TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/10 W178 2230090-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.08.2021
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Entscheidungsdatum

10.08.2021

Norm

ASVG §410
ASVG §68
B-VG Art133 Abs4
GSVG §40
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W178 2230090-2/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr.in Maria PARZER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , gegen den Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen vom 05.03.2020 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 05.03.2020 stellte die Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen (im Folgenden: SVS) fest, dass der Beschwerdeführer zum 31.07.2019 verpflichtet gewesen sei, rückständige Beiträge zur Sozialversicherung inklusive den Beiträgen zur Selbstständigenvorsorge für den Zeitraum von 01.01.2008 bis 31.03.2009, Verzugszinsen, Nebengebühren und Kostenanteile in einer Gesamthöhe von EUR 13.713,35 zu zahlen. Darüber hinaus sei er verpflichtet, die ab 01.08.2019 anfallenden Verzugszinsen in Höhe von 3,38% aus einem Kapital von EUR 9.545,33 zu zahlen.

Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 29.10.2019 die Erlassung eines Bescheides über den Beitragsrückstand beantragt habe. Festgestellt wurden die Zeiträume der Pflichtversicherung des Beschwerdeführers aufgrund seiner selbstständigen Tätigkeit, sowie die Höhe der Einkünfte aus selbstständiger Arbeit laut der übermittelten Daten der Einkommensteuerbescheide der Jahre 2001 bis 2009. Im verfahrensgegenständlichen Zeitraum seien außerdem Zeiten der Pflichtversicherung nach dem ASVG vorgelegen. Seit 01.08.2018 beziehe der Beschwerdeführer eine Alterspension der Pensionsversicherungsanstalt. Während des entscheidungsrelevanten Zeitraumes habe es regen Schriftverkehr zwischen dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde gegeben. Dabei sei es vorrangig um die Beitragsschulden gegangen. Weiters stellte die SVS die Meldeadressen des Beschwerdeführers im maßgeblichen Zeitraum, sowie die an ihn versendeten Quartalsvorschreibungen, (Sonder)mahnungen (darunter eine Sondermahnung vom 19.09.2017), die gegen ihn betriebenen Exekutionen und die Ratenzahlungsvereinbarungen fest. Im Folgenden legte die SVS die Berechnung der Beitragsgrundlagen und Beiträge für die jeweiligen Kalenderjahre, sowie die Höhe der aushaftenden Verzugszinsen und Gebühren detailliert dar und begründete den nunmehrigen Rückstand mittels einer Aufstellung, in der sämtliche von der Behörde geltend gemachten Forderungen und die daraus geleisteten Zahlungen dargestellt werden. Mit Rückstandsausweis vom 31.07.2019 sei ein Beitragsrückstand für den Zeitraum 01.06.2005 bis 31.03.2009 in Höhe von EUR von EUR 13.713,35 festgestellt worden. Aufgrund der festgestellten verjährungsunterbrechenden Maßnahmen, insbesondere den Sondermahnungen, die seit dem Jahr 2013 jeweils im Abstand von 18 Monaten an die gültige Meldeadresse laut Zentralem Melderegister zugestellt worden seien, seien die Beiträge nicht verjährt.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und führte an, dass es keine festgestellten verjährungsunterbrechenden Maßnahmen, insbesondere Sondermahnungen, gegeben habe und die Beiträge sohin verjährt seien. Er habe folgende Schriftstücke erhalten: Kontoauszug 23.07.2016, Kontoauszug 22.10.2016, Zahlungserinnerung 12.03.2019 und Mitteilung vom 16.07.2019. Das Recht auf Einforderung festgestellter Beitragsschulden verjähre binnen zwei Jahren nach Verständigung vom Ergebnis der Feststellung. Zudem könne der folgende im Bescheid eingefügte Satz in einem rechtsstaatlichen System verfassungsmäßig wohl nicht standhalten: „Ein Nachweis der Zustellung des Mahnschreibens ist nicht erforderlich; bei Postversand wird die Zustellung des Mahnschreibens am dritten Tag nach der Aufgabe bei der Post vermutet.“

