TE Lvwg Erkenntnis 2021/7/26 LVwG-VG-7/002-2021

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Veröffentlicht am 26.07.2021
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Entscheidungsdatum

26.07.2021

Norm

LVergabenachprüfungsG NÖ 2003 §6 Abs1
LVergabenachprüfungsG NÖ 2003 §16 Abs1
BVergG 2018 §143 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch den Vergabesenat 7 unter dem Senatsvorsitz des Richters Mag. Robert Schnabl und den weiteren Richterinnen Mag. Barbara Steger als Berichterstatterin und HR Mag. Daniela Marihart als Beisitzerin sowie den Laienrichtern Univ.-Prof. DI Peter Bauer und DI Josef Bichler betreffend den am 21.05.2021 beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich eingelangten Antrag der Bietergemeinschaft A GmbH und B GmbH als Antragstellerin, beide in ***, ***, vertreten durch die C Rechtsanwälte GmbH & CoKG, ***, ***, auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung der D GmbH als öffentliche Auftraggeberin, ***, ***, vertreten durch die E Rechtsanwälte GmbH, ***, ***, (vergebende Stelle: F, ***, ***), vom 11.05.2021, betreffend das Angebot der Bietergemeinschaft G GmbH / H GmbH / I GmbH als präsumtive Zuschlagsempfängerin, alle p.A. ***, ***, vertreten durch die L Rechtsanwälte GmbH & CoKG, ***, ***, im Vergabeverfahren „Reinigungsdienstleistungen 2021“, durch Verkündung der Entscheidung im Anschluss an die öffentliche mündliche Nachprüfungsverhandlung vom 05.07.2021

zu Recht erkannt:

1.    Dem Antrag der Bietergemeinschaft A GmbH und B GmbH vom 21.05.2021 auf Nichtigerklärung wird gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 Z 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) Folge gegeben und die Zuschlagsentscheidung vom 11.05.2021 für nichtig erklärt.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Wesentliche Entscheidungsgründe:

Unstrittig ist zunächst, dass die D GmbH öffentliche Auftraggeberin im Sinne des 4 Abs. 1 BVergG 2018 ist und das gegenständliche Vergabeverfahren gemäß Art. 14b Abs. 2 B-VG in den Vollziehungsbereich des Landes Niederösterreich fällt. Bei der angefochtenen Entscheidung handelt es sich unstrittig auch um eine Zuschlagsentscheidung, welche bei Durchführung eines Verhandlungsverfahrens im Sinne des § 2 Z 15 lit. a) sublit. dd) BVergG 2018 eine gesondert anfechtbare Entscheidung darstellt.

Gemäß § 12 Abs. 1 NÖ VNG hat die Antragstellung auf Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung binnen 10 Tagen ab Übermittlung bzw. Bereitstellung der Entscheidung bzw. ab der erstmaligen Verfügbarkeit der Bekanntmachung zu erfolgen. Ohne zunächst auf das Vorbringen der präsumtiven Zuschlagsempfängerin im Hinblick auf eine Verfristung des Nachprüfungsantrages in Bezugnahme auf das E-Mail der öffentlichen Auftraggeberin vom 06.05.2021 betreffend den Ablauf der Letztangebotsfrist einzugehen, ist wiederum unbestritten und aktenevident, dass jedenfalls der gegenständliche Nachprüfungsantrag innerhalb der zehntägigen Frist ab Übermittlung der Zuschlagsentscheidung an die Antragstellerin gestellt wurde.

Von der öffentlichen Auftraggeberin wurde die fehlende Antragslegitimation der Antragstellerin eingewendet, dies deshalb, da das Letztangebot der Antragstellerin den Ausschreibungsunterlagen, konkret den bestandfesten Kalkulationsvorgaben, widersprechen würde und daher auszuscheiden wäre, sodass der Antragstellerin aus der Nichterteilung des Zuschlages an sie auch kein Schaden entstehen könne.

