Entscheidungsdatum
31.05.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
L504 2190848-2/10E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. Engel über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Türkei, vertreten durch RA MMag. Doppelbauer, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.05.2020, Zl. XXXX , beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
I.1. Die beschwerdeführende Partei (idF bP) ist türkischer Staatsangehöriger. Sie stellte nach Einreise mit einem Einreisevisum wegen der Hochzeit ihrer Schwester in Österreich am 26.05.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz. Die gegen den diesbezüglich negativen Bescheid der belangten Behörde (idF bB) vom 22.02.2018 erhobene Beschwerde wurde vom BVwG mit Erkenntnis vom 08.05.2018 abgewiesen.
Am 13.03.2018 heiratete die bP in Österreich die türkische Staatsangehörige XXXX , welche über einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ verfügt.
Die bP reiste am 19.07.2018 in die Türkei aus.
Mit Gültigkeit vom 19.11.2018 bis 07.06.2019 wurde der bP eine „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“, freier Zugang zum Arbeitsmarkt ausgestellt.
Am 06.12.2018 wurde der bP ein Visum D zur Abholung eines Aufenthaltstitels erteilt.
Der Aufenthaltstitel wurde mit Gültigkeit vom 08.06.2019 bis 07.06.2020 - „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ freier Zugang zum Arbeitsmarkt - verlängert.
Am 20.05.2020 stellte die bP rechtzeitig einen Verlängerungsantrag
I.2. Mit Schreiben vom 30.03.2019 hat die Stadt XXXX als Niederlassungsbehörde unter Anschluss eines Aktenvermerks vom 06.03.2020 der bB mitgeteilt, dass der Verdacht auf eine Aufenthaltsehe der bP besteht. Die Ehegatten würden bereits getrennt leben und sei der Verdacht (auf Scheinehe) und die Verkettung mit anderen Familienmitgliedern im Aktenvermerk festgehalten. Aus dem beigelegten Aktenvermerk ergibt sich, dass die Schwester der bP in den Fall einer Aufenthaltsehe zwischen anderen Personen wohl verstrickt ist und wird festgehalten, dass gegen die Schwester ermittelt werden würde. Zudem wurde festgehalten, dass die bP und ihre Ehegattin bereits getrennt wären. Im Niederlassungsakt findet sich zudem ein Zeitungsbericht über das Verfahren, in welches die Schwester der bP verwickelt sein sollte.
I.3. Mit Schreiben vom 02.04.2020, zugestellt am 06.04.2020 am damals noch eingetragenen Hauptwohnsitz in XXXX , wo die Ehegatten gemeinsam lebten, teilte das Bundesamt mit, dass eine Rückkehrentscheidung geprüft wird, da ein Verfahren wegen Scheinehe eingeleitet werde und wurde ein Fragenkatalog übermittelt. Eine Stellungnahme langte während der zweiwöchigen Frist nicht ein.
I.4. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid hat das Bundesamt entschieden, dass gegen die bP gem. § 52 Abs 4 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen werde (I.), gem. § 52 Abs 9 FPG iVm § 46 FPG festgestellt werde, dass die Abschiebung zulässig sei (II.) und gem. § 55 Abs 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage. (III.).
Der 13 Seiten umfassende Bescheid lautet wie folgt (lediglich der Hinweis auf Gebühren wird nicht wiedergegeben):
Verfahrensgang
- Es wurde Ihnen am 08.06.2019 eine Niederlassungsbewilligung „Rot-weiß-rot-
Karte plus“ bis zum 07.06.2020 durch den Magistrat der Stadt XXXX erteilt.
- Grund der Erteilung war die Familiengemeinschaft mit Ihrer XXXX ,
XXXX geheiratet haben.
- Sie befinden sich jedoch nicht mehr in einer Familiengemeinschaft.
- Damit sind nachträglich die Erteilungsvoraussetzungen gem. § 11 Abs. 2 Z 3 NAG
weggefallen.
- Sie wurden über diese Ermittlungsschritte informiert und aufgefordert im Zuge
eines Parteiengehörs dazu Stellung zu nehmen.
- Sie kamen dieser Aufforderung nicht nach.
- Das Bundesamt geht somit laut Aktenlage davon aus, dass Sie die Ehe mit Ihrer
Frau eingegangen sind, um sich in Österreich eine Aufenthaltsberechtigung zu
erschleichen.
- Sie stellten im Mai 2017 einen Asylantrag, welcher im Februar 2018 negativ
beschieden wurde. Dagegen brachten Sie rechtzeitig eine Beschwerde ein, welche
im Mai 2018 durch das Bundesverwaltungsgericht abgelehnt wurde. Sie brauchten
dann drei Monate um das Land zu verlassen.
Beweismittel
Die Behörde zog die folgenden Beweismittel heran:
Von Ihnen vorgelegte Beweismittel:
- keine
Weitere von der Behörde herangezogene Beweismittel:
- Verständigung der NAG Behörde
- Akteninhalt des Niederlassungsaktes
- Auszüge aus ZMR, Sozialversicherungsauszug, EKIS
Feststellungen
Der Entscheidung liegen folgende Feststellungen zugrunde:
Sie sind türkischer Staatsbürger und haben am 08.06.2019 eine Niederlassungsbewilligung
vom Magistrat der Stadt XXXX erhalten, da Sie mit einer in Österreich
aufenthaltsberechtigten Frau verheiratet sind und hier ein Familienleben führen wollten.
Es ist jedoch erwiesen, dass dieses Familienleben keinen Bestand hatte. Sie leben an
verschiedenen Adressen und sind offensichtlich eingereist, um hier arbeiten zu können.
Beweiswürdigung
Die Behörde gelangt zu obigen Feststellungen aufgrund folgender Erwägungen:
Eine Verständigung der Niederlassungsbehörde sowie eine Einsichtnahme in das zentrale
Melderegister zeigen, dass die zur Erteilung der Niederlassungsbewilligung geltenden
Voraussetzungen nicht mehr existent ist.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 3 BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) und § 3 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG)
ist das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) die zuständige Behörde nach dem
BFA-VG, dem Asylgesetz 2005 (AsylG), dem 7., 8. und 11. Hauptstück des
Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), dem Grundversorgungsgesetz-Bund 2005 (GVG-B)
und der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO).
Gemäß Art. I Abs. 2 Z 1 des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen
2008 (EGVG) wendet das BFA das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG)
an.
