Entscheidungsdatum
27.05.2021Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W184 2239936-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Werner PIPAL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Bosnien und Herzegowina, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.01.2021, Zl. 1245206807/200914307, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß §§ 10, 57 AsylG 2005, §§ 52, 55 FPG und § 9 BFA-VG als unbegründet abgewiesen mit der Maßgabe, dass Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides zu lauten hat:
"Es wird gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Bosnien und Herzegowina zulässig ist."
B)
Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Die beschwerdeführende Partei, eine weibliche Staatsangehörige von Bosnien und Herzegowina, stellte am 29.01.2020 beim Magistrat XXXX einen Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels als Familienangehörige. Die beschwerdeführende Partei reiste zuletzt am 13.03.2020 in den Schengen-Raum ein.
In einem Aktenvermerk der Landespolizeidirektion XXXX vom 15.09.2020 wurde ausgeführt, dass die beschwerdeführende Partei als Staatsangehörige von Bosnien und Herzegowina zum visumfreien Aufenthalt von bis zu 90 Tagen in 180 Tagen berechtigt sei, wenn sie im Besitz eines biometrischen Reisepasses sei, der frühestens drei Monate nach der Ausreise ablaufen dürfe und dieser innerhalb der letzten zehn Jahre ausgestellt worden sei. Aufgrund der übermittelten Unterlagen bzw. der Angaben des Ehemannes der beschwerdeführenden Partei sei von der Behörde festgestellt worden, dass der Aufenthalt der beschwerdeführenden Partei bis einschließlich 10.06.2020 rechtmäßig gewesen sei.
In einer Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme wurde der beschwerdeführenden Partei am 29.09.2020 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) mitgeteilt, dass gegen sie am 25.09.2020 ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet worden sei. Der beschwerdeführenden Partei wurde vorgehalten, dass sie am 29.01.2020 einen Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels als Familienangehörige gestellt habe und sich seit dem 13.03.2020 durchgehend im österreichischen Bundesgebiet befinde. Sie habe die notwendigen Unterlagen bezüglich der Ausstellung eines Aufenthaltstitels bis dato beim Magistrat XXXX nicht nachgereicht, weshalb ihr bis dato kein Aufenthaltstitel ausgestellt worden sei. Die beschwerdeführende Partei befinde sich somit illegal im Bundesgebiet. Sie wurde unter Anschluss eines Fragenkatalogs aufgefordert, binnen 14 Tagen ab Erhalt der Verständigung eine schriftliche Stellungnahme einzubringen und vollständige und konkrete Angaben zu machen.
In einer Stellungnahme vom 13.10.2020 wurde vom bevollmächtigten Vertreter der beschwerdeführenden Partei ausgeführt, dass sich die beschwerdeführende Partei seit ihrer Eheschließung am 04.10.2019 in aufrechter Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger befinde. Entgegen den Ausführungen in dem Schreiben vom 29.09.2020 habe die beschwerdeführende Partei vollständig sämtliche Unterlagen mehrfach übermittelt. Die beschwerdeführende Partei sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass der Zeitraum der herrschenden Beschränkungen aufgrund der COVID-19-Situation auf die Zeitspanne ihres rechtmäßigen visumfreien Aufenthalts in Österreich angerechnet werden würde und dass diese außergewöhnliche Situation auch bei der Überprüfung der Unterlagen des eingereichten Antrags entsprechend berücksichtigt werden würde. Eine ausdrückliche Information darüber, welche Zeiten konkret angerechnet würden und welches konkrete Datum als Ende des rechtmäßigen Aufenthalts im Inland gelten würde, sei sohin bis heute nicht erfolgt. Angesichts der diesjährigen Ausnahmesituation aufgrund COVID-19 und der konkreten Umstände des gegenständlichen Verfahrens erscheine die plötzliche Verständigung darüber, dass die beschwerdeführende Partei nunmehr illegal im Bundesgebiet aufhältig sei, nicht nachvollziehbar. Hinsichtlich des Fragenkatalogs führte die beschwerdeführende Partei an, dass sie verheiratet sei, ihre Eltern und Geschwister in Bosnien und Herzegowina leben würden und ihr Ehegatte im österreichischen Bundesgebiet lebe. Zur Frage, welche Ausbildung sie absolviert habe, replizierte die beschwerdeführende Partei, dass sie die Volks-, die Haupt- und die Handelsschule absolviert habe. In Bosnien und Herzegowina habe sie teilweise gearbeitet und den Lebensunterhalt von ihren Eltern bestritten, in Österreich bestreite sie den Lebensunterhalt von den Einkünften ihres Ehemannes. Die Frage, ob sie im Bundesgebiet legal oder illegal einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sei, wurde von der beschwerdeführenden Partei verneint. Für sie wäre es schwierig, in Bosnien und Herzegowina einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, weil sie bisher nur als Teilzeitkraft tätig gewesen sei. Sie habe in Österreich soziale Kontakte mit ihrem Ehemann und seinen Verwandten sowie mit Freundinnen. Sie sei gesund und benötige keine Medikamente.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde folgende Entscheidung über diesen Antrag getroffen:
„I. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt.
II. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-VG wird eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen.
III. Es wird gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig ist.
IV. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.“
Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens wurden im angefochtenen Bescheid folgendermaßen zusammengefasst:
Die beschwerdeführende Partei sei am 13.03.2020 in das österreichische Bundesgebiet eingereist und habe am 29.01.2020 den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels als Familienangehörige gestellt, wobei sie sich auf eine am 04.10.2019 geschlossene Ehe berufen habe. Der Ehemann der beschwerdeführenden Partei habe sich bezüglich ihres Aufenthalts telefonisch beim Magistrat der Stadt XXXX erkundigt und sei daraufhin aufgefordert worden, bestimmte Unterlagen wie einen Reisepass, einen ZMR-Meldezettel und eine Schilderung des Sachverhaltes zu übermitteln. Dieser Aufforderung sei jedoch keine Folge geleistet worden. Dem Ehegatten der beschwerdeführenden Partei sei mitgeteilt worden, dass Reisebeschränkungen aufgrund der COVID-19-Situation berücksichtigt werden würden. Am 07.09.2020 habe sich der Ehegatte der beschwerdeführenden Partei beim Magistrat der Stadt XXXX erneut telefonisch erkundigt, weil die beschwerdeführende Partei die visumfreie Zeit zu diesem Zeitpunkt bereits überschritten gehabt habe. Die Ausreise nach Bosnien und Herzegowina sei zum Zeitpunkt des 10.06.2020 bzw. zum Zeitpunkt des 07.09.2020 wieder möglich gewesen. Die beschwerdeführende Partei habe an ihrem illegalen Aufenthalt festgehalten und habe sich an einen Rechtsvertreter gewandt. Am 29.09.2020 sei dem bevollmächtigten Vertreter ein Schreiben bezüglich Parteiengehör übermittelt worden. Am 13.10.2020 sei eine Stellungnahme eingelangt, worin die beschwerdeführende Partei angegeben habe, dass sie kein Verschulden an ihrem illegalen Aufenthalt treffe und dass sie alle notwendigen Unterlagen zur Erteilung eines Aufenthaltstitels vorgebracht habe. Bis dato sei der beschwerdeführenden Partei kein Aufenthaltstitel ausgestellt worden. Sie befinde sich illegal im Bundesgebiet.
