TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/1 W235 2183275-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.07.2021
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Entscheidungsdatum

01.07.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch


W235 2183275-1/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.12.2017, Zl. 15-1072895305-150646787, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.03.2021 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3 und 57 AsylG, § 9 BFA-VG, §§ 46, 52 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 10.06.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Im Rahmen seiner Erstbefragung am 11.06.2015 gab er vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu seiner Person an, er stamme aus dem Dorf XXXX (auch und in der Folge: XXXX ) im Distrikt XXXX (auch und in der Folge: XXXX ) in der afghanischen Provinz Nangarhar und sei ledig. In Afghanistan würden noch seine Eltern, drei Brüder und drei Schwestern leben. Vor ca. zehn Monaten sei er aus Afghanistan ausgereist und habe sich bis Ende Dezember 2014 in Teheran aufgehalten. Vom Iran aus sei er über die Türkei und weitere, ihm nicht bekannte Länder schlepperunterstützt nach Österreich gelangt. Die Schleppung habe US $ 7.000,00 gekostet.

Zu seinem Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, dass er in Afghanistan beim Militär beschäftigt gewesen sei. Als der Beschwerdeführer am Stützpunkt gewesen sei, seien die Taliban in sein Elternhaus gekommen und hätten seine Familie eingeschüchtert. Sie hätten gesagt, dass er nicht mehr bei der Armee arbeiten dürfe und sich ihrer Organisation anschließen müsse. Daher habe ihm seine Familie gesagt, dass er nicht mehr nach Hause kommen dürfe und sein Bruder habe die Flucht organisiert. Sonst hätte sich der Beschwerdeführer den Taliban anschließen müssen oder „sie“ hätten seine Familie tyrannisiert oder ihn getötet. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan befürchte der Beschwerdeführer, wenn er den Taliban in die Hände fiele, würden sie ihn töten. Wenn er beim Militär sei und „sie“ ihn nicht erwischten, würden „sie“ wieder seine Familie tyrannisieren. Mit staatlichen Sanktionen habe der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr nicht zu rechnen.

1.3. Am 02.10.2017 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unter Beiziehung eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Paschtu einvernommen, wobei er zunächst angab, dass er keine physischen oder psychischen Probleme habe. Er habe keine Krankheiten. Sein Geburtsdatum sei der XXXX und seine Muttersprache sei Paschtu. Er habe bei der Erstbefragung nicht alles sagen können. Dies werde er nunmehr nachholen. Seine Familie habe ein eigenes Haus – sein Elternhaus – und sein Bruder sei getötet worden. Neben seinen Eltern und Geschwistern habe der Beschwerdeführer noch fünf Onkel und vier Tanten in Afghanistan. Der Beschwerdeführer habe nie die Schule besucht und auch sonst keine Ausbildung. Er habe glaublich drei Jahre lang seinen Militärdienst abgeleistet. Offiziell gearbeitet habe der Beschwerdeführer nie. Er sei zu Hause gewesen und habe Hausarbeit erledigt; damit meine er Holz schneiden und dergleichen. Zuletzt sei er zur Nationalarmee gegangen. Der Vater des Beschwerdeführers und seine Brüder hätten im Baubereich gearbeitet. Die Familie habe in einem großen Eigentumshaus gelebt, das auf einem Grundstück stehe. Seiner Familie sei es „normal“ gegangen. Der Beschwerdeführer sei Paschtune und sunnitischer Moslem. Aktuell habe der Beschwerdeführer keinen Kontakt zu seiner Familie.

Als Soldat sei der Beschwerdeführer in Afghanistan dienstlich unterwegs gewesen. Er sei in XXXX , XXXX , XXXX und XXXX gewesen. Die Militärdivision sei in XXXX gewesen und sei der Beschwerdeführer von dort aus dienstlich in andere Provinzen geschickt worden.

Zu seinen Fluchtgründen führte der Beschwerdeführer aus, dass er und sein Bruder XXXX bei der Nationalarmee als Soldaten gearbeitet hätten. Eines Tages seien die Taliban in ihr Elternhaus gekommen – das Jahr und das Monat wisse er nicht – und hätten den Vater des Beschwerdeführers bedroht. Sie hätten gesagt, wenn die beiden Söhne nicht bei ihnen mitarbeiten würden und weiter bei der Nationalarmee blieben, würden sie beide Söhne umbringen. Sein Vater habe den Beschwerdeführer angerufen und ihm von diesem Vorfall erzählt. Nach diesem Telefonat sei der Beschwerdeführer noch sechs Monate in der Militärdivision geblieben. Danach habe er einen Monat Urlaub gehabt und sei nach Hause gefahren. Er habe sich allerdings mit einer Burka bekleidet, da er unerkannt habe bleiben wollen. Zwei Tage sei er zu Hause gewesen und seien in der zweiten Nacht Taliban gekommen, da ihnen jemand gesagt habe, dass der Beschwerdeführer zu Hause sei. Sie hätten die Eingangstür zerstört und seien ins Haus gekommen. Der Vater des Beschwerdeführers habe die Taliban allerdings gesehen und den Beschwerdeführer gewarnt. Er sei dann über die Gartenmauer gesprungen und in die Stadt geflüchtet. Am nächsten Tag habe der Beschwerdeführer seinen Vater angerufen, der ihm gesagt habe, es seien fünf Taliban im Haus gewesen. Der Beschwerdeführer sei zehn Tage in der Stadt geblieben und dann zurück zu seiner Militärdienststelle gefahren. Sechs Monate habe er danach als Soldat verbracht und habe es in dieser Zeit drei Bedrohungen gegeben. Zweimal sei sein Vater persönlich und einmal über den Dorfältesten bedroht worden. Es sei gesagt worden, wenn die beiden Söhne weiterhin für die Armee arbeiten würden, würden sie umgebracht werden. Sein Bruder XXXX habe von diesen Vorfällen nichts gewusst und habe nach Hause kommen wollen, weil er Urlaub gehabt habe. Auf dem Weg nach Hause sei er allerdings von den Taliban festgenommen und nach drei Tagen getötet worden. Darüber sei der Beschwerdeführer informiert worden und sei zum Begräbnis seines Bruders in sein Heimatdorf gekommen. Die Dorfältesten hätten die Leiche des Bruders ins Elternhaus gebracht und zum Beschwerdeführer gesagt, wenn „sie“ ihn erwischen würden, würden „sie“ ihn auch umbringen. Aus Angst sei der Beschwerdeführer danach nicht mehr zur Armee gegangen, sondern habe sein Land verlassen, weil die Taliban die ganze Familie mit dem Tod bedroht habe. Wenn der Beschwerdeführer weiter bei der Armee bliebe, würden sie die ganze Familie umbringen. Seine Ausreise habe sein Bruder XXXX organisiert. Er habe zum Beschwerdeführer gesagt, dass seinetwegen die gesamte Familie in Gefahr sei.

Der Stützpunkt in XXXX sei ca. 13einhalb Stunden mit dem Bus vom Wohnort des Beschwerdeführers entfernt gewesen. Wann genau er sich dazu entschlossen habe, zur Armee zu gehen, wisse er nicht mehr. Als sein Interesse geweckt worden sei, sei er zur Armee gegangen. Dies habe er gewollt und sich dafür interessiert. Der Beschwerdeführer sei in der Brigade XXXX , im Hauptkommando XXXX gewesen. Damals habe er eine Prüfung für das Spezialkommando absolviert und hätte nach XXXX verlegt werden sollen. In XXXX seien ca. 5.000 Soldaten stationiert gewesen. Ca. zehn Minuten vom Stützpunkt entfernt sei auch ein Stützpunkt des deutschen Militärs gewesen. In manchen Fällen hätten sie zusammen gekämpft. Der Beschwerdeführer sei als Soldat bei der Infanterie gewesen. Er habe keinen Dienstgrad gehabt, sondern habe als Soldat das machen müssen, was der Kommandant befohlen habe. Seine Division habe immer Bereitschaft gehabt; das heiße, wenn der Befehl da gewesen sei, hätten sie gemeinsam wegfahren müssen. Seine Ausbildung sei ein dreimonatiges Training gewesen. Er sei an der Waffe M16 ausgebildet worden, die die Amerikaner nach Afghanistan gebracht hätten. Die Prüfung für die Spezialeinheit habe der Beschwerdeführer bestanden. Er habe auch auf Hindernisbahnen und mit einer kleineren Waffe, nämlich M4, trainiert. Der Beschwerdeführer sei nach XXXX verlegt worden. Er habe einen Anruf von zu Hause erhalten, bei dem ihm gesagt worden sei, dass sein Bruder getötet worden sei.