? Zu Spruchpunkt I.:
Gemäß § 52 Abs. 4 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich
rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2
NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels,
Einreisetitels oder der erlaubten visumfreien Einreise entgegengestanden wäre,
1a. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des
zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß §
31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen
Aufenthalt erforderlich ist,
2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er der
Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als
vier Monate keiner erlaubten unselbstständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er länger
als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der
Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit
nachgegangen ist,
4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1
und 2 NAG) entgegensteht oder
5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG aus Gründen, die
ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt
wurde.
Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung
rechtfertigen, so ist diese verpflichtet, dem Bundesamt diese unter Anschluss der
relevanten Unterlagen mitzuteilen.
§ 52 Abs. 4 Z 1 liegt in Ihrem Fall vor.
Wird durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben des Fremden
eingegriffen, so ist die Erlassung gem. § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung
der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens iS des Art. 8 EMRK sind insbesondere
zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige
Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war ,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-
Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt
entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden
zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung jedenfalls
begründet, insbesondere darauf, ob diese auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die
Unzulässigkeit ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des
Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß
vorübergehend sind.
Für Ihre Person bedeutet das:
Das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK schützt das
Zusammenleben der Familie.
Es konnte kein Familienleben im Bundesgebiet ermittelt werden. Sie sind zwar auf dem
Papier noch mit Ihrer Frau verheiratet, haben jedoch getrennte Wohnsitze und leben auch
in verschiedenen Bundesländern. Sie haben mittels eines unberechtigten Asylantrages
schon einmal versucht nach Österreich zu kommen. Es war Ihnen bewusst, dass Sie, sofern
Sie nicht eine Familiengemeinschaft mit einer in Österreich legal aufhältigen Person
darstellen können, keine legale Möglichkeit mehr haben um in Österreich arbeiten und
leben zu können.
Sie haben während Ihres Asylverfahrens Ihre jetzige Frau geheiratet. Gegen sie wie deren
Vorehemann und weitere Verwandte laufen Ermittlungsverfahren wegen dem Eingehen
von Aufenthaltsehen. Im August 2018 haben Sie das Land verlassen und erst im Juni 2019
sind Sie wieder nach Österreich gekommen. Es wurde von Ihnen trotz Aufforderung zur
Stellungnahme keine Unterlagen beigebracht, die beweisen, dass auch während dieser
Zeit ein Familienleben stattgefunden hat. Ganz im Gegenteil ist Ihnen Ihre Frau nicht in die
Türkei, was auch ihre Heimat ist, gefolgt.
Das Recht auf Achtung des Privatlebens sichert dem Einzelnen zudem einen Bereich,
innerhalb dessen er seine Persönlichkeit frei entfalten und erfüllen kann.
Ein gewisses Privatleben im Bundesgebiet kann Ihnen nicht abgesprochen werden. Dem
gegenüber steht jedoch die Tatsache, dass Sie Ihr gesamtes bisheriges Leben in Ihrer
Heimat verbracht haben und in Österreich keine sozialen Anschlüsse tätigen konnten. Sie
haben durch das Stellen eines Asylantrages versucht nach Österreich zu kommen. Dies ist
nicht gelungen. Dann haben Sie eine türkische, in Österreich aufenthaltsberechtigte Frau
geheiratet, mit welcher Sie kein Familienleben führen, durch welche Sie aber in den Besitz
einer rot-weiss-rot-Karte-plus gekommen sind. Sie verbrachten beinahe Ihr ganzes Leben
in der Türkei. Sie weisen somit kein schützenswertes Privatleben im Bundesgebiet auf.
Gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des
Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich
vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft
für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl
des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren
Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und
Freiheiten anderer notwendig ist.
Das BFA ist eine öffentliche Behörde im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK; der Eingriff ist – wie
bereits oben dargestellt – in § 10 AsylG iVm § 52 Abs. 1 FPG gesetzlich vorgesehen.
Daher ist zu prüfen, ob der Eingriff in Ihr Recht auf Achtung des Familien- und Privatlebens
im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein
in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der
öffentlichen Ordnung im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK, verfolgt. Es ist eine individuelle
Abwägung der betroffenen Interessen vorzunehmen, um festzustellen, ob der Eingriff
durch die Rückkehrentscheidung auch als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig
angesehen werden kann.
Die Abwägung hat auf Grund fehlender familiärer und privater Gründe, die für einen
Verbleib im Bundesgebiet sprechen würden, eine eindeutige Interessenslage zugunsten
der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ergeben.
Daher ist die Rückkehrentscheidung nach § 9 Abs. 1-3 BFA-VG zulässig.
Über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgter Prüfung der Erteilung eines
Aufenthaltstitels gem. § 55 AsylG hat das Bundesamt gem. § 58 Abs. 3 AsylG im
verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen. Eine Prüfung der Erteilung eines
Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG hat zu unterbleiben, da die Rückkehrentscheidung nicht
auf Dauer unzulässig ist (§ 58 Abs. 2 AsylG).
Darüber hinaus kommt der Systematik der §§ 54-58 AsylG und des NAG entsprechend
eine derartige Aufenthaltstitelerteilung nur bei unrechtmäßigem Aufenthalt in Betracht,
da in anderen Fällen bei Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung aus Gründen des § 9
BFA-VG bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 52 Abs. 5 FPG die zuständige Behörde
nach dem § 28 Abs. 1 NAG vorzugehen hätte.
Ebenso wenig ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG zu prüfen, da kein
Fall des § 58 Abs 1 AsylG vorliegt.
Da die Voraussetzungen des § 52 Abs. 4 FPG vorliegen die Aufenthaltsbeendigung im
Sinne des § 9 Abs. 1-3 BFA-VG nicht unzulässig ist, ist daher eine Rückkehrentscheidung zu
erlassen.
? Zu Spruchpunkt II.:
Gem. § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig
festzustellen, ob eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gem. § 46 FPG in einen
oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des
Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom
Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung durchsetzbar ist, sind gem. § 46 Abs. 1 FPG
von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur
Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn die Überwachung der Ausreise aus Gründen
der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint, sie ihrer Verpflichtung zur
Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind oder dies aufgrund bestimmter Tatsachen
zu befürchten ist oder der Fremde einem Einreise- oder Aufenthaltsverbot zuwider in das
Bundesgebiet zurückgekehrt ist.