3. Die Beschwerde wurde dem Bundesverwaltungsgericht samt Verwaltungsakt vorgelegt und in der angefügten Stellungnahme der SVS ausgeführt, dass Gegenstand der Beschwerde einzig die Verjährung der Beitragsschuld sei. Zwischen der SVS und dem Beschwerdeführer habe es jahrelang regen Schriftverkehr betreffend die offene Beitragsschuld gegeben. Da der Beschwerdeführer die Beitragsschuld bestritten habe, könne daher nicht von „festgestellten Beitragsschulden“ gesprochen werden und es sei nicht die Einforderungsverjährung, sondern vielmehr die Feststellungsverjährung gemäß § 40 Abs. 1 GSVG entscheidend. Da der Beschwerdeführer selbst behaupte, den Kontoauszug vom 22.10.2016 und die Zahlungserinnerung vom 12.03.2019 erhalten zu haben, sei die dreijährige Feststellungsverjährungsfrist in diesem Zeitraum nicht abgelaufen. Selbst wenn man davon ausginge, dass die zweijährige Einforderungsverjährungsfrist entscheidend sei, wäre diese durch die am 19.09.2017 an die Adresse des Beschwerdeführers versandte Sondermahnung unterbrochen worden. Diesbezüglich bedürfe es gemäß § 37 Abs. 3 GSVG keines Zustellnachweises. Aufgrund des regen Schriftverkehrs zwischen dem Beschwerdeführer und der SVS sei davon auszugehen, dass es dem Beschwerdeführer sehr wohl bewusst gewesen sei, dass ein Beitragsrückstand bestehe. Es sei auch nicht glaubhaft, dass der Kontoauszug vom 22.10.2016 und die Zahlungserinnerung vom 12.03.2019 beim Beschwerdeführer eingelangt seien, während die an dieselbe Adresse zugestellte Sondermahnung vom 19.09.2017 nicht einlangt sei.

4. Über Aufforderung des Bundesverwaltungsgerichts erstattete die SVS eine Stellungnahme betreffend die Zustellung der Sondermahnung vom 19.09.2017 unter Anschluss entsprechender Nachweise. Aus dem Screenshot des SVS-internen EDV-Beitragsprogrammes sei ersichtlich, dass diese Sondermahnung bereits am 15.09.2017 mit der Meldeadresse des Beschwerdeführers technisch-automatisch erstellt wurde und laut dem Hinweistext „Sondermahnung versandt“ auch versandt worden sei. Die zeitliche Differenz von 15.09.2017 und 19.09.2017 ergebe sich daraus, dass die Sondermahnung nach der Erstellung vor dem tatsächlichen Versand noch gedruckt und kuvertiert werden müsse. Aus dem Screenshot des SVS-internen Dokumentenarchives seien sämtliche Posteingänge und -ausgänge ersichtlich und er zeige, dass die Sondermahnung als technisch-automatische (Ausgang-Ta) gespeichert sei. Wäre es nicht zu einem Versand der Sondermahnung gekommen, würde der Hinweistext „Sondermahnung versandt“ fehlen und sie wäre nicht als Postausgang der SVS ersichtlich.

5. Dem Beschwerdeführer wurde mit Schreiben vom 24.06.2021 die Stellungnahme der SVS zur Kenntnis gebracht und ihm die Gelegenheit gegeben, binnen einer Frist von zwei Wochen dazu Stellung zu nehmen.

