TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/7 W195 2205142-2

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Veröffentlicht am 07.06.2021
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Entscheidungsdatum

07.06.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §32

Spruch


W195 22051421-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsident Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über den Antrag von XXXX geb. XXXX StA. Bangladesch, wohnhaft in XXXX , hinsichtlich Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.12.2019, XXXX , abgeschlossenen Verfahrens erkannt:

A)

Dem Antrag wird gemäß § 32 VwGVG keine Folge gegeben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

I.1 Mit Schriftsatz vom 02.06.2021 stellte der Antragsteller (ASt) einen Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.12.2019 abgeschlossenen Verfahrens zur Erlangung internationalen Schutzes.

Weiters stellte der ASt einen Antrag auf Gewährung einer einstweiligen Anordnung nach Unionsrecht.

Begründend führte der ASt dazu aus, dass „neue Tatsachen und Beweismittel“ hervorgekommen seien, die angeblich im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten.

Der ASt führt aus, dass er

-        homosexuell sei,

-        am 20.05.2021 von seiner behandelnden Ärztin für Allgemeinmedizin eine Überweisung zur Psychotherapie erhalten habe wegen des Verdachtes auf posttraumatische Belastungsstörung (F20.0) sowie

-        der Bruder des ASt diesen am 20.05.2021 – während sich der ASt im Wartezimmer seiner Ärztin aufhielt – und am folgenden Tag anrief und ihm erzählte, dass die Polizei erneut in Bangladesch bei der Familie gewesen sei.

Wie der Wiederaufnahmewerber darlegte, könne ihn „denkunmöglich ein Verschulden daran treffen, die medizinische Diagnose sowie die Vorsprache der Polizei im Elternhaus, die nach der rechtskräftigen Entscheidung gestellt wurden bzw. erfolgte, nicht früher bekannt gegeben zu haben“.

Dem Antrag war ein „Patientenbrief (Ambulant)“ des XXXX , datiert mit 01.02.2021, beigefügt (Beweismittel 1). Darin wird als Diagnose „V.a Paranoide Schizophrenie (F20.0)“ und als „Vorgeschichte“ angegeben, dass der Patient glaube, sein Schwager oder andere Personen wollten ihm etwas Schlechtes antun und andere Menschen könnten seine Gedanken lesen.

Als Medikation wurde vorgeschlagen die Einnahme von 2,5 Tabletten Risperdal sowie Trittico, dieses bei Bedarf mit 1/3. Eine fachärztliche Kontrolle wurde empfohlen.

Darüber hinaus legte der ASt eine Bestätigung („dient zur Vorlage bei der zuständigen Krankenkasse“) einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 20.05.2021, welche „Va.PTSD“ (Verdacht auf PTSD) angab (Beweismittel 2).

Als weiteres Beweismittel (Nr 3) legte der ASt Verbindungsprotokolle seiner Anrufe vom 20.05.2021 und 21.05.2021 vor.

Den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung nach dem Unionsrecht begründete der ASt damit, dass einem Antrag auf Wiederaufnahme keine aufschiebende Wirkung zukomme und somit dem ASt keine Rechtsposition eingeräumt sei, die ihn vor einer drohenden Überstellung nach Bangladesch schützen würde. Das Bundesverwaltungsgericht habe deshalb „unverzüglich“ über den gegenständlichen Antrag zu entscheiden, Art 47 GRC würde den Anwendungsbereich des § 34 VwGVG verdrängen.

Der ASt begehre deshalb

-        Die Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.12.2019 abgeschlossenen Verfahrens

-        Die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung unter Beiziehung eines Sachverständigen zum Beweis des Vorliegens einer medizinisch/psychologisch/psychiatrischen Beeinträchtigung des ASt im vormals anhängigen Verfahren

-        Die Gewährung einer einstweiligen Anordnung nach Unionsrecht

-        Die Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren zu Rs C-18/20 (nicht sofortige Geltendmachung von Gründen).