Es folgten im angefochtenen Bescheid die Sachverhaltsfeststellungen, die Beweiswürdigung und die rechtliche Beurteilung.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass die beschwerdeführende Partei den erlassenen Bescheid zur Gänze in allen Spruchpunkten anfechte. Als Beschwerdegründe würden Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie Rechtswidrigkeit des Inhaltes durch die bescheiderlassende Behörde geltend gemacht werden. Es sei auszuführen, dass für die beschwerdeführende Partei nicht nachvollziehbar sei, wie die Behörde den Sachverhalt ohne umfassende Einvernahme ihres Ehegatten beurteilen habe können. In der Sache selbst sei die Behörde in keiner Weise auf das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei eingegangen, habe keine substanziierten Schlüsse gezogen und mangle es an einer ausreichend nachvollziehbaren Begründung des festgestellten Sachverhalts. Die mangelhafte Beweisführung sei für die Entscheidung relevant und hierdurch sei die Beweiswürdigung auf Basis der mangelnden Beweisaufnahmen vorgreifend bzw. unschlüssig. Entgegen den Ausführungen der Behörde im Bescheid, dass eine weitere Erkundigung betreffend den Verfahrensstand seitens des Ehegatten der beschwerdeführenden Partei am 26.05.2020, eine weitere erst im September 2020 erfolgt sei, habe sich die Situation vollkommen anders dargestellt. Trotz täglicher Kontaktaufnahmen sowie des persönlichen Erscheinens des Ehemannes der beschwerdeführenden Partei sei eine ausdrückliche Information darüber, welche Zeiten konkret angerechnet werden würden und welches Datum als Ende des rechtmäßigen Aufenthaltes im Inland gelten würde, nicht gegeben worden. Die Behörde führe im Bescheid selbst aus, dass mit E-Mail des Magistrats der Stadt XXXX vom 07.09.2020 erstmals mitgeteilt worden sei, dass die beschwerdeführende Partei bis einschließlich 10.06.2020 rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig gewesen sei. Der beschwerdeführenden Partei könne eine Unübersichtlichkeit und mangelnde Informationsübermittlung betreffend den Aufenthaltsstatus keinesfalls angelastet werden und könne eine weltweite Ausnahmesituation, die offenbar selbst bei den zuständigen Entscheidungsträgern rechtliche Unsicherheiten erwirken habe können, nicht zu Lasten der beschwerdeführenden Partei ausgelegt werden. Es werde sohin bestritten, dass sich die beschwerdeführende Partei bereits seit dem 10.06.2020 illegal im Inland aufhalte. Die belangte Behörde habe ein mangelhaftes Beweisverfahren durchgeführt und sei zu einem unrichtigen Sachverhalt gelangt. Die belangte Behörde qualifiziere das Familienleben der beschwerdeführenden Partei als nicht schützenswert, setze sich jedoch nicht inhaltlich mit dem Umstand auseinander, welche Bindungen in familiärer Hinsicht zu in Österreich lebenden Familienangehörigen bestehen würden. Die Behörde habe auf rechtswidrige Weise Beweismittel für die beschwerdeführende Partei nachteilig gewertet und habe ohne Begründung und rechtlichen Gehalt einen unsubstanziierten Schluss gezogen sowie Feststellungen zum Privat- und Familienleben der beschwerdeführenden Partei getroffen, ohne auf die tatsächlichen Lebensumstände der beschwerdeführenden Partei einzugehen. Die dislozierten Feststellungen seien unrichtig und würden insgesamt zu einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung führen. Der Beschwerde wurden der Mailverkehr mit dem Magistrat der Stadt XXXX , ein Schreiben der Landespolizeidirektion XXXX sowie ein Schreiben des bevollmächtigten Vertreters der beschwerdeführenden Partei vom 14.09.2020, ihre eingebrachte Stellungnahme, eine Einstellungszusage einer Bau GmbH als Reinigungskraft vom 19.02.2021, eine E-Mail des Ehegatten der beschwerdeführenden Partei mit angeschlossenem Lohnzettel und Beitragsgrundlagennachweis sowie einem Lohn/Gehaltszettel vom 31.12.2020, einem Goethe-Zertifikat auf dem Niveau A1 vom 11.05.2020 und eine Rechnung einer Kinderwunschklinik angeschlossen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zur Person und zur Rückkehrsituation der beschwerdeführenden Partei wird festgestellt:
Die beschwerdeführende Partei, eine Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina, ist zuletzt am 13.03.2020 in Österreich eingereist. Die Identität der beschwerdeführenden Partei steht fest. Sie ist seit dem 04.10.2019 mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet und stellte am 29.01.2020 beim Magistrat XXXX einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Familienangehörige“, über den bisher noch nicht entschieden wurde.
Der Aufenthalt der beschwerdeführenden Partei im Bundesgebiet ist infolge der Überschreitung der erlaubten Aufenthaltsdauer trotz vorherrschender Pandemie nicht mehr rechtmäßig. Dieser Umstand war der beschwerdeführenden Partei bewusst.
Es konnten keine Umstände festgestellt werden, dass die Abschiebung der beschwerdeführenden Partei in ihren Herkunftsstaat Bosnien und Herzegowina unzulässig wäre. Bosnien und Herzegowina ist gemäß § 1 Z 1 Herkunftsstaaten-Verordnung als sicherer Herkunftsstaat zu qualifizieren.
Der beschwerdeführenden Partei droht im Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer unmenschlichen Behandlung. Insbesondere ist im Herkunftsstaat die Sicherheitslage ausreichend und die Versorgung mit Nahrungsmitteln gewährleistet, sodass es der beschwerdeführenden Partei möglich ist, dort Fuß zu fassen und ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.
Die beschwerdeführende Partei ist 26 Jahre alt, gesund und arbeitsfähig, sodass sie im Herkunftsstaat zumindest durch einfache Arbeit das nötige Einkommen erzielen könnte, um sich eine Existenzgrundlage zu schaffen.
Die beschwerdeführende Partei hat im Herkunftsstaat Eltern und Geschwister, die sie unterstützen können. Die beschwerdeführende Partei hat im Herkunftsstaat die Handelsschule abgeschlossen und als Teilzeitkraft gearbeitet.
Zum Privat- und Familienleben der beschwerdeführenden Partei wird festgestellt:
Die beschwerdeführende Partei hat in Österreich ein Familienleben mit ihrem Ehemann etabliert und wohnt mit diesem seit dem 21.01.2020 im gemeinsamen Haushalt. Die beschwerdeführende Partei verfügt über eine bedingte Einstellungszusage als Reinigungskraft und hat im Herkunftsstaat ein Deutschzertifikat auf dem Niveau A1 absolviert. Die Selbsterhaltungsfähigkeit liegt noch nicht vor, der Lebensunterhalt wird vielmehr über die Einkünfte des Ehegatten bestritten. Die beschwerdeführende Partei verfügt abseits ihres Ehemannes über keine Angehörigen im Bundesgebiet. Sie ist nicht erwerbstätig. Die beschwerdeführende Partei weist keine weiteren relevanten Integrationsschritte auf. Die beschwerdeführende Partei ist strafgerichtlich unbescholten.
Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor.
