Entscheidungsdatum
29.07.2021Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W207 2242090-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die Richterin Mag. Natascha GRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Manfred SOMMERBAUER und Dr. Dr. Michael Dohr, LL.M., LL.M., gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 07.04.2021, OB: XXXX , betreffend Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 42 Abs. 1 und § 45 Abs. 1 und 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) und § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Bundesrepublik Deutschland, stellte am 04.05.2020 beim Sozialministeriumsservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und legte zugleich eine Bestätigung eines näher genannten Kardiologen vom 17.02.2020 vor. Es wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Innere Medizin eingeholt. In diesem medizinischen Sachverständigengutachten vom 28.07.2020, basierend auf einer persönlichen Untersuchung am 30.06.2020, wurden auf Grundlage der Bestimmungen der Anlage zur Einschätzungsverordnung die Funktionseinschränkungen (1.) „ischämische Cardiomyopathie mit Zustand nach Mehrfachstenting, unterer Rahmensatz, da kardial kompensiert“, bewertet mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. nach der Positionsnummer 05.05.03 der Anlage zur Einschätzungsverordnung, und (2.) „Lungenemphysem, eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, da unter Therapie stabilisierbar“ bewertet mit einem Grad der Behinderung von 20 v.H. nach der Positionsnummer 06.07.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung. Festgestellt wurde ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H., da das führende erstgenannte Leiden von zweiterem aufgrund zu geringer funktioneller Relevanz nicht erhöht werde. In diesem Gutachten wurde außerdem ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei, weil zwar eine koronare Herzerkrankung mit reduzierter Linksventrikelfunktion bestehe, dies allerdings nach den vorliegenden Befunden unter laufender Therapie im durchwegs kardiorespiratorisch kompensiertem Zustand, sodass bei gutem Allgemein- und Ernährungszustand sowie freiem und unauffälligem Gangbild eine erhebliche Erschwernis beim Zurücklegen kurzer Wegstrecken oder beim Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel nicht begründbar sei.
Infolgedessen wurde dem Beschwerdeführer am 29.07.2020 ein unbefristeter Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 50 v.H. ausgestellt. Diesem Behindertenpass kommt gemäß der Bestimmung des § 45 Abs. 2 BBG Bescheidcharakter zu.
Am 13.08.2020 stellte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b StVO (Parkausweis für Menschen mit Behinderung), der entsprechend dem vom Beschwerdeführer unterzeichneten Antragsformular für den – auf den Beschwerdeführer zutreffenden – Fall, dass er nicht über einen Behindertenpass mit der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in diesem Behindertenpass verfügt, auch als Antrag auf Vornahme der genannten Zusatzeintragung in den Behindertenpass gilt.
Nach Ersuchen durch die belangte Behörde legte der Beschwerdeführer die Bestätigung eines näher genannten Kardiologen vom 17.02.2020 vor, wonach beim Beschwerdeführer eine schwere koronare Dreigefäßerkrankung vorliege, bei der nach über 25 implantierten Stents und einer Bypassversorgung kaum noch Interventionsmöglichkeiten vorhanden seien. Infolge wiederkehrender Infarkte sei die Leistungsfähigkeit der Herzkammer nunmehr knapp mittelgradig reduziert. Weiters sei die Belastbarkeit durch ein Lungenemphysem bei Nikotinabusus bekannt und habe der Beschwerdeführer sowohl massiv erhöhte Lipoprotein (a)-Werte als auch eine erhebliche Abweichung des LDL-Cholesterins. Der Beschwerdeführer könne zu ebener Erde kürzere Strecken ohne Beschwerden gehen, Treppensteigen oder Bergangehen sei nicht möglich. Körperliche Tätigkeiten geringen Schweregrades könnten kurzzeitig ausgeübt werden, körperliche Tätigkeiten mittleren oder höheren Schweregrades seien nicht möglich.
Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin auf Grundlage der Bestimmungen der Anlage der Einschätzungsverordnung, datiert mit 03.03.2021 und basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 26.02.2021, ein. In diesem medizinischen Sachverständigengutachten wurde – hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - Folgendes ausgeführt:
„…
Anamnese:
Siehe auch VGA vom 30.06.2020: ischämische Cardiomyopathie mit Zustand nach Mehrfachstenting 50%, Lungenemphysem 20% Gesamt-GdB 50%
Derzeitige Beschwerden:
Laut Auskunft des Sohnes. Ich hatte gerne ein Parkpickerl, dass es einfacher für mich und meinem Vater ist. Mein Vater kann nicht weit gehen, da bekommt er keine Luft, er kann auch nicht lange stehen. Mein Vater hat einen 4 fach Bypass. Mein Vater hat auch Beschwerden im Rücken. Er hat auch starke Schmerztabletten bekommen. Von der Wirbelsäule haben wir aber keine Befunde. Ich habe meinen Vater schon einrenken lassen und er soll Sport machen, dass kann er aber nicht, weil er 30 Stents im Herzen hat. Deshalb Sorge ich mich auch um Vater und kann ihn nicht alleine lassen.
Behandlung(en)/Medikamente/Hilfsmittel:
TASS, Ezetrol, Simvahexal, Valsartan, Pantozol, Metohexal, Torasemid, Efient, Paracodeintropfen, Tilidin
Sozialanamnese:
ledig, 5 Kinder, in Pension
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Keine aktuelle Befundvorlage
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
gut
Ernährungszustand:
gut
Größe: 165,00 cm Gewicht: 95,00 kg Blutdruck: -/
Klinischer Status - Fachstatus:
67 Jahre
Haut/farbe: rosig sichtbare Schleimhäute gut durchblutet, Hautbild bland
Caput: Visus: unauffällig, Hörvermögen nicht eingeschränkt
Thorax. Symmetrisch, elastisch, reaktionslose Narbe
Cor: Rhythmisch, rein, normfrequent
Pulmo: Vesikuläratmung, keine Atemnebengeräusche, vertiefte Atmung (Maske!)
Abdomen: Bauchdecke: weich, kein Druckschmerz, keine Resistenzen tastbar,
Hepar am Ribo, Lien nicht palp. Nierenlager: Frei.
Obere Extremität: Symmetrische Muskelverhältnisse. Nacken und Schürzengriff bds möglich, Faustschluss, Spitzgriff bds möglich. Die übrigen Gelenke altersentsprechend frei beweglich.
Untere Extremität: Zehenspitzen und Fersenstand rechte nicht möglich sowie Einbeinstand bds. mit Abstützen durchführbar, beide Beine von der Unterlage abhebbar, grobe Kraft bds. nicht vermindert, freie Beweglichkeit in Hüftgelenken und Kniegelenken, rechtes Sprunggelenk endlagig eingeschränkt, mäßig geschwollen, keine Ödem, keine Varikositas, rechts Venenentnahme, Narbe bland
Gesamtmobilität - Gangbild:
hinkendes Gangbild (anamnestisch Z.n. Knöchelbruch rechts im 11/2020) , keine Hilfsmittel
Status Psychicus:
klar, orientiert
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd.
Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1
ischämische Cardiomyopathie mit Zustand nach Mehrfachstenting
2
Lungenemphysem
3
Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Keine Änderung von Leiden 1+2. Hinzukommen von Leiden 3.
Die Sprunggelenksfraktur kann nicht berücksichtigt werden, da kein Leiden welches länger als 6 Monate anhält und Folgeschäden, derzeit noch nicht objektiviert werden können
X
Dauerzustand
?
Nachuntersuchung -
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Keine
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt ein Immundefekt vor im Rahmen dessen trotz Therapie erhöhte Infektanfälligkeit und wiederholt außergewöhnliche Infekte wie atypische Pneumonien auftreten?