Die Taliban seien das erste Mal um Mitternacht ins Elternhaus des Beschwerdeführers gekommen. Damals habe ihn sein Vater angerufen und erzählt, dass die Taliban bei ihnen zu Hause gewesen seien und verlangt hätten, dass die beiden Söhne bei der Armee aufhören und die Taliban unterstützen müssten. Das hätten die Taliban ernst gemeint. Sie hätten gesagt, dass die Nationalarmee „mehrere unserer Kameraden umgebracht haben und auch deine Kinder arbeiten als Soldaten bei der Nationalarmee.“ Der Beschwerdeführer habe erst in sechs Monaten Urlaub bekommen und habe erst dann nach Hause fahren können. In diesen sechs Monaten seien die Taliban noch einmal an die Familie des Beschwerdeführers herangetreten. Die Dorfältesten hätten zu seinem Vater in der Moschee gesagt, dass die Taliban ihnen gesagt hätten, dass „die Kinder“ bei der Armee aufhören sollten. An den Beschwerdeführer persönlich sei niemand herangetreten. Er habe seinem Kommandanten von den Bedrohungen erzählt. Ob die Taliban noch an andere Leute in seinem Dorf herangetreten seien, wisse der Beschwerdeführer nicht. Er wisse, dass es die Taliban gewesen seien, weil ihm dies sein Vater gesagt habe. Die Burka habe der Beschwerdeführer damals kurz vor der Dorfgrenze angezogen. Diese habe er in einem Geschäft in der Stadt gekauft. Der Verkäufer sei auch in der Armee und habe dem Beschwerdeführer den Trick mit der Burka gezeigt. Im Dorf selbst gebe es weder Polizei noch Kontrollposten. Der Beschwerdeführer habe nicht gesehen, wie die Taliban die Tür zu seinem Elternhaus aufgebrochen hätten. Die Taliban hätten den Vater des Beschwerdeführers immer gefragt, wo der Beschwerdeführer sei; er sei auf ihrer schwarzen Liste. Damals sei der Beschwerdeführer in einem anderen Zimmer gewesen und habe geschlafen. Seine Mutter sei dann in sein Schlafzimmer gekommen und habe gesagt, dass die Taliban da seien. Der Beschwerdeführer sei zuerst auf das Dach gegangen, auf die Mauer gesprungen und davon gelaufen. Auf Vorhalt, wie sich das zeitlich ausgegangen sei, gab der Beschwerdeführer an, die Taliban hätten zunächst an die Tür geklopft. Sein Vater habe gesehen, dass die Taliban vor der Tür seien und dann sei seine Mutter gekommen und habe ihn gewarnt. Sein Vater habe die Tür nicht aufgemacht und in der Zwischenzeit, als die Taliban die Türe aufgebrochen hätten, sei der Beschwerdeführer geflüchtet. In der Stadt, die ca. eine Autostunde von seinem Elternhaus entfernt sei, habe er sich ein Hotelzimmer gemietet und die nächsten zehn Tage verbracht. In der Nacht sei er im Hotel gewesen und tagsüber habe sich der Beschwerdeführer in der Stadt umgesehen. Auf die Frage, warum er nicht zurück zur Militärbasis gegangen sei, da er gewusst habe, dass es gefährlich sei, brachte der Beschwerdeführer vor, dass er ein wenig ausgehen und Energie tanken habe wollen. Weiters gab der Beschwerdeführer auf die Frage, ob er sich entspannen habe können, an, eigentlich nicht; er habe Angst gehabt, dass ihn die Taliban finden könnten. Persönliche An- oder Übergriffe der Taliban auf den Beschwerdeführer habe es nicht gegeben. Der Vater des Beschwerdeführers sei auch bei der Polizei gewesen, die ihm gesagt habe, dass sie nicht verpflichtet seien, sein Haus zu bewachen. Ob nach der Ausreise des Beschwerdeführers jemand an seine Familie herangetreten sei, wisse er nicht, da er keinen Kontakt habe.

Wie sein Bruder [gemeint: XXXX ] die Flucht organisiert habe, wisse der Beschwerdeführer nicht. XXXX sei nicht mit ihm geflüchtet, da nur der Beschwerdeführer und sein verstorbener Bruder Soldaten gewesen seien. Als der Beschwerdeführer gehört habe, dass sein Bruder [gemeint: XXXX ] getötet worden sei, sei er in XXXX gewesen. Er wisse, dass es Taliban gewesen seien, die seinen Bruder festgenommen hätten, weil sie seinen Vater mehrmals bedroht hätten und sie auf der schwarzen Liste gewesen wären. Dass sein Bruder nach drei Tagen Inhaftierung umgebracht worden sei, wisse der Beschwerdeführer von seinem Vater. Am selben Tag als ihn sein Vater angerufen habe, sei er zum Begräbnis seines Bruders aufgebrochen. Seinem Bruder sei der Hals durchgeschnitten worden und er habe auch drei Bauchschüsse erhalten. Der Beschwerdeführer habe sich eine Woche vor seiner Ausreise dazu entschlossen, Afghanistan zu verlassen. Eine Woche nach dem Gespräch in seinem Elternhaus sei er nach Kabul gefahren.

Zu den in der Einvernahme vorgelegten Unterlagen gab der Beschwerdeführer an, er habe einen Freund in Österreich, dessen Bruder zur Familie des Beschwerdeführers gegangen sei und die Unterlagen von seinem Vater erhalten habe. Diese habe er dann per Post geschickt. Auf Vorhalt, weshalb der Beschwerdeführer das Original des Anmeldeformulars für die Armee habe bzw. dieses nicht bei der Armeebehörde aufliege, gab er an, er habe die Prüfung für die Spezialeinheit gemacht und sei nach XXXX verlegt worden. Dort sei er jedoch nicht hingegangen, da er habe ausreisen müssen. Auf Vorhalt, auf seinem Armeeausweis sei das Beitrittsdatum mit 2011 angeführt, brachte der Beschwerdeführer vor, dass sei ein Duplikat, weil er das Original verloren habe. Auf weiteren Vorhalt, dann müsse der Inhalt ident sein, gab er an, er sei Analphabet; er wisse es nicht.

Der Beschwerdeführer sei nicht vorbestraft, habe keine Strafrechtsdelikte begangen und werde weder von der Polizei, einem Gericht oder von einer sonstigen Behörde gesucht. Er sei niemals festgenommen oder verhaftet worden und habe auch sonst keine Probleme mit den Behörden gehabt. Von staatlicher Seite sei der Beschwerdeführer niemals wegen seiner politischen Gesinnung, seiner Rasse, seiner Religion, seiner Volksgruppe oder wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt worden. Abgesehen von den erwähnten Vorfällen habe es niemals Übergriffe oder Ähnliches gegeben. Bei einer Rückkehr sei sein Leben in Gefahr; „sie“ würden ihn umbringen. Mit der Polizei oder mit anderen Behörden hätte der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr keine Probleme. Die Taliban hingegen hätten überall Agenten und würden ihn überall in Afghanistan finden.