I.2. Dem BVwG wurde ein Einzahlungsbeleg hinsichtlich der zu entrichtenden Gebühr weder im Original noch in Kopie vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Gegenständlich handelt es sich um einen Wiederaufnahmeantrag betreffend das mit Erkenntnis des BVwG vom 04.12.2019 abgeschlossenen Verfahren. Dieser Entscheidung lag unter anderem die Verhandlung vor dem BVwG am 29.11.2019 zu Grunde, zu welcher der ASt als Beschwerdeführer (mit entsprechender Rechtsberatung) die Möglichkeit hatte, sein Vorbringen umfassend darzulegen. Festgestellt wird, dass das seinerzeitige Vorbringen des BF aus Gründen einer behaupteten Homosexualität aus Bangladesch geflohen zu sein, als nicht glaubwürdig beurteilt und eine Rückkehrentscheidung getroffen wurde.

Der vorliegende Antrag betrifft somit ein Verfahren, welches vom BVwG rechtskräftig abgeschlossen wurde.

Festgestellt wird, dass der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 22.01.2020, XXXX dem gestellten Antrag, der Beschwerde gegen die Entscheidung des BVwG vom 04.12.2019 die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, Folge gab.

Festgestellt wird, dass der Verfassungsgerichtshof jedoch in weiterer Folge mit Beschluss vom 08.05.2020, XXXX den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abwies und die Behandlung der Beschwerde ablehnte.

Der Verfassungsgerichtshof hielt fest, dass das Bundesverwaltungsgericht weder eine grundrechtswidrige Gesetzesauslegung vorgenommen habe noch grobe Verfahrensfehler unterlaufen seien. Da die Rechtsverfolgung vor dem VfGH „offenbar als aussichtslos“ erschien, wurde auch die Bewilligung der Verfahrenshilfe abgewiesen.

Festgestellt wird, dass eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof nicht eingebracht wurde.

Festgestellt wird, dass der ASt hinsichtlich des seinerzeitigen Fluchtgrundes „Homosexualität“ keine neuen Tatsachen oder Beweismittel vorbrachte. Es liegt somit kein relevanter Wiederaufnahmegrund, der zu einem anderen Ergebnis geführt hätte, diesbezüglich vor. Die seinerzeitige Beurteilung des Fluchtgrundes ist rechtskräftig, auch unter Berücksichtigung der VfGH-Entscheidungen sowie der Nichteinbringung einer Revision, endgültig abgeschlossen.

Festgestellt wird, dass das zum Wiederaufnahmegrund „Erkrankung“ vorgelegte Beweismittel 1, Patientenbrief XXXX , das Datum 01.02.2021 trägt. Festgestellt wird, dass der ASt einen Wiederaufnahmeantrag nicht innerhalb von zwei Wochen einbrachte.

Festgestellt wird, dass sowohl im Beweismittel 1 als auch im Beweismittel 2 lediglich der „Verdacht auf“ PTSD ausgedrückt wurde, der ASt jedoch keinerlei Beweismittel vorlegte, dass er überhaupt PTSD habe.

Festgestellt wird, dass der ASt keinerlei Beweis- oder Bescheinigungsmittel vorlegte, dass bereits im vorhergehenden Verfahren ein „Verdacht auf PTSD“ vorlag. Festgestellt wird, dass der BF selbst im vorhergehenden Verfahren (sowohl beim BFA als auch beim BVwG) angab, gesund zu sein.

Festgestellt wird, dass der ASt zum Fluchtgrund „Polizeivorsprache im Elternhaus“ ein (telefonisches) Verbindungsprotokoll vorlegte, dem zu Folge er mit seinem Bruder am 20.05.2021 sowie am 21.05.2021 Kontakt hatte; hinsichtlich des Inhaltes dieser Kontaktnahme liegt kein Beweis- oder Bescheinigungsmittel vor.