In seiner Stellungnahme vom 06.07.2021 erklärte der Beschwerdeführer, dass er die übermittelten Screenshots nicht deuten könne. Jedenfalls seien Computerlisten nicht gleichzusetzen mit tatsächlich zugestellten Schreiben. Er erkläre neuerlich eidesstattlich, dass er zwischen dem Kontoauszug vom 22.10.2016 und der Zahlungserinnerung vom 12.03.2019 nichts von der belangten Behörde erhalten habe. Dies erkläre er sich damit, dass er seit Juli 2018 in Pension sei. Zuvor sei er seit Herbst 2016 arbeitslos gewesen und habe Zahlungsunfähigkeit gemeldet. Anfang 2019 habe er der MA 35 auf Anfrage mitgeteilt, dass Einforderungsverjährung eingetreten sei und seiner Meinung nach habe daraufhin die Sachbearbeiterin bei der belangten Behörde nachgefragt, woraufhin dann wieder eine Zahlungserinnerung gekommen sei. Seiner Erfahrung nach nehme es die SVS nicht so genau mit den Schreiben. Tatsache sei, dass es keinen nachvollziehbaren Beweis für die behaupteten Postzustellungen gebe und die Screenshots eine rekommandierte Zustellung nicht ersetzen würden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer bezieht seit dem 01.08.2018 eine Alterspension.

Mit Bescheid vom 07.08.2019 sprach die Pensionsversicherungsanstalt aus, dass die offene Forderung der belangten Behörde an Beiträgen zur Sozialversicherung (zzgl. Verzugszinsen) auf den Leistungsanspruch des Beschwerdeführers aufgerechnet wird. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Klage an das Arbeits- und Sozialgericht Wien, in der er vorbrachte, dass Einforderungsverjährung eingetreten sei. Mit Schreiben vom 29.10.2019 an die SVS beantragte der Beschwerdeführer die Ausstellung eines Bescheides über den Beitragsrückstand. Das Verfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht wurde bis zur Klärung der Beitragsschuld zum Zeitpunkt der Aufrechnung (31.07.2019) unterbrochen.

Der Beitragsrückstand des Beschwerdeführers (samt Verzugszinsen, Nebengebühren und Kostenanteilen) für den Zeitraum 01.06.2005 bis 31.03.2009 betrug mit Stichtag 31.07.2019 EUR 13.713,35.

Zwischen der SVS und dem Beschwerdeführer findet seit vielen Jahren Schriftverkehr statt, der seit 2011 ausschließlich die Umstände der Zahlung der offenen Beitragsschuld des Beschwerdeführers betrifft (insbesondere Ratenzahlungsvereinbarungen und Exekutionen).

Zur Einbringung der vorgeschriebenen Beiträge wurden seitens der SVS regelmäßig Quartalsvorschreibungen sowie Mahnschreiben ab 2004 an die jeweils bekannte Adresse versandt.

Der Beschwerdeführer ist seit dem 03.06.2015 ohne Unterbrechungen an der Adresse XXXX gemeldet (Hauptwohnsitz).

An dieser Adresse wurden dem Beschwerdeführer die Sondermahnungen (bzw. „Zahlungserinnerungen“) vom 15.03.2016 und 12.03.2019 zugestellt.

Auch am 19.09.2017 wurde eine Sondermahnung per Post ohne Zustellnachweis an diese Adresse versandt und zugestellt. Darin wird die Höhe der Beitragsschuld festgehalten und es ist folgender Hinweis enthalten: „Diese Verständigung unterbricht die Verjährungsfrist nach § 40 Abs. 2 GSVG.“

In dem laut Beschwerde für den Eintritt der Verjährung maßgeblichen Zeitraum (Mai 2016 bis März 2019) wurden dem Beschwerdeführer zudem folgende Schriftstücke der SVS zugestellt:

?        Schreiben vom 11.05.2016, mit dem die SVS dem Beschwerdeführer mitteilte, dass derzeit von exekutiven Maßnahmen Abstand genommen wird und um sofortige Kontaktaufnahme bei Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bzw. Pensionszuerkennung ersucht

?        Kontoauszug vom 23.07.2016

?        Kontoauszug vom 22.10.2016

?        Schreiben vom 16.07.2019, mit dem die SVS die Höhe des Beitragsrückstandes mitteilte und darauf hinwies, dass die Einforderung der Beitragsschuld nicht verjährt ist

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Verfahrensakt der SVS in Zusammenschau mit der Beschwerde und der Stellungnahme der SVS vom 21.06.2021, sowie den zum größten Teil unbestritten gebliebenen Sachverhaltsfeststellungen des angefochtenen Bescheides.