Er sei seit zwei Jahren und vier Monaten in Österreich und bekomme von überall Unterstützung. Der Beschwerdeführer gehe keiner legalen Beschäftigung nach, sondern erledige gemeinnützige Arbeit. Er lebe von der Grundversorgung und in einer Flüchtlingsunterkunft, für die der Staat aufkomme. Der Beschwerdeführer habe zwar einen Deutschkurs, aber noch keine Prüfung gemacht. Sonst habe er in Österreich keine Ausbildungen gemacht und sei auch nicht Mitglied in einem Verein. Verwandte oder Familienangehörige habe er in Österreich nicht.

Nach Rückübersetzung gab der Beschwerdeführer an, dass sein Bruder XXXX bei der Polizei gewesen sei. Auf Vorhalt, er habe während der gesamten Einvernahme ausgeführt, dass auch sein Bruder XXXX Soldat gewesen sei, gab der Beschwerdeführer an, er habe auch Fotos gezeigt. Er selbst sei bei der Nationalarmee gewesen und sein Bruder bei der Polizei.

Der Beschwerdeführer legte im Zuge dieser Einvernahme nachstehende, verfahrensrelevante Unterlagen (teilweise mehrfach) vor:

?        Militärausweis, ausgestellt am XXXX .10.2011;

?        Farbkopien von drei Fotos, die den Beschwerdeführer in Uniform und mit Waffe zeigen;

?        Farbkopie eines Fotos, das einen nicht uniformierten, bewaffneten Mann zeigt, bei dem es sich den Angaben des Beschwerdeführers zufolge um seinen später getöteten Bruder handelt;

?        Farbkopie eines Fotos, das einen Toten in einem weißen Leichensack mit erkennbar tiefer Halswunde zeigt – auch hier soll es sich um den Bruder des Beschwerdeführers handeln;

?        Farbkopie eines Fotos, das den Beschwerdeführer mit drei Kameraden zeigt;

?        Tazkira des Beschwerdeführers, ausgestellt am XXXX .02.2013, der als Geburtsjahr „ 18 Jahre 1378 (1999/2000)“ entnommen werden kann und auf der sich keine Eintragungen in Bezug auf den Militärdienst finden (vgl. hierzu die vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte deutsche Übersetzung, OZ 8);

?        unleserliche Tazkira des Bruders des Beschwerdeführers (seinen Angaben zu Folge; vgl. hierzu auch die Anmerkungen der Dolmetscherin auf der vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten deutschen Übersetzung, OZ 8);

?        teilweise unleserliches Schreiben des „ XXXX “ zwecks Verlängerung eines Vertrages des Beschwerdeführeres mit der „Special Operations Sect“ (vgl. auch hierzu die Anmerkungen der Dolmetscherin auf der vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten deutschen Übersetzung, OZ 8);

?        undatiertes Wiedervertragsformular des Beschwerdeführers betreffend neuerliche Bewerbung bei der Nationalarmee samt Verpflichtungserklärung (vgl. hierzu die vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte deutsche Übersetzung, OZ 8);

?        teilweise unleserliches Anmeldeformular des Beschwerdeführers betreffend seinen Militärdienst (Rekrutierungsanmeldung) vom XXXX .05.2014 (vgl. auch hierzu die Anmerkungen der Dolmetscherin auf der vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten deutschen Übersetzung, OZ 8);

?        teilweise unleserliche Informationsbiografie eines Freiwilligen zur Aufnahme in die Nationale Armee von 1392 (2013/2014) (vgl. hierzu auch die Anmerkungen der Dolmetscherin auf der vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten deutschen Übersetzung, OZ 8);

?        Teilnahmebestätigung am Kurs „Deutsch Niveau A1/A2“ vom XXXX .08.2017;

?        Teilnahmebestätigung am Kurs A1 vom XXXX .09.2017;

?        Teilnahmebestätigungen „Basisbildung / Grundkompetenzen“ vom XXXX .09.2017 und vom XXXX .08.2017;

?        Teilnahmebestätigung am Deutschkurs (Vorkurs) Niveau A1.1 vom XXXX .05.2016;

?        Bestätigung vom XXXX .08.2017, dass der Beschwerdeführer monatlich im Rahmen der Grundversorgung insgesamt einen Betrag in der Höhe von € 252,50 bezieht und gemeinnützige Arbeit für die Gemeinde XXXX verrichtet;

?        Bestätigung der Gemeinde XXXX über die Verrichtung von gemeinnützigen Arbeiten vom XXXX .08.2017 und

?        Empfehlungsschreiben von einer Bekannten des Beschwerdeführers

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.12.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde der Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ferner wurde dem Beschwerdeführer unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Ferner wurde unter Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist. Unter Spruchpunkt VI. wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

In seiner Begründung stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fest, dass der Beschwerdeführer volljährig, ledig und kinderlos sei. Er sei afghanischer Staatsangehöriger, stamme aus der Provinz Nangarhar, gehöre der Volksgruppe der Paschtunen an und sei sunnitischer Moslem. Der Beschwerdeführer leide an keinen lebensbedrohlichen physischen oder psychischen Beeinträchtigungen seines Gesundheitszustandes. Es hätten keine Beeinträchtigungen seiner Arbeitsfähigkeit festgestellt werden können. Der Aufenthaltsort seiner Kernfamilie sei in Afghanistan. Fest stehe, dass der Beschwerdeführer in der Heimat nicht vorbestraft sei und von keiner Behörde gesucht werde. Auch sei er von staatlicher Seite nicht verfolgt worden. Fest stehe, dass er ein Angehöriger der Nationalarmee Afghanistans (ANA) gewesen sei. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer deswegen von den Taliban bedroht worden sei. Die von ihm angegebenen Gründe für das Verlassen des Heimatlandes seien unglaubwürdig. Im Fall des Beschwerdeführers liege eine relevante Gefährdungslage in Bezug auf seine unmittelbare Heimatprovinz Nangarhar – nicht aber in ganz Afghanistan allgemein – vor. Fest stehe, dass dem Beschwerdeführer eine inländische Fluchtalternative in Kabul zur Verfügung stehe. Kabul sei relativ sicher und verfüge über einen Flughafen. Fest stehe, dass die Volksgruppe der Paschtunen keiner Verfolgung im Sinne des Asylgesetzes unterliege. Es könne nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan die Lebensgrundlage gänzlich entzogen wäre. Der Beschwerdeführer verfüge über Angehörige in der Provinz Nangarhar. Daher könne er Unterstützung bekommen. Er verfüge über keine Schulbildung und sei in seiner Heimat als Soldat tätig gewesen. Seiner Familie in Afghanistan gehe es gut. Der Beschwerdeführer sei wirtschaftlich genügend abgesichert und könnte grundsätzlich für seinen Unterhalt sorgen. Festgestellt werde, dass im Fall des Beschwerdeführers kein Familienbezug zu einem Angehörigen in Österreich vorliege. Es hätten keine Umstände festgestellt werden können, die auf ein schützenswertes Privatleben in Österreich hinweisen würden. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf auf den Seiten 29 bis 126 des angefochtenen Bescheides unter Anführung von Quellen Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan.

