffen. Auf Verlangen des Auftraggebers muss die ordnungsgemäße Entsorgung nachgewiesen werden.“
Des weiteren wird im Leistungsverzeichnis/EUR unter Punkt 2.17 der Begriff „Wegschaffen“ definiert. Es handelt sich dabei um
- das zweckdienliche Verwerten innerhalb oder außerhalb des Baustellenbereiches oder
- das Behandeln in dazu genehmigten Abfallbehandlungsanlagen oder
- das Entsorgen der Materialien auf vom AN beigestellten Deponien.
Gemäß Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG), Recycling-Baustoffverordnung (RBV) und Bundesabfallwirtschaftsplan (BAWP) ist die Kreislaufwirtschaft und Material-effizienz zu fördern und der Verwertung Vorrang einzuräumen. Wegschaffen beinhaltet die Transportleistung, die Stehzeiten des Transportgerätes wären des Ladens sowie das Abladen. Das Laden wird gesondert vergütet.
Soweit nicht anders festgelegt, findet mit dem Wegschaffen ein Eigentumsübergang des Materials in das Eigentum des AN statt und der AN wird damit zur umwelt-gerechten Verwertung oder Beseitigung explizit beauftragt.
Das Leistungsverzeichnis/EUR, Angebots LV/Lang-LV (ohne Preise) führt unter „ständige Vorbemerkungen“ in Punkt 1.6 Regelungen für die Verwertung von Abfall und anthropogenen Belastungen aus. Unter Punkt 1.6.7 (Nachweise der rechtskonformen Behandlung/Sammlung) heißt es:
„Der Auftragnehmer hat dem Auftraggeber vor dem Wegschaffen für das Sammeln oder Behandeln den Nachweis der Berechtigung gemäß AWG für nicht gefährliche Abfälle bzw. für gefährliche Abfälle zu erbringen. Der Auftragnehmer hat einen Nachweis für die rechtskonforme Behandlung oder Sammlung vorzulegen. Für den Fall der Behandlung vor Ort mittels Behandlungsanlagen sind zusätzlich die Genehmigungen gemäß AWG vorzulegen“.
b) Themenbereich „allfällig wiederholte Nachforderungen durch den öffentlichen Auftraggeber“:
Seitens des öffentlichen Auftraggebers ist es gegenüber der präsumtiven Zuschlagsempfängerin im Rahmen der Angebotsprüfung in drei verschiedenen Themenbereichen zu jeweils einer Aufforderung zur Nachreichung von Unterlagen gekommen, jeder dieser drei Aufforderungen wurde innerhalb der gesetzten Frist entsprochen.
Die vier geforderten und vorgelegten Referenznachweise wurden vor Ablauf der Angebotsabgabefrist ausgestellt.
c) Themenbereich „allfällig mangelnde Eignung wegen erheblicher Mängel bei der Erfüllung früherer öffentlicher Aufträge“:
Die präsumtive Zuschlagsempfängerin hat gemeinsam mit einem weiteren Unternehmen im Rahmen einer Bietergemeinschaft einen öffentlichen Auftrag (Bodenmarkierungsarbeiten) für das Bundesland Oberösterreich im Jahr 2018 abgewickelt. Die bei der Auftragserfüllung aufgetretenen Mängel haben letzten Endes den öffentlichen Auftraggeber nicht dazu veranlasst, die Auftragserfüllung durch den Zuschlagsempfänger vorzeitig zu beenden und damit die noch offene Auftragserfüllung durch Ersatzvornahme zu bewerkstelligen, ebenso wenig hat es zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und der auftragsdurchführenden Bieter-gemeinschaft eine gerichtliche Auseinandersetzung gegeben. Es erfolgte eine einvernehmliche Einigung dahingehend, dass im Rahmen der Schlussrechnung vom Gesamtauftragswert ein Anteil von rund 10 % in Abzug gebracht wurde. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin hat die Vorkommnisse bei dieser Auftrags-erfüllung zum Anlass genommen, verschiedene Änderungen bei der Abwicklung solcher Aufträge vorzunehmen (z.B. Beendigung von Dienstverhältnissen, innerbetriebliche Organisations- und Zuständigkeitsverschiebungen usw.)