Der Beschwerdeführer erstattete insbesondere kein Vorbringen hinsichtlich der Höhe der Beitragsschuld.

Der im angefochtenen Bescheid festgestellte Sachverhalt wurde vom Beschwerdeführer ausschließlich insoweit bestritten, dass es keine verjährungsunterbrechenden Maßnahmen gegeben habe und zwar insbesondere keine Sondermahnungen. Dazu ist festzuhalten, dass die von der SVS im angefochtenen Bescheid als Sondermahnung bezeichneten Schreiben den als „Zahlungserinnerung“ betitelt sind. Da der Beschwerdeführer selbst angibt, dass er die Zahlungserinnerung bzw. Sondermahnung vom 12.03.2019 erhalten habe, ist es also jedenfalls nicht zutreffend, dass es gar keine Sondermahnungen gegeben habe. Der Beschwerdeführer listet in seiner Beschwerde auf, welche Schreiben er im maßgeblichen Zeitraum erhalten hat. Daraus geht hervor, dass er seine Beschwerde im Wesentlichen darauf stützt, die Sondermahnung vom 19.09.2017 nicht erhalten zu haben. Dieses Vorbringen wurde der SVS mit der entsprechenden Aufforderung zur Vorlage von Nachweisen vorgehalten. Daraufhin übermittelte die SVS Screenshots aus ihren internen EDV-Programmen. Aus den dort enthaltenen Hinweistexten geht zweifelsfrei hervor, dass die automatisch erstellten Mahnungen auch an den Beschwerdeführer versandt wurden. Demgegenüber erwies sich das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er gar keine Sondermahnungen und insbesondere die Mahnung vom 19.09.2017 nicht erhalten habe, als nicht ausreichend substantiiert. Er beschränkte sich diesbezüglich auf die bloße Behauptung und bot keinerlei Beweismittel an. Es mag zwar zutreffend sein, dass ein Rückschein eine höhere Beweiskraft in Bezug auf die Zustellung eines Schriftstückes hat als ein Screenshot aus einem internen EDV-Programm. Allerdings fand die gegenständliche Zustellung – wie auch die viele andere, nicht bestrittene Zustellungen der SVS an den Beschwerdeführer – ohne Rückschein statt. In diesem Fall sind daher die Feststellungen zur Frage, ob die Sondermahnung vom 19.09.2017 dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, anhand der verfügbaren Beweismittel in freier Beweiswürdigung zu treffen. Dabei ist die Glaubwürdigkeit der von der SVS übermittelten Screenshots unter Berücksichtigung der begleitenden Umstände zu beurteilen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer selbst angab, die vorher und nachher an dieselbe Adresse versandten Schreiben erhalten zu haben, erscheint es naheliegend, dass auch die Sondermahnung vom 19.09.2017 ordnungsgemäß zugestellt wurde. Der Beschwerdeführer brachte außerdem keine besonderen Umstände vor, die gegen die ordnungsgemäße Zustellung gerade dieser einen Mahnung sprechen würden. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass sich der Beschwerdeführer im maßgeblichen Zeitraum nicht mehr bei der SVS gemeldet hat, obwohl in den Jahren zuvor regelmäßiger Schriftverkehr stattgefunden hat. Insbesondere meldete er der SVS nicht bzw. nicht zeitnah, dass er mit 01.08.2018 eine Alterspension bezieht und zwar trotz dem mit Schreiben vom 11.05.201 erteiltem Auftrag der SVS, im Fall der Pensionszuerkennung mit ihr Kontakt aufzunehmen. Erst aufgrund der Sondermahnung vom 12.03.2019 nahm der Beschwerdeführer wieder Kontakt mit der belangten Behörde auf und brachte – nachdem er dies vorher auch der MA 35 mitgeteilt hat – unmittelbar vor, dass Verjährung eingetreten sei. Dies erscheint sehr ungewöhnlich. Auch die Vermutung des Beschwerdeführers, dass die Mahnung vom 12.03.2019 ausschließlich aufgrund einer Kontaktaufnahme zwischen der Sachbearbeiterin der MA 35 mit der belangten Behörde stattgefunden habe, ist vor dem Hintergrund, dass Sondermahnungen an den Beschwerdeführer seit dem Jahr 2011 jeweils in den Monaten März und September erfolgten, nicht plausibel. Aufgrund dieser Erwägungen war die ordnungsgemäße Zustellung der Sondermahnung vom 19.09.2017 festzustellen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1. Rechtsgrundlagen