Nein
Gutachterliche Stellungnahme:
Es liegen keine erheblichen Funktionsstörungen der oberen und unteren Extremitäten, sowie der Wirbelsäule vor. Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke ist selbständig möglich. Bei ausreichend guten Kraftverhältnissen der oberen und unteren Extremitäten ist das Ein- und Aussteigen ohne fremde Hilfe zumutbar. Ein sicherer Transport in den öffentlichen Verkehrsmitteln ist unter üblichen Transportbedingungen möglich.
Von cardiopulmonaler Seite her besteht eine ausreichende Kompensation für leichte Belastungen, sodass auch diesbezüglich der öffentliche Transport möglich ist.
…“
Mit Schreiben der belangten Behörde vom 04.03.2021 wurde der Beschwerdeführer über das Ergebnis der Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt, ihm das eingeholte Gutachten übermittelt und dem Beschwerdeführer in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens eine Stellungnahme abzugeben.
Am 30.03.2020 brachte der Beschwerdeführer mit Anwaltsschriftsatz vom 29.03.2021 eine Stellungnahme ein, in welcher er die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet der Inneren Medizin beantragte. Der Sachverständigen aus dem Bereich der Allgemeinmedizin würden die notwendigen Kenntnisse fehlen, um die Zumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel abschließend beurteilen zu können.
In ihrer diesbezüglichen Stellungnahme vom 06.04.2021 führte die begutachtende medizinische Sachverständige dazu Folgendes aus (Tippfehler korrigiert, Anm.):
„Es wird die Unzumutbarkeit der öffentlichen Verkehrsmittel urgiert, da der Antragsteller einen aortocoronaren 4-fach Bypass hat und keine weiten Wegstrecken zurücklegen kann, da er unter Atemnot leidet. Dazu kommen starke Schmerzen im Rücken.
Es wird ein Internistisches Gutachten urgiert.
Es wurde bereits am 30.06.2020 ein Internistisches Gutachten durchgeführt.
Seit dieser Begutachtung liegen keine weiteren neuen Befunde vor, welche eine Befundverschlechterung dokumentieren. Der Antragsteller ist cardiorespiratorisch kompensiert und befindet sich in einem guten Allgemein- und Ernährungszustand.
Ebenso wurden die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule berücksichtigt und gewürdigt.
Eine höhergradige Einschränkung der Gehfähigkeit konnte anlässlich der ho Untersuchung nicht objektiviert werden.
Somit ergibt sich keine Änderung der bereits vorliegenden Beurteilung, welche daher aufrechterhalten wird.“
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 07.04.2021 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 13.08.2020 auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass im Ermittlungsverfahren ein Gutachten eingeholt worden sei, demzufolge die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen würden. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Aus der Stellungnahme des Beschwerdeführers zum Parteiengehör hätten sich keine neuen Aspekte hinsichtlich seines Gesundheitszustandes ergeben und seien auch keine neuen Befunde vorgelegt worden. Die Einwendungen des Beschwerdeführers seien nicht geeignet gewesen, eine Änderung der Einschätzung zu bewirken. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt worden.
Ein formaler bescheidmäßiger Abspruch über den Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b StVO (Parkausweis) erfolgte durch das Sozialministeriumservice nicht.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Anwaltsschriftsatz vom 29.04.2021, bei der belangten Behörde eingelangt am 30.04.2021, ohne Vorlage neuer Beweismittel fristgerecht Beschwerde. Inhaltlich führt der Beschwerdeführer in der Beschwerde im Wesentlichen aus, die Beurteilung der Frage, ob aus cardiopulmonaler Sicht ausreichend Kompensation für leichte Belastung bestehe, falle nicht in den Kompetenzbereich der begutachtenden Sachverständigen für Allgemeinmedizin, weshalb der Sachverhalt in dieser Hinsicht – durch Einholung eines Gutachtens aus dem Bereich Innere Medizin oder Pulmologie – ergänzungsbedürftig sei
Die belangte Behörde legte am 03.05.2021 dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 v.H.