Zur Lage im Herkunftsstaat schließt sich das Bundesverwaltungsgericht den folgenden Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides an:
„Politische Lage
Letzte Änderung: 12.06.2020
Der Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina wurde im November/Dezember 1995 durch das Daytoner „Rahmenabkommen für den Frieden“ geschaffen, dessen Annex 4 die gesamtstaatliche Verfassung festschreibt. Laut Volkszählung 2013 hatte Bosnien und Herzegowina ca. 3,5 Mio. Einwohner; durch starke Abwanderung hat sich die Einwohnerzahl in den letzten Jahren reduziert und wird von einigen Quellen auf derzeit 2,7 Mio. Einwohner geschätzt. Bosnien und Herzegowina besteht aus zwei flächenmäßig nahezu gleich großen, weitgehend autonomen, Entitäten genannten Gebietskörperschaften: Die überwiegend bosniakisch-kroatische Föderation Bosnien und Herzegowina (51 % des Territoriums, ca. 63 % der Gesamtbevölkerung) und die überwiegend serbische Republika Srpska (RS) (49 % des Territoriums, ca. 35% der Gesamtbevölkerung). Neben den beiden Entitäten gibt es den multiethnischen Sonderdistrikt Br?ko. Die Föderation Bosnien und Herzegowina gliedert sich in zehn Kantone, die wiederum aus mehreren Gemeinden bestehen. Die RS ist zentral organisiert und nur in Gemeinden gegliedert. Als „Staatsoberhaupt“ des Gesamtstaats fungiert das Staatspräsidium, das in direkter Wahl für eine Amtszeit von 4 Jahren bestimmt wird. Es besteht aus je einem Vertreter der drei konstituierenden Völker. Der Vorsitz rotiert alle 8 Monate. Die Regierungen des Gesamtstaates, der beiden Entitäten, des Distrikts Br?ko und der zehn Kantone in der FBiH kommen zusammen auf über 150 Ministerien. Der Anteil des Staatsapparats am Staatsbudget ist infolgedessen fast doppelt so hoch wie der EU-Durchschnitt. Im Übrigen ist die Besetzung von Ämtern in Regierungen und Verwaltungen auf allen Ebenen durch die institutionalisierte Machtteilung zwischen den konstituierenden Völkern geprägt (AA 14.3.2020).
14 Monate nach der Parlamentswahl gibt es eine neue Regierung auf Staatsebene. Zu ihr gehören die nationalistischen Parteien, die sich als Vertreter von Volksgruppen verstehen, wie die SDA und die SBB für Bosniaken, die SNSD für Serben, die HDZ für Kroaten, aber auch die multiethnische, sozialdemokratisch ausgerichtete Demokratska Fronta (DF). Vorsitzender des Ministerrats ist Zoran Tegeltija von der SNSD. Die Regierungsbildung hatte so lange gedauert, weil man sich nicht über die Beziehungen zur Nato einigen konnte. Während die traditionell prowestlich ausgerichteten bosniakischen und kroatischen Parteien für einen Nato-Beitritt sind, stellt sich die prorussische SNSD von Dodik dagegen (DS 26.12.2019).
Die klassische rechtsstaatliche Gewaltenteilung wird ergänzt durch den im Daytoner Rahmenabkommen für den Frieden vorgesehenen Hohen Repräsentanten der Internationalen Gemeinschaft (HR) und die ihm unterstehende Behörde, das „Office of the High Representative“ (OHR). Der HR ist die höchste Instanz im Land für die Auslegung und Implementierung des Daytoner Rahmenabkommens für den Frieden und steht damit rechtlich über den staatlichen Stellen. Er besitzt vom Sicherheitsrat der VN übertragene, sehr weitreichende Vollmachten („Bonn Powers“), mit denen er u. a. politische Amtsträger entlassen und Gesetze suspendieren kann (auf die seit 2011 jedoch nicht mehr zurückgegriffen wurde). Seit 26.03.2009 ist der Österreicher Valentin Inzko Amtsinhaber (AA 14.3.2020).
Milorad Dodik, das serbische Mitglied im Staatspräsidium Bosnien und Herzegowinas, hat im Februar 2020 die Existenz des eigenen Staates infrage gestellt. Darin hat er einen wichtigen Verbündeten, den Vorsitzenden der kroatischen Nationalpartei HDZ-BiH in Bosnien, Dragan ?ovi?, gefunden. All dies hat bei der Bevölkerung Bosniens Ängste vor einem neuen Krieg ausgelöst (TAZ 27.2.2020).
Die Zentrale Wahlkommission von BiH (CIK) hat am 23.5.2020 aus budgetären Gründen die Kommunalwahlen 2020 verschoben. Die verschobenen Wahlen finden am Sonntag, den 15. November 2020, statt. Die CIK hofft, dass das Budget BiH bis Ende Mai 2020 beschlossen wird, um die Wahlvorbereitungen rechtzeitig finanzieren zu können. Im Zuge der Wahlen im Herbst sollen 120 Bezirksversammlungen, 120 Bezirksvorsteher, die Versammlung des Distrikts Br?ko sowie 21 Gemeinderäte ermittelt werden. Die 22 Bürgermeister werden direkt gewählt (CEC 23.5.2020).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (14.3.2020): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylG (Stand: Februar 2020) …;
CEC - Central Election Commission of Bosnia and Herzegovina (23.5.2020): The 2020 Local Elections postponed for November 15 …;
DS - der Standard (26.12.2019): Bosnien-Herzegowina, Kabinett, Bosnien und Herzegowina hat nach 14 Monaten wieder eine Regierung …;
TAZ - Die Tageszeitung (27.2.2020): Nationalismus in Bosnien-Herzegowina: Angst vor neuem Krieg …
Sicherheitslage
Letzte Änderung: 12.06.2020
Die aktuelle Sicherheitslage in Bosnien und Herzegowina ist seit Oktober 2018 durch die politischen Spannungen zwischen den regierenden Parteien geprägt. Die Wahlkampfrhetorik der politischen Parteien hat auch zur Zeit der Covid-19-Pandemie nicht angehalten, da man sich für die Kommunalwahlen im Herbst 2020 wappnet. Diese instabile politische Lage wirkt sich direkt negativ auf die Sicherheitslage aus (VB 15.5.2020).
Während des ersten Nachkriegsjahrzehnts hatte ein Hoher Repräsentant unter dem Mandat der Vereinten Nationen die Exekutivgewalt in einer Art Halbprotektorat, während eine von der NATO geführte Militärmission die Sicherheit im ganzen Land wiederherstellte. Der Hohe Repräsentant nutzte seine Exekutivbefugnisse, wo dies erforderlich war, um Beamte und politische Entscheidungsträger, die beschuldigt wurden, die Umsetzung des Friedens zu behindern, abzusetzen, Gesetze und Änderungen der Verfassungen der Entitäten durchzusetzen und zusätzliche Institutionen auf gesamtstaatlicher Ebene zu schaffen. Die internationalen Interventionen schufen jedoch die Voraussetzungen für eine liberale Demokratie, öffneten Raum für Dialog und Kompromisse, führten zu einer gewissen Pluralisierung des Parteiensystems und des politischen Lebens, etablierten staatliche Kernfunktionen und legten die Grundlage für eine allgemeine Stabilität. Seit 2004 unterhält die Europäische Union eine militärische Präsenz in Bosnien und Herzegowina, die European Union Force Althea (EUFOR Althea), die die friedenserhaltende Mission der North Atlantic Treaty Organization (NATO) ablöste, die im Rahmen des Dayton-Abkommens von 1995 eingesetzt worden war. EUFOR Althea ist nach wie vor die einzige internationale Sicherheitstruppe in Bosnien und Herzegowina mit einem landesweiten Mandat zur Gewährleistung der Sicherheit. Die Reduzierung der Truppenstärke auf nur wenige Hundert Mann in den letzten zehn Jahren hat jedoch dazu geführt, dass es für EUFOR Althea schwierig sein wird, im Falle einer ernsten Sicherheitskrise die Sicherheit zu garantieren. Die Sicherheitslage hat sich jedoch weitgehend normalisiert (BTI 29.4.2020).