Gegen Sie wird mit diesem Bescheid eine Rückkehrentscheidung erlassen.
Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist gem. § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn
dadurch Art. 2 oder 3 der EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder 13 zur Konvention zum
Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe
verletzt würde oder für Sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der
Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder
innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
Aus den aktuellen Feststellungen zur Lage im Zielstaat ergibt sich keine derartige
Gefährdung:
Sie sind offiziell eingereist, verfügen über gültige Reisedokumente und haben bereits im
Jahr 2017 asylrechtliche Anträge gestellt, welche eine Überprüfung Ihrer persönlichen
Gründe bezüglich einer Gefährdung im Herkunftsstaat zur Folge hatten.
Gem. § 50 Abs. 2 FPG ist eine Abschiebung auch dann unzulässig, wenn dem Fremden die
Flüchtlingseigenschaft zukommen sollte. Sie haben keinen Antrag auf internationalen
Schutz gestellt, und derartige Gründe sind auch nicht ersichtlich.
Gem. § 50 Abs. 3 FPG ist eine Abschiebung schließlich unzulässig, wenn die Empfehlung
einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ihr
entgegenstehe. Eine solche vorläufige Maßnahme wurde in Ihrem Fall nicht empfohlen.
Es ist somit auszusprechen, dass im Falle der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung
sowie bei Vorliegen der in § 46 Abs. 1 Z 1 bis 4 FPG genannten Voraussetzungen Ihre
Abschiebung in den Iran zulässig ist.
? Zu Spruchpunkt III.:
Gem. § 55 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gem. § 52 FPG zugleich eine Frist für
die freiwillige Ausreise festgelegt.
Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern
nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wird,
dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner
persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der
Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
In Ihrem Fall konnten solche Gründe nicht festgestellt werden.
Das bedeutet, dass Sie ab Rechtskraft dieser Rückkehrentscheidung zur freiwilligen
Ausreise binnen 14 Tagen verpflichtet sind.
Unter den in § 46 Abs. 1 Z 1 bis 4 FPG genannten Voraussetzungen, z.B. wenn Sie Ihrer
Verpflichtung zur freiwilligen Ausreise nicht zeitgerecht nachkommen, können Sie zur
Ausreise verhalten werden (Abschiebung).
Diese Rückkehrentscheidung wird nach ungenütztem Ablauf der Beschwerdefrist oder –
im Falle der rechtzeitigen Einbringung einer Beschwerde – mit Zustellung eines
abweisenden Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes rechtskräftig.
In Ihrem Fall wurden solche Gründe festgestellt. Sie haben einen Haushalt aufzulösen und
Ihre Rückkehr in die Türkei vorzubereiten. Daraus ergibt sich die nunmehr festgelegte Frist
für Ihre freiwillige Ausreise. Das bedeutet, dass Sie binnen der im Spruch genannten Frist
freiwillig ausreisen müssen. Kommen Sie dieser Verpflichtung nicht zeitgerecht nach, so
können Sie auch unter den in § 46 Abs. 1 Z 1 bis 4 FPG sonst genannten Voraussetzungen
zur Ausreise verhalten werden (Abschiebung).
Rechtsmittelbelehrung
Sie haben das Recht, gegen diesen Bescheid Beschwerde an das
Bundesverwaltungsgericht zu erheben.
Die Beschwerde ist innerhalb von 4 Wochen nach Zustellung dieses Bescheides schriftlich
bei uns einzubringen.
Sie hat den Bescheid, gegen den sie sich richtet, und die Behörde, die den Bescheid
erlassen hat, zu bezeichnen. Weiters hat die Beschwerde die Gründe, auf die sich die
Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, das Begehren und die Angaben, die erforderlich
sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist, zu enthalten.
Die Beschwerde kann in jeder technisch möglichen Form übermittelt werden, mit E-Mail
jedoch nur insoweit, als für den elektronischen Verkehr nicht besondere
Übermittlungsformen vorgesehen sind. Technische Voraussetzungen oder
organisatorische Beschränkungen des elektronischen Verkehrs sind auf folgender
Internetseite bekanntgemacht: http://www.bfa.gv.at
Bitte beachten Sie, dass der Absender/die Absenderin die mit jeder Übermittlungsart
verbundenen Risiken (zB Übertragungsverlust, Verlust des Schriftstückes) trägt.
Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung, das heißt, der Bescheid kann trotz
Erhebung einer Beschwerde vollstreckt werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat unter
bestimmten Umständen von Amts wegen innerhalb von 7 Tagen nach Einlangen der
Beschwerde bei ihm die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen (§ 18 Abs. 5 BFA-VG).
I.5. Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.
In der Beschwerde der Volkshilfe vom 24.06.2020 an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich wurde ausgeführt, dass der Spruch betreffend die Abschiebung unbestimmt wäre, die bP nichts von der Stellungnahmemöglichkeit im Verfahren gewusst hätte, darüber nicht informiert gewesen sei und insgesamt das Ermittlungsverfahren mangelhaft sei.
Die bP habe den Aufenthaltstitel aufgrund der Heirat erhalten und sei zwischenzeitlich berufsbedingt nach XXXX gezogen, wo sie zuerst nur einen Nebenwohnsitz angemeldet habe. Trotzdem sei die Ehe aufrecht geblieben und hätten sich die Ehepartner so oft als möglich getroffen.
Aufgrund der räumlichen Trennung sei es öfter zu Streitigkeiten gekommen und sei schließlich in voller Verzweiflung die Scheidung eingereicht worden. Noch vor Nachreichung von fehlenden Dokumenten sei den Ehepartnern die Kurzschlussreaktion bewusstgeworden und würden sie nunmehr an der Beziehung arbeiten. Die bP lebe zwar weiter wegen der Arbeit in XXXX und habe den dortigen Wohnsitz mittlerweile zum Hauptwohnsitz umgemeldet, weil sie sich so leichter um das Visum kümmern könne, es liege aber ein Familienleben vor. Die räumliche Trennung sei die beste Möglichkeit, in Zukunft eine finanziell unabhängige Familie aufzubauen. Die Rückkehrentscheidung würde einen Verstoß gegen Art. 8 EMRK bedingen.