Der Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid ist zu entnehmen, dass das Bundesamt aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers sowie aufgrund seiner Sprach- und Ortskenntnisse davon ausgehe, dass er afghanischer Staatsbürger sei und aus der Provinz Nangarhar stamme. Ebenso würden die Feststellungen zu seiner Volksgruppenzugehörigkeit, zu seinem Religionsbekenntnis, zu seinem Familienstand, zu seinem Gesundheitszustand und zu seiner Erwerbsfähigkeit auf den eigenen Angaben des Beschwerdeführers gründen. Dem Beschwerdeführer werde geglaubt, dass er von keiner staatlichen Behörde gesucht werde und, dass er von staatlicher Seite niemals verfolgt worden sei. Aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers, des vorgelegten Militärausweises und der Fotos, auf denen er in Uniform zu sehen sei, gehe die Behörde davon aus, dass er ein Angehöriger der Nationalarmee gewesen sei. Mit näherer Begründung wurde in weiterer Folge ausgeführt, dass die Angaben des Beschwerdeführers, dass er von den Taliban aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Nationalarmee (ANA) verfolgt bzw. mit dem Tod bedroht werden würde, nicht nachvollziehbar und unglaubwürdig seien. Den Rückkehrbefürchtungen, wonach der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr in Afghanistan von Dritten verfolgt oder getötet werden würde, werde die Glaubhaftigkeit abgesprochen. Dem Beschwerdeführer könne zugemutet werden, im Fall der Rückkehr selbst für seinen Lebensunterhalt aufkommen zu können. Darüber hinaus sei es nicht glaubwürdig, dass er keinen Kontakt zu seinen Verwandten in Afghanistan habe. Das Bundesamt verkenne nicht, dass die Sicherheitslage in der Provinz Nangarhar in Übereinstimmung mit den Länderfeststellungen als volatil zu bezeichnen sei. Allerdings könne dem Beschwerdeführer eine Wiederansiedlung in der Hauptstadt Kabul zugemutet werden und stelle Kabul eine innerstaatliche Fluchtalternative dar. Kabul sei als Hauptstadt problemlos und ungefährlich über den dortigen internationalen Flughafen per Linienflug erreichbar. Die Angaben des Beschwerdeführers zum Familien- bzw. Privatleben seien glaubwürdig. Die Feststellungen zur Lage in Afghanistan würden auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl basieren.

In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesamt zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides, dass der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Sachverhalt in seiner Gesamtheit als nicht glaubhaft zu beurteilen gewesen sei, womit ein asylrelevanter Sachverhalt als Grundlage für eine Subsumierung unter den Tatbestand des § 3 AsylG nicht habe festgestellt werden können. Zu Spruchpunkt II. wurde zusammengefasst ausgeführt, dass trotz der angespannten Sicherheitslage in Afghanistan nicht davon ausgegangen werden könne, dass sich jedermann, der sich in Afghanistan aufhalte schon alleine aufgrund der allgemeinen Lage in einer extremen Gefährdungslage befinde. Aus den zugrunde gelegten Länderfeststellungen ergebe sich hinsichtlich der Heimatprovinz des Beschwerdeführers, Nangarhar, dass derzeit eine volatile Gefährdungslage vorliege, weshalb ihm eine Rückkehr in seine Herkunftsprovinz nicht zugemutet werden könne. In Betracht komme jedoch Kabul als innerstaatliche Fluchtalternative. Kabul verfüge über einen Flughafen, den der Beschwerdeführer sicher erreichen könne. Der Beschwerdeführer sei auch mit den kulturellen und sprachlichen Gepflogenheiten in Afghanistan vertraut, da er sein Leben dort verbracht habe und Paschtu und Dari spreche. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass er nach seiner Rückkehr nach Afghanistan in ein ausweglose Lebenssituation geraten könne, da er volljährig, gesund und im erwerbsfähigen Alter sei. Der Beschwerdeführer sei Soldat in der afghanischen Nationalarmee gewesen und könne man den Länderinformationen entnehmen, dass es keine Strafe für Desertion gebe. Zu Spruchpunkt III. führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass die Voraussetzungen des § 57 AsylG nicht erfüllt seien. Betreffend Spruchpunkt IV. wurde zunächst darauf verwiesen, dass im Fall des Beschwerdeführers kein Familienleben in Österreich vorliege. Zum Privatleben des Beschwerdeführers in Österreich wurde ausgeführt, dass eine berufliche Verfestigung nicht habe festgestellt werden können. Der Besuch von Deutschkursen alleine sei nicht geeignet, ein schützenswertes Privatleben zu bilden. Das bestehende gewichtige Interesse an der Ausreise des Beschwerdeführers werde durch die persönlichen Interessen nicht aufgewogen und liege somit durch die Ausweisung keine Verletzung des Privat- oder Familienlebens vor. Daher sei die Rückkehrentscheidung nach § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG zulässig. Da dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt werde, sei gemäß § 10 Abs. 1 AsylG und § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung zu erlassen. Daher wurde unter Spruchpunkt V. ausgesprochen, dass im Fall der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung sowie bei Vorliegen der in § 46 Abs. 1 Z 1 bis 4 FPG genannten Voraussetzungen die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig sei. Letztlich wurde zu Spruchpunkt VI. ausgeführt, dass der Beschwerdeführer ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung zur freiwilligen Ausreise binnen 14 Tagen verpflichtet sei.

Mit Verfahrensanordnung vom 18.12.2017 wurde dem Beschwerdeführer von Amtswegen ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

3.1. Gegen den oben angeführten Bescheid erhob der Beschwerdeführer im Wege seiner damals bevollmächtigten Vertretung fristgerecht am XXXX .01.2018 Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften. Begründend wurde im Wesentlichen und zusammengefasst ausgeführt, dass die Länderberichte unzureichend und unvollständig seien. In der Folge wurde das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017 zitiert und vorgebracht, dass in diesem die Sicherheitslage als unstabil dargestellt werde. Weiters wurden Berichte aus den Jahren 2017, 2016 und 2015 zur Sicherheits- und Versorgungslage in Kabul ebenso wörtlich zitiert und (zusammengefasst) vorgebracht, dass eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul nicht existiere. In der Folge wurde ausgeführt, dass bereits die Tatsache, dass der Beschwerdeführer Angehöriger der ANA gewesen sei, asylrelevant sein könne. Ferner wurde die Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid unter Anführung von Beispielen bestritten. Daher ergebe sich, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe schlüssig habe ausführen können und sich sohin nicht erkennen lasse, inwiefern die Behörde zu dem Schluss komme, das Vorbringen des Beschwerdeführers sei gänzlich unglaubwürdig. Eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe für den Beschwerdeführer nicht, da er in Kabul über keine familiäre Unterstützung verfüge. Der Beschwerdeführer sei Analphabet und könne auf keine nennenswerte zivile Berufsausbildung zurückgreifen. Er sei um eine Integration in Österreich bemüht und nütze die sich ihm bietenden Möglichkeiten, die österreichische Kultur und Sprache zu erlernen.

Neben der Vollmacht für die einschreitende Rechtsberaterorganisation und einiger bereits im Verfahren vor dem Bundesamt vorgelegter Schriftstücke waren der Beschwerde nachstehende Unterlagen in Kopie beigelegt:

?        Teilnahmebestätigung „Basisbildung / Grundkompetenzen“ vom XXXX .01.2018;

?        Teilnahmebestätigung „Grundbildung Gruppenunterricht_VHS-Haus XXXX “ vom XXXX .02.2017 und

?        Teilnahmebestätigungen am Kurs A1 vom XXXX .11.2017 und vom XXXX .09.2017

3.2. Am 07.08.2020 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein als Beschwerdeergänzung bezeichneter Schriftsatz vom 06.08.2020, eingebracht vom damaligen rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers ein, in welchem verfahrenswesentlich vorgebracht wurde, dass sich aus der vorgelegten Tazkira ergebe, dass der Beschwerdeführer im Jahr 1387 (= 2008) 18 Jahre alt gewesen sei und sei daher sein Geburtsdatum auf den XXXX zu berichtigen. Ferner wurde die Einvernahme von zwei Zeugen, XXXX (wohnhaft in Italien) und XXXX (wohnhaft in Deutschland) beantragt. Hierzu wurde vorgebracht, dass beide Zeugen aus dem Heimatdorf des Beschwerdeführers stammen würden und bezeugen könnten, dass sein Bruder XXXX bei der Nationalarmee als Soldat tätig gewesen und bei einem Besuch im Heimatdorf von den Taliban ermordet worden sei. Der Zeuge XXXX sei beim Begräbnis persönlich anwesend gewesen und könne auch bezeugen, dass der Beschwerdeführer ebenfalls dort gewesen sei. Beide Zeugen würden auch von den Drohungen gegen den Beschwerdeführer wissen und würden zum Beweis für die Gefährdung, die dem Beschwerdeführer wegen seiner Tätigkeiten für die Nationalarmee drohe, beantragt.