Zwischen Bosnien-Herzegowina und Kroatien bestehen einige ungelöste, andauernde Grenz-und Territorialfragen. Zum einen geht es um die Nutzung der Adria. So ist im Südwesten Bosnien-Herzegowinas die Frage des Verwaltungsbezirks Neum, der die Stadt Dubrovnik und das umliegende Land vom kroatischen Festland abtrennt, ungelöst. Bis dato ist kein Grenzvertrag ratifiziert worden. Zwischen Bosnien-Herzegowina und Serbien wiederum existieren ungelöste Grenz- und Territorialfragen entlang des Flusses Drina. Die OSZE-Mission in Bosnien-Herzegowina ist mit etwa 68 Personen weiterhin in dem Land präsent und operiert unter der Führung der USA. Ziel der Mission ist es, die allgemeine Sicherheitslage zu verbessern und die Verteidigungsstrukturen zu stärken (BICC 5.2020).
Quellen:
BICC - Bonn International Center for Conversion (5.2020): Informationsdienst, Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte - Länderinformationen Bosnien-Herzegowina …;
BTI - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Bosnia and Herzegovina …;
VB des BMI für Bosnien und Herzegowina (15.5.2020): Auskunft des VB, per E-Mail.
Rechtsschutz/Justizwesen
Letzte Änderung: 12.06.2020
Die Staatsverfassung sieht das Recht auf ein faires Verfahren in Zivil- und Strafsachen vor, während die Verfassungen der Entitäten ein unabhängiges Justizwesen vorsehen. Dennoch beeinflussen politische Parteien und die Akteure des organisierten Verbrechens die Justiz sowohl auf Staats- als auch auf Entitätsebene in politisch sensiblen Fällen, insbesondere im Zusammenhang mit Korruption, sowohl auf staatlicher als auch auf Entitätsebene. Die Behörden versäumen es bisweilen, Gerichtsentscheidungen durchzusetzen. Während die zivilen Behörden eine wirksame Kontrolle und Koordinierung der Strafverfolgungsbehörden und Sicherheitskräfte aufrechterhalten, führte das Fehlen einer klaren Aufteilung der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten zwischen den 16 Strafverfolgungsbehörden des Landes zu gelegentlicher Verwirrung und überlappenden Zuständigkeiten. Das Gesetz sieht die Unschuldsvermutung vor. Der Angeklagte hat das Recht auf einen Anwalt, und falls er sich keinen Anwalt leisten kann, wird auf Staatskosten ein Pflichtverteidiger bereitgestellt. Der Angeklagte hat das Recht auf einen gerichtlich bestellten Dolmetscher, Zeugen und Beweise in seinen eigenen Namen vorzulegen und Urteile anzufechten. Die Behörden respektieren im Allgemeinen die meisten dieser Rechte, die sich auf alle Angeklagten erstrecken (USDOS 13.3.2020).
Eine überarbeitete nationale Strategie zur Bearbeitung von Kriegsverbrechen, die den Prozess der Zuweisung von Fällen an die verschiedenen Gerichte verbessern soll, wartet seit Februar 2018 auf die Genehmigung durch den Ministerrat. 2019 wurden keine Fortschritte erzielt, sodass sich die Geschwindigkeit, mit der Kriegsverbrecherfälle verfolgt werden, verlangsamt hat. Nach Angaben der OSZE waren im August 2019 250 Kriegsverbrechensfälle gegen 512 Angeklagte vor allen Gerichten in BiH anhängig (HRW 14.1.2020).
Seit Mitte Februar 2020 blockieren die bosnischen Serben Entscheidungen (alle Gesetzesänderungen und Vorschläge) im Parlament BiH. Diese Blockade wurde von den Funktionären aus der Entität RS angekündigt, weil sie unzufrieden mit den Entscheidungen des BiH Verfassungsgerichts waren. Insbesondere möchte diese Entität die drei ausländischen internationalen Richter aus dem Verfassungsgericht entfernen und plant, bis zu diesem Zeitpunkt die genannte Blockade aufrechtzuerhalten (VB 15.5.2020).
Wie viele Bereiche des täglichen Lebens in Bosnien und Herzegowina ist auch die Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis von Korruption durchzogen. Problematisch ist zudem, dass die existierenden, transparenten Regelungen zur Auswahl des Richters in einem Verfahren (gesetzlich bestimmter Richter) in der Praxis oft nur auf dem Papier angewandt werden. Sippenhaft wird nicht praktiziert (AA 14.3.2020).
Grundsätzlich gilt, dass sich jeder bosnische Staatsbürger im Falle von "Verfolgungshandlungen gegen seine Person" an die Polizei oder direkt an die Staatsanwaltschaft wenden kann. Sollten die offiziellen Stellen nicht tätig werden bzw. sollte es sich bei der Verfolgungshandlung gegen den Betroffenen um eine Menschenrechtsverletzung handeln, stehen halb- bis nichtstaatliche Organisationen mit Rechtsbeistand zur Seite. Auch hat das Ministerium für Menschenrechte und Flüchtlinge in der Sektion für Menschenrechte eine Abteilung zum „Schutz von individuellen Menschenrechten und Bürgerrechten“, welche u. a. Anliegen und Beschwerden annimmt und bearbeitet und Bürgern fachliche Hilfe leistet (VB 15.5.2020).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (14.3.2020): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylG (Stand: Februar 2020) …;
HRW - Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Bosnia and Herzegovina …;
USDOS - US Department of State (13.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bosnia and Herzegovina …;
VB des BMI für Bosnien und Herzegowina (15.5.2020): Auskunft des VB, per E-Mail.
Sicherheitsbehörden
Letzte Änderung: 12.06.2020
In Bosnien-Herzegowina ist das staatliche Gewaltmonopol im Prinzip auf dem gesamten Territorium verankert. Dieses Gewaltmonopol wird jedoch nach wie vor durch die schlechte institutionelle Koordination zwischen den Sicherheitsdiensten und die anhaltende Politisierung untergraben. Die Streitkräfte von BiH wurden 2006 durch die Vereinigung der drei getrennten ethnischen Kräfte aufgestellt, sie haben jedoch nicht das Mandat, die Sicherheit innerhalb des Landes aufrechtzuerhalten. Die Polizeikräfte leiden unter einem hohen Grad an institutioneller Fragmentierung und zunehmender Politisierung. In der RS ist die Polizei stark zentralisiert und steht unter dem starken Einfluss der Regierungsparteien. In der Föderation sind die Zuständigkeiten der Polizei zwischen der föderalen und der kantonalen Ebene aufgeteilt, wobei die Zusammenarbeit zwischen den Behörden nur unvollständig institutionalisiert ist. In den ethnisch gemischten Kantonen bestehen weiterhin ethnische Trennungen unter den Polizeikräften. Seit 2011 erleben die Polizeibehörden auf allen Ebenen einen massiven Drang der herrschenden Eliten nach mehr politischer Kontrolle und einer Rücknahme der Reformen. Die Institutionen auf staatlicher Ebene haben ein schwaches Mandat und geringe operative Kapazitäten, was auf eine 2007 durchgeführte Teilreform der Polizei zurückzuführen ist. Sie leiden auch unter der schlechten Koordinierung mit den Behörden auf den unteren Regierungsebenen (BTI 29.4.2020).