Gemäß § 40 Abs. 1 GSVG verjährt das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen binnen drei Jahren vom Tag der Fälligkeit der Beiträge. Diese Verjährungsfrist der Feststellung verlängert sich jedoch auf fünf Jahre, wenn der Versicherte die Erstattung einer Anmeldung bzw. Änderungsmeldung oder Angaben über das Versicherungsverhältnis bzw. über die Grundlagen für die Berechnung der Beiträge unterlassen oder unrichtige Angaben über das Versicherungsverhältnis bzw. über die Grundlagen für die Berechnung der Beiträge gemacht hat, die er bei gehöriger Sorgfalt als unrichtig hätte erkennen müssen. Die Verjährung des Feststellungsrechtes wird durch jede zum Zwecke der Feststellung getroffene Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem der Zahlungspflichtige hievon in Kenntnis gesetzt wird.

Gemäß § 40 Abs. 2 GSVG verjährt das Recht auf Einforderung festgestellter Beitragsschulden binnen zwei Jahren nach Verständigung des Zahlungspflichtigen vom Ergebnis der Feststellung. Die Verjährung wird durch jede zum Zwecke der Hereinbringung getroffene Maßnahme, wie zum Beispiel durch Zustellung einer an den Zahlungspflichtigen gerichteten Zahlungsaufforderung (Mahnung), unterbrochen.

3.2. Feststellungsverjährung oder Einforderungsverjährung?

In der gegenständlichen Beschwerde wurde ausschließlich die Verjährung der Beitragsschuld vorgebracht. Der Beschwerdeführer stützte sich diesbezüglich auf § 40 Abs. 2 GSVG, während laut belangter Behörde die Bestimmung über die Feststellungsverjährung (§ 40 Abs. 1 GSVG) anzuwenden sei. In einem ersten Schritt ist daher zu klären, ob in diesem Fall der Eintritt der Feststellungsverjährung oder der Einforderungsverjährung zu prüfen ist.

Für diese Abgrenzung ist maßgeblich, ob es sich bereits um festgestellte Beitragsschulden handelt. Von "festgestellten Beitragsschulden" im Sinne des § 40 Abs. 2 GSVG kann nicht gesprochen werden, wenn zwischen dem Beitragsschuldner und dem Krankenversicherungsträger die Verpflichtung des Beitragsschuldners zur Zahlung von Beiträgen strittig ist (vgl. zuletzt VwGH 02.05.2019, Ra 2019/08/0070). Die zweijährige Frist der Einforderungsverjährung beginnt mit der Verständigung des Zahlungspflichtigen vom Ergebnis der Feststellung, wobei die "Verständigung vom Ergebnis der Feststellung" z.B. auch in der Verständigung vom Ergebnis einer Beitragsprüfung oder in der Erlassung eines Rückstandsausweises bestehen kann, sofern diese nicht bestritten werden. (vgl. VwGH 25.06.2013, 2013/08/0036 zur Parallelbestimmung § 68 Abs. 2 ASVG). Eine bescheidmäßige Feststellung ist daher – sofern kein Streitfall vorliegt – nicht erforderlich.