Festgestellt wird, dass der BF behauptet, dass der Anruf des Bruders „wegen erfolgter Polizeivorsprache im Elternhaus“ (Diktion Antrag) „am 20.05.2021“ erfolgte.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch den vorgelegten Antrag, die beigefügten Dokumente, sowie den im BVwG vorhandenen Gerichtsakt zu XXXX , insbesondere die Niederschrift zur Verhandlung vom 29.11.2019 sowie die Entscheidung des BVwG vom 04.12.2019.

Darüber hinaus wird auf die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes vom 22.01.2020, XXXX , sowie vom 08.06.2020, XXXX Bezug genommen.

Hinsichtlich der personenbezogenen Feststellungen wird auf das Erkenntnis des BVwG vom 04.12.2019 verwiesen, auf welches sich der gegenständliche Wiederaufnahmeantrag bezieht.

Der vorliegende Antrag des ASt liegt dem verwaltungsgerichtlichen Verfahrensakt ein und besteht kein Anlass, an der Echtheit des Antrages sowie der vorgelegten Beweismittel Zweifel aufkommen zu lassen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor, weil die Angelegenheit nach den Bestimmungen des VwGVG in Verbindung mit asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen steht. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 32 Abs 1 VwGG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof gegen das Erkenntnis nicht mehr zulässig ist und

1. das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist oder

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautenden Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder

3. das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder

4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

Gemäß Abs 2 leg cit. ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

Gemäß Abs 3 leg cit. kann unter den Voraussetzungen des Abs. 1 die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.

Gemäß Abs 4 leg cit. hat das Verwaltungsgericht die Parteien des abgeschlossenen Verfahrens von der Wiederaufnahme des Verfahrens unverzüglich in Kenntnis zu setzen.

Gemäß Abs 5 sind auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes die für seine Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Paragraphen sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

Zu A)

Der gegenständliche Antrag ist – den Angaben des ASt zufolge - fristgerecht eingebracht worden und ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung über diesen Antrag zuständig.

Eine Revision gegen die Entscheidung des BVwG vom 04.12.2019 ist nicht mehr zulässig.

Wie festgestellt wurde, legte der ASt als Beweismittel 1 einen Patientenbrief vor, in welchem der „Verdacht auf Paranoide Schizophrenie (F20.0)“ diagnostiziert wurde. Dieser Patientenbrief stammt vom 01.02.2021 und wurde offensichtlich dem „ambulanten“ ASt mitgegeben.

Es ist somit davon auszugehen, dass der ASt seit 01.02.2021 von der Diagnose „Verdacht auf Paranoide Schizophrenie“ wusste. Der ASt hat auch nicht behauptet, dass ihm dies nicht bekannt gegeben worden sei.

Auch wenn der ASt mehrfach im Antrag versucht darzustellen, dass sein Antrag fristgerecht eingebracht wurde, weil er „erstmalig am 20.05.2021“ vom Verdacht der Erkrankung erfahren habe, ist dies nicht glaubwürdig, da der Patientenbrief (Beweismittel 1) bereits zu einem wesentlich früheren Datum, nämlich dem 01.02.2021, ausgestellt wurde. Es ist nämlich nicht glaubwürdig, dass – neben der Medikation – die Diagnose („Verdacht auf“) sowie die „Empfehlungen weiterer fachärztlicher Kontrolle“, wie im Patientenbrief dargestellt, dem ASt entgangen seien. Dies hat der ASt auch nicht behauptet oder dargelegt. Demnach hätte der ASt zumindest hinsichtlich seines verfahrensgegenständlichen Vorbringens des „Verdachtes auf eine Erkrankung“ den Antrag spätestens zwei Wochen nach dem 01.02.2021 stellen müssen. Dies bedeutet, dass die Beweislast der Rechtzeitigkeit der ASt trägt (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 (2018), §°32 VwGVG, Anm 16 mwN), er jedoch die Rechtzeitigkeit hinsichtlich dieses Wiederaufnahmegrundes nicht erbrachte. Deshalb ist der Antrag unzulässig, weil verspätet eingebracht und ist diesem Antrag somit keine Folge zu geben.