Nachstehende – bis dato noch nicht vorgelegte – Unterlagen waren dem Schriftsatz beigelegt:

?        undatiertes Schreiben des Vaters des Beschwerdeführers an „Dorfvorsteher, Bewohner und Weißbärtige des Dorfes XXXX im Distrikt XXXX “, dem zu entnehmen ist, dass sein Sohn XXXX bis vor vier Jahren in den Reihen der Nationalpolizei in der Provinz Zabol tätig war und in der Gegend von XXXX , im Distrikt XXXX , von Regierungsgegnern festgenommen und umgebracht wurde sowie, dass sein anderer Sohn XXXX (= Beschwerdeführer) im Ausland lebe (auch in deutscher Übersetzung vom 15.11.2018 vorgelegt);

?        Schreiben des Vaters des Beschwerdeführers an „Sicherheitskommandantur des Distriktes XXXX “ vom XXXX 1397 (= XXXX 2018) mit demselben Inhalt (ebenso in deutscher Übersetzung vom 15.11.2018 vorgelegt);

?        Teilnahmebestätigung „Deutschkurs Niveau A2“ vom XXXX .07.2019;

?        Bestätigung „Kursbesuch Deutschkurs“ vom XXXX .07.2020;

?        Bestätigung vom XXXX .01.2018, dass der Beschwerdeführer monatlich im Rahmen der Grundversorgung insgesamt einen Betrag in der Höhe von € 252,50 bezieht und gemeinnützige Arbeit für die Gemeinde XXXX verrichtet;

?        Stellungnahme der Schutzgebietsbetreuung vom XXXX .10.2018 betreffend gemeinnützige Tätigkeiten des Beschwerdeführers im Juli und August 2016 sowie im Juli 2018 sowie diesbezügliche Bestätigung vom XXXX .10.2018;

?        Bestätigung über die Mitarbeit des Beschwerdeführers an Biotoppflegearbeiten im Oktober 2018 vom XXXX .10.2018;

?        Bestätigung über die Tätigkeit des Beschwerdeführers zwischen September 2018 und März 2020 als Küchenhilfe vom XXXX .06.2020 und

?        weitere fünf Empfehlungsschreiben aus dem Bekanntenkreis des Beschwerdeführers

3.3. Am 09.10.2020 langten beim Bundesverwaltungsgericht (ohne ergänzendes Vorbringen) nachstehende, verfahrensrelevante Unterlagen ein:

?        Teilnahmebestätigung am Kurs „Deutsch Niveau A1/A2“ vom XXXX .09.2020;

?        zwei Bestätigungen über nicht bestandene Integrationsprüfungen A1 am XXXX .12.2019 und am XXXX .06.2019;

?        Bestätigungen über die Verrichtung gemeinnütziger Tätigkeiten der Marktgemeinde XXXX vom XXXX .08.2020 und vom XXXX .06.2020 und

?        zwei weitere Empfehlungsschreiben aus dem Bekanntenkreis des Beschwerdeführers

4. Am 17.03.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Zuhilfenahme einer geeigneten Dolmetscherin für die Sprache Paschtu statt, an der der Beschwerdeführer und seine rechtsfreundliche Vertreterin teilnahmen. Ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ist nicht erschienen; das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat sich mit E-Mail vom 25.02.2021 für die Teilnahme an der Verhandlung entschuldigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt. Bereits mit der Ladung wurden den Verfahrensparteien die Länderfeststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes zur aktuellen Situation in Afghanistan zur Kenntnis gebracht.

Eingangs der Verhandlung gab der Beschwerdeführer an, dass es ihm gut gehe. Allerdings habe er psychische Probleme und zwar in der Nacht Panikattacken und Albträume. Er schwitze stark und habe Probleme mit der Schilddrüse. Auch habe er Blutfette. Der Beschwerdeführer sei in ärztlicher Behandlung und nehme Medikamente. Wie diese Medikamente hießen, wisse er nicht. Die Niederschriften der Erstbefragung und vor dem Bundesamt seien ihm rückübersetzt worden, er habe die Wahrheit gesagt und die jeweiligen Dolmetscher gut verstanden. Seine Tazkira habe ihm sein Vater ca. 2016 mit der Post nachgeschickt. Das sei das „Original vom Duplikat“ gewesen, da er seine erste Tazkira verloren habe. Diese Tazkira sei ihm von der Distriktbehörde ausgestellt worden und zwar bevor er Soldat habe werden wollen. Der Beschwerdeführer wisse, dass er im Jahr 1990 geboren sei, kenne jedoch nicht das genaue Datum. Er sei ledig und habe keine Kinder. Der Beschwerdeführer sei sunnitischer Moslem und Paschtune. Wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit und wegen seiner religiösen Überzeugung habe der Beschwerdeführer in Afghanistan keine Probleme gehabt. Der Beschwerdeführer spreche Dari, Paschtu und Deutsch. In Deutsch könne er auch schreiben; in Dari und Paschtu nicht.

Zu den mit der Ladung übersendeten Länderfeststellungen zur Situation in Afghanistan gab die rechtsfreundliche Vertreterin des Beschwerdeführers an, dass die Lage in Bezug auf das LIB vom 16.12.2020 unverändert sei. Da der Beschwerdeführer jedoch Soldat bei der ANA gewesen sei und den militärischen Dienst verübt habe, werde auf Seite 230 verwiesen, wonach im Jahr 2016 ein Soldat wegen Desertion in erster Instanz zu 15 Jahren Haft verurteilt worden sei und dies aufgrund der Lage und der Geschehnisse möglicherweise auch dem Beschwerdeführer drohen könne.

Zu seinen Wohnorten, zu seinen Familienangehörigen und zu seinem Leben in Afghanistan gab der Beschwerdeführer an, dass seine Familie jetzt nicht mehr in Afghanistan lebe. Sie hätten das Haus wegen Problemen mit DAESH verkauft und würden in Pakistan leben. Seine Familie bestehe aus seinen Eltern, drei Schwestern und drei Brüdern. Seine letzte Wohnadresse sei das Dorf XXXX im Distrikt XXXX in der Provinz Nangarhar gewesen. Privat habe er nur dort gelebt und zwar mit seinen Eltern und Geschwistern. Als Soldat sei er dienstlich auch in den Provinzen XXXX und XXXX gewesen. Bis zu seiner Ausreise habe er sich im Heimatdorf in Nangarhar aufgehalten. Aktuell habe der Beschwerdeführer Kontakt zu seinen Angehörigen in Pakistan. Sein Vater rufe ihn zweimal im Monat an. Der verstorbene Bruder des Beschwerdeführers habe XXXX geheißen. Auch er habe im gemeinsamen Familienverband gelebt. Der Beschwerdeführer habe keine Schule besucht, sondern zu Hause mitgeholfen. Er habe Holz geschnitten und Einkäufe gemacht. Auf Vorhalt, er habe angegeben Soldat gewesen zu sein, brachte der Beschwerdeführer vor, er habe gemeint, bevor er Soldat gewesen sei. Als Soldat habe er drei Jahre lang gearbeitet und habe dadurch seinen Lebensunterhalt verdient. In Afghanistan habe er keine Verwandten mehr. Alle hätten Afghanistan verlassen und würden in Pakistan leben. Wegen DAESH sei die Situation dort sehr schrecklich. Man werde mitgenommen, getötet und es herrsche Krieg.