In der Beschwerde der Diakonie vom 25.06.2020 an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg wurde ausgeführt, dass der eingereichte Scheidungsantrag zurückgezogen worden wäre und wurden Heiratsurkunde und Standesamtsregisterauszug vorgelegt. Aufgrund der Arbeit sei die bP zuletzt für einige Zeit nicht an der Wohnadresse der Ehegattin gemeldet gewesen, nunmehr sei sie aber wieder bei der Ehegattin gemeldet. Trotz zwischenzeitig verschiedener Meldeadressen sei die intime Lebensgemeinschaft der Ehegatten aufrecht geblieben. Es läge keine Aufenthaltsehe vor und hätten sich die zwischenzeitig verschiedenen Meldeadressen nur aufgrund der Arbeit der bP ergeben. Die bP habe versehentlich statt eines Nebenwohnsitzes einen Hauptwohnsitz angemeldet.
Die bP gehe einer Arbeit nach und habe zahlreiche Familienangehörige in Österreich.
Schließlich sei die bP seit mehr als 1 Jahr rechtmäßig aufhältig und beschäftigt und hätte die bP demnach eine geschützte Rechtsposition nach Art. 6 ARB 1/80 erreicht. Sollte bereits ein Strafverfahren wegen Aufenthaltsehe eingeleitet worden sein, so wäre richtiger Weise das aufenthaltsbeendende Verfahren bis zur Entscheidung über die Vorfrage durch das Strafgericht auszusetzen. Der Hinweis in der Rechtsmittelbelehrung betreffend die aufschiebende Wirkung sei unrichtig.
Zum Beweis für das nach wie vor aufrechte Eheleben und das Familien- und Privatleben wurde die Einvernahme der Ehegattin, der in Österreich lebenden Familie der bP (Schwester, Schwager, Neffen) und dreier namentlich angeführten Freunde beantragt.
I.6. Das Bundesamt trat den Beschwerdeausführungen im Rahmen der Beschwerdevorlage mit der Behauptung entgegen, dass keine Familieneigenschaft mehr vorläge und die Erteilungsvoraussetzungen nach § 11 Abs. 2 Z 3 NAG weggefallen wären. Dass kein Zielstaat für die Abschiebung im Spruch des Bescheides aufscheine, sei ein entschuldbares Versehen. Die zwei eingebrachten Beschwerden würden Widersprüche aufweisen und wäre es interessant, die jeweiligen Berater einzuvernehmen, da nicht glaubhaft sei, dass die bP derart unterschiedliche Angaben in zwei Beratungsgesprächen gemacht hätte. Einen Wohnsitz könne man auch nicht aus Versehen anmelden. Der Niederlassungsbehörde wären auch weder die Einreichung der Scheidung noch die getrennten Wohnsitze mitgeteilt worden. Die bP weise keine Integration auf, die Ehe sei nur zum Zweck der Arbeitsaufnahme durch die bP geschlossen worden und fände eben kein Familienleben statt. Verdachtsmomente für das Vorliegen einer Aufenthaltsehe wurden angeführt und wurde festgehalten, dass sich die beantragten Zeugen wohl absprechen würden und in den meisten Fällen Scheinehen nicht nachgewiesen werden könnten bzw. nicht mit strafrechtlichen Verurteilungen enden würden.
I.7. Vom BVwG wurde der Niederlassungsakt angefordert und eingesehen.
I.8. Am 10.11.2020 langte nachstehend wiedergegebener Erhebungsbericht der LPD XXXX ein.
Durch das Magistrat XXXX , Amt für öffentliche Ordnung, wurde wegen Verdachtes der Aufenthaltsehe gegen den türkischen Staatsangehörigen, XXXX und der türkischen Staatsangehörigen mit einem gültigen österreichischen Aufenthaltstitel (Rot-Weiß-Rot Karte), XXXX , über die LPD XXXX , ein Erhebungsersuchen an die PI XXXX gestellt.
Das Magistrat XXXX stellte im Zuge der Bearbeitung des Aufenthaltstitels fest, dass auf Grund mehrerer Fakten (kein gemeinsamer Wohnsitz und Familienleben, negativer Asylbescheid von XXXX usw.) der Verdacht besteht, dass die Hochzeit nur stattgefunden hat, damit XXXX einen Aufenthaltstitel als Familienangehöriger in Österreich erhält.
Nach Erhebungen in allgemein öffentlichen und behördeninternen Informationsquelle konnte folgender Sachverhalt festgestellt werden.
XXXX stellte am 26.05.2017 bei der EASt West des BFA, einen Asylantrag. Dieser wurde negativ beschieden und ist seit dem 09.05.2018 rechtswirksam.
Am 13.03.2018 heiratete er die türkische StA., XXXX , welche einen Daueraufenthalt (Rot-Weiß-Rot Karte) besitzt. Er reiste auf Grund des negativen Asylbescheides am XXXX .2018 aus und bekam im Zuge des Familiennachzuges auf Grund der Ehe mit XXXX einen Aufenthaltstitel erteilt und konnte dadurch wieder nach Österreich einreisen und wohnten und führten danach anscheinend zusammen einen gemeinsamen Haushalt.
Meldedaten: XXXX
XXXX
22.03.2018 – 11.05.2020 (Hauptwohnsitz)
XXXX
11.05.2020 – 10.06.2020 (Hauptwohnsitz)
17.01.2019 – 11.05.2020 (Nebenwohnsitz)
XXXX
10.06.2020 – laufend (Hauptwohnsitz)
Meldedaten: XXXX
XXXX
12.12.2016 – 19.07.2019 (Hauptwohnsitz)
XXXX
19.07.2019 – laufend (Hauptwohnsitz)
XXXX meldete sich kurz nach der Hochzeit an der Wohnadresse in XXXX , XXXX an und war bis zum 11.05.2020 dort mit Hauptwohnsitz gemeldet. Als Nebenwohnsitz war er von 17.01.2019 bis zum 11.05.2020 in XXXX gemeldet, da er dort einer Arbeit nachging.
Seine Frau XXXX war bis zum 19.07.2019 an der Adresse XXXX gemeldet und zog danach in die XXXX , wo sie auch seit dem 19.07.2019 gemeldet ist.
XXXX war jedoch bis Mai 2020 in der XXXX gemeldet, obwohl dort seine Frau nicht mehr gemeldet war. Es ist erst seit XXXX an ihren neuen Wohnsitz gemeldet.