Aus dem durchgeführten Ermittlungsverfahren ergibt sich – und wurde Gegenteiliges von der öffentlichen Auftraggeberin auch zu keinem Zeitpunkt behauptet –, dass das Angebot der Antragstellerin nicht und demnach auch nicht rechtskräftig ausgeschieden wurde. Nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung kommt aber einem Bieter jedenfalls die Antragslegitimation solange zu, solange er nicht bestandfest ausgeschieden wurde (vgl. EuGH 24.03.2021, C-771/19, Nama u.a.; EuGH 05.04.2016, C-355/15, Caverion, EuGH 11.05.2017, C-131/16, Archus und Gama; VwGH 24.02.2010, 2009/04/0209; VwGH 22.06.2011, 2009/04/0128; VwGH 21.01.2014, 2011/04/0003). Der drohende Schaden des diesbezüglichen Bieters – auch wenn eventuell dessen eigene Angebot auszuscheiden gewesen wäre – liegt insbesondere am frustrierten Interesse an der Neuausschreibung des Vergabeverfahrens bzw. im Entfall der Möglichkeit des Erhalts des Zuschlags in diesem Folgeverfahren. Im Übrigen würde andernfalls dem betreffenden Bieter ein wirksamer Rechtschutz gegen die Ausscheidung seines Angebotes genommen. Die Antragslegitimation der Antragstellerin ist konkret daher jedenfalls zu bejahen, ohne auf die Frage eingehen zu müssen, ob deren eigenes Angebot den Ausschreibungsunterlagen entsprach.

Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin erfüllt auch – dies im Übrigen auch unbestritten – sämtlichen weiteren Formalerfordernisse. Die gemäß § 21 NÖ VNG zu entrichtenden Pauschalgebühren für das Nachprüfungsverfahren in der Höhe von 2.400,-- Euro wurden ordnungsgemäß von der Antragstellerin entrichtet. Der Antrag erfüllt die Inhaltserfordernisse gemäß § 10 Abs. 1 NÖ VNG und hat die Antragstellerin, die auch nachvollziehbar im Geschäftsbereich der gegenständlich ausgeschriebenen Leistungen tätig ist, ihr Interesse am Vertragsabschluss ausreichend glaubhaft gemacht.

Gemäß § 143 Abs. 1 BVergG 2018 hat der öffentliche Auftraggeber den im Vergabeverfahren verbliebenen Bietern mitzuteilen, welchem Bieter der Zuschlag erteilt werden soll, wobei in dieser Mitteilung unter anderem die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes bekannt zu geben sind, soweit dadurch nicht berechtigten Interessen anderer zuwidergehandelt wird. Die Antragstellerin stützt ihren Antrag auf Nichtigerklärung unter anderem nun darauf, dass die angefochtene Zuschlagsentscheidung unzureichend begründet worden wäre, da sie nicht den Vorgaben des § 143 Abs. 1 BVergG 2018 entsprechen würde.

Die Begründung einer Zuschlagsentscheidung muss die Überlegungen des öffentlichen Auftraggebers so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die betroffenen Bieter die Gründe dafür entnehmen und ihre Rechte geltend machen können (EuGH 25.02.2003, T-4/01, Renco/Rat Slg. 2003 II-00171). Es handelt sich diesbezüglich um eine Bringschuld des Auftraggebers, dh es ist nicht die Aufgabe des Bieters, diese Informationen beim Auftraggeber oder im Wege eines Nachprüfungsverfahrens zu beschaffen (BVA 16.03.2011, N/0011-BVA/10/2011-40).

Eine Zuschlagsentscheidung ist dann objektiv mit Rechtswidrigkeit behaftet, wenn die Zuschlagsentscheidung nicht jene Begründungstiefe enthält, die ein Bieter zur Einbringung eines berechtigten Nachprüfungsantrages benötigt (VwGH 21.01.2014, 2011/04/0133; VwGH 09.04.2013, 2011/04/0173). So entspricht etwa eine Zuschlagsentscheidung nicht diesen Kriterien, wenn sie nur die Mitteilung über die vom präsumtiven Zuschlagsempfänger und vom Bieter erreichten Punkte oder nur allgemeine Bewertungsgesichtspunkte enthält (BVA 18.09.2009, N/0084-BVA/13/2009-41). Ebenso verhält es sich bei einer Zuschlagsentscheidung, aus der nur hervorgeht, dass die Bestbieterin und die Antragstellerin denselben Preis angeboten haben, die Bestbieterin eine höhere Punkteanzahl erreicht hat und eine Prüfung hinsichtlich des Zuschlagskriteriums Qualität mit angegebener Punkteanzahl stattgefunden hat (LVwG Steiermark 30.06.2016, 443.20-1379/2016). Auch vom Verwaltungsgerichtshof wurde wiederholt festgehalten, dass die Bestimmung des § 143 Abs. 1 BVergG 2018 (bzw. der Vorgängerbestimmung des § 131 B-VergG 2006) diesbezüglich unmissverständlich ist und daher eine entgegen dieser Verpflichtungen den Bietern abgegebene Zuschlagsentscheidung eine objektiv rechtswidrige Entscheidung des Auftraggebers darstellt, die den Bieter in seinem zustehenden Recht auf Bekanntgabe der in dieser Bestimmung enthaltenen Informationen verletzt (z.B. VwGH 22.04.2009, 2009/04/0081).

