TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/21 W102 2162423-2

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Veröffentlicht am 21.06.2021
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Entscheidungsdatum

21.06.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §58 Abs10
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


W102 2162423-2/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Werner ANDRÄ als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geb. am XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Tirol, vom 29.03.2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.05.2021 zu Recht erkannt:

A)       Die Beschwerde wird hin gemäß §§ 58 Abs. 10 AsylG 2005, 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm 9 BFA-VG, 52 Abs. 3 FPG, 52 Abs. 9 FPG, 55 Abs. 1, 2 und 3 FPG und 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt IV. zu lauten hat:
„Gemäß § 55 Abs. 1, 2 und 3 FPG beträgt die Frist für Ihre freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.“

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der damals minderjährige Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich ein und stellte am 07.05.2015 erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz, den das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 07.06.2017 abwies und eine Rückkehrentscheidung samt damit zu verbindender Aussprüche erließ. Die hiergegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.03.2018 nach mündlicher Verhandlung am 24.01.2018 als unbegründet abgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht führte dazu begründend aus, der Beschwerdeführer habe mit seinen Ausführungen zur Verfolgung von Hazara bzw. Schiiten durch die Taliban keine individuelle Bedrohungssituation geltend gemacht, eine Gruppenverfolgung sei zu verneinen. Der Beschwerdeführer sei ein arbeitsfähiger junger Mann, es sei nicht ersichtlich, warum der Beschwerdeführer von der im Iran aufhältigen Familie nicht unterstützt werden könne, er habe vier Jahre die Schule besucht, sei in der Landwirtschaft tätig und könne zumindest durch Hilfstätigkeiten selbstständig ein Einkommen sichern. Die Familie habe ein eigenes Haus und Grundstücke, der Beschwerdeführer könne dort wohnen und in der Landwirtschaft arbeiten. Dem Beschwerdeführer sei es zumutbar und möglich, in Mazar-e Sharif, Herat oder Kabul ein ausreichendes Einkommen zu sichern. Zur Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung führt das Bundesverwaltungsgericht aus, der Beschwerdeführer sei zum Aufenthalt nur aufgrund eines unberechtigten Antrages auf internationalen Schutz berechtigt gewesen, Hinweise auf intensive Bindungen zu in Österreich aufhältigen Familienangehörigen oder sonst besonders nahestehenden Personen seien nicht hervorgekommen. Selbst unter Miteinbeziehung integrativer Merkmale wie etwa einfachen Deutschkenntnissen könne im Hinblick auf die Aufenthaltsdauer eine Aufenthaltsverfestigung noch nicht angenommen werden. Die gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.03.2018 erhobene außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 18.10.2018 zurückgewiesen.

Mit Ladungsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 46 Abs. 2a iVm § 19 AVG vom 03.01.2019 wurde der Beschwerdeführer für den 18.01.2019 zur Einvernahme geladen, die hiergegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.04.2020 als unbegründet abgewiesen.

Am 22.08.2018 langte ein Schriftsatz des Beschwerdeführers per E-Mail beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein, in dem ausgeführt wird, der Verwaltungsgerichtshof habe über die außerordentliche Revision noch nicht entschieden. Es gebe eine Reihe von offiziellen Berichten zur Sicherheitslage, welche zum Ergebnis hätten, dass es für den Beschwerdeführer lebensgefährlich sei, nach Afghanistan zurückzukehren. Aus dem angefochtenen Erkenntnis ergebe sich, dass die Sicherheitslage berücksichtigt, jedoch unrichtige Schlüsse gezogen worden seien. Die Sicherheitslage sei schlecht, es sei verständlich, dass der Beschwerdeführer habe flüchten müssen. Der Beschwerdeführer sei Hazara, das Haus der Familie sei niedergebrannt worden. Angehörige der Volksgruppe der Hazara würden diskriminiert, der Beschwerdeführer sei schlecht behandelt, diskriminiert und bedroht worden, er habe berichtet, dass Hazara geköpft, getötet und entführt würden und sei Zeuge eines Massenmordes gewesen. Es habe eine signifikante Zunahme von Übergriffen, Entführungen und Ermordungen Angehöriger der Ethnie der Hazara gegeben. Die Lage werde immer schlimmer. Dem Beschwerdeführer stehe eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht zur Verfügung. Der Onkel könne ihn nicht in seinem Haus aufnehmen. Der Beschwerdeführer habe Deutschkurse und die Schule besucht, gemeinnützige Arbeit geleistet, habe ein Praktikum absolviert und sei aufgrund einer Beschäftigungsbewilligung als Lehrling beschäftigt. Beantragt wurde, dem Beschwerdeführer ab 01.09.2018 einen humanitären Aufenthaltstitel befristet auf ein Jahr zu erteilen.

Mit Schreiben vom 04.03.2019 wurde dem Beschwerdeführer ein Verbesserungsauftrag erteilt und Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme gegeben.

Am 19.03.2019 beantragte der Beschwerdeführer persönlich mit unterschriebenem Antragsformular die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005.

Am 25.03.2019 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers ein, in der ausgeführt wird, dass der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels eingebracht habe und innerhalb der im Hinblick auf den Verbesserungsantrag gewährten Frist seinen Antrag verbessert habe. Es handle sich um ein behängendes Verfahren betreffend Ausstellung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005. Dass der Beschwerdeführer nunmehr ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch nehmen solle, wie ihm mit Verfahrensanordnung vom 11.03.2019 mitgeteilt worden sei, sei nicht nachvollziehbar und davon auszugehen, dass die Verfahrensanordnung versehentlich erlassen worden sei.

2.       Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 29.03.2019, zugestellt am 03.04.2019, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zurück (Spruchpunkt I.), erließ gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 FPG gegen den Beschwerdeführer (Spruchpunkt II.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.), sprach aus, gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV.) und erließ gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG ein auf die Dauer von 18 Monaten befristetes Einreiseverbot gegen den Beschwerdeführer (Spruchpunkt V.). Begründend führte die belangte Behörde aus, eine maßgebliche Sachverhaltsänderung sei zwischen seinerzeitiger Rückkehrentscheidung und jetziger Bescheiderlassung nicht eingetreten. Der Beschwerdeführer habe die Zeitspanne nicht für weiterführende Integration genutzt. Der Beschwerdeführer sei bereits im Zeitpunkt der Rückkehrentscheidung einer Lehre nachgegangen. Der maßgebliche Sachverhalt habe sich nicht entscheidungswesentlich geändert, daher sei die Entscheidung gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 und § 53 Abs. 3 FPG mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden. Weder aus dem Vorbringen, noch der Lage im Zielstaat ergebe sich eine Gefährdung. Der Beschwerdeführer habe sich beharrlich geweigert, auszureisen und seinen Aufenthalt im Bundesgebiet gesetzeswidrig verlängert. Der gesamte Aufenthalt sei rückwirkend als unrechtmäßig anzusehen, weil er sich nur auf einen schlussendlich unbegründeten Asylantrag gestützt habe. Das Verhalten des Beschwerdeführers stelle eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar.