Ob beide je zusammen wohnten und lebten konnte bis jetzt nicht festgestellt werden.
Dieser Sachverhalt wurde vom Magistrat auch an das BFA XXXX übermittelt und diese stellten einen Rückkehrbescheid aus, gegen welchen er eine Beschwerde einlegte, siehe beiliegende Beschwerde von XXXX und der Beschwerdevorlage des BFA XXXX .
Der Rückkehrbescheid wurde im Ende Mai übermittelt und auffällig ist, dass er sich erst danach an der neuen Adresse seiner Frau in XXXX angemeldet hat und die Beschwerde durch die Volkshilfe XXXX geführt wird. Er war zwischenzeitlich von der Abmeldung in XXXX von 11.05. bis 10.06.2020 mit Hauptwohnsitz in XXXX gemeldet.
Beide Personen reichten auch zwischenzeitlich die Scheidung ein, ein Scheidungsurteil liegt jedoch nicht vor und die Ehe ist immer noch aufrecht.
In der Beschwerdevorlage des BFA XXXX werden die Verdachtspunkte einer möglichen Aufenthaltsehe angeführt.
Weiter wird mitgeteilt, dass gegen Familienangehörige von XXXX vor kurzem auch Erhebungen wegen Verdachtes der Aufenthaltsehe geführt und durch das LG XXXX geführt wurde.
Der oben angeführte Sachverhalt wurde am 07.07.2020 an die Staatsanwaltschaft XXXX zu strafrechtlichen Beurteilung im Form eines Berichtes § 100/3a StPO unter der Zahl PAD/20/01174141/001/KRIM übermittelt.
Am 17.08.2020 wurde seitens der Staatsanwaltschaft XXXX , die Benachrichtigung von der Einstellung des Verfahrens übermittelt.
Dieser Sachverhalt wurde dem BFA XXXX , mitgeteilt und es wurde vereinbart, dass weitere verwaltungsrechtliche Erhebungen gemacht werden.
Weitere Erhebungen ergaben folgenden Sachverhalt.
Nach Durchsicht der Unterlagen, wurde festgestellt, dass XXXX noch immer bei ihrem Ex-Mann, XXXX , mitversichert ist und dieser als Gatte im Versicherungsauszug geführt wird. Es wurden weitere Erhebungen geführt und über die PI XXXX wurde bei XXXX die Klärung des Familienstandes erhoben. XXXX teilte den erhebenden Beamten mit, dass sie seit 2015 geschieden sind und legte dabei die beglaubigte Übersetzung der Scheidungsurkunde vor. Es wurde von den Kollegen der PI XXXX eine Kopie angefertigt und per Mail an den Sachbearbeiter übermittelt. XXXX konnte sich nicht erklären, warum seine Ex-Frau noch bei ihm mitversichert ist, er werde das aber gleich ändern.
Es wurde weiter mehrmals versucht, bei der Wohnadresse von XXXX festzustellen ob ihr Mann auch dort aufhältig ist, er ist bei einem Lokal in XXXX beschäftigt. Bis jetzt konnte XXXX noch nicht in der Wohnung angetroffen werden.
Am 09.10.2020 wurde eine Nachbarin angetroffen und diese teilte auf Befragen mit, dass nicht regelmäßig ihr Mann in der Wohnung ist. Wie oft und wie lang konnte sie nicht sagen, er soll anscheinend in einem Kebab-Lokal arbeiten.
Am 26.10.2020 konnte Frau XXXX angetroffen werden und sie war alleine in der Wohnung und konnte zum Sachverhalt befragt werden.
Sie gab an, dass ihr Mann in XXXX bei einer Pizzeria, Name XXXX , arbeitet und nicht regelmäßig nach Hause kommt, so etwa 2-3mal in der Woche. Manchmal kommt er nach Arbeitsende mit dem Firmenauto über Nacht nach Hause und fährt am nächsten Tag wieder. Er wohnt während er arbeitet beim Restaurant in einem Mitarbeiterzimmer.
Bei einer anschließenden Nachschau in Wohnung konnte persönliche Bekleidung von ihrem Mann im Kleiderschrank vorgefunden werden. Weiter befand sich eine größere Menge Schmutzwäsche von ihm in der Wohnung, welche er beim letzten Besuch zur Reinigung nach Hause gebracht hatte. Die Wohnung war vor allem sauber und aufgeräumt, Bilder mit beiden konnten keine festgestellt werden, es waren nur drei Bilder mit ihren Kindern auf einem Kasten aufgestellt. Die Wohnung war eher spartanisch eingerichtet, es waren keine Bilder aufgehängt und sehr aufgeräumt.
Persönliche Dokumente von ihm konnte sie nicht vorweisen, nur Postsendungen welche an ihrem Mann adressiert waren.
Es war augenscheinlich, dass die beiden trotz seines Arbeitsplatzes ein gemeinsames Familienleben führen, was auch die Aussagen der Nachbarin, dass regelmäßig ihr Mann in der Wohnung ist, bestätigen.
Seitens der PI XXXX werden keine weiteren Erhebungen, außer bei Ersuchen der zuständigen Behörde mehr geführt.
I.9. Am 21.04.2021 langte – nach Zurücklegung der bisherigen Vollmachten - eine Vollmachtsbekanntgabe der nunmehrigen rechtsfreundlichen Vertretung samt Ersuchen um Akteneinsicht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes.
1. Feststellungen:
Das BFA hat im angefochtenen Bescheid die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes unterlassen und ergibt sich dieser auch nicht aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes. Insbesondere in Bezug auf die familiären Anknüpfungspunkte zur Ehegattin und der in diesem Zusammenhang vermuteten Scheinehe wurden keine bzw. keine hinreichenden Ermittlungen getätigt und weist das Ermittlungsverfahren bzw. der Bescheid weitere teils gravierende Mängel auf.
2. Beweiswürdigung:
Der für diese Entscheidung relevante Sachverhalt ergibt sich aus der vorliegenden Aktenlage zweifelsfrei.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3. 1. Zurückverweisung
(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
(4) Hat die Behörde bei ihrer Entscheidung Ermessen zu üben, hat das Verwaltungsgericht, wenn es nicht gemäß Abs. 2 in der Sache selbst zu entscheiden hat und wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
(5) Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
(6) [….]
(7) [….]
(8) [….]
Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG 2014 bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).