Aber selbst, wenn man dem Argument, dass der ASt erst durch die Überweisung der Ärztin für Allgemeinmedizin vom 20.05.2021 von dem Verdacht auf eine Erkrankung erfahren habe, folgen würde, ist für den Antrag auf Wiedereinsetzung nichts gewonnen.

Der ASt legt nämlich keinen Beweis oder ein taugliches Bescheinigungsmittel vor, welches darlegt, dass der ASt bereits im seinerzeitigen Verfahren an Paranoider Schizophrenie erkrankt gewesen sei oder gewesen sein könnte. Der ASt hat nämlich nicht einmal bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine (fachärztliche) Bescheinigung diesbezüglich vorgelegt und ist sein Hinweis auf im Internet beschriebene Krankheitsverläufe nicht geeignet darzulegen, dass diese allgemein gehaltenen Beschreibungen von Krankheitsverläufen auch in seinem konkreten Fall zutreffen würden, noch dazu, da nicht einmal feststeht, dass der ASt selbst an dieser Krankheit überhaupt gegenwärtig leidet.

Es ist aber nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichtes neue Tatsachen oder Beweismittel zu erheben, sondern sind, wie dem § 32 Abs 2 letzter Satz VwGVG zu entnehmen ist, diese Umstände vom Antragsteller glaubhaft zu machen. Weder dem vorgelegten Beweismittel 1 oder dem Beweismittel 2 ist zu entnehmen, dass es Gründe gibt anzunehmen, dass der Verdacht auf Erkrankung bereits während des vorhergehenden Verfahrens bestand, ist es doch nicht einmal gesichert, dass diese Erkrankung derzeit besteht. Ein „Verdacht auf“ eine bestimmte Erkrankung ist eben keine Bestätigung zu einer bestehenden Erkrankung. Gerade die Überweisung der Ärztin für Allgemeinmedizin dokumentiert, dass sie keine fachärztliche Meinung dargelegt hat. Eine fachärztliche Meinung dazu ist (seit 20.05.2019) nicht dokumentiert.

Einem Antrag auf Wiederaufnahme eines Verfahrens ist stattzugeben, wenn bestimmte Tatsachen oder Beweise ohne Verschulden des Antragstellers nachträglich hervorkommen und dies in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruches anders lautendendes Erkenntnis bewirken könnte.

Es liegt somit am Antragsteller in Form einer nachvollziehbaren Begründung seines Antrages darzulegen, dass neue Tatsachen und Beweise aufgetaucht sind, dies ohne sein Verschulden bisher nicht erfolgte und darüber hinaus dies auch zu einem anderen Ergebnis in der Sache hätte führen können. Auch aus diesem Grund ist sein Vorbringen hinsichtlich des seinerzeit behaupteten Fluchtvorbringens „Homosexualität“ nicht weiter nachzugehen, hat doch der ASt keinerlei neuen Tatsachen oder Beweismittel vorgelegt, die nicht bereits im früheren Verfahren abgehandelt und rechtskräftig entschieden wurden. Auch der Verfassungsgerichtshof hat keinen Verstoß gegen Grundrechte, EMRK oder die österreichische Verfassung oder grobe Verfahrensfehler erkannt und die Verfahrenshilfe wegen Aussichtslosigkeit nicht gewährt. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde vom seinerzeitigen Beschwerdeführer nicht einmal mehr erhoben.

Hinsichtlich des Wiederaufnahmegrundes „Polizeivorsprache im Elternhaus“ sei darauf verwiesen, dass diese nach den Angaben des ASt am 20.05.2021 erfolgt sei. Damit hat zwar der ASt eine neue Tatsache behauptet, die jedoch deutlich nach der seinerzeitigen Entscheidung des BVwG vom 04.12.2019 erfolgte, also nicht im Rahmen des seinerzeitigen Verfahrens überhaupt bekannt sein konnte, wie auch der ASt richtigerweise darlegt.