3.       Gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.03.2019 richtet sich die am 30.04.2019 bei der belangten Behörde eingelangte vollumfängliche Beschwerde, in der im Wesentlichen ausgeführt wird, die Begründung des angefochtenen Bescheides vermöge nicht zu überzeugen. Dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nicht in eine medizinische oder wirtschaftliche Notlage geraten würde, sei eine rein spekulative Meinung, es sei nicht ausdrücklich festgestellt worden, dass keine Gefährdung bestehe. Der Beschwerdeführer habe den Antrag auf Erteilung des humanitären Aufenthaltes gestellt, weil sein Leben und seine körperliche Unversehrtheit gefährdet seien. Die Sicherheitslage sei schlecht, das Haus der Familie niedergebrannt. Er sei als Hazara Diskriminierungen und Misshandlungen ausgesetzt. Es werde in Afghanistan immer schlimmer. Eine innerstaatliche Fluchtalternative stehe nicht zur Verfügung, die Sicherheitslage sei allgemein schlecht. Der Beschwerdeführer habe 2017 an einem B2-Deutschkurs teilgenommen und 2017 bis Anfang 2018 die HTL besucht. Er habe 2016 gemeinnützige Arbeit geleistet. Der Beschwerdeführer verfüge über eine Beschäftigungsbewilligung von 05.02.2018 bis 04.05.2021, er sei als Lehrling eingestellt. Der Beschwerdeführer habe als Lehrling gearbeitet bzw. sei ihm im März 2019 seitens Mitarbeitern des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl mündlich verboten worden, seine Tätigkeit weiter auszuüben. Gleichzeitig sei der Lehrherr darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass er den Beschwerdeführer nicht mehr beschäftigen dürfe. Der Beschwerdeführer sei nie verwaltungsstraf- oder strafrechtlich in Erscheinung getreten. Dem Beschwerdeführer werde vorgeworfen, er habe sich „beharrlich geweigert“ auszureisen. Tatsache sei allerdings, dass er sämtliche Rechtsmittel und rechtlichen Möglichkeiten des Verbleibes in Österreich ausgeschöpft habe, dies sei jedenfalls „sein gutes Recht“, somit könne a priori kein Fehlverhalten des Beschwerdeführers vorliegen.

Am 02.05.2019 übermittelte die belangte Behörde mit ihrer Beschwerdevorlage eine Stellungnahme, in der sie ausführt, die vorgebrachten Integrationsgründe hätten bereits vor Erlassung der Rückkehrentscheidung bestanden. Eine außergewöhnlich fortgeschrittene Integration sei hieraus im Zeitpunkt der Erlassung der Rückkehrentscheidung nicht erkennbar gewesen. Zur Situation im Fall der Rückkehr sei bereits im vorherigen, abgeschlossenen Asylverfahren rechtskräftig abgesprochen worden. Der Beschwerdeführer sei seiner Ausreiseverpflichtung bis dato nicht nachgekommen.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 15.04.2020 wurde die gegenständliche Rechtssache der bis dahin zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und in der Folge der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen.

Mit Ladung vom 22.04.2021 brachte das Bundesverwaltungsgericht folgende Länderberichte in das Verfahren ein

?        Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung: 31.03.2021 (in der Folge: Länderinformationsblatt)

?        EASO COI Report: Afghanistan. Security situation von September 2020

?        EASO COI Report: Afghanistan. Key socio-economic indicators. Focus on Kabul City, Mazar-e-Sharif and Herat City von August 2020

?        EASO COI Report: Afghanistan. State Structure and Security Forces von August 2020

?        EASO COI Report: Afghanistan. Regierungsfeindliche Elemente (AGE) von August 2020

?        EASO COI Report: Afghanistan. Criminal law, customary justice and informal dispute resolution von Juli 2020

?        EASO, Country Guidance: Afghanistan von Dezember 2020 (in der Folge: EASO Country Guidance)

?        UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender von 30.08.2018 (in der Folge: UNHCR-Richtlinien)

?        EASO COI Report: Afghanistan. Gezielte Gewalt bewaffneter Akteure gegen Individuen von Dezember 2017

?        EASO COI Report: Afghanistan. Gezielte Gewalt gegen Individuen aufgrund gesellschaftlicher und rechtlicher Normen von Dezember 2017

Die Ladung wurde dem Beschwerdeführer im Wege seines rechtsfreundlichen Vertreters übermittelt.

Mit am 23.04.2021 per E-Mail übermitteltem Schriftsatz teilte der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers mit, dass das Vertretungsverhältnis zum Beschwerdeführer mittlerweile aufgelöst worden sei und ersuchte, sämtliche weiteren Ladungen, Schriftstücke, sowie „Vorfallheiten“ dem Beschwerdeführer zu übermitteln.

Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes am 10.05.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, zu der der Beschwerdeführer nicht erschienen ist. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme.

Am 31.05.2021 konnte der Beschwerdeführer telefonisch unter der von ihm im Antragsformular angegebenen Nummer (AS 362) nicht erreicht werden, die Rufnummer existierte nicht.

Am 01.06.2021 teilte der rechtsfreundliche Vertreter im Wege des ERV mit, dass das Vertretungsverhältnis zum Beschwerdeführer aufgelöst sei.

Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:

?        Deutschkursbestätigungen

?        Schulunterlagen

?        Bestätigung über gemeinnützige Tätigkeit

?        Bestätigung eines Fußballvereins

?        Sozialversicherungsanmeldung

?        Lehrvertrag

?        Beschäftigungsbewilligungsbescheid

?        Praktikumsbestätigung

?        ÖSD-Zertifikat A2

?        Verdienstnachweise

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.    Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, geboren im Jahr XXXX und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari. Er spricht auch Deutsch auf dem Niveau A2 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen.

Der Beschwerdeführer ist gesund und in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer stammt aus einem Dorf in der Provinz Ghazni, Distrikt Qarabagh. Er hat im Herkunftsstaat vier Jahre die Schule besucht und in der familieneigenen Landwirtschaft mitgearbeitet. Die Familie verfügt über ein Haus und Felder. Der Beschwerdeführer hat zwei Schwestern und zwei jüngere Brüder. Die Schwestern sind verheiratet.

Der Vater des Beschwerdeführers ist etwa zwei Jahre vor der Ausreise des Beschwerdeführers verstorben, etwa ein Monat vor der Ausreise des Beschwerdeführers übersiedelte die Familie nach Kabul. Dort leben auch ein Onkel väterlicherseits und zwei Onkel mütterlicherseits, sowie eine Tante mütterlicherseits. Mutter und Brüder des Beschwerdeführers leben seit dem Jahr 2017 im Iran. Ein Cousin des Beschwerdeführers lebt im Iran und betreibt dort eine Werkstatt, in der Taschen hergestellt werde. Dort arbeitet einer der Brüder des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer reiste im Mai 2015 in das Bundesgebiet ein und stellte am 07.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, den das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 07.06.2017 abwies und eine Rückkehrentscheidung samt damit zu verbindender Aussprüche erließt. Die hiergegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.03.2018 als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat mehrere Deutschkurse besucht und am 10.08.2017 die ÖSD-Prüfung für das Niveau A2 „gut“ bestanden. Im Schuljahr 2016/2017 besuchte der Beschwerdeführer die Übergangsstufe einer HTL und im ersten Semester des anschließenden Schuljahres die HTL. Im Jahr 2017 hat der Beschwerdeführer zudem an einem Sommerkurs für Geflüchtete und einem Bildungsprojekt des Roten Kreuzes teilgenommen. Im Dezember 2017 absolvierte der Beschwerdeführer ein Praktikum bei einem Installateur.