Im Bereich Sicherheit schlägt sich die komplexe bosnisch-herzegowinischen Verfassung nieder; auf Gesamtstaatsebene existiert neben der Polizeibehörde SIPA (u. a. zuständig für Kriegsverbrechen, Organisierte Kriminalität und Korruption) die Grenzpolizei sowie die Direktion zur Koordinierung der Polizeidienste, der u.a. Interpol und der Objektschutz zugeordnet sind. Die Aufsicht über diese gesamtstaatlichen Polizeibehörden liegt beim Sicherheitsministerium. In der Föderation existiert eine Föderationspolizei mit Sitz in Sarajevo, deren Zuständigkeit sich auf das Gebiet der Föderation erstreckt, die aber keinerlei Weisungsbefugnis gegenüber den auf Kantonsebene bestehenden Polizeibehörden hat. In der Republika Srpska übt die Gesamtpolizei hingegen auch Aufsicht über die sechs regionalen Polizeibehörden der Entität aus. Die Polizei im Sonderdistrikt Br?ko ist unabhängig. Jede dieser Behörden verfügt wiederum über Spezialeinheiten. Das Militär befindet sich seit 2003 in einem Reformprozess (u. a. in Hinblick auf die NATO-Annäherung Bosnien und Herzegowinas). Mit Inkrafttreten des Verteidigungsgesetzes und des Wehrdienstgesetzes (beide 2005) wurde mit den bewaffneten Streitkräften (Oruzane Snage Bosne i Herzegowine - OSBIH) eine gesamtstaatliche Armee geschaffen. Die Armeen der Entitäten bzw. aus Kriegszeiten erhalten gebliebenen Truppenteile der drei konstituierenden Volksgruppen wurden abgeschafft (AA 14.3.2020).
Parallel zum Militär fand auch innerhalb der Polizei ein umfassender Reformprozess statt. Erfolge bestehen darin, dass die Polizei, die einst Rückkehrer drangsalierte und Kriegsverbrecher schützte, nun zu den angesehensten Institutionen im ganzen Land zählt (BICC 5.2020).
Die Grundausbildung für Polizeibeamte wird in zwei Akademien auf Entitätsebene (Republika Srpska und Föderation BiH) durchgeführt. Die mittlerweile abgeschlossenen Twinning Projekte „Strenghtening in Law Enforcement“ und „Moneylaundering“ bekommen in Form von weiteren, von der EU geförderten Projekten (IPA, Twinning, TAIEX), ihre Nachfolge. An der ausgezeichneten Zusammenarbeit zwischen dem österreichischen BVT und den zuständigen bosnischen Sicherheitsbehörden hat sich nichts verändert (VB 15.5.2020).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (14.3.2020): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylG (Stand: Februar 2020) …;
BICC - Bonn International Center for Conversion (5.2020): Informationsdienst, Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte - Länderinformationen Bosnien-Herzegowina …;
BTI - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Bosnia and Herzegovina …;
VB des BMI für Bosnien und Herzegowina (15.5.2020): Auskunft des VB, per E-Mail.
Folter und unmenschliche Behandlung
Letzte Änderung: 12.06.2020
Die Verfassung von Bosnien und Herzegowina schreibt für alle Menschen das Recht auf Freiheit von Folter fest. Das Land ist danach an die Antifolterkonvention (1984) und die Europäische Folterverhütungskonvention gebunden. BiH hat 2003 vorbehaltlos die Zuständigkeit der Antifolterkommission nach Art. 22 der VN-Antifolterkonvention anerkannt. Folter ist in BiH strafbar. Der Ausschuss des Europarates zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung überprüft seit 2011 Polizeistationen, Haftanstalten und psychiatrische Einrichtungen. Die letzte Überprüfung fand im Juni 2019 statt, ein Bericht liegt noch nicht vor. Es kommt nach Angaben des CPT im Rahmen von polizeilichen Verhören und Verhaftungen verbreitet und innerhalb der Gefängnisse nach wie vor vereinzelt zu körperlichen Misshandlungen, insbesondere gegen Angehörige der Roma. Beschwerden von Betroffenen werden uneinheitlich behandelt und nur wenige werden aufgeklärt (AA 14.3.2020).
Das Gesetz verbietet solche Praktiken. Obwohl es keine Berichte gibt, dass Regierungsbeamte solche Maßnahmen ergriffen haben, gibt es keine konkreten Hinweise darauf, dass die Sicherheitskräfte die Praxis der schweren Misshandlung von Häftlingen und Gefangenen, die in den Vorjahren gemeldet wurden, beendet hätten. Im Jahr 2018 erhielt die Institution des Ombudsmanns für Menschenrechte 144 Beschwerden über Misshandlungen von Gefangenen durch Sicherheitskräfte, von denen sich einige auf die Behandlung in Gefängniseinrichtungen bezogen. Beobachter stellten fest, dass die Misshandlung von Verdächtigen und Gefangenen auf Polizeistationen und in Haftanstalten zwar allgemein zurückging, aber weiterhin Anlass zur Sorge gibt. Die Strafverfolgung solcher Fälle bleibt langsam und inkonsequent (USDOS 13.3.2020).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (14.3.2020): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylG (Stand: Februar 2020) …;
USDOS - US Department of State (13.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bosnia and Herzegovina …
Korruption
Letzte Änderung: 12.06.2020
Die Regierung verfügt zwar über Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung von Missbrauch und Korruption, aber der politische Druck verhindert oft die Anwendung dieser Mechanismen. Die Regierung hat hauptsächlich mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft die Polizei- und Sicherheitskräfte geschult, um Missbrauch und Korruption zu bekämpfen und die Achtung der Menschenrechte zu fördern. Die Schulung von Polizeibeamten hat auch Komponenten des Ethik- und Antikorruptionstrainings enthalten. Korruption seitens der Beamten ist strafbar, aber die Regierung hat das Gesetz nicht effektiv umgesetzt und die öffentliche Korruption nicht als ernsthaftes Problem eingestuft. Besonders häufig ist die Korruption im Gesundheits- und Bildungswesen, bei den öffentlichen Beschaffungsprozessen, bei der lokalen Verwaltung und bei den Beschäftigungsverfahren in der öffentlichen Verwaltung (USDOS 13.3.2020).
Korruption ist sowohl auf höchster politischer als auch gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und privater Ebene weit verbreitet. Ihre Bekämpfung wird von den hierfür zuständigen Institutionen häufig eher behindert. Wie viele Bereiche des täglichen Lebens in BiH ist auch die Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis von Korruption durchzogen. Korruption ist in BiH allgegenwärtig und kann auch im Gesundheitswesen nicht ausgeschlossen werden (AA 14.3.2020).