Am 13.08.2020 stellte der Beschwerdeführer beim Sozialministeriumservice den gegenständlichen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass.
Der Beschwerdeführer leidet unter folgenden im Zusammenhang mit der Frage der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel relevanten Funktionseinschränkungen:
1 Ischämische Cardiomyopathie mit Zustand nach Mehrfachstenting
2 Lungenemphysem
3 Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule
Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist dem Beschwerdeführer zumutbar.
Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden Funktionseinschränkungen und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Befundungen und Beurteilungen im von der belangten Behörde eingeholten, auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers basierenden allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachten vom 03.03.2020 sowie in der ergänzenden Stellungnahme der sachverständigen Gutachterin vom 06.04.2021 – diese bezugnehmend auch auf das eingeholte Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Inneren Medizin vom 28.07.2020, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 30.06.2020 – der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Vorliegen eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 v.H. sowie zur gegenständlichen Antragstellung ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zu den vorliegenden Funktionseinschränkungen und die Feststellung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, die zur Abweisung der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ führt, gründen sich auf das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 03.03.2021, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 26.02.2021, sowie auf die ergänzende ärztliche Stellungnahme der Sachverständigen vom 06.04.2021, in der auf die Ergebnisses des bereits eingeholten Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet der Inneren Medizin vom 28.07.2020, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 30.06.2020, verwiesen wird.
Bereits in diesem Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Inneren Medizin vom 28.07.2020 wurde aus internistischer Sicht ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist, weil zwar eine koronare Herzerkrankung mit reduzierter Linksventrikelfunktion besteht, dies allerdings nach den vorliegenden Befunden unter laufender Therapie im durchwegs kardiorespiratorisch kompensiertem Zustand, sodass bei gutem Allgemein- und Ernährungszustand sowie freiem und unauffälligem Gangbild eine erhebliche Erschwernis beim Zurücklegen kurzer Wegstrecken oder beim Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel nicht begründbar ist.
Unter Berücksichtigung auch dieses im Rahmen des Verfahrens über die Ausstellung des Behindertenpasses von der belangten Behörde bereits eingeholten Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet der Inneren Medizin vom 28.07.2020 und nach einer weiteren persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers wurde von der allgemeinmedizinischen Sachverständigen – die, dies sei lediglich der Vollständigkeit halber angemerkt, entgegen dem Beschwerdevorbringen sehr wohl die fachliche Qualifikation aufweist, internistische Leidenszustände, konkret die Frage der kardiorespiratorischen Kompensation, sachgerecht beurteilen zu können - auf Grundlage der zu berücksichtigenden und unbestritten vorliegenden Funktionseinschränkungen festgestellt, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für den Beschwerdeführer zumutbar ist. Der Beschwerdeführer legte im Übrigen anlässlich der gegenständlichen Antragstellung auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass am 13.08.2020 erneut (lediglich) den bereits im Rahmen des Verfahrens über die Ausstellung eines Behindertenpasses vorgelegten kardiologischen Befund vom 17.02.2020 vor, der bereits dem Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Inneren Medizin vom 28.07.2020 zu Grunde gelegt und daher bereits auch aus internistischer Sicht beurteilt wurde, womit dem Ansinnen in der Beschwerde - die Beurteilung der Frage, ob aus cardiopulmonaler Sicht ausreichende Kompensation für leichte Belastungen bestehe, falle in den Kompetenzbereich eines Facharztes für Innere Medizin, weshalb die Einholung eines diesbezüglichen Gutachtens erforderlich gewesen wäre - bereits Rechnung getragen wurde. Andere Befunde hat der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren weder anlässlich der persönlichen Untersuchung vom 26.02.2021 noch zu einem späteren Zeitpunkt des Verfahrens eingebracht.
Da im gegenständlichen Verfahren weder Anhaltspunkte für eine seither eingetretene maßgebliche Verschlechterung der kardiopulmonalen Funktionsstörungen des Beschwerdeführers behauptet wurden noch sonst hervorgekommen sind und der Sachverhalt bereits geklärt ist, ist von dem in der Beschwerde beantragten weiteren Gutachten aus dem Fachbereich der Inneren Medizin eine weitere Klärung der Sachlage nicht zu erwarten.