Die präsumtive Zuschlagsempfängerin hat sich nach Abwicklung dieses öffentlichen Auftrages ein weiteres Mal beim Land Oberösterreich im Rahmen einer öffentlichen Auftragsvergabe für die Durchführung von Bodenmarkierungsarbeiten beworben und erfolgte keine Angebotsausscheidung. Eine Zuschlagserteilung erfolgte nicht, da das von der nunmehrigen präsumtiven Zuschlagsempfängerin gelegte Angebot nicht das Bestangebot war.
Zu allfälligen Mängeln bei der Erfüllung eines öffentlichen Auftrages durch das Land Niederösterreich im Baubezirk *** im Jahr 2019 wird festgestellt, dass es in diesem Zusammenhang weder zu einer vorzeitigen Auftragsbeendigung noch zu einer Preisminderung oder Schadenersatzforderungen gekommen ist. Lediglich eine Verlängerungsoption wurde vom Land Niederösterreich nicht geltend gemacht.
d) Themenbereich „Referenzen“:
Gemäß Punkt 2.1.5 der Ausschreibung hat jeder Bieter zum Nachweis seiner Eignung vier Referenzen über geleistete Arbeiten mit zur gegenständlichen Ausschreibung vergleichbarer technischer Spezifikation mit einem Auftragswert von jeweils mindestens € *** inkl. USt innerhalb der letzten fünf Jahre (Fertigstellungszeitpunkt) vorzulegen.
In Summe haben diese Referenzen
- Bodenmarkierungen auf Straßen mit öffentlichem Verkehr,
- mindestens 1,500.000 lfm Längsmarkierung aller MSK, aller Breiten, aller Bodenmarkierungsmaterialien, jedoch ausgenommen wasserverdünnter Farbe für MM und/oder RM,
- mindestens 300.000 lfm Längsmarkierung mit wasserverdünnbarer Farbe aller MSK, aller Breiten für MM und/oder RM,
- mindestens 3.000 m² Flächenmarkierung (SP, KP oder Rollplastik) aufzuweisen.
Im Rahmen einer Bieteranfragebeantwortung durch den öffentlichen Auftraggeber vom 29.10.2020 hat der öffentliche Auftraggeber allen Bietern mitgeteilt, dass Referenzen mit einer Gesamtsumme von 1,8 Mio. lfm an Längsmarkierungen, unabhängig von den verwendeten Materialien, ausreichend sind.
Die präsumtive Zuschlagsempfängerin hat vier Referenzen mit Fertigstellungs-zeitpunkt innerhalb der letzten fünf Jahre vorgelegt, die jeweils einen Auftragswert von zumindest € *** aufweisen, diese Referenzen stellen in Summe eine Leistung von Längsmarkierungen mit einem Gesamtwert von über 1,8 Mio. lfm und einer Flächenmarkierung von über 3.000 m² dar.
e) Themenbereich „Preisangemessenheit und Preisplausibilität“:
Die präsumtive Zuschlagsempfängerin hat in ihrem Angebot den Gesamtange-botspreis mit € *** (netto: € ***) ausgewiesen. Das Angebot der Antragstellerin weist einen Gesamtangebotspreis von € *** (netto: € ***) auf und liegt somit um rund 21 % über dem Angebotspreis der präsumtiven Zuschlagsempfängerin.
Seitens des öffentlichen Auftraggebers erfolgte hinsichtlich des Angebotes der präsumtiven Zuschlagsempfängerin eine vertiefte Angebotsprüfung durch Einholung eines Gutachtens mit Datum 09.03.2021, erstellt durch den Sachverständigen J. In diesem Gutachten mit Gegenstand einer vertieften Angebotsprüfung gemäß § 137 Abs. 3 BVergG 2018 wird die Aussage getroffen, dass das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin aus betriebswirtschaft-licher Sicht als angemessen, plausibel und erklärbar zu qualifizieren ist. Ebenso weist dieses Angebot eine plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises auf.
Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf die unbestrittene Aktenlage, insbesondere die Ausschreibungsunterlagen, teilweise auf das Parteienvorbringen und das schlüssige Gutachten des Sachverständigen J. Das Vorbringen der Antragstellerin stellt über weite Strecken lediglich theoretische Möglichkeiten und Vermutungen dar, die durch die übrigen Beweismittel keine Bestätigung fanden.