Ergänzend zu obigen Ausführungen ist aber auch die jüngste Judikatur des EuGH zu erwähnen, der in seinem Urteil vom 14.6.2017, C-685 EU:C:2017:452 sich ua. mit der Frage, ob nationale Bestimmungen, welche dem Verwaltungsgericht die amtswegige Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts (anstelle der Behörde) – bei entsprechender Untätigkeit der Behörde - der in der europarechtlichen Judikatur geforderten Objektivität bzw. Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit des Gerichts entgegenstehen.
Nach seiner Ansicht können die Gerichte nach den nationalen Verfahrensregeln zwar verpflichtet sein, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Vorlage solcher Beweise zu fördern, doch können sie nicht verpflichtet sein, anstelle der genannten Behörden die Rechtfertigungsgründe vorzubringen, die nach dem Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a. (C 390/12, EU:C:2014:281) diese Behörden vorzubringen haben. Werden diese Rechtfertigungsgründe wegen der Abwesenheit oder der Passivität dieser Behörden nicht vorgebracht, müssen die nationalen Gerichte alle Konsequenzen ziehen dürfen, die sich aus einem solchen Mangel ergeben.
Der EuGH führte weiter aus, dass die Art. 49 und 56 AEUV, wie sie insbesondere im Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a. (C 390/12, EU:C:2014:281), ausgelegt wurden, im Licht des Art. 47 der Charta dahin zu interpretieren sind, dass sie einer nationalen Verfahrensregelung, nach der in Verwaltungsverfahren das Gericht, bei der Prüfung des maßgeblichen Sachverhalts die Umstände der bei ihm anhängigen Rechtssache von Amts wegen zu ermitteln hat, nicht entgegenstehen, sofern diese Regelung nicht zur Folge hat, dass das Gericht an die Stelle der zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats zu treten hat, denen es obliegt, die Beweise vorzulegen, die erforderlich sind, damit das Gericht eine entsprechende Prüfung durchführen kann. Hinsichtlich des Rechts nach Art. 47 Abs. 2 der Charta auf ein unabhängiges und unparteiisches Gericht umfasst der Begriff der „Unabhängigkeit“, die der Aufgabe des Richters innewohnt, nämlich zwei Aspekte. Der erste, externe, Aspekt setzt voraus, dass die Stelle vor Interventionen oder Druck von außen geschützt ist, die die Unabhängigkeit des Urteilens ihrer Mitglieder im Hinblick auf die ihnen unterbreiteten Rechtsstreite gefährden könnten (Urteil vom 9. Oktober 2014, TDC, C?222/13, EU:C:2014:2265, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung). Der zweite, interne, Aspekt steht mit dem Begriff der „Unparteilichkeit“ in Zusammenhang und bezieht sich darauf, dass hinsichtlich der Parteien des Rechtsstreits und ihren jeweiligen Interessen an dessen Gegenstand ein gleicher Abstand gewahrt wird. Dieser Aspekt verlangt, dass Sachlichkeit obwaltet und neben der strikten Anwendung der Rechtsnormen keinerlei Interesse am Ausgang des Rechtsstreits besteht (Urteil vom 9. Oktober 2014, TDC, C?222/13, EU:C:2014:2265, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Was das Zusammenspiel zwischen der den nationalen Gerichten nach dem nationalen Recht obliegenden Pflicht, in den bei ihnen anhängigen Rechtssachen den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, und dem Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a. (C?390/12, EU:C:2014:281), anbelangt, ist in den Rn. 50 bis 52 des vorliegenden Urteils darauf hingewiesen worden, dass die nationalen Gerichte nach dem Unionsrecht eine Gesamtwürdigung der Umstände, unter denen eine restriktive Regelung erlassen worden ist und durchgeführt wird, auf der Grundlage der Beweise vornehmen müssen, die die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats vorgelegt haben.
Diese Gerichte können nach den nationalen Verfahrensregeln zwar verpflichtet sein, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Vorlage solcher Beweise zu fördern, doch können sie – wie die Generalanwältin in den Nrn. 51 bis 56 und 68 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat – nicht verpflichtet sein, anstelle der genannten Behörden die Rechtfertigungsgründe vorzubringen, die nach dem Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a. (C?390/12, EU:C:2014:281), diese Behörden vorzubringen haben. Werden diese Rechtfertigungsgründe wegen der Abwesenheit oder der Passivität dieser Behörden nicht vorgebracht, müssen die nationalen Gerichte alle Konsequenzen ziehen dürfen, die sich aus einem solchen Mangel ergeben.
Die Ausführungen des EuGH beziehen sich zwar auf ein Verwaltungsstrafverfahren, sie sind nach ho. Ansicht in ihren sich daraus ergebenden Grundsätzen zu der Rolle des Verwaltungsgerichtes im Verhältnis zu jener der ermittelnden Behörde jedoch auch im gegenständlichen Fall anwendbar.
Im Lichte einer GRC-konformen Interpretation der verfassungsrechtlichen Bestimmungen, wonach das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden hat, finden diese demnach jedenfalls dort ihre Grenze, wenn das Gericht an die Stelle der zuständigen belangten Behörde zu treten hätte, der es eigentlich obliegt, dem Gericht die Beweise, iSd Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts, vorzulegen. Wird diese Grenze überschritten ist das Gericht ermächtigt – wenn nicht sogar iS obiger, vom EuGH aufgezeigter Grundsätze verpflichtet - eine kassatorische Entscheidung iSd § 28 Abs. 3 VwGVG zu treffen.
3. 2. Rechtlich zur Frage der Scheinehe
Der Tatbestand des § 30 Abs. 1 NAG ist u.a. dann erfüllt, wenn sich der Ehegatte zur Erteilung eines Aufenthaltstitels auf eine Ehe beruft, obwohl kein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt wird. Dabei erfordert § 30 Abs. 1 NAG nicht, dass die Ehe - quasi in Missbrauchsabsicht - zu dem Zweck geschlossen wurde, einen Aufenthaltstitel zu erlangen, sondern dass zum Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde oder des Verwaltungsgerichtes kein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK (mehr) geführt wird. Beantragt ein Fremder die Erteilung eines Erstaufenthaltstitels zum Zweck der Familienzusammenführung mit seinem Ehegatten, ist seine Absicht entscheidend, wie der angestrebte Titel genutzt werden solle. Ein formales Band der Ehe reicht nicht aus, um aufenthaltsrechtliche Wirkungen zugunsten des ausländischen Ehegatten abzuleiten (VwGH 27.4.2017, Ro 2016/22/0014 mwN).