Von Februar 2018 bis März 2019 war der Beschwerdeführer als Lehrling im Beruf „Installations- und Gebäudetechniker“ unselbstständig in jenem Betrieb erwerbstätig, in dem er bereits ein Praktikum absolviert hatte.

Der Beschwerdeführer hat gemeinnützige Arbeit als Platzwart im „Stadion“ seiner Wohnsitzgemeinde geleistet.

In seiner Freizeit hat der Beschwerdeführer etwa ein Jugendzentrum besucht

Der Beschwerdeführer verfügt seit 01.04.2019 nicht mehr über einen aufrechten Wohnsitz im Bundesgebiet und bezieht ebenso seit April 2019 keine Leistungen aus der Grundversorgung mehr. Der Beschwerdeführer ist unbekannten Aufenthaltes.

1.2.    Zur Lage im Herkunftsstaat

Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen betroffen. Die Betroffenheit von Kampfhandlungen sowie deren Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind regional unterschiedlich.

Die Provinz Ghazni gehört zu den volatilen Provinzen, Taliban-Kämpfer sind aktiv. Im Jahr 2019 und in den ersten Monaten 2020 war Ghazni schwer umkämpft und gehörte zu den Hauptschauplätzen von Kämpfen zwischen Taliban und Regierung. Im Oktober 2019 standen die hauptsächlich von Paschtunen bewohnten Distrikte beinahe vollständig unter Talibankrontrolle, während die Hazara-Gebiete – darunter Jaghuri – und Ghazni Stadt von der Regierung kontrolliert wurden. Es kommt zu Zusammenstößen zwischen Taliban und Regierung, Angriffen entlang der Hauptstraßen, Luftangriffen, Sicherheitsoperationen der afghanischen Streitkräfte. Auch Angriffe des IS sind verzeichnet. Insbesondere die Straßen in Ghazni sind gefährlich. Die Taliban betreiben in Gebieten unter ihrer Kontrolle illegale Checkpoints, wo sie Personen kontrollieren und Geld erpressen. Reisen ist in Ghazni aufgrund dieser Checkpoints gefährlich, es kommt zu Entführungen, Angriffen und Tötungen. Die Taliban platzieren Sprengfallen entlang der Straßen.

Für das Jahr 2020 sind 418 zivile Opfer (183 Tote und 235 Verletzte) dokumentiert. Dies entspricht einem Rückgang von 38% gegenüber 2019. Die Hauptursache für die Opfer waren Bodenkämpfe, gefolgt von improvisierten Sprengkörpern und gezielten Tötungen

Der Distrikt Qarabagh ist relativ stark von Sicherheitsvorfällen betroffen, für das Jahr 2019 sind 120 und 2020 zehn Sicherheitsvorfälle nach der Globalincidentmap und nach ACLED 46 für das Jahr 2019 und 20 Sicherheitsvorfälle für das Jahr 2020 verzeichnet.

Die Minderheit der schiitischen Hazara macht etwa 9-10% der Bevölkerung Afghanistans aus. Sie leben unter anderem in Kabul (Stadt), Herat (Stadt) und Mazar-e Sharif. Der Anteil schiitischer Muslime an der Bevölkerung wird auf 10 bis 19 % geschätzt, 90 % der Schiiten gehören zur ethnischen Gruppe der Hazara.

Hazara bekleiden prominente Stellen in der Regierung und im öffentlichen Leben, sind allerdings in der öffentlichen Verwaltung unterrepräsentiert. Hazara werden am Arbeitsmarkt diskriminiert. Soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara, basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten, finden ihre Fortsetzung in Erpressung (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Inhaftierung. Nichtsdestotrotz, genießt die traditionell marginalisierte schiitische muslimische Minderheit, zu der die meisten ethnischen Hazara gehören, seit 2001 eine zunehmende politische Repräsentation und Beteiligung an nationalen Institutionen. Die Hazara haben seither auch erhebliche wirtschaftliche und politische Fortschritte gemacht.

Hinweise auf von staatlichen Akteuren ausgehende Misshandlungen gibt es nicht.

Der ISKP verfügt in Afghanistan über sehr begrenzte territoriale Kontrolle, seine landesweite Mannesstärke lag im November 2019 bei etwa 4.000 für 5.000 Kämpfern. „Zellen“ des ISKP sind in ganz Afghanistan präsent, auch in Kabul (Stadt). Er ist in der Lage, in unterschiedlichen Teilen des Landes Angriffe durchzuführen. Der ISKP zielt darauf ab, konfessionelle Gewalt zu fördern, indem er seine Angriffe gegen Schiiten richtet. Es kommt zu Angriffen durch den ISKP auf schiitische Hazara, etwa in Kabul. Ziel sind insbesondere Orte, an denen Schiiten zusammenkommen, etwa Moscheen, politische Demonstrationen oder Hazara-dominierte Wohnviertel. Diese Angriffe stehen im Zusammenhang mit der schiitischen Glaubenszugehörigkeit der Hazara sowie mit deren – nach Wahrnehmung des ISKP – Nähe und Unterstützung des Iran und des Kampfes gegen den IS in Syrien.

Es kommt zu Entführungen und Tötungen von Angehörigen der Volksgruppe der Hazara auf den Straßen durch regierungsfeindliche Kräfte, insbesondere durch die Taliban. Es gibt Vorfälle, bei denen Hazara-Reisende ausgesondert und getötet oder entführt werden. Hierfür kann jedoch häufig ein anderer Grund als deren Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit identifiziert werden, etwa als ANSF-Angehöriger, NGO- oder Regierungsmitarbeiter. Die Taliban führen Angriffe auf religiöse Stätten und Führer durch, die die Legitimität der Taliban anzweifeln.

Die schiitische Religionszugehörigkeit gehört zum ethnischen Selbstverständnis der Hazara, Ethnien- und Religionszugehörigkeit sind in Afghanistan häufig untrennbar verbunden.

Balkh zählte zuletzt zu den konfliktintensivsten Provinzen des Landes. Für die gesamte Provinz sind für das Jahr 2020 sind 712 zivile Opfer (263 Tote und 449 Verletzte) verzeichnet, eine Steigerung von 157 % gegenüber 2019. Hauptursachen für die Opfer waren Bodenkämpfe, gefolgt von Luftangriffen und improvisierten Sprengkörpern. Balkh ist ethnisch divers und wird unter anderem von Hazara bewohnt.

In Mazar-e Sharif kam es von 2020 der Globalincidentmap zufolge zu einem sicherheitsrelevanten Vorfall, nach ACLED kam es zu zwölf sicherheitsrelevanten Vorfällen mit mindestens einem Todesopfer. Mazar-e Sharif gilt als vergleichsweise sicher und steht unter Regierungskontrolle. 2019 fanden beinahe monatlich kleinere Anschläge mit improvisierten Sprengkörpern statt. Deren Ziel waren oftmals Sicherheitskräfte, doch gab es auch zivile Opfer. Kriminalität stellt ein Problem dar, insbesondere bewaffnete Raubüberfälle. Im Dezember und März 2019 kam es in Mazar-e Sharif zudem zu Kämpfen zwischen Milizführern bzw. lokalen Machthabern und Regierungskräften. Mazar-e Sharif verfügt über einen internationalen Flughafen, für den keine Sicherheitsvorfälle verzeichnet sind.