In rechtlicher Hinsicht ist der festgestellte Sachverhalt wie folgt zu beurteilen:
Die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich ergibt sich aus § 1 Abs. 3 NÖ Vergabenachprüfungsgesetz (NÖ VNG), zumal es sich bei der bekämpften Zuschlagsentscheidung um eine gesondert anfechtbare Entscheidung gemäß § 2 Z 15 lit. a sublit. aa BVergG 2018 handelt und ist dies auch unbestritten.
Zu den gemäß § 10 NÖ VNG erforderlichen Formalvoraussetzungen für einen Nachprüfungsantrag ist festzustellen, dass diese von der Antragstellerin ausreichend dargelegt wurden und wird dieser Umstand von den übrigen Verfahrensparteien auch nicht bestritten, weshalb sich detaillierte Ausführungen dazu erübrigen.
Gemäß § 16 Abs. 1 NÖ VNG hat das Landesverwaltungsgericht eine im Zuge eines Vergabeverfahrens ergangene gesondert anfechtbare Entscheidung eines Auftrag-gebers mit Erkenntnis für nichtig zu erklären, wenn
1. sie oder eine ihr vorangegangene nicht gesondert anfechtbare Entscheidung im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte rechtwidrig ist und
2. die Rechtswidrigkeit für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss ist.
Gemäß § 19 Abs. 3 leg.cit ist über einen Antrag auf Nichtigerklärung von Entscheidungen des Auftraggebers unverzüglich, längstens jedoch binnen acht Wochen nach Einlagen des Antrages zu entscheiden.
Die Antragstellerin bekämpft die Richtigkeit der Zuschlagsentscheidung zunächst mit dem Argument, dass im Rahmen des Wegschaffens von Materialien die Erlaubnis zur Sammlung von Abfällen gemäß § 24a Abfallwirtschafsgesetz 2002 erforderlich sei und die präsumtive Zuschlagsempfängerin einschließlich des von ihr herangezogenen Subunternehmers die behördliche Genehmigung für sämtliche anfallenden Abfälle (und deren Schlüsselnummern) nicht besitzen würde. Verwiesen wird in diesem Zusammenhang insbesondere auf die Schlüsselnummer 55502 (Altlacke, Altfarben, sofern lösungsmittel- und/oder schwermetallhaltig, sowie nicht vollausgehärtete Reste in Gebinden), weiters auf die Schlüsselnummer 55503 (Lack- und Farbschlamm) und allenfalls auch für die Schlüsselnummer 55905 (Leim- und Klebemittelabfälle, nicht ausgehärtet). Eine behördliche Bewilligung für Abfälle der Schlüsselnummer 55513 würde nur greifen, wenn die Abfälle grundsätzlich nicht gefährlich sind.
Nach Ansicht des erkennenden Verwaltungsgerichtes kann kein vernünftiger Zweifel darüber bestehen, dass sämtliche rechtlichen Ausführungen in den Ausschreibungs-unterlagen (insbesondere im Leistungsverzeichnis - ***, Bodenmarkierungsarbeiten, LAKIS-Nr./AZ: ***) sowohl im Rahmen der „ständigen Vorbemerkungen“ als auch zu zwei konkreten Einzelpositionen (Positionen 431003A und 431003B) zwingend vor dem Hintergrund der österreichischen Rechtsordnung im allgemeinen und den abfallrechtlichen Regelungen im Besonderen zu sehen sind.
Von besonderer Bedeutung sind im gegenständlichen Fall die Legaldefinitionen gem. § 2 AWG 2002.
Nach § 2 Abs. 6 Z. 1 AWG 2002 ist im Sinne dieses Bundesgesetzes „Abfallbesitzer“
a) der Abfallerzeuger oder
b) jede Person, welche die Abfälle innehat.
Gemäß § 2 Abs. 6 Z. 2 leg.cit ist „Abfallerzeuger“
a) jede Person, durch deren Tätigkeit Abfälle anfallen (Abfallersterzeuger), oder
b) jede Person, die Vorbehandlungen, Mischungen oder andere Arten der Behandlung vornimmt, die eine Veränderung der Natur oder Zusammensetzung dieser Abfälle bewirken.