Soweit zudem eben sich die Zuschlagsentscheidung im Wesentlichen in der Mitteilung der jeweils erreichten Punkte erübrigt, ist evidentermaßen diese Rechtswidrigkeit für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss im Sinne des § 347 Abs. 1 Z 2 BVergG 2018 bzw. der im Wesentlichen gleichlautenden Bestimmung des § 16 Abs. 1 Z 2 NÖ VNG, wird doch dadurch für die übrigen Bieter die Möglichkeit erheblich erschwert, wirksam einen Nachprüfungsantrag einzubringen. Wenn den übrigen Bietern die Gründe der Zuschlagsentscheidung insbesondere mangels jeglicher verbaler Begründung nicht bekannt sind, ist es für diese auch unmöglich oder wird es ihnen zumindest erschwert, diesbezüglich Gründe darzulegen, warum deren Angebot und nicht dem der präsumtiven Zuschlagsempfängerin auf Basis der Ausschreibung zu folgen gewesen wäre (vgl. dazu auch VwGH 09.04.2013, 2011/04/0224; VwGH 13.09.2013, 2010/04/0066).

Aus der konkreten Zuschlagsentscheidung vom 11.05.2021 (Beilage ./2) ergeben sich einerseits lediglich der Gesamtpreis der Bestbieterin und die von ihr und der Antragstellerin erreichten Punkte, andererseits werden in nur kurzer Form allgemein gehaltene Bewertungsgesichtspunkte angeführt. Eine konkrete verbale Begründung mit konkreten Verweisen auf das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin, aus der eine Überprüfung dieses Angebotes insbesondere im Vergleich zum eigenen Angebot der Antragstellerin angestellt werden könnte, ist unbestritten sämtlichen Bietern, so auch nicht der Antragstellerin, übermittelt worden und demnach zugekommen.

Aus Pkt. 14.3 der Allgemeinen Ausschreibung- und Angebotsbedingungen ergibt sich, dass das Zuschlagskriterium „Preis“ mit maximal 70 Punkten und das Zuschlagskriterium „Qualität“ in Bezug auf das Umsetzungskonzept mit maximal 30 Punkten zu bewerten ist. Aus der Zuschlagsentscheidung vom 11.05.2021 ergibt sich lediglich, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin jeweils die volle Punkteanzahl erhielt, die Antragstellerin jedoch lediglich 25 Punkte für das Konzept und 67,17 Punkte für den Preis. Aus welche konkreten Gründen einerseits der präsumtiven Zuschlagsempfängerin insbesondere für das Konzept die vollen Punkte zugesprochen wurden und andererseits gegenüber der Antragstellerin diesbezüglich ein Abschlag stattgefunden hat, erschließt sich konkret nachvollziehbar aus der Begründung der Zuschlagsentscheidung nicht.

Mit dieser Zuschlagsentscheidung wurde der Antragstellerin demnach unzweifelhaft zumindest erheblich erschwert, einen begründeten Nachprüfungsantrag einzubringen.

Im Ergebnis bedeutet dies, dass bereits aus diesem Grund die Zuschlagsentscheidung vom 11.05.2021 mit einer für den Ausgang des Vergabeverfahrens wesentlichen Rechtswidrigkeit behaftet ist, sodass sie gemäß § 16 Abs. 1 NÖ VNG für nichtig zu erklären war, ohne auf das weitere Vorbringen der Parteien im Zusammenhang mit dem E-Mail der öffentlichen Auftraggeberin vom 06.05.2021 bezogen auf den Ablauf der Letztangebotsfrist und auf die elektronische Signatur sowie bezogen auf die Frage einer gesondert anfechtbaren Entscheidung und einer möglichen Verfristung des Nachprüfungsantrages auf eben diese Punkte bezogen – auf diese Themenbereiche war eben mangels weiterer rechtlicher Relevanz nicht mehr einzugehen und war der Nachprüfungsantrag in Bezugnahme auf die für nichtig zu erklärende Zuschlagsentscheidung selbst ja unstrittig fristgerecht – eingehen zu müssen.

Es war spruchgemäß zu entscheiden und die Zuschlagsentscheidung vom 11.05.2021 für nichtig zu erklären.

Die Entscheidung über den von der Antragstellerin in ihrem Nachprüfungsantrag gleichzeitig gestellten Antrag auf Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren wird im Sinne des § 4 Abs. 8 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz gesondert durch den Einzelrichter ergehen.

Schlagworte

Vergabe; Nachprüfung; Antragslegitimation; Bieter; Schaden; Zuschlagsentscheidung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.VG.7.002.2021

Zuletzt aktualisiert am

27.09.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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