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass die Annahme des Vorliegens einer Aufenthaltsehe iSd § 30 Abs. 1 NAG 2005 nicht voraussetzt, dass der Ehepartner gemäß § 117 FrPolG 2005 bestraft oder eine Anzeige gemäß § 117 FrPolG 2005 erstattet worden ist. Es steht einer derartigen Annahme auch nicht entgegen, dass ein Strafverfahren nach § 117 FrPolG 2005 nicht mit einer Verurteilung endete (vgl. bsp. VwGH am 27.02.2020, zu Ra 2019/22/0203 und vom 08.11.2018, Ra 2018/22/0041).
Die Behörde darf bei Vorliegen einer Aufenthaltsehe nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes darauf schließen, dass der künftige Aufenthalt des Fremden eine erhebliche Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung der Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens darstellt. Diese Gefährdung der öffentlichen Ordnung stellt nach § 11 Abs. 2 Z 1 iVm Abs. 4 Z 1 NAG einen Grund dar, die Erteilung eines Aufenthaltstitels abzulehnen (vgl. etwa VwGH 17.6.2019, Ra 2019/22/0096; 24.11.2009, 2007/21/0011; 19.6.2008, 2007/18/0041; 19.6.2008, 2007/18/0149).
Das Fehlen eines gemeinsamen Haushaltes bzw. eines gemeinsamen Wohnsitzes führt nicht per se zu der Annahme, dass eine Aufenthaltsehe vorliegt (VwGH vom 27.02.2020, Ra 2019/22/0205).
Dass behauptete regelmäßige Kontakte über das Internet sowie behauptete Besuche des Ehepartners nicht unmaßgeblich für eine "echte" (im Sinn einer tatsächlich gelebten) Ehe sprechen, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits festgehalten (vgl. erneut VwGH 2010/21/0177).
3. 3. Zur Annahme der Scheinehe im gegenständlichen Verfahren
In Anbetracht dieser Judikaturlinien des VwGH hat das Bundesamt bei tatsächlicher Annahme einer Scheinehe entsprechende Ermittlungen zu tätigen und sich folglich damit in der Begründung auseinanderzusetzen. Selbst wenn Anzeigen bzw. Verurteilungen wegen Scheinehe nicht gefordert sind, so sind dennoch entsprechende Ermittlungen der Behörde zu tätigen, welche schlüssig auf das Vorliegen einer Scheinehe schließen lassen. Abgesehen von den im nächsten Punkt dargestellten weiteren Unzulänglichkeit des gegenständlichen Bescheides konnte die bB im Zeitpunkt der Bescheiderlassung auch in Anbetracht der Judikatur zu Aufenthaltsehen nicht alleine aufgrund des Umstandes, dass die bP mit ihrer Ehegattin über einen bestimmten Zeitraum hinweg nicht an derselben Meldeadresse gemeldet war in Verbindung mit einer nicht ausreichend belegten und hinterfragten Verwicklung der Schwester der bP in ein Aufenthaltseheverfahren davon ausgegangen werden, dass im Falle der bP tatsächlich eine Aufenthaltsehe vorlag. Zudem wird im Bericht der LPD festgehalten, dass eine Verwandte der Ehegattin der bP in ein Scheineheverfahren verwickelt gewesen sei.
Entsprechende, für dieses Verfahren essentielle Ermittlungen sind im gegenständlichen Fall damit gerade nicht erfolgt. Richtig ist zwar, dass wie in der Beschwerdevorlage der bB erörtert, zwei in Details widersprüchliche Beschwerden vorliegen, letztlich erhellte sich jedoch auch aus der Beschwerdevorlage keine nachvollziehbare Begründung für gegenständliche Entscheidung. Der Bescheid wurde lediglich darauf gestützt, dass eine Verständigung der Niederlassungsbehörde vorliegt und eine Einsicht in das Melderegister zeigen würde, dass die zur Erteilung der Niederlassungsbewilligung geltenden Voraussetzungen nicht mehr existent wären.
Im Aktenvermerk der Niederlassungsbehörde wird letztlich nur auf die Schwester der bP und deren Verwicklung in ein Aufenthaltseheverfahren eingegangen und betreffend bP und Ehegattin lediglich festgehalten, dass sie nicht mehr an gemeinsamen Wohnsitz leben.
Nunmehr ergab sich aus dem Bericht der LPD, dass zwar Erhebungen betreffend Familienangehörige wegen des Verdachts auf Aufenthaltsehe geführt wurden, was diese Ermittlungen ergaben steht nicht fest. Wesentlich ist jedoch vielmehr, dass bereits ein Bericht der LPD offenbar betreffend der „Vermutungen“ gegen die bP an die Staatsanwaltschaft übermittelt wurde, es jedoch zu einer Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft im August 2020 kam.
Weitere, durch die bB veranlasste Ermittlungen über die LPD führten dazu, dass die ermittelnden Beamten zu dem Schluss kamen, dass jedenfalls im Oktober 2020 „nicht“ von einer Scheinehe ausgehen war, da entsprechende Anzeichen für einen gemeinsamen Haushalt in der Wohnung der bP bzw. deren Ehegattin gefunden wurden.
Gegenständlich ist unzweifelhaft ein hohes öffentliches Interesse an der Verhinderung von Scheinehen gegeben, und stehen die Maßnahmen der Rückkehrentscheidung und der Verhängung eines Einreiseverbotes grundsätzlich bei derartigen Fälle offen. Dazu hat die belangte Behörde, wie bereits angeführt, in einem zentralen Punkt jedoch im gegenständlichen Fall keine bzw keine entsprechenden Ermittlungen getätigt und nicht einmal durch Einvernahme der bP und ihrer Ehegattin als Zeugin die Umstände ihrer Ehe erfragt, auch wenn sich durchaus Anhaltspunkte (kein gemeinsamer Wohnsitz, Scheidungseinreichung, Eheschließung kurz vor rechtskräftiger Ablehnung des Antrags auf internationalen Schutz) ergaben.