Gemäß § 2 Abs. 6 Z. 3 leg.cit ist „Abfallsammler“ jede Person, die von Dritten erzeuge Abfalle selbst oder durch andere
a) abholt,
b) entgegennimmt oder
c) über deren Abholung oder Entgegennahme rechtlich verfügt.
Gemäß § 2 Abs. 6 Z. 4 leg.cit ist „Abfallbehandler“ jede Person, die Abfälle verwertet oder beseitigt.
Bei den zitierten Bestimmungen handelt es sich um Normen des öffentlichen Rechtes und damit – sofern gesetzlich nicht Gegenteiliges angeordnet ist – um zwingende Normen, welche auch durch allfällige entgegenstehende Regelungen in Ausschreibungsbedingungen nicht abgeändert werden können.
Die präsumtive Zuschlagsempfängerin verwendet bei der Erfüllung des ausgeschriebenen öffentlichen Auftrages die von ihr beigestellten (und im Angebot auch einkalkulierten) Materialien (z.B. Farben) und Geräte.
Für bei diesen Tätigkeiten (Aufbringung von Bodenmarkierungen, Reinigung der dabei verwendeten Maschinen usw.) allfällig anfallenden Abfällen und auch gefährlichen Abfällen (z. B. Farbreste, Reste von Lösungsmitteln) ist das den öffentlichen Auftrag durchführende Unternehmen aufgrund der eindeutigen Legaldefinition nach § 2 Abs. 6 Z 1 lit. a und Z 2 lit. a AWG 2002 Abfallerzeuger (Abfallersterzeuger) und damit Abfallbesitzer. Schließlich fallen solche Abfälle durch die Tätigkeit des den öffentlichen Auftrag durchführenden Unternehmens an und nicht durch die „Tätigkeit“ des öffentlichen Auftraggebers. Würde das den öffentlichen Auftrag durchführende Unternehmen entsprechend der Rechtsansicht der Antragstellerin als „Abfallsammler“ anzusehen sein, hätte dies im Umkehrschluss zur Folge, dass im Hinblick auf die Definition von § 2 Abs. 6 Z 3 leg. cit. bei den allfälligen Abfällen es sich um solche handelt, die von einem Dritten (dem öffentlichen Auftraggeber) erzeugt worden wären. Dies trifft aber unzweifelhaft für jene Abfälle, die der Sphäre des Auftragnehmers zuzurechnen sind (die vom Auftragnehmer verwendeten Farben, Lösungsmittel), eindeutig nicht zu.
Gegenstand des die Grundlage dieses Nachprüfungsverfahrens bildenden öffentlichen Auftrages ist die Durchführung von Bodenmarkierungsarbeiten. Dabei sind vom ausführenden Unternehmen die dazu erforderlichen Mittel (z. B. Farben, Lösungsmittel, diverse Maschinen usw.) beizustellen und ist dieser Umstand im Angebot durch die jeweiligen Bieter mitzukalkulieren.
Dies bedeutet in rechtlicher Hinsicht, dass für sämtliche Abfälle – unabhängig ob gefährlich oder nicht -, die der Sphäre des den Auftrag durchführenden Unternehmens entstammen (z. B. Abfälle von Farben, von Lösungsmitteln, Abfälle im Rahmen von Maschinenreinigungen, temporär aufgeklebte und wieder abgezogene Bodenmarkierungen usw.), das den öffentlichen Auftrag durchführende Unternehmen aufgrund der eindeutigen Legaldefinition nach § 2 Abs. 6 Z. 1 lit. a und Z. 2 lit. a AWG 2002 Abfallerzeuger (Abfallersterzeuger) ist. Damit ist aber hiefür eine Erlaubnis gem. § 24a AWG 2002 zum Sammeln oder Behandeln von Abfällen – auch von gefährlichen Abfällen - nicht erforderlich.
Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass die von der Antragstellerin behauptete fehlende Eignung in Folge des Fehlens einer entsprechenden Bewilligung gemäß § 24a AWG 2002 unzutreffend ist.