Zu seiner Integration in Österreich gab der Beschwerdeführer an, dass er keine Verwandten in Österreich habe, aber viele Freunde. Eine Freundin habe er nicht. Der Beschwerdeführer spreche Deutsch, habe allerdings die A1 Prüfung dreimal nicht bestanden. Das liege auch daran, dass er in Afghanistan keine Schule besucht habe. Er werde versuchen, das A1 Zertifikat im nächsten Monat nochmal zu machen. Der Beschwerdeführer erhalte monatlich einen Betrag von € 250,00 aus der Grundversorgung und verdiene durch seine Arbeit bei der Gemeinde € 240,00 im Monat. Dort mache er Straßenreinigung, Sportplatzreinigung und Reinigung im Kindergarten sowie in der Volksschule. Er habe keine Arbeitserlaubnis. Abgesehen von Deutschkursen habe der Beschwerdeführer in Österreich keine Ausbildungen absolviert. Er besuche auch sonst keine Kurse oder Vereine. Früher habe er Volleyball gespielt und auch für die Gemeinde gearbeitet, beispielsweise in der Schule. Der Beschwerdeführer habe viele Freunde in Österreich. Er arbeite auch für eine (namentlich genannte) ältere Dame. Dieser Dame helfe er beim Einkaufen und beim Sauber machen. Normalerweise treffe er sie jeden Samstag und Sonntag sowie in seiner Freizeit. Er möge das Land Österreich. Er finde hier alles gut und habe Respekt vor allem hier.

Zu seinen Reisebewegungen und zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der Beschwerdeführer an, er habe Afghanistan im Jahr 2014 verlassen. Damals sei er zunächst nach Kabul gefahren und von dort aus über die Provinz Nimrus und über Pakistan in den Iran gereist, wo er ca. fünf Monate aufhältig gewesen sei. Danach sei er in die Türkei weitergereist und von dort aus über ihm unbekannte Länder nach Österreich gelangt. Insgesamt sei er zehn Monate unterwegs gewesen. Der Beschwerdeführer sei bei der afghanischen Nationalarmee als Soldat tätig und sein Bruder sei bei der afghanischen Nationalpolizei gewesen. Die Taliban hätten seinem Vater gesagt, dass der Beschwerdeführer und sein Bruder ihre Tätigkeiten aufgeben müssten und für sie arbeiten sollten. Dies habe ihm sein Vater am Telefon erzählt. Sechs Monate später sei der Beschwerdeführer nach Hause gefahren, habe sich jedoch zuvor in der Stadt noch eine Burka gekauft. Diese habe er in der Nähe seines Heimatdorfes angezogen und sei so nach Hause gegangen. Die Taliban hätten durch ihre Spione erfahren, dass der Beschwerdeführer zu Hause sei und seien in der zweiten Nacht ins Elternhaus des Beschwerdeführers gekommen. Sie hätten an die Gartentür geklopft. Da die Eltern mitbekommen hätten, dass es die Taliban seien, habe ihn seine Mutter geweckt und der Beschwerdeführer sei vom Dach über eine Mauer gesprungen und in die Stadt gegangen, wo er in der Früh angekommen sei. Mit „Stadt“ meine er XXXX . Der Beschwerdeführer sei im Jahr 2011 der afghanischen Nationalarmee beigetreten. Er sei als Soldat in der Infanterie tätig gewesen und habe an Militäroperationen teilgenommen. Er habe auch gegen die Taliban gekämpft und habe an verschiedenen Kampfhandlungen teilgenommen. Diese Kämpfe hätten manchmal eine Woche und manchmal auch einen Monat gedauert. Getragen habe er die Waffe M16. Die Truppe des Beschwerdeführers sei eine Unterstützungstruppe gewesen; d.h. da wo sie gebraucht worden seien, hätten sie die Kameraden unterstützt. Aber meisten sei er in XXXX stationiert gewesen. Er habe als Analphabet in der Armee arbeiten können, da in Afghanistan ca. 60% der Soldaten Analphabeten seien. Die Kommandanten hätten die Befehle mündlich erteilt. Die Spezialausbildung, die er gemacht habe, sei für ein Kommando gewesen. Er habe Schussübungen gemacht und die Prüfung bestanden. Danach hätte er in die Provinz XXXX zum Dienst geschickt werden sollen. Dies habe ihm jedoch nicht gefallen und daher sei er zu seiner alten Dienststelle zurückgekehrt. Der Beschwerdeführer sei gar nicht in XXXX gewesen. Auf Vorhalt, der Beschwerdeführer habe während des gesamten Verfahrens vor dem Bundesamt ausgesagt, dass sein Bruder auch bei der Armee gewesen sei und habe erst nach Rückübersetzung bei der Einvernahme und nunmehr bei der Verhandlung vorgebracht, sein Bruder sei bei der Polizei gewesen, gab er an, dass er immer von der Polizei gesprochen habe. Das sei ein Missverständnis gewesen, das er bei der Rückübersetzung korrigiert habe.

Nachdem er nach XXXX gegangen sei, habe der Beschwerdeführer zehn Tage in einem Hotel verbracht. In den Nächten sei er im Hotel gewesen und tagsüber sei er in der Stadt unterwegs gewesen; er habe Gärten und Parks besichtigt. Nach diesen zehn Tagen sei er wieder zum Dienst gefahren. Auf die Frage, ob der Beschwerdeführer in XXXX von den Taliban bedroht worden sei, gab er zunächst an: „Wenn sie mich erwischt hätten, hätten sie mich geschlachtet.“, verneinte jedoch nach Wiederholung die Frage. Als die Taliban seinen Vater gewarnt hätten – im 6. Monat 2013 – hätten die Probleme begonnen. Der Vorfall, als die Taliban in der Nacht gekommen seien, sei 2014 gewesen. Zehn Tage nach diesem Vorfall sei der Beschwerdeführer zurück in die Dienststelle nach XXXX gegangen. Er habe seinem Kommandanten von dem Vorfall erzählt und der habe gemeint, sie seien alle in Gefahr. Der Beschwerdeführer habe dann sechs weitere Monate Dienst geleistet. Sein Bruder, der bei der Polizei gewesen sei, sei auf dem Nachhauseweg bei einem Check-Point von den Taliban mitgenommen, geschlagen, nach drei Tagen erschossen und auch „geschlachtet“ worden. Er habe drei Kugeln im Bauchbereich gehabt und mit einem Messer habe man ihm den Hals aufgeschlitzt. Nach dem Tod seines Bruder habe ihn sein Vater gegen 05:00 Uhr früh angerufen. Daraufhin sei der Beschwerdeführer nach Hause gefahren und am Abend angekommen. Er sei direkt ins Krankenhaus gegangen, wo sein Bruder gelegen sei. Die Ärzte hätten den Hals- und den Bauchbereich des Bruders genäht. Am nächsten Tag gegen 11:00 Uhr sei sein Bruder beerdigt worden. Ca. eine Woche später habe der Beschwerdeführer Afghanistan verlassen. An das Datum könne er sich nicht erinnern; es sei im Jahr 2014 gewesen.