Die von der belangten Behörde herangezogene Ärztin für Allgemeinmedizin gelangte in ihrem Gutachten vom 03.03.2021 unter den von ihr geprüften Gesichtspunkten zu dem Schluss, dass beim Beschwerdeführer keine erheblichen funktionellen Einschränkungen im Bereich der oberen und unteren Extremitäten sowie der Wirbelsäule vorliegen. Bei ausreichend guten Kraftverhältnissen der oberen und unteren Extremitäten ist das Ein- und Aussteigen ohne fremde Hilfe zumutbar. Das selbständige Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke sowie ein sicherer Transport in den öffentlichen Verkehrsmitteln ist unter üblichen Transportbedingungen möglich. Von cardiopulmonaler Seite her besteht eine ausreichende Kompensation für leichte Belastungen, sodass auch diesbezüglich der öffentliche Transport möglich ist.
Diese Schlussfolgerungen der beigezogenen medizinischen Sachverständigen zur Möglichkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel finden auch Bestätigung in ihren Aufzeichnungen zur persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 26.02.2021 im Rahmen der (oben wiedergegebenen) Statuserhebung, welche wiederum inhaltlich im Einklang mit dem Gutachten der Ärztin für Innere Medizin vom 28.07.2020 steht, das von der belangten Behörde im Verfahren über den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses eingeholt wurde und auf der Grundlage einer persönlichen Untersuchung am 30.06.2020 sowie unter Berücksichtigung des vom Beschwerdeführer vorgelegten Befundberichts vom 17.02.2020 erstellt wurde. Daraus ergibt sich, dass beim Beschwerdeführer zwar unbestritten nicht unbeträchtliche cardiopulmonare Funktionseinschränkungen vorliegen, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel infolge schnellerer Erschöpfung erschweren mögen, dass aber die vorgebrachten, subjektiv empfundenen Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht in entsprechendem Ausmaß – im Sinne des Vorliegens erheblicher Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder der körperlichen Belastbarkeit nach dem Maßstab des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen – objektiviert werden konnten. So führte die medizinische Sachverständige in ihrer Stellungnahme vom 06.04.2021 aus, der Beschwerdeführer sei kardiorespiratorisch kompensiert und befinde sich in einem guten Allgemein- und Ernährungszustand.
Die – gegenüber dem Gutachten vom 28.07.2020 neu hinzugetretene - Funktionseinschränkung der degenerativen Veränderung der Wirbelsäule wurde von der Sachverständigen in ihrem Gutachten vom 03.03.2021 sowie in der Stellungnahme vom 06.04.2021 in die Beurteilung einbezogen und eine erhebliche Funktionsstörung der Wirbelsäule, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar machen würde, verneint. Im Rahmen der persönlichen Untersuchung vom 26.02.2021 wurde weiters ein hinkendes Gangbild erhoben, das anamnestisch einer Sprunggelenksfraktur im November 2020 zugeordnet werden konnte, jedoch steht auch das hinkende Gangbild einer Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht in unzumutbarer Weise entgegen. Seitens des Beschwerdeführers wurden die getroffenen Beurteilungen hinsichtlich der Auswirkungen der Funktionseinschränkung der Wirbelsäule und des (damaligen) hinkenden Gangbildes auf die Frage der (Un-)Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in der Beschwerde im Übrigen auch gar nicht beanstandet; die Beschwerdeausführungen beschränken sich ausschließlich auf die Frage der kardiorespiratorischen Kompensation, zu deren Beurteilung die allgemeinmedizinische Sachverständige kein ausreichendes Fachwissen habe, was allerdings, wie bereits ausgeführt, nicht zutreffend ist.