Zur rechtlichen Beurteilung von Abfällen, die der Sphäre des öffentlichen Auftrag-gebers entstammen, ist auszuführen:
Gemäß § 2 Abs. 6 Z. 2 lit. a AWG 2002 ist Abfallerzeuger jede Person, durch deren Tätigkeit Abfälle anfallen. Zu klären ist daher, ob unter der vom Gesetzgeber verwendeten Formulierung „durch deren Tätigkeit“ die unmittelbare Arbeitsaus-führung durch das Unternehmen zu verstehen ist oder nicht, bejahendenfalls wäre dieses Unternehmen ebenfalls als Abfallersterzeuger hinsichtlich der Abfälle aus der vor Arbeitsbeginn vorzunehmenden Fahrbahnreinigung anzusehen, gleiches gilt für das Fräsgut. Unter Berücksichtigung der zu dieser Thematik ergangenen Judikatur ist jedoch unter der Formulierung „durch deren Tätigkeit“ nicht die unmittelbare Arbeitsausführung zu verstehen, sondern die Auftragserteilung durch den Bauherrn, in concreto durch den öffentlichen Auftraggeber (vgl. VwGH 28.05.2019,
Ro 2018/05/0019; 30.03.2020, Ro 2019/05/0015 u.a.).
Damit ist grundsätzlich das die Bodenmarkierungsarbeiten durchführende Unternehmen für Abfälle, die der Sphäre des öffentlichen Auftraggebers entstammen und die vom ausführenden Unternehmen von der Baustelle weggeschafft werden, als Abfallsammler anzusehen. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang jedoch § 24a Abs. 2 Z. 11 AWG 2002 (eingefügt mit der AWG-Rechtsbereinigungsnovelle 2019, BGBl. 71/2019, Inkrafttretensdatum 01.08.2019). Nach dieser Bestimmung unterliegen der Erlaubnispflicht nicht Personen, die aus Anlass einer wirtschaftlichen Tätigkeit, die nicht auf die Sammlung von Abfällen gerichtet ist, wie zB Reparaturen, Instandhaltungen, Wartungsarbeiten, Gartenarbeiten, Abbruch- oder Aushub-arbeiten, im Zuge der Ausführung eines Auftrages, anfallende Abfälle Dritter übernehmen und nachweislich einem berechtigten Abfallsammler oder -behandler übergeben. Gerade diese Fallkonstellation liegt gegenständlich vor. Die wirtschaft-liche Tätigkeit des Unternehmens ist auf die Aufbringung von Bodenmarkierungen auf Fahrbahnen gerichtet und nicht auf die Abfallsammlung. Damit benötigt das den Auftrag ausführende Unternehmen auch für Abfälle, die der Sphäre des öffentlichen Auftraggebers entstammen, keine Erlaubnis gem. § 24a AWG 2002, wenn diese Abfälle einem berechtigten Abfallsammler oder –behandler übergeben werden. Dass ein derartiger Abfallsammler oder –behandler bereits im Angebot bekanntzugeben ist, ist nicht nur den Ausschreibungsunterlagen nicht zu entnehmen, sondern ist sogar das Gegenteil geregelt: In den Vorbemerkungen des Leistungsverzeichnisses findet sich – wie in den Feststellungen dargelegt – wiederholt die Formulierung: „Rückstände, Altmaterial, Fräsgut und Gebinde sind vom Auftragnehmer auf seine Kosten, den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend, wegzuschaffen. Auf Verlangen muss die ordnungsgemäße Entsorgung nachgewiesen werden.“ Dies kann aber nur im Rahmen der Auftragsabwicklung zutreffen.
Unabhängig von der Ausnahmebestimmung des § 24a Abs. 2 Z. 11 AWG 2002 ist zu den typischerweise aus der Sphäre des öffentlichen Auftraggebers entstammenden Abfällen (Straßenverschmutzung, Fräsgut) noch ergänzend auszuführen:
Die von der Antragstellerin behauptete Qualifizierung dieser Abfälle (insbesondere des Fräsgutes wegen alter Bodenmarkierunen) als gefährlicher Abfall ist unzu-treffend. Fräsgut – auch mit alten Bodenmarkierungen behaftet – wird grundsätzlich als nicht gefährlicher Abfall eingestuft, da die Altfarben und allfällige Harze selbstverständlich vollständig ausgehärtet bzw. die ursprünglichen Lösungsmittel ausgedampft sind. Die gegenteilige Beurteilung wäre geradezu gleichheitswidrig, zumal vollständig ausgehärtete Farbreste in Gebinden nicht mehr als gefährlich und damit nicht mehr unter die Schlüsselnummer 55502 eingestuft werden. Zusammenfassend ist daher zu diesem Vorbringen der Antragstellerin auszuführen, dass auf Grund der dargelegten Sach- und Rechtslage das den öffentlichen Auftrag durchführende Unternehmen nicht über eine Erlaubnis zum Sammeln von Abfällen bzw. gefährlichen Abfällen verfügen muss, insbesondere nicht für (gefährliche) Abfälle der Schlüsselnummern 55502, 55503 und 55905.