Die Voraussetzung für das Vorliegen eines Wiederaufnahmeantrages wäre ein Tatsachenirrtum des erkennenden Verwaltungsgerichtes. Es wäre somit auf Tatsachen abzustellen, welche bereits zum Abschluss des Verfahrens vorhanden, jedoch zum Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses nicht hervorgekommen waren.

Hingegen konnte dieser behauptete Wiederaufnahmegrund „Polizeivorsprache im Elternhaus“ vom 20.05.2021 der Entscheidung des BVwG vom 04.12.2019 gar nicht vorliegen, weil er zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestand.

Tauglich ist ein Beweismittel als Wiederaufnahmegrund (ungeachtet des Erfordernisses der Neuheit) generell nur dann, wenn es nach seinem objektiven Inhalt und unvorgreiflich der Bewertung seiner Glaubwürdigkeit die abstrakte Eignung besitzt, jene Tatsachen in Zweifel zu ziehen, auf welche das VwG entweder die den Gegenstand der des Wiederaufnahmeverfahrens bildende Entscheidung oder zumindest die zum Ergebnis dieser Entscheidung führende Beweiswürdigung tragend gestützt hat (VwGH 19.04.2007, 2004/09/0159; 18.01.2017, Ra 2016/18/0197; siehe auch Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 (2018) § 32 Anm 9 mwN). Dazu ist jedoch dem Antrag kein ausreichender Hinweis zu entnehmen.

So ferne jedoch Beweismittel angeboten werden, welche sich erst nach Abschluss des Erkenntnisses vom 04.12.2019 ergaben, – in concreto sowohl der „Verdacht auf Erkrankung“ als auch die „Polizeivorsprache im Elternhaus“ - ist ein Wiederaufnahmegrund im Sinne des § 32 VwGVG ebenfalls kein Erfolg beschieden, weil in diesem Fall einem auf der Basis des geänderten Sachverhaltes gestellter Antrag die Rechtskraft nicht entgegensteht (VwGH 08.09.2015, Ra 2014/18/0089; 08.08.2017, Ra 2017/19/0120).

Da es sich gegenständlich um einen Wiederaufnahmeantrag handelt, welcher grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich von Art. 6 EMRK fällt, konnte von einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden (vgl. VwGH 29.05.2017, Ra 2017/16/0070). Dies auch deshalb, weil von der mündlichen Erörterung des gegenständlichen Antrages keine weitere Klärung der Rechtsfrage zu erwarten ist, welche durch die Rechtsprechung des VwGH umfassend judiziert wurde. (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren² (2018) § 24 VwGVG Anm 13 zu Civil rights).

Da der vorliegende Antrag sich somit insgesamt mangels entsprechender Ausführungen oder Hinweise des Antragstellers als unbegründet erweist war diesem Antrag nicht stattzugeben und die Wiederaufnahme des Verfahrens zu versagen. Auf die weiteren Ausführungen und Anträge war nicht mehr einzugehen, weil diese nicht zur weiteren Klärung des Sachverhaltes beitragen und der Sachverhalt für die Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag bereits umfassend geklärt ist.

Der Antrag zur „Gewährung einer einstweiligen Anordnung nach Unionsrecht“ ist mit der vorliegenden Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag obsolet, ebenso wie die Anregung der Aussetzung des Verfahrens.

Aufgabe der Administrativbehörde wird es nunmehr sein den Rechtszustand herzustellen.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung, die ausschließlich einen Wiederaufnahmeantrag betrifft, welcher nicht substanziell begründet ist, entspricht der gängigen und ständigen Rechtsprechung des VwGH. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

psychische Erkrankung Verspätung Wiederaufnahme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W195.2205142.2.00

Im RIS seit

27.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

27.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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