Korruption ist weiterhin ein sehr aktuelles Problem in BiH. Diese Tatsache trägt zu einer immerwährenden instabilen politischen Lage bei. In einigen Kantonen wurden in weniger als zwei Jahren nach den letzten Wahlen schon zwei bis drei Koalitionsregierungen gebildet und sind gescheitert. Grund für das Scheitern dieser Koalitionen ist Korruption bzw. Stimmenhandel bei den Parteien (VB 15.5.2020).
Im aktuellen Transparency International Corruption Perceptions Index 2019 rangiert BiH unter 180 Ländern und Territorien an 101. Stelle mit einer Punkteanzahl von 36 von bestmöglichen 100 (TI 2019).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (14.3.2020): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylG (Stand: Februar 2020) …;
TI - Transparency International (2019): Corruption Perceptions Index 2019 …;
USDOS - US Department of State (13.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bosnia and Herzegovina …;
VB des BMI für Bosnien und Herzegowina (15.5.2020): Auskunft des VB, per E-Mail.
Ombudsmann
Letzte Änderung: 12.06.2020
Insgesamt gibt es in BiH Ombudsmannbüros in Banja Luka, Sarajevo, Mostar, im Distrikt Brcko und eine Außenstelle in Livno (VB 11.5.2020).
Der gesamtstaatliche Ombudsmann hat die Befugnis, Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen die Landesgesetze auf Hinweis der einzelnen Bürger zu untersuchen und Empfehlungen zur Nachbesserung an die Regierung zu unterbreiten. Die Empfehlungen des Bürgerbeauftragten sind rechtlich unverbindlich. Ein Bosniake, ein Kroate und ein Serbe teilen sich die Führung der Ombudsstelle, was innerhalb der Institution manchmal zu Meinungsverschiedenheiten führt bei der Einschätzung, was eine Menschenrechtsverletzung darstellt. Dem Ombudsmann fehlen die Mittel, um effektiv zu arbeiten (USDOS 13.3.2020).
Die Zahl der Beschwerden, die beim Ombudsmann für Menschenrechte im Jahr 2018 einlangten, verringerte sich auf 3.218 Fälle, um 48 weniger als im Jahr 2017 (3.266 Fälle). Mit den aus den Vorjahren übertragenen Fällen wurden 5.239 Beschwerden bearbeitet, davon 3.205 erledigt. Die meisten Beschwerden betrafen Verstöße gegen die bürgerlichen und politischen Rechte - 978 (Ombudsmann BiH 3.2019).
Quellen:
Ombudsmann für Menschenrechte BiH (3.2020): Annual Report on results of the activities of the Institution of Human Rights Ombudsman of Bosnia and Herzegovina for 2019 …;
USDOS - US Department of State (13.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bosnia and Herzegovina …;
VB des BMI für Bosnien und Herzegowina (15.5.2020): Auskunft des VB, per E-Mail.
Wehrdienst und Rekrutierungen
Letzte Änderung: 12.06.2020
Das Militär befindet sich seit 2003 in einem Reformprozess (u. a. in Hinblick auf die NATO-Annäherung Bosnien und Herzegowinas). Mit Inkrafttreten des Verteidigungsgesetzes und des Wehrdienstgesetzes (beide 2005) wurde mit den bewaffneten Streitkräften eine gesamtstaatliche Armee geschaffen. Die Armeen der Entitäten bzw. aus Kriegszeiten erhalten gebliebenen Truppenteile der drei konstituierenden Volksgruppen wurden abgeschafft, die Wehrpflicht ebenfalls. Alle Staatsbürger unter 40 Jahren, darunter auch Frauen, haben Zugang zu den Streitkräften (AA 14.3.2020).
Der Blick auf die NATO und eine mögliche Mitgliedschaft waren ausschlaggebend für eine erfolgreiche Militärreform auf gesamtstaatlicher Ebene, im Zuge derer auch die allgemeine Wehrpflicht zum 1. Jänner 2006 abgeschafft und das Militär in eine Freiwilligenarmee umgebaut wurde (BICC 5.2020).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (14.3.2020): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylG (Stand: Februar 2020) …;
BICC - Bonn International Center for Conversion (5.2020): Informationsdienst, Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte - Länderinformationen Bosnien-Herzegowina …
Allgemeine Menschenrechtslage
Letzte Änderung: 12.06.2020
Im Jahr 2019 gab es in Bosnien und Herzegowina kaum Verbesserungen beim Schutz der Menschenrechte. Im Dezember 2019 sind zehn Jahre seit dem Sejdi?-Finci-Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vergangen, in dem festgestellt wurde, dass die bosnische Verfassung ethnische und religiöse Minderheiten diskriminiert, indem sie ihnen nicht erlaubt, für die Präsidentschaftswahlen zu kandidieren. Die Verfassung wurde noch immer nicht geändert (HRW 14.1.2020).
Die Behörden haben es versäumt, mehrere Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Verfassungsgerichts von BiH umzusetzen, in denen die in der Verfassung festgelegten Vereinbarungen über die Machtteilung als diskriminierend eingestuft wurden und Menschen, die nicht einem der konstituierenden Völker (Bosniaken, Kroaten oder Serben) angehören, daran gehindert wurden, für legislative und exekutive Ämter zu kandidieren (AI 16.4.2020).
Die Menschenrechtssituation in Bosnien-Herzegowina ist als prekär zu beurteilen. Grundlegende Menschen- und Bürgerrechte sind zwar durch die Verfassung gedeckt, werden jedoch weiterhin missachtet. Eine Umsetzung dieser Rechte und ihre Anwendung in der Praxis fanden in den vergangenen Jahren kaum statt. Die Diskriminierung in weiten Teilen des öffentlichen und privaten Lebens ist weit verbreitet. Sehr problematisch ist das mehrfach vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gerügte Wahlrecht, das Minderheiten keine ausreichende Vertretung garantiert. Auch Teile der Verfassung, die stellenweise nur einen provisorischen Charakter haben, sind aus Sicht des Gerichtshofs kritisch. Trotz Verabschiedung eines Antidiskriminierungsgesetzes und sich daraus ergebender Fortschritte bei der Bekämpfung der Diskriminierung verdeutlichen beispielsweise die allgemeine Segregation und Diskriminierung in öffentlichen Schulen dieses grundlegende Problem, das das Zusammenleben zukünftiger Generationen weiterhin erschweren wird. Defizite bestehen weiterhin bei der gerichtlichen Aufarbeitung der Kriegsverbrechen und der gesellschaftlichen Versöhnung. Bei der Umsetzung der Nationalen Strategie zur Verfolgung von Kriegsverbrechen treten weiterhin Mängel auf (BICC 5.2020).