Zum weiteren Vorbringen der Antragstellerin, wonach möglicherweise der öffentliche Auftraggeber die präsumtive Zuschlagempfängerin unzulässigerweise mehrmals zur Nachreichung von Unterlagen aufgefordert habe, ist auszuführen:
Zunächst ist unmissverständlich darauf zu verweisen, dass die Antragstellerin sich lediglich auf Vermutungen beschränkt und für diese Vermutungen keine substantiierte Grundlage liefert. Tatsächlich hat das Ermittlungsverfahren bzw. die Beweisaufnahme ergeben, dass zu einzelnen Themenbereichen (insgesamt drei) jeweils eine Aufforderung des öffentlichen Auftraggebers an die präsumtive Zuschlagsempfängerin erging und diesen Aufforderungen fristgerecht entsprochen wurde. Damit geht auch dieses Vorbringen ins Leere.
Zum Erfordernis der Referenzen (vier Referenzen mit einem jeweiligen Mindest-auftragswert inkl. MwSt. von € 650.000,--, Fertigstellung nicht länger zurückliegend als fünf Jahre und Gesamtbodenmarkierungsleistung von 1,8 Mio. Lfm. Längs-markierung und mindestens 3.000 m² Flächenmarkierung) hat die präsumtive Zuschlagsempfängerin diese Referenzen über erste Aufforderung fristgerecht vorgelegt. Dies ist zulässig, da gemäß § 80 Abs. 2 BVergG 2018 der Bewerber oder Bieter im Unterschwellenbereich seine Eignung durch eine vereinfachte Eigenerklärung erfüllt, wenn er die festgelegten Nachweise auf Aufforderung unverzüglich beibringen kann. Gerade diese Konstellation trifft gegenständlich zu.
Selbst unter der theoretischen Annahme, dass die nicht sofortige Vorlage der Referenznachweise mit dem Angebot selbst ein Angebotsmangel gewesen wäre, so müsste dieser Mangel jedenfalls als behebbarer Mangel eingestuft werden. Gemäß
§ 138 Abs. 1 BVergG 2018 hat der öffentliche Auftraggeber vom Bieter eine verbindliche Aufklärung zu verlangen, wenn sich bei der Prüfung der Angebote Unklarheiten über das Angebot oder über die geplante Art der Durchführung der Leistung ergeben oder Mängel festgestellt werden. Gemäß § 138 Abs. 2 leg. cit. darf die durch die erfolgte Aufklärung allenfalls veranlasste weitere Vorgangsweise die Grundsätze der §§ 20 Abs. 1, 112 Abs. 3, 113 Abs. 2 und 139 nicht verletzen. Durch die fristgerechte Nachreichung der (vor Ende der Angebotsabgabefrist ausgestellten) Referenznachweise über erste Aufforderung werden die erwähnten Grundsätze (insbesondere Gleichbehandlung aller Bewerber und Bieter) jedenfalls nicht verletzt. Damit liegt im Hinblick auf die laut Ausschreibung geforderten Referenzen jedenfalls ein Ausscheidungsgrund gem. § 141 Abs. 1 (insbesondere nach Z. 7) BVergG 2018 nicht vor.
Hinsichtlich des Vorbringens, dass das Angebot der präsumtiven Zuschlags-empfängerin gemäß § 78 Abs. 1 Z. 9 BVergG 2018 ausgeschieden hätte werden müssen, ist auszuführen:
Gemäß § 78 Abs. 1 Z. 9 BVergG 2018 hat der öffentliche Auftraggeber – unbeschadet der Absätze 3 bis 5 – einen Unternehmer jederzeit von der Teilnahme am Vergabeverfahren auszuschließen, wenn der Unternehmer bei der Erfüllung einer wesentlichen Anforderung im Rahmen eines früheren Auftrages oder Konzessions-vertrages erhebliche oder dauerhafte Mängel erkennen lassen hat, die die vorzeitige Beendigung dieses früheren Auftrages oder Konzessionsvertrages, Schadenersatz oder andere vergleichbare Sanktionen nach sich gezogen haben.