Der durch die afghanische Regierung geleistete Menschenrechtsschutz ist trotz ihrer ausdrücklichen Verpflichtungen, nationale und internationale Menschenrechtsverpflichtungen einzuhalten, inkonsistent. Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung finden unabhängig von der tatsächlichen Kontrolle über das betreffende Gebiet durch den Staat und seine Vertreter, regierungsnahe Gruppen und regierungsfeindliche Gruppierungen statt. Straflosigkeit ist weit verbreitet. Besonders schwere Menschenrechtsverletzungen sind insbesondere in umkämpften Gebieten verbreitet. Das formale Justizsystem ist schwach ausgeprägt, Korruption, Drohungen, Befangenheit und politische Einflussnahme sind weit verbreitet, es mangelt an ausgebildetem Personal und Ressourcen. Die Sicherheitskräfte wenden unverhältnismäßige Gewalt an, Folter ist in Haftanstalten weit verbreitet.

Afghanistan ist eines der ärmsten Länder der Welt. Die Grundversorgung ist für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung, dies gilt in besonderem Maße für Rückkehrer. Diese bereits prekäre Lage hat sich seit März 2020 durch die Covid-19-Pandemie stetig weiter verschärft. In urbanen Gebieten leben rund 41,6% unter der nationalen Armutsgrenze. Die afghanische Wirtschaft stützt sich hauptsächlich auf den informellen Sektor (einschließlich illegaler Aktivitäten), der 80 bis 90 % der gesamten Wirtschaftstätigkeit ausmacht und weitgehend das tatsächliche Einkommen der afghanischen Haushalte bestimmt. Während der Covid-19-Pandemie ist insbesondere die Situation für Tagelöhner schwierig, viele Wirtschaftszweige wurden durch Sperr- und Restriktionsmaßnahmen negativ beeinflusst. Das Wirtschaftswachstum konnte sich zuletzt aufgrund der besseren Witterungsbedingungen für die Landwirtschaft erholen und lag 2019 laut Weltbank-Schätzungen bei 2,9%. Für 2020 geht die Weltbank Covid-19-bedingt von einer Rezession (bis zu -8% BIP) aus. 2016/2017 waren rund 45 % der Menschen von anhaltender oder vorrübergehender Lebensmittelunsicherheit betroffen. Auch aktuell verschlechtert sich die aktuelle Ernährungsunsicherheit infolge der Covid-19-Pandemie, bis März 2021 wurde ein Anstieg auf 42 % prognostiziert. Die Krise führte zu einem deutlichen Anstieg der Lebensmittelpreise, die Preise für Weizenmehl waren von November bis Dezember 2020 stabil, allerdings auf einem Niveau, das 11% über dem des letzten Jahres und 27% über dem Dreijahresdurchschnitt lag.

Der Arbeitsmarkt ist durch eine niedrige Erwerbsquote, hohe Arbeitslosigkeit, sowie Unterbeschäftigung und prekäre Arbeitsverhältnisse charakterisiert. Die Arbeitslosenquote innerhalb der erwerbsfähigen Bevölkerung liegt auf hohem Niveau und und ist infolge der Pandemie auf 37,9 % gestiegen, gegenüber 23,9 % im Jahr 2019. Bei der Arbeitssuche spielen persönliche Kontakte eine wichtige Rolle. Ohne Netzwerke, ist die Arbeitssuche schwierig. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen.

Finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit existiert nicht. Ein Mangel an Bildung korreliert mit Armut, wobei ein niedriges Bildungsniveau und Analphabetismus immer noch weit verbreitet sind.

Mazar-e Sharif gilt als Industriezentrum mit großen Fertigungsbetrieben und einer Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen, welche Kunsthandwerk und Teppiche anbieten. Die Arbeitsmarktsituation ist auch In Mazar-e Sharif eine der größten Herausforderungen. Auf Stellenausschreibungen melden sich innerhalb einer kurzen Zeitspanne sehr viele Bewerber und ohne Kontakte ist es schwer einen Arbeitsplatz zu finden. In den Distrikten ist die Anzahl der Arbeitslosen hoch. Die meisten Arbeitssuchenden begeben sich nach Mazar-e Sharif, um Arbeit zu finden. In Mazar-e Sharif stehen zahlreiche Wohnungen zur Verfügung. Auch eine Person, die in Mazar-e Sharif keine Familie hat, sollte in der Lage sein, dort Wohnraum zu finden. Des Weiteren gibt es in Mazar-e Sharif eine Anzahl von Hotels sowie Gast- oder Teehäusern, welche unter anderem von Tagelöhnern zur Übernachtung benutzt werden.

Die schnelle Ausbreitung des COVID-19 Virus hat starke Auswirkungen auf Rückkehrer, da sie nur begrenzten Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen haben und zudem aufgrund der landesweiten Abriegelung Einkommens- und Existenzverluste hinnehmen müssen. Ohne familiäre Netzwerke kann es sehr schwer sein, sich selbst zu erhalten, da in Afghanistan vieles von sozialen Netzwerken abhängig ist. Viele Rückkehrer sind weniger selbsterhaltungsfähig als die meisten anderen Afghanen. Rückkehrerinnen sind von diesen Problemen im Besonderen betroffen. „Erfolglosen“ Rückkehrern aus Europa haftet oft das Stigma des „Versagens“ an. Sie werden von der afghanischen Gesellschaft häufig misstrauisch wahrgenommen. Wirtschaftlich befinden sich viele der Rückkehrer in einer schlechteren Situation als vor ihrer Flucht nach Europa, was durch die aktuelle Situation im Hinblick auf die COVID-19-Pandemie noch verschlimmert wird. Soziale, ethnische und familiäre Netzwerke sind für einen Rückkehrer unentbehrlich. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer dar. Der Zugang zum Arbeitsmarkt hängt maßgeblich von lokalen Netzwerken ab.

Afghanistan ist von der COVID-Pandemie betroffen. Die fortgesetzte Ausbreitung der Krankheit in den letzten Wochen des Jahres 2020 hat zu einem Anstieg der Krankenhauseinweisungen geführt, wobei jene Einrichtungen die als COVID-19-Krankenhäuser in den Provinzen Herat, Kandahar und Nangarhar gelten, nach Angaben von Hilfsorganisationen seit Ende Dezember voll ausgelastet sind. Gesundheitseinrichtungen sehen sich auch zu Beginn des Jahres 2021 großen Herausforderungen bei der Aufrechterhaltung oder Erweiterung ihrer Kapazitäten zur Behandlung von Patienten mit COVID-19 sowie bei der Aufrechterhaltung grundlegender Gesundheitsdienste gegenüber, insbesondere, wenn sie in Konfliktgebieten liegen. Die Infektionen steigen weiter an und bis zum 17.3.2021 wurden der WHO 56.016 bestätigte Fälle von COVID-19 mit 2.460 Todesfällen gemeldet, wobei die tatsächliche Zahl der positiven Fälle um ein Vielfaches höher eingeschätzt wird. Im Februar 2021 hat Afghanistan mit seiner COVID-19-Impfkampagne begonnen. Bis zum 10.3.2021 wurden insgesamt 34.743 Impfstoffdosen verabreicht. Ein „Lockdown“ oder Beschränkungen der Bewegungsfreiheit sind in Mazar-e Sharif, Herat oder Kabul aktuell nicht in Kraft. Teehäuser und andere Unterkunftsmöglichkeiten sind derzeit nur für Geschäftsreisende geöffnet. Für Rückkehrer unter der Schirmherrschaft von IOM, die eine Unterkunft benötigen, kann IOM ein Hotel buchen.