Auf die Frage, ob zwischen dem Begräbnis seines Bruders und der Ausreise aus Afghanistan etwas passiert sei, gab der Beschwerdeführer wörtlich an: „Die Weißbärtigen haben die Leiche meines Bruders nach Hause gebracht. Die Taliban haben diese Weißbärtigen gebeten, meinem Vater mitzuteilen, wenn sie seinen anderen Sohn, also mich, erwischen, werden sie mich auf schlimmere Weise töten. Dann hat mir mein anderer Bruder bei der Ausreise geholfen.“ Die Taliban hätten zweimal mit dem Vater des Beschwerdeführers gesprochen und einmal hätten sie der Familie etwas über die Weißbärtigen mitgeteilt. Der Vater des Beschwerdeführers sei zum Distriktsvorsteher wegen der Bedrohungen gegangen, der ihm gesagt habe, dass er sein Haus nicht bewachen könne. Das sei nicht im Dorf gewesen; im Dorf selbst gebe es keine Polizei. Der Bruder des Beschwerdeführers, der getötet worden sei, habe von den Bedrohungen der Taliban gewusst. Aber er sei etwas stur gewesen und habe seine freien Tage zu Hause verbringen wollen. Der Beschwerdeführer, der auch von den Bedrohungen gewusst habe, sei nach Hause gekommen, weil er seine Familie habe sehen wollen. Außerdem habe er eine Burka getragen, damit dies keiner erfahre. „Sie“ hätten jedoch über die Spione im Dorf erfahren, dass der Beschwerdeführer zu Hause sei. Auf Vorhalt der Schreiben an den Dorfvorsteher, die mit Schriftsatz vom 06.08.2020 vorgelegt wurden, gab der Beschwerdeführer an, sein Vater habe diese Schreiben „ausstellen lassen“ und habe diese dem Beschwerdeführer im Jahr 2018 vor seiner Ausreise aus Afghanistan geschickt. Auf die Frage, ob seine Familienangehörigen nach der Ausreise des Beschwerdeführers bzw. nach dem Tod seines Bruders von den Taliban bedroht worden seien, gab er an, dass die DAESH dort mächtiger geworden sei. Sie hätten Menschen auf Bomben gesetzt und diese zur Explosion gebracht. Daher sei auch die Familie des Beschwerdeführers gezwungen gewesen, Afghanistan zu verlassen. Nach Wiederholung der Frage merkte er an, dass er nicht mehr darüber wisse. Auf die Frage, warum der Beschwerdeführer nicht schon bei der Erstbefragung gesagt habe, dass sein Bruder getötet worden sei, gab er an, dies habe er dem Dolmetscher gesagt, der jedoch gemeint habe, dass getötete Angehörige nicht protokolliert werden würden.

Der Beschwerdeführer sei zur Armee gegangen, weil er sich dafür interessiert habe. Auf die Frage, ob ihm nicht bewusst gewesen sei, dass es gefährlich sein könnte, sich der Armee anzuschließen bzw. dass er ja auch in Kampfhandlungen gegen die Taliban verwickelt worden sei, was auch die Verpflichtung bzw. der Beruf eines Soldaten sei, antwortete der Beschwerdeführer, dass bevor er Soldat geworden sei, die Taliban in sein Heimatdorf gekommen seien und die Dorfbewohner dazu gezwungen hätten, ihnen Essen, Decken und Polster zu geben. Eines Tages sei der Beschwerdeführer mit seiner Mutter vom Arzt zurückgekommen und sie seien von den Taliban angehalten worden. Die Taliban hätten den Beschwerdeführer geschlagen und ihm vorgeworfen, dass er die Taliban bei der Regierung verraten würde und ein Spion sei. Da habe er genug gehabt und habe der Regierung helfen wollen. Daher sei er zur Armee gegangen. Wie alt er bei dem Vorfall gewesen sei, wisse der Beschwerdeführer nicht mehr. Er könnte ca. 16 Jahre alt gewesen sei. Auf die Frage, ob es ihm nicht klar gewesen sei, dass er, wenn er für die ANA arbeite auch gegen die Taliban kämpfen müsse und von diesen als Feind angesehen werde, brachte der Beschwerdeführer vor, dass ihm das klar gewesen sei. Nachdem sie ihn geschlagen hätten, sei er wütend geworden und habe Soldat werden wollen. Auf Vorhalt, in den Militärunterlagen, die der Beschwerdeführer dem Bundesamt vorgelegt habe, stehe sinngemäß, dass man sich als Soldat verpflichte, die nationale Solidarität, die Unabhängigkeit, territoriale Integrität, nationale Interessen und die Werte des Islam zu verteidigen und dies unter Umständen auch mit dem Leben zu bezahlen, er jedoch bei Problemen davonlaufe, gab der Beschwerdeführer an, dass er sich für diese Arbeit interessiert habe. Zwei Dorfbewohner hätten für ihn gebürgt und er habe ein Soldat sein wollen.

Auf Vorhalt, die Bedrohungssituation habe sich vor sieben Jahren ereignet und auf die Frage, wieso der Beschwerdeführer glaube, dass er nach wie vor von den Taliban verfolgt werde, zumal er kein Angehöriger der ANA mehr sei, gab er an, es sei ihnen egal, ob er bei der Armee sei oder nicht. Wenn sie ihn erwischen würden, würden sie ihn wie seinen Bruder töten. Die Frage, woher er wissen wolle, dass die Taliban, die ihn damals verfolgt hätten, immer noch tätig seien bzw. in seiner Heimatprovinz seien, beantwortete der Beschwerdeführer dahingehend, dass es nicht eine Gruppe gewesen sei, sondern „im Monat“ verschiedene Talibangruppen in sein Dorf gekommen seien. Der Beschwerdeführer habe auch mit staatlichen Sanktionen zu rechnen, da er nur ein paar Tage frei bekommen habe, aber geflüchtet sei und seinen Dienst verlassen habe. Er habe auch im erstinstanzlichen Verfahren erzählt, dass er mit der Regierung Probleme bekommen würde.

XXXX sei ein Dorfbewohner aus dem Heimatdorf des Beschwerdeführers, der jetzt in Italien lebe. Er sei nicht mit dem Beschwerdeführer verwandt. Auch XXXX sei ein Dorfbewohner, der nicht mit dem Beschwerdeführer verwandt sei.

Wenn der Beschwerdeführer die geschilderten Probleme nicht hätte, könnte er wegen der schlechten Sicherheitslage auch nicht in Afghanistan leben. Dort werde jeder getötet, egal, ob er Kartoffelverkäufer oder jemand anderer sei. Der Beschwerdeführer könne auch nicht außerhalb von Nangarhar leben, da er in anderen Provinzen keine Verwandten habe und auf der schwarzen Liste der Taliban stehe. Sie würden ihn überall finden. In Mazar-e Sharif und/oder in Herat-Stadt habe er keine Verwandten und die Taliban würden ihn finden.

Am Ende der Verhandlung brachte die rechtsfreundliche Vertreterin zusammengefasst vor, dass zwar die Tätigkeit bei der ANA eine gewisse Gefährlichkeit mit sich bringe, aber die Bedrohung des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht pauschal als miteinkalkulierte Gefahr gewertet werden könne. Es müsse nicht zwingend mit einer Bedrohung durch die Taliban gerechnet werden, wenn man bei der ANA tätig sei. Im konkreten Fall hätten die Taliban nicht nur Drohungen gegen den Beschwerdeführer geäußert, sondern auch die Bedrohung verwirklicht und sei der Bruder des Beschwerdeführers getötet worden. Er weise drei Schüsse auf und ihm sei die Kehle aufgeschnitten worden. Der Kehlschnitt sei auf dem Foto auch deutlich erkennbar und ergebe sich aus den vorgelegten Unterlagen, dass es sich um den Bruder des Beschwerdeführers handle. Es werde die Einholung „einer Staatendokumentation“ zur Bestätigung der Echtheit der vorgelegten Tazkiras sowie der vorgelegten Schreiben aus Afghanistan zum Beweis dafür beantragt, dass es sich wirklich um seinen Bruder handle und eine Bedrohung durch die Taliban stattgefunden habe sowie eine aktuelle Bedrohung noch immer möglich sei.