Gemäß § 83 Abs. 1 BVergG 2018 hat der öffentliche Auftraggeber der Beurteilung der beruflichen Zuverlässigkeit des Unternehmens insbesondere die gemäß § 82 Abs. 2 verlangten Nachweise und die gemäß § 82 Abs. 3 eingeholten Auskünfte zugrunde zu legen. Ergibt sich aus diesen Bescheinigungen, dass eine rechtskräftige Gerichts- oder Verwaltungsentscheidung im Sinne des § 78 Abs. 1 Z. 1 oder 6 lit. a vorliegt oder erlangt der öffentliche Auftraggeber auf andere Weise von einem solchen Urteil, einer solchen Verfehlung oder vom Vorliegen eines Ausschluss-grundes gemäß § 78 Abs. 1 oder 2 nachweislich Kenntnis, so ist der Unternehmer mangels Zuverlässigkeit vom Vergabeverfahren auszuschließen, es sei denn, die Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 bis 5 liegen vor oder der Unternehmer macht glaubhaft, dass er trotz des Vorliegens eines Ausschlussgrundes zuverlässig ist.
Die Gesetzesmaterialien verweisen in diesem Zusammenhang u. a. auf EG 101 der RL 2014/24/EU, welcher erhebliche Mängel näher beschreibt. Es handelt sich dabei etwa um einen Lieferausfall oder Leistungsausfall, erhebliche Defizite der gelieferten Waren oder Dienstleistungen, die sie für den beabsichtigten Zweck unbrauchbar machen, oder Fehlverhalten, das ernste Zweifel an der Zuverlässigkeit des Wirtschaftsteilnehmers aufkommen lässt. Der in diesem Zusammenhang in der RL verwendete Begriff der „erheblichen oder dauerhaften Mängel“ ist unionsrechtlich auszulegen und nicht nach österreichischen zivilrechtlichen Verständnis.
Die Antragstellerin beschränkt sich auch zu diesem Vorbringen über weite Strecken auf Vermutungen und unsubstantiierte Behauptungen. Der vom erkennenden Verwaltungsgericht durchgeführten Beweisaufnahme ergibt sich, dass hinsichtlich des Auftrages des Bundeslandes Niederösterreich (Baubezirk ***) keine erheblichen oder dauerhaften Mängel erkennbar waren, geschweige denn solche, die die vorzeitige Beendigung des Auftrages, Schadenersatz oder andere vergleichbare Sanktionen nach sich gezogen hätten. Seitens des öffentlichen Auftraggebers wurde lediglich von der Möglichkeit einer Verlängerungsoption des Vertrages nicht Gebrauch gemacht. Damit sind die Voraussetzungen von § 78 Abs. 1 Z. 9 leg.cit nicht einmal näherungsweise erfüllt.
Zur Auftragsabwicklung (öffentlicher Auftraggeber Bundesland Oberösterreich) ist auszuführen, dass dieser Auftrag jedenfalls nicht vorzeitig beendet wurde (somit auch keine Ersatzvornahme erfolgte), ebenso wenig wurden schadenersatzrecht-liche Ansprüche gestellt. Einzige Konsequenz war die Reduzierung der Schlussrechnung um rund 10 %. Auch hat das Bundesland Oberösterreich die präsumtive Zuschlagsempfängerin bzw. deren Angebot bei einer nachfolgenden öffentlichen Ausschreibung nicht ausgeschieden.
Damit liegen auch dazu im Hinblick auf § 78 Abs. 1 Z. 9 BVergG 2018 nicht einmal ansatzweise ausreichende Umstände vor, die zu einem Ausscheiden des Angebotes führen müssten. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin auf Grund der Vorfälle im Zuge der Auftragserfüllung in Oberösterreich durchaus bedeutsame Maßnahmen – insbesondere in organisatorischer und personeller Hinsicht – getroffen hat.