Die Verfügbarkeit und Qualität der medizinischen Grundbehandlung ist durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten, Ärztinnen und Assistenzpersonal (v.a. Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt. Die COVID-19-Pandemie hat sich negativ auf die Bereitstellung und Nutzung grundlegender Gesundheitsdienste in Afghanistan ausgewirkt. In großen Städten ist die medizinische Versorgung grundsätzlich sichergestellt.

Offizielle Landessprachen sind Dari und Paschtu.

2. Beweiswürdigung:

2.1.    Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zu Identität, Staatsangehörigkeit, Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit sowie Muttersprache des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen gleichbleibenden Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und dem Bundesverwaltungsgericht. Auch im gegenständlichen Verfahren sind Gründe, hieran zu zweifeln, nicht hervorgekommen. Zu den Deutschkenntnissen des Beschwerdeführers ist ein ÖSD-Zertifikat für das Niveau A2 aktenkundig (AS 237).

Dass der Beschwerdeführer gesund ist, beruht darauf, dass im Lauf des Verfahrens anderslautendes Vorbringen nicht erstattet wurde und auch medizinische Unterlagen, die eine gesundheitliche Beeinträchtigung des Beschwerdeführers nachweisen würden, nicht in Vorlage gebracht wurden.

Dass der Beschwerdeführer unbescholten ist, beruht auf dem im Akt einliegenden aktuellen Auszug aus dem Strafregister.

Die Feststellungen zu Lebensverhältnissen, Lebenswandel und Verbleib der Angehörigen des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat beruhen ebenso auf seinen gleichbleibenden und plausiblen Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und dem Bundesverwaltungsgericht. Die Ausreise der Kernfamilie in den Iran wurde bereits mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.03.2018 festgestellt und seither anderslautendes Vorbringen nicht erstattet.

Die Feststellungen zum Verfahren beruhen auf dem Akteninhalt.

Schulunterlagen zum HTL-Besuch (AktAsyl AS 189-191; Akt zu W134 2162423-1, OZ 5, Beilage zu OZ 11; AS 231), Kursbestätigungen (Akt zu W134 2162423-1, OZ 5, Beilagen zu OZ 11; AktAsyl AS 183, 937, 939, 941), das ÖSD-Zertifikat A2 (AS 237), eine Praktikumsbestätigung (AS 227) des Beschwerdeführers sind aktenkundig. Lehrvertrag, Anmeldung zur Sozialversicherung, Beschäftigungsbewilligungsbescheid (AS 215-225) und Verdienstnachweise (AS 381 ff.) hat der Beschwerdeführer ebenso in Vorlage gebracht. Zu seiner gemeinnützigen Tätigkeit hat der Beschwerdeführer Bestätigungen vorgelegt (AS 229), ebenso zum Jugendzentrum (Akt zu W134 2162423-1, Beilage zu OZ 11).

Dass der Beschwerdeführer nicht mehr über einen aufrechten Wohnsitz im Bundesgebiet verfügt, beruht auf dem im Akt einliegenden aktuellen Auszug aus dem zentralen Melderegister. Die Feststellung zur Grundversorgung beruht auf dem im Akt einliegenden aktuellen Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem. Demnach ist der Beschwerdeführer unbekannten Aufenthaltes, wobei anzumerken ist, dass der Beschwerdeführer auch unter der von ihm in seinem Antrag (AS 362) angegebenen Telefonnummer nicht erreicht werden konnte. Der Kontaktversuch des Bundesverwaltungsgerichts führte lediglich zur Mitteilung, dass diese Rufnummer nicht existiert (OZ 9).

2.2.    Zur Lage im Herkunftsstaat

Die Feststellung zum internationalen bewaffneten Konflikt in Afghanistan beruht auf dem Länderinformationsblatt, der EASO Country Guidance und den UNHCR-Richtlinien.

Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Ghazni beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel Sicherheitslage, Unterkapitel Ghazni, der EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel 3.3 Article 15(c) QD, Unterabschnitt Ghazni S. 123-124, sowie dem EASO COI Report: Afghanistan. Security situation von September 2020, Kapitel 2.10 Ghazni, S. 130 ff.).

Die Feststellungen zu den Siedlungsgebieten der schiitischen Hazara beruhen auf dem Länderinformationsblatt. So geht das traditionelle Besiedelungsgebiet der Hazara, zu dem Teile der Provinz Balkh zählen, aus Kapitel Relevante ethnische Minderheiten, Unterkapitel Hazara, hervor, das auch von „Hazara-Vierteln“ in Kabul berichtet. Im Hinblick auf Herat zählt das Länderinformationsblatt die Hazara ebenso als eine der wichtigsten ethnischen Gruppen in der Provinz auf und erwähnt im Hinblick auf Herat (Stadt) eine beträchtliche Hazara-Minderheit (Kapitel Sicherheitslage, Unterkapitel Herat). Die Feststellungen zum Anteil der schiitischen Muslime an der Bevölkerung beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel Religionsfreiheit, Unterkapitel Schiiten.

Die Feststellungen zur gesellschaftlichen Lage der Hazara beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel. Relevante ethnische Minderheiten, Unterkapitel Hazara, sowie auf der EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghansitan, Kapitel 2.17.1 Individuals of Hazara ethnicity, S. 85-86, sowie Kapitel 2.17.2 Shia, including Ismaili, S. 87). Auch die UNHCR-Richtlinien – ebenso vom Bundesverwaltungsgericht mit Ladung vom 21.10.2020 (OZ 9) in das Verfahren eingebracht – berichten einerseits von gesellschaftlicher Diskriminierung, Erpressung durch illegale Besteuerung, Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, körperliche Misshandlung und Inhaftierung, aber auch von erheblichen wirtschaftlichen und politischen Fortschritten der Hazara seit dem Ende des Taliban-Regimes (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 13. Angehörige ethnischer (Minderheiten-)Gruppen, Buchstabe b) Hazara, S. 106-107).

Hinweise auf Misshandlungen der schiitischen Hazara durch den Staat sind der EASO Country Guidance zufolge nicht ersichtlich (Abschnitt Common analysis: Afghansitan, Kapitel 2.17.1 Individuals of Hazara ethnicity, S. 86, Unterkapitel 17. 2.17.2 Shia, including Ismaili, S. 87).