Über diesen Einwand hinaus erstattete der Beschwerdeführer im Übrigen kein konkretes Vorbringen, das die Beurteilungen der beigezogenen medizinischen Sachverständigen entkräften hätte können; der Beschwerdeführer legte der Beschwerde auch keine weiteren Befunde bei, die geeignet wären, die durch die medizinische Sachverständige getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche Dauerleiden im Sinne nachhaltiger, zumindest sechs Monate dauernder Funktionseinschränkungen des Bewegungsapparates zu belegen bzw. eine wesentliche Verschlimmerung bestehender Leiden zu dokumentieren und damit das Vorliegen erheblicher Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder der körperlichen Belastbarkeit im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen darzutun.
Der Beschwerdeführer ist dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten in der Beschwerde daher nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des Gutachtens einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 03.03.2021, ergänzt durch die ärztliche Stellungnahme vom 06.04.2021, das die bereits im Sachverständigengutachten der Fachärztin für Innere Medizin vom 28.07.2020 getätigten Beurteilungen bestätigt. Dieses Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
1. Zur Abweisung der Beschwerde
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:
„§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
...
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
…
§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.
§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.“
§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 in der Fassung des BGBl. II Nr. 263/2016, lautet – soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:
„§ 1 …
(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:
1. die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes
a)…
b)…
…
2. …
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
(6)..."
In den Erläuterungen zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, StF: BGBl. II Nr. 495/2013, wird betreffend § 1 Abs. 2 Z 3 (in der Stammfassung) unter anderem – soweit im gegenständlichen Fall in Betracht kommend – Folgendes ausgeführt:
„§ 1 Abs. 2 Z 3:
…
Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
…
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.
Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden
Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:
- Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,
- hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,
- schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,
- nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden – Begleitperson ist erforderlich.
Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:
- anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID – sever combined immundeficiency),
- schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B.: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),
- fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,
- selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.
Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen, kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht.
Anzumerken ist noch, dass in dieser kurzen Phase die Patienten in einem stark reduzierten Allgemeinzustand sind und im Bedarfsfall ein Krankentransport indiziert ist.
Bei allen frisch transplantierten Patienten kommt es nach einer anfänglichen Akutphase mit hochdosierter Immunsuppression, nach etwa 3 Monaten zu einer Reduktion auf eine Dauermedikation, die keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat.
Keine Einschränkung im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel haben:
- vorübergehende Funktionseinschränkungen des Immunsystem als Nebenwirkung im Rahmen von Chemo-und /oder Strahlentherapien,
- laufende Erhaltungstherapien mit dem therapeutischen Ziel, Abstoßreaktionen von Transplantaten zu verhindern oder die Aktivität von Autoimmunerkrankungen einzuschränken,
- Kleinwuchs,
- gut versorgte Ileostoma, Colostoma und Ähnliches mit dichtem Verschluss. Es kommt weder zu Austritt von Stuhl oder Stuhlwasser noch zu Geruchsbelästigungen. Lediglich bei ungünstiger Lokalisation und deswegen permanent undichter Versorgung ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar,
- bei Inkontinenz, da die am Markt üblichen Inkontinenzprodukte ausreichend sicher sind und Verunreinigungen der Person durch Stuhl oder Harn vorbeugen. Lediglich bei anhaltend schweren Erkrankungen des Verdauungstraktes ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar.“
Der Vollständigkeit halber ist zunächst darauf hinzuweisen, dass mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 07.04.2021 der Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ gemäß §§ 42 und 45 BBG abgewiesen wurde. Verfahrensgegenstand im gegenständlichen Beschwerdeverfahren ist somit auch nicht die Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung, sondern ausschließlich die Prüfung der Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung.
Gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigten.
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN).
Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).
Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt – auf die diesbezüglichen Ausführungen wird verwiesen – wurde in dem im gegenständlichen Verfahren von der belangten Behörde eingeholten, auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers beruhenden medizinischen Sachverständigengutachten vom 03.03.2021 und dessen Ergänzung vom 06.04.2021 - unter Bezugnahme auf das bereits eingeholte Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Inneren Medizin vom 28.07.2020 - nachvollziehbar verneint, dass im Fall des Beschwerdeführers – trotz der bei ihm unzweifelhaft vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen und unter Berücksichtigung dieser – die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass vorliegen. Beim Beschwerdeführer sind ausgehend davon aktuell keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen der oberen und unteren Extremitäten, aber auch keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit – diese betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen –, keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen und auch nicht das Vorliegen einer schweren anhaltenden Erkrankung des Immunsystems im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen objektiviert.
Der Beschwerdeführer brachte in der Beschwerde im Wesentlichen vor, die Sachverständige aus dem Bereich der Allgemeinmedizin sei für eine abschließende Beurteilung der kardiorespiratorischen Kompensation nicht ausreichend qualifiziert gewesen. Wie im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt, ist der Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen den Ausführungen der beigezogenen medizinischen Sachverständigen, denen das Bundesverwaltungsgericht folgt, nicht substantiiert und insbesondere nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten; er hat kein Sachverständigengutachten bzw. keine sachverständige Aussage vorgelegt, in welcher ausreichend substantiiert die Auffassung vertreten worden wäre, dass die Annahmen und Schlussfolgerungen des beigezogenen medizinischen Sachverständigen unzutreffend oder unschlüssig seien. Die (einzige) vom Beschwerdeführer im Verfahren vorgelegte kardiologische Bescheinigung vom 17.02.2020 steht im Übrigen nicht in entscheidungserheblichem Widerspruch zu den Beurteilungen der beigezogenen medizinischen Sachverständigen, geht doch auch aus dieser hervor, dass der Beschwerdeführer zu ebener Erde kürzere Strecken ohne Beschwerden gehen kann und körperliche Tätigkeiten geringen Schweregrades kurzzeitig ausgeübt werden können.
Wiewohl zweifellos Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, aufgrund derer die belangte Behörde den derzeitiger Grad der Behinderung des Beschwerdeführers festsetzte und welche auch die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren mögen, vermag der Beschwerdeführer aktuell nicht die Überschreitung der Schwelle der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen darzutun.
Es ist daher im Beschwerdefall zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung“ in den Behindertenpass nicht vorliegen.
Da der Sachverhalt – wie in den beweiswürdigenden Ausführungen dargelegt - bereits feststeht, war dem in der Beschwerde gestellten Antrag auf Einholung eines weiteren Gutachtens aus dem Fachbereich der Inneren Medizin schon aus diesem Grund nicht Folge zu geben. Abgesehen davon aber ist in diesem Zusammenhang auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die Behörden im Zusammenhang mit der Einschätzung des Grades der Behinderung verpflichtet sind, zur Klärung medizinischer Fachfragen ärztliche Gutachten einzuholen. Das Gesetz enthält aber keine Regelung, aus der geschlossen werden kann, dass ein Anspruch auf die Beiziehung von Fachärzten einer bestimmten Fachrichtung bestünde. Es besteht demnach kein Anspruch auf die Zuziehung eines Facharztes eines bestimmten medizinischen Teilgebietes (vgl. VwGH 24.06.1997, Zl. 96/08/0114).
Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer belegten Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung im Rahmen einer neuerlichen Antragstellung beim Sozialministeriumservice – allerdings nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG - in Betracht kommt.
Was schließlich den Umstand betrifft, dass die belangte Behörde über den Antrag auf Ausstellung eines § 29 b StVO-Parkausweises nicht bescheidmäßig abgesprochen hat, so ist der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, dass diese Frage mangels Vorliegens eines bekämpfbaren Bescheides nicht verfahrensgegenständlich ist im gegenständlichen Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Die Fragen der Art und des Ausmaßes der Funktionseinschränkungen und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurden unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Sohin ist anzunehmen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließe und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W207.2242090.1.00Im RIS seit
27.09.2021Zuletzt aktualisiert am
27.09.2021