Eine Beschränkung der Betätigungsmöglichkeiten für die politische Opposition durch den Staat und seine Organe erfolgt grundsätzlich nicht. Allerdings hat die Regierung der Republika Srpska mehrfach angekündigt, ein Gesetz in das Parlament einzubringen, welches alle Politiker einschließlich der Opposition unter strenger Strafandrohung verpflichten würde, in der bosnisch-herzegowinischen Gesamtstaatsorganisationen ausschließlich die von der Regierung RS vorgegebene Linie zu vertreten. Die Vereinigungsfreiheit wird durch die bosnisch-herzegowinische Verfassung sowie durch beide Entitätsverfassungen gewährleistet. Vereine und Stiftungen können auf Gesamtstaats-, Entitäts- oder Kantonsebene registriert werden. Das Verfahren kann allerdings langwierig und kompliziert sein. Die Regierung der Republika Srpska hat eine Gesetzesinitiative angekündigt, die NROs und politischen Stiftungen eine Meldepflicht von ausländischer finanzieller Unterstützung auferlegen soll und dem Ziel der Überwachung von aus dem Ausland finanzierten Aktivitäten dient. Die Versammlungsfreiheit ist formal nicht eingeschränkt, jedoch entsprechen die einzelnen Gesetze zur Versammlungsfreiheit in den Entitäten und Kantonen nicht vollumfänglich europäischen Standards. In der Republika Srpska konnten Versuche beobachtet werden, Demonstranten durch unverhältnismäßiges Vorgehen durch die Polizei oder Ankündigungen von restriktiven Gesetzesvorhaben einzuschüchtern. Dazu zählt bspw. das Vorgehen der Polizei gegen die Protestbewegung „Gerechtigkeit für David“ um den Jahreswechsel 2018/2019 (AA 14.3.2020).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (14.3.2020): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylG (Stand: Februar 2020) …;
AI - Amnesty International (16.4.2020): Human Rights in Europe - Review of 2019 - Bosnia and Herzegovina [EUR 01/2098/2020], 16. April 2020 …;
BICC - Bonn International Center for Conversion (5.2020): Informationsdienst, Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte - Länderinformationen Bosnien-Herzegowina …;
HRW - Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Bosnia and Herzegovina …
Meinungs- und Pressefreiheit
Letzte Änderung: 12.06.2020
Das Muster von Drohungen, politischem Druck und Angriffen auf Journalisten setzt sich fort. Journalisten werden aufgrund ihrer ethnischen Herkunft und des Inhalts ihrer Arbeit ins Visier genommen. Im Weltindex für Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen liegt BiH auf Platz 63 von 180 Ländern (AI 16.4.2020).
Die Informationsfreiheit ist insofern gewährleistet, als es insgesamt ein breit gefächertes Medienangebot gibt, sodass bei Lektüre einer Vielzahl von Medien eine umfassende Informationsgewinnung möglich ist. Es gibt jedoch kein Medium, das unabhängig von parteipolitischer Einflussnahme ist. Nach Einschätzung der Journalistenvereinigung sind Online-Portale unabhängiger als andere Quellen, allerdings gibt es erhebliche Defizite bei Recherche und Verifizierung von Online-Artikeln. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten werden ihrem Informationsauftrag nicht gerecht. Die Freiheit eines einzelnen Journalisten, unabhängig zu berichten, ist aufgrund von wirtschaftlichen und politischen Zwängen erheblich eingeschränkt. Unabhängige Beobachter wie die OSZE, Human Rights Watch, der hiesige Presserat und die EU sehen kritische Journalisten neben wirtschaftlichem Druck vereinzelt Bedrohungen und Nötigung, auch durch Politiker, ausgesetzt. Im Jahr 2019 registrierte die Journalistenvereinigung von Bosnien und Herzegowina 49 Fälle von Angriffen auf Journalisten sowie Verletzungen der Freiheit der Meinungsäußerung und Integrität der Medien, davon u. a. neun körperliche Angriffe und acht Morddrohungen. Nur ein Bruchteil der begangenen Straftaten wurde untersucht und gerichtlich verhandelt (AA 14.3.2020).
Das Gesetz sieht das Recht auf freie Meinungsfreiheit einschließlich der Pressefreiheit vor, aber die Regierung respektiert dieses Recht weiterhin nur unzureichend. Einschüchterungen, Schikanen und Drohungen einschließlich einer gestiegenen Zahl von Morddrohungen gegen Journalisten und Presseorgane setzen sich fort, während die Medienberichterstattung mehrheitlich von nationalistischer Rhetorik und ethnischen und politischen Vorurteilen geprägt ist, die häufig Intoleranz und manchmal Hass fördern. Der Mangel an Transparenz hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse in den Medien bleibt ein Problem. Der politische und finanzielle Druck auf die Medien geht weiter. Die Zahl der körperlichen Angriffe auf Journalisten nahm im Jahr 2019 zu (USDOS 13.3.2020).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (14.3.2020): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylG (Stand: Februar 2020) …;
AI - Amnesty International (16.4.2020): Human Rights in Europe - Review of 2019 - Bosnia and Herzegovina [EUR 01/2098/2020], 16. April 2020 …;
USDOS - US Department of State (13.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bosnia and Herzegovina …
Haftbedingungen
Letzte Änderung: 12.06.2020
Die Haftbedingungen in Bosnien und Herzegowina variieren zwischen den einzelnen Haftanstalten. Die bisherigen Probleme wie Gewaltanwendung durch das Gefängnispersonal bzw. unter den Inhaftierten selbst, das Fehlen konkreter Verhaltensregeln für das Gefängnispersonal sowie schlechte medizinische Versorgung und bestehende schlechte Unterbringungsbedingungen in manchen Einrichtungen müssen nach kritischen Berichten verstärkt angegangen werden. Unabhängigen internationalen und nationalen Beobachtern werden weitreichende Besuchsrechte eingeräumt. Anfang 2018 wurde der Neubau des Staatsgefängnisses in Vojkovic fertiggestellt. Die Indienststellung hängt von der nach wie vor ausstehenden Nominierung des Leiters des Gefängnisses ab. Der von der EU und Schweden finanzierte Bau hat ca. 40 Mio. EUR gekostet und soll 348 Häftlinge aufnehmen (nur Männer). Jugendliche männliche Strafgefangene im Alter von 16 bis 18 Jahren werden in einigen Haftanstalten mit den erwachsenen Strafgefangenen zusammen untergebracht. Nur für jugendliche Strafgefangene unter 16 Jahren werden separate Unterbringungsmöglichkeiten gesucht. Auch Frauengefängnisse fehlen, sodass weibliche Strafgefangene zum Teil in abgetrennte Bereiche der allgemeinen Gefängnisse eingewiesen werden. Die Umsetzung der vorgeschriebenen Sicherungsverwahrung von Straftätern, die ggf. eine psychologische Behandlung erhalten müssen, erfolgt nicht immer im erforderlichen Umfang (AA 14.3.2020).
In Gefängnissen und Haftanstalten herrschen schwierige Bedingungen. Die räumlichen und sanitären Bedingungen in meist überfüllten Gefängnissen und Haftanstalten des Landes sind je nach Standort unterschiedlich, werden jedoch im Allgemeinen als minderwertig eingestuft. Die Regierung gestattet unabhängigen Menschenrechtsbeobachtern den Besuch und gewährt den Vertretern der internationalen Gemeinschaft ungehinderten Zugang zu Hafteinrichtungen und Gefangenen. Die Haftanstalten einiger Polizeidienststellen verfügen über zu wenig natürliches Licht und sind schlecht belüftet. Die materiellen Bedingungen der meisten Polizeigewahrsamseinrichtungen liegen im Allgemeinen unter EU-Standards. Das Gefängnissystem des Landes ist weder vollständig vereinheitlicht worden noch entspricht es vollständig den europäischen Standards. Im Berichtszeitraum gab es keine Gefängnisse, die für Häftlinge mit körperlichen Behinderungen geeignet waren (USDOS 13.3.2020).