Die Feststellungen zum ISKP und dessen Angriffe auf die Hazara beruhen auf der EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis Afghansitan, Kapitel 2.17.1 Individuals of Hazara ethnicity, S. 85-86, Unterkapitel 17. 2.17.2 Shia, including Ismaili, S. 87), wobei auch das Länderinformationsblatt im Wesentlichen übereinstimmend von Angriffen auf schiitische Hazara durch den ISKP berichtet (Kapitel Relevante ethnische Minderheiten, Unterkapitel Hazara). Dieses berichtet auch, dass der ISKP den Großteil seines Territoriums verloren hat (Kapitel Sicherheitslage, Abschnitt Islamischer Staat (IS/ISIS/ISIL/Daesh), Islamischer Staat Khorasan Provinz (ISKP)). Der EASO COI Report: Afghanistan. Regierungsfeindliche Elemente (AGE) von August 2020 berichtet, dass es weiterhin zu Angriffen des ISKP auf schiitische Hazara kommt (Kapitel 3. Der Islamische Staat in der Provinz Khorasan (ISKP), Unterkapitel 3.6.1 Hazara-Schiiten, S. 38), ihm sind die Feststellungen zur aktuellen Präsenz und Stärke des ISKP in Afghanistan entnommen (insbesondere Kapitel 3.2 Stärke, Präsenz, territoriale Kontrolle, Kapazität, S. 30 ff). Von relevanter territorialer Kontrolle wird hier ebenso nicht berichtet.

Der EASO COI Report: Afghanistan. Regierungsfeindliche Elemente (AGE) von August 2020 führt Schiiten und Hazara hinsichtlich der Taliban nicht gesondert als „Targeted individuals“ an. Die UNHCR-Richtlinien berichten allgemein von Fällen von Schikanen, Einschüchterung, Entführung und Tötung durch die Taliban, den Islamischen Staat und andere regierungsfeindliche Kräfte, wobei den Fußnoten im Hinblick auf konkrete Vorfälle zu entnehmen ist, dass dem IS insbesondere Terror-Anschläge auf die schiitische Minderheit zuzurechnen sind. Im Hinblick auf die Taliban werden insbesondere Entführungen erwähnt, ihnen werden jedoch auch Anschläge zugeschrieben (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 13. Angehörige ethnischer (Minderheiten-)Gruppen, Buchstabe b) Hazara, S. 107, sowie Unterkapitel 5. Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, die angeblich gegen die Scharia verstoßen, Buchstabe a) Religiöse Minderheiten, Abschnitt Schiiten, S. 69.-70). Der EASO COI Report: Afghanistan. Regierungsfeindliche Elemente (AGE) von August 2020 führt ebenso Anschläge der Taliban gegen religiöse Stätten und Führer an, bringt diese jedoch in Zusammenhang mit einer Infragestellung der Legitimität der Taliban (Kapitel 2. Die Taliban, Unterkapitel 2.6. Gezielt angegriffene Personen, Unterkapitel 2.6.2.4 Religiöse Führer, S. 30-31). Die EASO Country Guidance berichtet im Hinblick auf Entführungen konkret, es würde Vorfälle geben, wo Hazara-Zivilisten auf Reisen entlang der Straßen entführt und getötet würden, jedoch auch, dass dies häufig mit anderen Motiven als der Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit in Zusammenhang stehe, etwa als ANSF-Angehöriger, NGO- oder Regierungsmitarbeiter (Abschnitt Common analysis: Afghansitan, Kapitel 2.17.1 Individuals of Hazara ethnicity, S. 85-86, Unterkapitel 17. 2.17.2 Shia, including Ismaili, S. 87).

Im Hinblick auf die Verbundenheit von Ethnie und Religion berichtet das Länderinformationsblatt, die schiitische Religionszugehörigkeit würde wesentlich zum ethnischen Selbstverständnis der Hazara zählen (Kapitel Relevante ethnische Minderheiten, insbesondere Unterkapitel Hazara). Auch die UNHCR-Richtlinien berichten von einer häufig untrennbaren Verbundenheit von Ethnie und Religionszugehörigkeit, weswegen eine eindeutige Unterscheidung zwischen einer Diskriminierung und Misshandlung aufgrund der Religion einerseits oder der ethnischen Zugehörigkeit andererseits oftmals nicht möglich sei (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel 5. Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, die angeblich gegen die Scharia verstoßen, Buchstabe a) Religiöse Minderheiten, Unterabschnitt Schiiten, S. 69-70). Auch die EASO Country Guidance spricht die Verknüpfung an (Abschnitt Common analysis: Afghansitan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 17. Ethnic and religious minorities, Buchstabe a. Individuals of Hazara ethnicity, S. 69).

Die Feststellungen zur Sicherheitslag ein Balkh beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel Sicherheitslage, Unterkapitel Balkh, sowie auf dem EASO COI Report: Afghanistan. Security situation von September 2020, Kapitel 2.5. Balkh, S. 90 ff., insbesondere Unterkapitel 2.5.2 Conflict background and actors in Balkh, S. 91 ff. Die Feststellungen zur Entwicklung der Sicherheitslage in Mazar-e Sharif beruhen auf der EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel 3.3. Article 15 (c) QD, Abschnitt Balkh, S. 117-119, insbesondere Unterabschnitt Focus on the provincial capital: Mazar-e Sharif, S. 118-119. Die Feststellungen zum Flughafen beruht auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel Sicherheitslage, Unterkapitel Erreichbarkeit, Abschnitt Internationaler Flughafen Mazar-e Sharif, wobei aus der EASO Country Guidance zum Flughafen Mazar-e Sharif hervorgeht, dass nicht von Vorfällen berichtet wird (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel 5. Internal protection alternative, Abschnitt Travel and admittance, S. 164).

Die Feststellungen zur Menschenrechtslage beruhen auf den UNHCR-Richtlinien, Kapitel II. Überblick über die Situation in Afghanistan, Unterkapitel C. Die Menschenrechtssituation, S. 26 ff., sowie dem damit übereinstimmenden Länderinformationsblatt, Kapitel 7. Rechtsschutz/Justizwesen, 9. Folter und unmenschliche Behandlung und 13. Allgemeine Menschenrechtslage. Mangels konkreter Anhaltspunkte im Vorbringen des Beschwerdeführers wurden genauere Feststellungen zu den jeweiligen Themenkreisen nicht getroffen.

Die Feststellungen zur Wirtschaftslage beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel Grundversorgung.

Die Feststellungen zur Situation von Rückkehrern beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 25. Rückkehr.

Die Feststellungen zur COVID-19-Pandemie und ihren Folgen beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 3. COVID-19.

Die Feststellungen zur medizinischen Versorgung beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 24. Medizinische Versorgung.

Die Feststellung zu den Landessprachen beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel Relevante ethnische Minderheiten.