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer weder in seiner Beschwerde noch in den Jahren davor, die ihm vorgeschriebene Beitragsschuld bestritten. Jedenfalls seit dem Jahr 2011 beschränkte sich der Schriftverkehr zwischen dem Beschwerdeführer und der SVS auf Fragen der Einbringung der Beitragsschuld (Ratenzahlungsvereinbarungen, Exekutionsverfahren, Mahnungen), während der Beschwerdeführer seitdem nicht mehr die Höhe der offenen Beitragsschuld anzweifelte. Insbesondere der Umstand, dass in den Schreiben der SVS immer wieder auf § 40 Abs. 2 GSVG Bezug genommen wurde, legt nahe, dass auch die SVS davon ausgegangen ist, dass die Beitragsschuld nicht strittig ist. Daran ändert auch der Bescheidantrag des Beschwerdeführers vom 29.10.2019 nichts. Denn auch in dem diesem zugrundeliegenden Verfahren betreffend den Aufrechnungsbescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 07.08.2019 wurde ebenfalls ausschließlich die Verjährung der Beitragsschuld moniert. Damit waren – mangels Streites über die Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen – die Beitragsschulden auch iSd § 40 Abs. 1 GSVG "festgestellt", womit die Einforderungsverjährungsfrist iSd § 40 Abs. 2 GSVG zu laufen begonnen hat (vgl. VwGH 24.02.2016, 2013/08/0177).

3.3. Zur Verjährung des Rechts auf Einforderung

Zur Frage, ob die Sondermahnung vom 19.09.2017 eine verjährungsunterbrechende Maßnahme im Sinne des § 40 Abs. 2 GSVG darstellt, ist auf die folgende Judikatur des VwGH zur im Wesentlichen gleichlautenden Parallelbestimmung des § 68 Abs. 2 ASVG zu verweisen:

Als verjährungsunterbrechende Maßnahme im Sinne des § 68 Abs. 2 ASVG ist jede Maßnahme anzusehen, die objektiv mit dem Zweck der Hereinbringung der offenen Forderung in Einklang gebracht werden kann, mit anderen Worten, diesem Zwecke - unmittelbar oder mittelbar - dient. Dient eine Maßnahme dem Zweck der Hereinbringung, dann ist zu vermuten, dass sie zu diesem Zwecke getroffen wurde. Voraussetzung ist lediglich, dass die Behörde eindeutig zu erkennen gibt, dass sie eine Maßnahme in Bezug auf die konkrete Forderung gegen den Zahlungspflichtigen setzen wollte, mit anderen Worten, die Setzung einer solchen konkreten Maßnahme auch später noch nach der Aktenlage nachvollziehbar ist. Ob eine Maßnahme der Hereinbringung einer offenen Forderung dient, hängt von der Beurteilung im Einzelfall ab. Ist etwa die Anschrift eines Verpflichteten nicht bekannt (oder dieser an der bekannten Anschrift nicht erreichbar), so dienen all jene Maßnahmen der Hereinbringung der offenen Forderung, die der Feststellung des tatsächlichen Aufenthaltsortes des Verpflichteten dienen. Aus diesem Grunde ist andererseits ein Mahnschreiben an den Verpflichteten keine zweckdienliche Maßnahme, wenn es nicht an die der Behörde bekannte Anschrift des Verpflichteten, sondern an eine unrichtige Adresse gerichtet ist. (VwGH 12.09.2012, 2009/08/0049, mwN)

Eine Zahlungsaufforderung (Mahnung) an den Zahlungspflichtigen bewirkt nach § 68 Abs. 2 ASVG eine Unterbrechung der Verjährung, wenn sie an diesen zugestellt wird. Zur Wirksamkeit als Unterbrechungsmaßnahme ist demnach auch hier keine Kenntnisnahme des Zahlungspflichtigen, wohl aber eine rechtlich wirksame Zustellung vorausgesetzt. Diese Mahnung bedarf zwar keines Nachweises der Zustellung, diese wird vielmehr bei Postversand am dritten Tag nach der Aufgabe der Post vermutet. Diese Vermutung ist aber nicht unwiderleglich; dem Zahlungspflichtigen steht der Gegenbeweis offen. Die Vermutung der Zustellung setzt weiter die Feststellung voraus, dass die Mahnung überhaupt zur Post gegeben wurde, wobei den Träger der Krankenversicherung insoweit keine Beweislast trifft, die Frage der Postaufgabe ist vielmehr im Streitfall unter Mitwirkung der Parteien von Amts wegen zu klären. (VwGH 12.09.2012, 2009/08/0049, mwN)