Bosnien und Herzegowina hat noch immer kein Staatsgefängnis für die Unterbringung von Personen, die vom bosnischen Staatsgericht verurteilt wurden. Diese Personen werden derzeit in den Strafvollzugsanstalten der Justizministerien der Entitäten untergebracht (VB 15.5.2020).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (14.3.2020): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylG (Stand: Februar 2020) …;
USDOS - US Department of State (13.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bosnia and Herzegovina …;
VB des BMI für Bosnien und Herzegowina (15.5.2020): Auskunft des VB, per E-Mail.
Todesstrafe
Letzte Änderung: 12.06.2020
Das EMRK-Protokoll Nr. 6 ist in Bosnien und Herzegowina am 1.11.2003 in Kraft getreten; die Todesstrafe wurde hierdurch abgeschafft. Der in der Verfassung der Republika Srpska enthaltene Artikel zur Todesstrafe wurde im Oktober 2019 als verfassungswidrig erklärt und ist nun nichtig. Beide Entitäten haben die Todesstrafe aus ihren Strafgesetzbüchern gestrichen (AA 14.3.2020).
Der Verfassungsgerichtshof von BiH hob am 4.10.2019 die Bestimmung der Verfassung der RS über die Todesstrafe auf, da diese mit der Verfassung von BiH nicht in Einklang gestanden ist (Oslobodjenje 4.10.2019; vgl. Nezavisne novine 4.10.2019).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (14.3.2020): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylG (Stand: Februar 2020) …;
Nezavisne novine (4.10.2019) …;
Tageszeitung Oslobodjenje - Onlineausgabe (4.10.2019): Ustavni sud BiH ukinuo smrtnu kaznu u Republici Srpskoj (Verfassungsgerichtshof von Bosnien und Herzegowina hebt Todesstrafe in der Republika Srpska auf) …
Religionsfreiheit
Letzte Änderung: 12.06.2020
Gemäß der Verfassung ist die Glaubens- und Religionsfreiheit garantiert. Diese Rechte werden auch durch vergleichbare Regelungen in den Entitätsverfassungen und durch das Religionsgesetz garantiert. Alle anderen Gesetze und Verordnungen im Land müssen mit dem Religionsgesetz in Einklang gebracht werden. Jede Diskriminierung in Glaubensfragen ist verboten. Dazu gehört u. a. die Beleidigung von kirchlichen Amtsträgern, die Beschädigung von religiösen Gebäuden und das Verspotten einer Religion. Bei der Abwägung von Kunst- gegen Religionsfreiheit sehen sich Verfechter der Kunstfreiheit scharfem Gegenwind ausgesetzt: Sie werden von religiös Gebundenen als „aggressive Atheisten“ verächtlich gemacht. Die Strafverfolgung entsprechender Fälle ist wie bei anderen Deliktsformen auf Grund von Defiziten im Justizapparat nicht in jedem Fall konsequent. Anerkannte Religionsgemeinschaften sind die Islamische Gemeinschaft, die Serbisch-Orthodoxe Kirche, die Katholische Kirche und die Jüdische Gemeinde sowie alle anderen Kirchen und religiösen Gemeinschaften, deren Rechtspersönlichkeit vor Inkrafttreten des Religionsgesetzes anerkannt worden ist. Der Staat darf nicht in die kirchliche Selbstverwaltung eingreifen. Es gibt keine Staatskirche und keine Staatsreligion (AA 14.3.2020).
Laut der Volkszählung 2013 machen Muslime etwa 51 % der Bevölkerung aus, serbisch-orthodoxe Christen 31 %, Katholiken 15 % und andere, darunter Protestanten und Juden, 3 %. Es gibt einen starken Zusammenhang zwischen Ethnie und Religion: Die bosnischen Serben sind in erster Linie mit der serbisch-orthodoxen Kirche und die bosnischen Kroaten mit der römisch-katholischen Kirche verbunden. Bosniaken sind überwiegend Muslime. Die jüdische Gemeinde schätzt, dass sie 1.000 Mitglieder hat, deren Mehrheit in Sarajevo lebt. Die Mehrheit der serbisch-orthodoxen Christen lebt in der RS, die meisten Muslime und Katholiken in der Föderation. Protestantische und die meisten anderen kleinen Religionsgemeinschaften haben ihre größten Gemeinden in Sarajevo und Banja Luka. Religionsgemeinschaften von Minderheiten berichten weiterhin über Diskriminierungen durch die Kommunalbehörden bei der Nutzung von religiösem Eigentum und der Erteilung von Genehmigungen für neue religiöse Objekte. Seit 2010 registrierte der Interreligiöse Rat insgesamt 209 Angriffe auf religiöse Amtsträger und Stätten. Die Polizei hatte nur bei 73 Angriffen die Täter identifiziert und die Gerichte nur 23 dieser Fälle verfolgt. Das IRC (Interreligious Council) unternimmt weiterhin Schritte zur Förderung des interreligiösen Dialogs (USDOS 21.6.2019).
Im Dezember 2019 sind zehn Jahre seit dem Sejdi?-Finci-Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vergangen, in dem festgestellt wurde, dass die bosnische Verfassung ethnische und religiöse Minderheiten diskriminiert, indem sie ihnen nicht erlaubt, für die Präsidentschaftswahlen zu kandidieren. Die Verfassung wurde noch immer nicht geändert. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) registrierte zwischen Jänner und September 2019 109 Vorfälle von Hassverbrechen - 66,67% davon waren religiös oder ethnisch motiviert. Das Versäumnis der bosnischen Behörden, Statistiken über die Arten von Hassdelikten zu führen, behindert eine umfassende Bewertung des Problems und eine wirksame Reaktion darauf (HRW 14.1.2020).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (14.3.2020): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylG (Stand: Februar 2020) …;
HRW - Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Bosnia and Herzegovina …;
USDOS - US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom: Bosnia and Herzegovina, 21. Juni 2019 …
Bewegungsfreiheit
Letzte Änderung: 12.06.2020
Reisende bosnisch-herzegowinische Staatsangehörige wie auch andere Staatsangehörige werden an den Außengrenzen kontrolliert. Allein oder mit nur einem der beiden Sorgeberechtigten reisende Kinder benötigen eine schriftliche Zustimmung der Eltern bzw. des mitsorgeberechtigten Elternteils. Soweit Angehörige einer der drei konstitutiven Volksgruppen Repressionen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu dieser Gruppe entgehen möchten, können sie sich i. d. R. in einen anderen Teil des Staatsgebiets begeben. Für Angehörige gemischter Ehen und gemischter Familien gibt es kein „Mehrheitsgebiet“ ihrer Volksgruppe. In der Republika Srpska (RS) stellt sich die gesellschaftliche Akzeptanz gemischt-ethnischer Ehen bzw. Familien schwieriger dar (AA 14.3.2020).
Die Freiheit, sich innerhalb des Landes frei zu bewegen, zu reisen, zu emigrieren und wieder zurückzukehren, ist gesetzlich garantiert, wobei es jedoch in der Praxis zu gewissen Einschränkungen kommen kann (USDOS 13.3.2020).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (14.3.2020): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylG (Stand: Februar 2020) …;
USDOS - US Department of State (13.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bosnia and Herzegovina …
IDPs und Flüchtlinge
Letzte Änderung: 12.06.2020
Betreffend die Lage von IDS führt das BIH-Ministerium für Menschenrechte und Flüchtlinge die