Zur Plausibilität und Seriosität der herangezogenen Länderinformationen zur Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass die im Länderinformationsblatt zitierten Unterlagen von angesehen Einrichtungen stammen. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 5 Abs. 2 BFA-VG verpflichtet ist, gesammelte Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren. Auch das European Asylum Support Office (EASO) ist nach Art. 4 lit. a Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen bei seiner Berichterstattung über Herkunftsländer zur transparent und unparteiisch erfolgende Sammlung von relevanten, zuverlässigen, genauen und aktuellen Informationen verpflichtet. Damit durchlaufen die länderkundlichen Informationen, die diese Einrichtungen zur Verfügung stellen, einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat. Den UNHCR-Richtlinien ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken („Indizwirkung"), wobei diese Verpflichtung ihr Fundament auch im einschlägigen Unionsrecht findet (Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU [Verfahrensrichtlinie] und Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/95/EU [Statusrichtlinie]; VwGH 07.06.2019, Ra 2019/14/0114) und der Verwaltungsgerichtshof auch hinsichtlich der Einschätzung von EASO von einer besonderen Bedeutung ausgeht und eine Auseinandersetzung mit den „EASO-Richtlinien“ verlangt (VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0405). Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich daher auf die angeführten Länderberichte, wobei eine beweiswürdigende Auseinandersetzung im Detail oben erfolgt ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1.    Zur Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (§ 58 Abs. 10 AsylG 2005)

Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I. Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze erreicht wird. Gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen, wenn nur die Voraussetzung des § 55 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 vorliegt.

Der Beschwerdeführer stellte am 22.08.2018 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005, den er am 19.03.2019 und damit fristgerecht verbesserte.

Gemäß § 55 Abs. 10 AsylG 2005 sind Anträge gemäß § 55 AsylG 2005 als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Sachverhaltsänderung dann wesentlich, wenn sie den Schluss zulässt, dass nunmehr – unter Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen – eine andere Beurteilung jener Umstände, die den Grund für die seinerzeitige rechtskräftige Entscheidung gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann. Die Erlassung eines anderslautenden Bescheides muss zumindest möglich sein. Ein maßgeblich geänderter Sachverhalt liegt nicht erst dann vor, wenn der neue Sachverhalt konkret dazu führt, dass der beantragte Aufenthaltstitel zu erteilen ist, sondern schon dann, wenn die geltend gemachten Umstände nicht von vornherein eine neue Beurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK ausgeschlossen erscheinen lassen. Wesentlich für die Prüfung sind jene Umstände, die bis zum erstinstanzlichen Zurückweisungsbescheid eingetreten sind (VwGH 29.03.2021, Ra 2017/22/0196). Das Verwaltungsgericht hat bloß die Richtigkeit der vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ausgesprochenen Zurückweisung zu prüfen (VwGH 22.01.2021, Ra 2020/21/0520).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl führt im Hinblick auf das Nichtvorliegen einer Sachverhaltsänderung aus, der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sei zwischen Bescheiderlassung und seinerzeitiger Rückkehrentscheidung nicht wesentlich verlängert worden, der Beschwerdeführer habe diese Zeitspanne nicht für weiterführende Integration genutzt und habe der Umstand, dass der Beschwerdeführer in Österreich einer Lehre nachgehe, bereits bei Rechtskraft der Rückkehrentscheidung bestanden.

Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. So liegt gegenständlich zwischen der vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 27.03.2018 bestätigten Rückkehrentscheidung und dem angefochtenen Bescheid lediglich etwa ein Jahr und hat der Verwaltungsgerichtshof selbst im Hinblick auf einen zwei- bzw. zweieinhalbjährigen Zeitablauf ausgesprochen, dass hierin eine maßgebliche Sachverhaltsänderung, die eine Neubeurteilung iSd Art. 8 EMRK erforderlich machen würde, nicht ersichtlich ist (VwGH 29.03.2021, Ra 2017/22/0196). Im Hinblick auf die Lehre ist dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zuzustimmen, dass der Beschwerdeführer sein Lehrverhältnis bereits vor der Rückkehrentscheidung begründet hat und dies – auch mit Blick auf den bis April 2019 fortgesetzten Grundversorgungsbezug – ebenso keine maßgebliche Sachverhaltsänderung darstellt. Zu sonstigen Integrationsschritten mach der Beschwerdeführer in seinem Antrag keine Angaben.

Ansonsten bezieht sich der Beschwerdeführer lediglich auf die schlechte Sicherheitslage, eine (behauptete) Gruppenverfolgung und die beim Verwaltungsgerichtshof anhängige außerordentliche Revision und damit für die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK nicht relevante Aspekte, wobei angemerkt wird, dass sich das Bundesverwaltungsgericht in seinem rechtskräftigen Erkenntnis vom 29.03.2018 mit der Sicherheitslage und einer allenfalls den Beschwerdeführer treffende Verfolgungsgefahr auseinandergesetzt hat. Die außerordentliche Revision hat der Verwaltungsgerichtshof im Übrigen zwischenzeitig mit Beschluss vom 18.10.2018 zurückgewiesen wurde. Anzumerken ist hierzu außerdem, dass im Hinblick auf eine Revision die aufschiebende Wirkung gemäß § 30 VwGG als Instrument des einstweiligen Rechtsschutzes zur Sicherung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in Betracht kommt, nicht aber die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK nach § 55 AsylG 2005.

Die Zurückweisung des Antrages durch die belangte Behörde erfolgte im Ergebnis zu Recht und war die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides daher abzuweisen.

3.2.    Zur Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides)

Gemäß § 52 Abs. 3 FPG hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 zurückgewiesen wird.

Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 ist, wenn der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 zurückgewiesen wird, diese Entscheidung insoweit mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, als dann kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 AsylG 2005 vorliegt.

Demnach sieht der Gesetzeswortlaut für den Fall einer Zurück- oder Abweisung eines Antrages gemäß § 55 AsylG 2005 ausnahmslos die Verbindung mit einer Rückkehrentscheidung vor. Dies entspricht allerdings nicht dem Normzweck des § 58 Abs. 10 AsylG 2005. So soll gerade nicht neuerlich über alle Aspekte, über die bei Erlassung der aufrechten Rückkehrentscheidung bereits entschieden wurde, nochmals im Rahmen des § 55 AsylG 2005 entschieden werden. Daher ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber den Fall der Zurückweisung wegen entschiedener Sache durch eine bereits ergangene rechtskräftige Rückkehrentscheidung im Hinblick auf den Regelungsgehalt der §§ 10 Abs. 3 AsylG 2005, 52 Abs. 3 FPG nicht vor Augen hatte und diese für den Fall einer Zurückweisung wegen entschiedener Sache nach § 58 Abs. 10 AsylG 2005 nicht zur Anwendung kommen (Vgl. auch BVwG 23.02.2021, I406 2103519-3).

Gegenständlich wurde die Zurückweisung gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 allerdings dennoch mit einer Rückkehrentscheidung verbunden und zudem ein Einreiseverbot gegen den Beschwerdeführer erlassen.

§ 53 Abs. 1 erster Satz FPG sieht vor, dass mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot erlassen werden kann. Der Verwaltungsgerichtshof hat hierzu bereits ausgesprochen, dass der Wortlaut des § 53 Abs. 1 FPG zwingend und ausnahmslos voraussetzt, dass es „mit“ einer Rückkehrentscheidung erlassen, also mit ihr verbunden wird. Die neuerliche Erlassung einer Rückkehrentscheidung (samt Begleitaussprüchen) zum Zweck der Verhängung eines nunmehr für erforderlich gehaltenen Einreiseverbotes ist damit nicht rechtswidrig. Insoweit ist dem Gesetz ein Abgehen von dem die materielle Rechtkraft kennzeichnenden Umstand der „Unwiederholbarkeit“ zu entnehmen (VwGH 09.04.2021, Ra 2021/22/0006). Es war damit zulässig, eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer zu erlassen.