Im Rahmen der Verhandlung wurden nachstehende Unterlagen von der rechtsfreundlichen Vertreterin des Beschwerdeführers vorgelegt und in Kopie zum Akt genommen:

?        „ÖSD Zertifikat A1“ vom XXXX .02.2018 mit der Beurteilung „nicht bestanden“ samt Begleitschreiben der Volkshochschule XXXX vom XXXX .02.2018;

?        Teilnahmebestätigung an einem Deutschkurs auf der Niveaustufe A1/A2 vom XXXX .02.2021;

?        Bestätigung über die regelmäßige Verrichtung gemeinnütziger Tätigkeiten in der Marktgemeinde XXXX zwischen 2017 bis Mai 2020 vom XXXX .03.2021;

?        Bestätigung der Grundversorgungseinrichtung XXXX vom XXXX .03.2021, dass der Beschwerdeführer dort „seit Jahren“ gemeinnützig tätig ist;

?        undatierte, als „Arbeitsbestätigung“ bezeichnete Einstellungszusage eines Imbiss für den Fall eines positiven Asylbescheides;

?        ärztliche Bestätigung eines Arztes für Allgemeinmedizin vom XXXX 10.2020, dass der Beschwerdeführer „seit seiner Asylgewährung in Österreich“ unter Panikzuständen mit Albträumen, nächtlichen Schweißausbrüchen und teilweiser Schlaflosigkeit leidet, was auch zu körperlichen Beschwerden führt;

?        weitere vier Empfehlungsschreiben sowie Konvolut an Fotos (in Schwarz-weiß Kopie) und

?        Rückseite der Bestätigung über die Mitarbeit des Beschwerdeführers an Biotoppflegearbeiten im Oktober 2018 vom XXXX .10.2018, auf der acht Namen samt Unterschriften angeführt sind

5. Mit Stellungnahme vom 31.03.2021 brachte der Beschwerdeführer im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung vor, dass er in Österreich gut integriert sei. Er habe hier seinen Lebensmittelpunkt und fühle sich wohl. Ferner habe er einen westlichen Lebensstil angenommen; er konsumiere Schweinefleisch und Alkohol. Der Schutzwürdigkeit seines Privatlebens komme große Bedeutung zu, zumal der Beschwerdeführer über keine sozialen Kontakte in Afghanistan verfüge, weswegen es an Bindung zum Heimatstaat fehle. Darüber hinaus sei der Beschwerdeführer unbescholten. Er werde von seinem Umfeld als fleißiger, ruhiger, korrekter, ambitionierter und hilfsbereiter junger Mann beschrieben. Der Beschwerdeführer habe sich immer wohlverhalten und sei seiner Erwerbstätigkeit ausschließlich auf Basis einer Beschäftigungsbewilligung des AMS nachgegangen. Unter Anführung einer Tabelle wurde weiters ausgeführt, dass sich seit der letzten Aktualisierung des LIB erhebliche Anschläge [in Afghanistan] ereignet hätten. Bei der Rückkehr nach Afghanistan sei zwingend eine Tazkira mitzuführen. Diese sei zwingend erforderlich, um ein Existenzminimum zugesichert zu bekommen und Zugang zu Hilfsleistungen zu erhalten. Wenn bei Rückkehr nach Afghanistan die Ausstellung einer Tazkira notwendig sei, um Zugang zu den geringsten Mitteln zu erhalten, sei dies für den Beschwerdeführer unmöglich. Der Beschwerdeführer verfüge über keinerlei soziale Kontakte in Afghanistan, auf die er zurückgreifen könne. Kurz nach der Einreise nach Afghanistan würde der Beschwerdeführer deswegen verhaftet werden, da er über keine Tazkira und auch nicht über die finanziellen Mittel verfüge, um sich bei einer Polizeikontrolle allenfalls freikaufen zu können.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

1.1.1. Der Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger von Afghanistan, Zugehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Er stammt aus dem Dorf XXXX im Distrikt XXXX in der afghanischen Provinz Nangarhar, wo er geboren und in seinem Elternhaus mit seinen Eltern und Geschwistern (drei Schwestern und insgesamt vier Brüder) aufgewachsen ist. Nachdem einer seiner Brüder namens XXXX getötet wurde, verließ der Beschwerdeführer ca. im August 2014 Afghanistan und reiste über Pakistan in den Iran, wo er sich ca. fünf Monate aufgehalten hat. Vom Iran aus reiste er weiter in die Türkei und gelangte von dort aus über eine ihm nicht bekannte Route nach Österreich, wo er nach unrechtmäßiger Einreise am 10.06.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.1.2. Ca. im Jahr 2011 trat der Beschwerdeführer der afghanischen Nationalarmee (ANA) bei, wo er in der Folge ca. drei Jahre lang als Soldat der Infanterie diente. Hauptsächlich war er in zwar XXXX stationiert, da seine Truppe jedoch eine Unterstützungstruppe für andere Einheiten war, war er fallweise auch in anderen Provinzen tätig. Im Zuge seiner militärischen Tätigkeit nahm der Beschwerdeführer an Militäroperationen und an Kampfhandlungen – auch gegen die Taliban – teil.

Nicht als Sachverhalt zugrunde gelegt werden die Angaben des Beschwerdeführers zur behaupteten Bedrohungssituation in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan. Es wird nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer einer asylrelevanten Gefährdung ausgesetzt ist, die dem afghanischen Staat zurechenbar ist. Darüber hinaus wird nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer einer konkreten Verfolgung bzw. Bedrohung von Seiten der Taliban aufgrund seiner Weigerung, die afghanische Nationalarmee zu verlassen und für die Taliban zu arbeiten, ausgesetzt ist. Der Beschwerdeführer hat mit seinem Vorbringen keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft gemacht.

Nicht festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan aus Gründen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Paschtunen und/oder der Zugehörigkeit zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam einer asylrelevanten Gefährdung ausgesetzt ist. Ebenso wenig wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan aus sonstigen, in seiner Person gelegenen Gründen (etwa wegen der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung) einer asylrelevanten Gefährdung ausgesetzt ist. Auch eine drohende asylrelevante Verfolgung aus anderen Gründen ist nicht hervorgekommen und zwar weder aufgrund des Vorbringens des Beschwerdeführers noch aus amtswegiger Wahrnehmung.

1.1.3. Der Beschwerdeführer leidet fallweise unter psychisch bedingten leichtgradigen Verstimmungen wie Panikzuständen, Albträumen, nächtlichen Schweißausbrüchen und teilweiser Schlaflosigkeit. Eine aktuelle Behandlungsbedürftigkeit in therapeutischer und/oder medikamentöser Hinsicht wird nicht festgestellt.

Der Beschwerdeführer gehört keiner Risikogruppe in Zusammenhang mit COVID-19 an. Die COVID-19 Pandemie stellt für den Beschwerdeführer kein „real risk“ im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat dar.

Der Beschwerdeführer ist ledig und kinderlos bzw. ohne Obsorgeverpflichtungen. Bevor er ca. im Jahr 2011 im Alter von ca. 21 Jahren der afghanischen Nationalarmee beigetreten ist, war er auf dem Grundstück seiner Familie tätig und hat Holzarbeiten sowie Einkäufe erledigt. In Afghanistan hat der Beschwerdeführer keine Schule besucht, spricht jedoch die Sprachen Dari und Paschtu. Ob der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat noch über Angehörige verfügt, kann nicht festgestellt werden. Auch wenn deren Aufenthaltsort nicht festgestellt werden kann, wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer mit seinen Eltern und Geschwistern in regelmäßigem Kontakt steht.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seine Herkunftsprovinz Nangarhar ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde.

Dem Beschwerdeführer steht aber eine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative in einer der großen Städte Afghanistans, nämlich Mazar-e Sharif oder Herat-Stadt zur Verfügung (vgl. diesbezüglich auch die Ausführungen im Rahmen der rechtlichen Beurteilung unter Punkt II.3.2.2.4. des gegenständlichen Erkenntnisses). Es wird nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr nach Mazar-e Sharif oder Herat-Stadt Gefahr liefe, aufgrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten. Auch wird nicht festgestellt, dass dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr nach Mazar-e Sharif oder Herat-Stadt

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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