Letztendlich bringt die Antragstellerin vor, dass das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin wegen einer nicht plausiblen Preisgestaltung ausgeschieden hätte werden müssen, auch hier stellt die Antragstellerin zahlreiche Behauptungen in substanzloser Weise in den Raum.
Dazu ist wie folgt auszuführen:
Auf Basis des Gesamtpreises der präsumtiven Zuschlagsempfängerin liegt der Angebotspreis der zweitgereihten Antragstellerin um rund 21 % höher (= auf Basis des Gesamtpreises des Angebotes der Antragstellerin liegt der Gesamtangebots-preis des Angebotes der präsumtiven Zuschlagsempfängerin um rund 17 % niedriger).
Gemäß § 137 Abs. 1 BVergG 2018 ist die Angemessenheit der Preise in Bezug auf die ausgeschriebene oder alternativ angebotene Leistung und unter Berücksichti-gung aller Umstände, unter denen sie zu erbringen sein wird, zu prüfen. Dabei ist von vergleichbaren Erfahrungswerten, von sonst vorliegenden Unterlagen und von den jeweils relevanten Marktverhältnissen auszugehen.
Gemäß § 137 Abs. 2 leg.cit muss der öffentliche Auftraggeber Aufklärung über die Positionen des Angebotes verlangen und gemäß Abs. 3 vertieft prüfen, wenn
1. Angebote einen im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrigen Gesamtpreis aufweisen, oder
2. Angebote zu hohe oder zu niedrige Einheitspreise in wesentlichen Positionen aufweisen, oder
3. nach der Prüfung gemäß Abs. 1 begründete Zweifel an der Angemessenheit von Preisen bestehen.
Gemäß § 137 Abs. 3 leg.cit ist bei einer vertieften Angebotsprüfung zu prüfen, ob die Preise betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar sind.
Der öffentliche Auftraggeber hat den Gesamtangebotspreis der präsumtiven Zuschlagsempfängerin zum Anlass für eine vertiefte Angebotsprüfung im Sinne von § 137 Abs. 3 BVergG 2018 genommen und diese vertiefte Angebotsprüfung in Form der Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen J (Datum des Gutachtens 09.03.2021) vorgenommen. Dieses ausführliche und in sich schlüssige Gutachten gelangt letzten Endes zum Ergebnis, dass das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin aus betriebswirtschaftlicher Sicht als angemessen, plausibel und erklärbar zu qualifizieren ist. Dieses Angebot weist eine plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises auf.
Dem diesbezüglichen Vorbringen der Antragstellerin ist damit in ausreichendem Maße entgegengetreten worden. Aufgrund der Schlüssigkeit dieses Gutachtens sieht das erkennende Verwaltungsgericht keine Veranlassung, ein weiteres Gutachten zu diesem Thema einzuholen, zumal sich die diesbezüglichen Ausführungen der Antragstellerin auf Mutmaßungen beschränken.
Zusammenfassend ist daher auszuführen, dass sich – wie dargelegt - das gesamte Vorbringen der Antragstellerin als nicht stichhaltig erweist und die bekämpfte Zuschlagsentscheidung rechtsrichtig vorgenommen wurde.
Der Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung war daher abzuweisen. Über den Antrag auf Ersatz der entrichteten Pauschalgebühr wird noch mit gesondertem Beschluss entschieden werden, da hiefür gemäß § 4 Abs. 8 NÖ VNG die Zuständigkeit eines Einzelrichters besteht.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Entscheidung nicht von einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt, ebenso wenig ist von fehlender oder divergierender Judikatur auszugehen. Somit ist nur die außerordentliche Revision zulässig.
Mit der Zustellung dieser Entscheidung tritt die erlassene einstweilige Verfügung selbständig außer Kraft, ohne dass es hiezu eines gesonderten Beschlusses bedarf.
Schlagworte
Vergabe; Nachprüfung; Nichtigerklärung; Zuschlagsentscheidung; Bodenmarkierungsarbeiten; Eignung; Eignungsnachweis; Befugnis; Aufforderung; Referenzen; Angemessenheit; vertiefte Angebotsprüfung; Sachverständiger;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.VG.4.002.2021Zuletzt aktualisiert am
18.01.2022