Weiter ist auszuführen, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, dass die amtswegige Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 für den Fall der Abweisung eines Antrages auf Erteilung eines „Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK“ gemäß § 55 AsylG 2005 nicht vorgesehen ist. Auch § 58 Abs. 1 Z 5 biete hierfür keine Rechtsgrundlage, weil sich diese Bestimmung erkennbar nur auf den Fall des § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 1 Z 1 FPG beziehe. Weiter führt der Verwaltungsgerichtshof begründend aus, es bestehe keine Notwendigkeit für eine amtswegige Prüfung der Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ nach § 57 AsylG 2005, wenn sich der Fremde entschieden habe, ausdrücklich einen Antrag auf Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels zu stellen und damit erkennbar (nur) dessen Voraussetzungen für gegeben erachtet und verweist in diesem Zusammenhang auf § 56 AsylG 2005, wonach ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 AsylG 2005 persönlich beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu stellen und dabei der angestrebte Aufenthaltstitel genau zu bezeichnen ist, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl allerdings ohnehin über den Umstand zu belehren hat, wenn sich ergibt, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt (VwGH 25.11.2015, Ra 2015/21/0101). Diese Erwägungen treffen auf den gegenständlichen Fall einer Zurückweisung eines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 ebenso zu, weswegen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurecht die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 nicht geprüft hat.

§ 9 Abs. 1 BFA-VG normiert, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig ist, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z 1-9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hat die Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Dabei muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden (jüngst etwa VwGH 30.04.2020, Ra 2019/21/0362).

Der Beschwerdeführer hielt sich infolge seiner Einreise im Mai 2015 bis zumindest April 2019 etwa vier Jahre im Bundesgebiet auf, wobei er bis zur rechtskräftigen Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.03.2018 gemäß § 13 AsylG 2005 gemäß § 13 ASylG 2005, § 31 Abs. 1 Z 4 FPG rechtmäßig aufhältig war. Seither ist sein Aufenthalt nicht rechtmäßig (§ 9 Abs. 2 Z 1 BFA-VG) und der Beschwerdeführer überdies unbekannten Aufenthaltes. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich dabei um eine nur vorläufige Aufenthaltsberechtigung handelt, der der Verwaltungsgerichtshof, wenn sie nur auf einen unberechtigten Asylantrag zurückzuführen ist, keine hohe Bedeutung zumisst (VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479). Weiter kommt einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zu (jüngst etwa VwGH 16.02.2021, Ra 2019/19/0212).

Nachdem der Beschwerdeführer keine im Bundesgebiet aufhältigen Angehörigen und familiäre Bindungen nicht geknüpft hat, greift die Rückkehrentscheidung nicht in das Familienleben des Beschwerdeführers ein (§ 9 Abs. 2 Z 2 BFA-VG).

Die Rückkehrentscheidung greift allerdings in das Recht auf Achtung des Privatlebens ein, weil und soweit sie den Beschwerdeführer von seinem sozialen Umfeld in Österreich trennt. So ist der Beschwerdeführer Freizeitbeschäftigungen nachgegangen, hat gemeinnützige Arbeit geleistet und hat etwa Bildungsangebote wahrgenommen. Ein schutzwürdiges Privatleben des Beschwerdeführers ist daher gegeben (§ 9 Abs. 2 Z 3 BFA-VG). Maßgeblich relativierend ist jedoch in die Gewichtung einzubeziehen, dass die das Privatleben des Fremden in Österreich betreffenden integrationsbegründenden Schritte in einem Zeitraum gesetzt wurden, in dem er sich (spätestens nach Abweisung seines unbegründeten Antrags auf internationalen Schutz durch das Bundesasylamt) seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (VwGH 15.03.2018, Ra 2018/21/0034; § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG) Das Gewicht des schutzwürdigen Privatlebens des Beschwerdeführers ist daher insofern gemindert.

Zum Grad der Integration des Beschwerdeführers (§ 9 Abs. 2 Z 4 BFA-VG) ist zunächst auszuführen, dass mit § 2 Integrationsgesetz (IntG), StF: BGBl. I Nr. 68/2017 den Materialien zufolge erstmals bundesweit geregelt wurde, was unter dem Begriff Integration verstanden wird (Vgl. ErläutRV 1586 Blg NR 25. GP 2). Zwar fällt der Beschwerdeführer als Asylwerber nach der taxativen Aufzählung des § 3 IntG (Vgl. auch ErläutRV 1586 Blg NR 25. GP 3) nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes. Allerdings handelt es sich bei den §§ 1 und 2 IntG um programmatische Umschreibungen von Zielvorstellungen des Gesetzgebers ohne normativen Gehalt (Vgl. Czech, Integriert Euch! Ein Überblick über Integrationsgesetz und Integrationsjahrgesetz. FABL 2/2017-I, 25), aus denen Rechte und Pflichten nicht abgeleitet werden können. Bedingt durch den Verweisungszusammenhang zwischen AsylG (§ 55 Abs. 1 Z 1 AsylG), IntG und BFA-VG erscheint eine Berücksichtigung der Ziele und der Teleologie des IntG dennoch geboten, mag der Beschwerdeführer auch nicht in den Genuss der im IntG vorgesehenen Fördermaßnahmen kommen.

Aus § 1 Abs. 2 und § 2 Abs. 2 IntG ergibt sich in Zusammenschau mit den im IntG vorgesehenen Maßnahmen unter Berücksichtigung der Erläuterungen, dass Sprachkenntnisse, wirtschaftliche Selbsterhaltungsfähigkeit sowie die Anerkennung und Einhaltung der österreichischen und europäischen Rechts- und Werteordnung die drei Grundpfeiler der Integration darstellen (Vgl. ErläutRV 1586 Blg NR 25. GP 1).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner bisherigen Judikatur zu § 9 Abs. 2 Z 4 BFA-VG auch bereits ausgesprochen, dass den sehr guten Deutschkenntnissen des Fremden bei der Beurteilung des Grades der Integration Bedeutung zukommt (VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0224). Der Beschwerdeführer hat Deutschkurse besucht und konnte Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen nachweisen. Damit ist zweifellos von guten Deutschkenntnissen auszugehen.

Zur wirtschaftlichen Selbsterhaltungsfähigkeit ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer zunächst Bildungsangebote wahrgenommen hat, um sein Ausbildungsniveau zu verbessern und ab Februar 2018 bis etwa Februar 2019 als Lehrling unselbstständig erwerbstätig war. Zwar bezog er in diesem Zeitraum weiterhin Grundversorgung, jedoch ist im Hinblick auf die wirtschaftliche Selbsterhaltungsfähigkeit eine gewisse Integrationsverfestigung ersichtlich.

Zur Anerkennung und Einhaltung der österreichischen und europäischen Rechts- und Werteordnung ist zunächst auszuführen, dass der Beschwerdeführer dadurch, dass er sich keine aktenkundigen Rechtsverstöße zu

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

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