Voraussetzung dafür, dass die Sondermahnung vom 19.09.2017 eine verjährungsunterbrechende Maßnahme iSd § 40 Abs. 2 GSVG darstellt, ist also, dass diese dem Beschwerdeführer rechtswirksam zugestellt wurde. Da diese unbestritten ohne Zustellnachweis an den Beschwerdeführer versandt wurde, ist für die Beurteilung des Vorliegens einer rechtswirksamen Zustellung § 26 ZustG maßgeblich.

Wurde die Zustellung ohne Zustellnachweis angeordnet, wird das Dokument gemäß § 26 Abs. 1 ZustG zugestellt, indem es in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (§ 17 Abs. 2) eingelegt oder an der Abgabestelle zurückgelassen wird.

Gemäß § 26 Abs. 2 ZustG gilt die Zustellung als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung wird nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 26 Abs. 2 ZustG hat die Behörde bei Zustellungen ohne Zustellnachweis die Folge zu tragen, dass der Behauptung der Partei, sie habe ein Schriftstück nicht empfangen, nicht wirksam entgegengetreten werden kann. Bei bestrittenen Zustellungen ohne Zustellnachweis hat die Behörde die Tatsache der Zustellung nachzuweisen. In diesem Fall muss – mangels Zustellnachweises – der Beweis der erfolgten Zustellung auf andere Weise von der Behörde erbracht werden. Gelingt dies nicht, muss die Behauptung der Partei über die nicht erfolgte Zustellung als richtig angenommen werden. (VwGH 15.05.2013, 2013/08/0032 mwN)

Da der Beschwerdeführer bestritten hat, die Sondermahnung vom 19.09.2017 erhalten zu haben, waren daher Feststellungen dazu zu treffen, ob die SVS im September 2019 diese Zahlungserinnerung zur Post gegeben hat und ob diese dem Beschwerdeführer wirksam zugestellt wurde.

Wie sich aus dem festgestellten Sachverhalt (1.) ergibt, wurde die Mahnung im vorliegenden Fall von der belangten Behörde per Post an die richtige Adresse des Beschwerdeführers versandt und dem Beschwerdeführer wirksam zugestellt. Die Erwägungen, aus denen sich diese Feststellung ergibt, sind der Beweiswürdigung (2.) zu entnehmen. Hinweise für eine Abwesenheit des Beschwerdeführers von der Abgabestelle haben sich nicht ergeben.

Diese Mahnung vom 19.09.2017 stellt damit zweifelsfrei eine verjährungsunterbrechende Maßnahme dar, sodass in Zusammenschau mit den weiteren dem Beschwerdeführer unstrittig zugestellten Mahnungen und Kontoauszügen zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung keine Verjährung des Rechts auf Einforderung der Beitragsschulden eingetreten ist.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

3.4. Zum Absehen von der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde vom Beschwerdeführer nicht beantragt. Da sich der entscheidungserhebliche Sachverhalt zudem bereits aus der Aktenlage ergibt und der Beschwerdeführer diesen Beweisergebnissen nicht substantiiert entgegengetreten ist, ist nach Ansicht des Gerichts keine mündliche Erörterung der Angelegenheit erforderlich. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG konnte das Gericht daher von der Verhandlung absehen, weil der maßgebliche Sachverhalt feststand. Dem steht auch Art 6 Abs. 1 EMRK nicht entgegen, vgl. dazu auch das zuletzt das Erkenntnis des VwGH vom 21.02.2019, Ra 2019/08/0027.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich zudem auf eine klare Rechtslage stützen (vgl. VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).

Schlagworte

Beitragsrückstand Beitragsschuld Mahnung rechtswirksame Zustellung Verjährungsunterbrechung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W178.2230090.2.00

Im RIS seit

27.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

27.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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