Das Bundesamt hat im Falle eines fortgesetzten Verfahrens weitere Ermittlungen insbesondere Einvernahmen der bP und der Ehegattin durchzuführen, falls sie nicht aufgrund der nunmehr vorliegenden Fakten davon ausgehen will, dass im gegenständlichen Fall keine Scheinehe vorliegt und somit generell (aktuell) von der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme abzusehen ist. Zudem wären alle Unterlagen, Ermittlungsergebnisse und Verfahrensstände hinsichtlich Scheinehe betreffend die bP, ihre Ehegattin und ihre Verwandten einzuholen und genauso wie die Unterlagen zur angeblich eingebrachten Scheidung der bP einer Würdigung zu unterziehen. Weiters ist anzumerken, dass sich die Behörde bei Fortsetzung des Verfahrens auch mit dem sich aus der Beschwerde ergebenden Sachverhalt und Beweisanträgen auseinanderzusetzen hat.
Das Ermittlungsverfahren des Bundesamtes war somit grob mangelhaft und ist der Sachverhalt hier nicht bloß ergänzungsbedürftig. Würde das BVwG hier die erforderlichen Ermittlungen anstatt der dafür zuständigen Behörde übernehmen, würde dies zudem dazu führen, dass das Verwaltungsgericht hier die Rolle der Behörde übernimmt. Der „Instanzenzug“ der bP wäre dadurch erheblich verkürzt und würde es zu einer Beeinträchtigung ihrer Rechtsschutzinteressen kommen, wenn das BVwG die erste und de facto letzte Instanz wäre, die über ihre Sache entscheidet. Der weitere Rechtszug an den VwGH und VfGH sind folglich nur mehr erschwert möglich. Im Lichte einer GRC-konformen Interpretation der verfassungsrechtlichen Bestimmungen, wonach das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden hat, finden diese demnach jedenfalls dort ihre Grenze, wenn das Gericht – wie hier gegeben - an die Stelle der zuständigen belangten Behörde zu treten hätte, der es eigentlich obliegt, dem Gericht die Beweise, iSd Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts, vorzulegen. Wird wie hier diese Grenze überschritten ist das Gericht ermächtigt – wenn nicht sogar iS obiger, vom EuGH aufgezeigter Grundsätze verpflichtet - eine kassatorische Entscheidung iSd § 28 Abs. 3 VwGVG zu treffen.
3.4. Weitere Mängel des Bescheides bzw. Ermittlungsverfahrens
Es finden sich zudem keine Hinweise im Akt der bB bzw. Niederlassungsakt, wie die bB zur Feststellung gelangte, dass die bP hier einreiste, „um zu arbeiten“, vielmehr fehlen auch jegliche Feststellungen und Ermittlungen dazu, wie lange die bP in Österreich einer Beschäftigung nachgegangen ist, ob sie dadurch etwa Rechte aus dem Assoziationsabkommen ableiten kann und ein besonderer Gefährdungsmaßstab anzuwenden ist (Beschäftigung seit 25.01.2019) sowie inwieweit die bP dadurch bzw. allgemein integriert ist. Auch die familiären Anknüpfungspunkte der bP wären im Rahmen einer Interessensabwägung jedenfalls zu berücksichtigen und kann sich die bP in der Beschwerdevorentscheidung nicht legitimer Weise darauf zurückziehen, die bP hätte diese nicht genannt. Diese Verwandten sind bereits aus dem Asylverfahren bekannt und hat die bP auch keine aktuellen Länderfeststellungen in das Verfahren eingeführt.
Es wurde im Spruch auch nur angeführt, dass § 52 Abs. 4 FPG erfüllt wäre. Zudem wurde begründend im Bescheid festgehalten, dass § 52 Abs. 4 Z 1 FPG vorliege und wurde im Verfahrensgang erwähnt, dass gemäß § 11 Abs. 2 Z 3 NAG die Erteilungsvoraussetzungen weggefallen wären. Die in § 11 Abs. 2 Z 3 NAG (der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;) enthaltene Erteilungsvoraussetzung ist im gegenständlichen Fall nicht einschlägig, richtig wäre §11 Abs. 1 Z 4 NAG (Aufenthaltsehe).
Erheblich erscheint zudem, dass die Niederlassungsbehörde den letzten Aufenthaltstitel der bP mit Gültigkeit vom 08.06.2019 bis 07.06.2020 verlängert hat. Bereits mit Schreiben vom 30.03.2019 und damit 3 Monate zuvor wurde der bB jedoch der Verdacht auf Aufenthaltsehe bekannt gegeben.
Hierzu wird aus der Entscheidung des VwGH vom 04.03.2020, RA 2019/21/0403 wie nachstehend zitiert:
Der Bestimmung des § 54 Abs. 1 FrPolG 2005 in der Stammfassung entspricht nunmehr § 52 Abs. 4 Z 1 und 4 FrPolG 2005, wonach gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen ist, wenn nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG 2005 eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre (Z 1) oder wenn - was im Verlängerungsverfahren maßgeblich ist (vgl. VwGH 24.1.2019, Ra 2018/21/0227) - der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund nach § 11 Abs. 1 und 2 NAG entgegensteht (Z 4). Die Rechtsprechung zu § 61 Z 2 iVm § 54 Abs. 1 FrPolG 2005 (vgl. VwGH 4.6.2009. 2009/18/0097) ist auf die nunmehr geltende Rechtslage zu übertragen. Demnach ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen einen auf Grund eines gültigen Aufenthaltstitels rechtmäßig aufhältigen Drittstaatsangehörigen gemäß § 52 Abs. 4 Z 1 FrPolG 2005 - und damit auch die Erlassung eines mit der Rückkehrentscheidung zu verbindenden Einreiseverbots nach § 53 FrPolG 2005 - aufgrund eines Sachverhaltes, der die Versagung des dem Drittstaatsangehörigen zuletzt erteilten Aufenthaltstitels gerechtfertigt hätte, nur zulässig, wenn dieser Sachverhalt erst nach Erteilung des Titels eingetreten oder zwar zuvor eingetreten, der Niederlassungsbehörde aber erst nachträglich bekannt geworden ist. Wird dem Fremden nach seiner strafgerichtlichen Verurteilung - ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot-Karte plus" erteilt, der in der Folge verlängert wird, so sind Feststellungen erforderlich, ob die Niederlassungsbehörde - etwa durch einen Strafregisterauszug oder weil ihr die Anhaltung in Strafhaft bekannt war - zum Zeitpunkt der l