Entscheidungsdatum
11.08.2021Norm
ASVG §113 Abs1 Z1Spruch
W145 2240290-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daniela HUBER-HENSELER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX .1962, BKNR XXXX , vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse, Landesstelle Niederösterreich, vom 05.01.2021, GZ XXXX , idF der Beschwerdevorentscheidung vom 25.02.2021, GZ XXXX , betreffend Vorschreibung eines Beitragszuschlages nach § 113 Abs. 1 iVm Abs. 2 ASVG in der Höhe von € 1.400, -- zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die Österreichische Gesundheitskasse, Landesstelle Niederösterreich (im Folgenden: belangte Behörde), hat mit Bescheid vom 05.01.2021, Zl. XXXX , Frau XXXX , geboren am XXXX 1962, BKNR XXXX , (im Folgenden: Beschwerdeführerin), gemäß § 113 Abs. 1 und 2 ASVG einen Beitragszuschlag in Höhe von € 1.400,-- vorgeschrieben. Begründend wurde ausgeführt, dass die Anmeldungen für XXXX , VSNR XXXX , und XXXX , VSNR XXXX , zur Pflichtversicherung als Dienstnehmer gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG nicht vor Arbeitsantritt erstattet worden sei. Im Rahmen der am 12.11.2020 erfolgten Betretung durch die Finanzpolizei Team XXXX /für das Finanzamt XXXX in XXXX , XXXX , sei festgestellt worden, dass für die genannten Personen die Anmeldungen zur Sozialversicherung nicht vor Arbeitsantritt erstattet worden seien. Der Beitragszuschlag setze sich wie folgt zusammen: Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung € 800,-- und Teilbetrag für den Prüfeinsatz € 600,--
2. Mit Schriftsatz vom 05.02.2021 hat die rechtsfreundliche Vertreterin der Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde erhoben und führte darin aus, dass die Beschwerdeführerin in der genannten Liegenschaft wohnhaft sei und das darauf befindliche Haus nach und nach herrichte. Die Beschwerdeführerin ließe eine Freundin bei ihr wohnen und deren Lebensgefährte XXXX und deren Bruder XXXX würden der Beschwerdeführerin bei den Renovierungsarbeiten am Haus helfen. Es würde sich hierbei um einen Freundschaftsdienst handeln und nicht, wie von der belangten Behörde festgestellt, um ein Dienstverhältnis.
3. Mit Bescheid vom 25.02.2021 hat die belangte Behörde eine Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 VwGVG erlassen, im Zuge derer die Beschwerde als unbegründet abgewiesen wurde.
4. Die rechtsfreundliche Vertreterin stellte mit Schriftsatz vom 09.03.2021 einen Vorlagenantrag.
5. Mit Schreiben vom 11.03.2021 wurde die gegenständliche Rechtssache dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
6. Die Bezirkshauptmannschaft XXXX übermittelte zwei Straferkenntnisse vom 29.12.2020 und die beiden ausschließlich gegen die Höhe der verhängten Geldstrafe gerichteten Beschwerdeentscheidungen des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich.
7. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.05.2020 wurden der rechtsfreundlichen Vertretung der Beschwerdeführerin die beiden Straferkenntnisse der Bezirkshauptmannschaft XXXX jeweils vom 29.12.2020 sowie die Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 15.04.2021 und 21.04.2021 übermittelt und im Rahmen des Parteiengehörs die Möglichkeit eingeräumt eine Stellungnahme abzugeben. Eine Stellungnahme erfolgte bis dato nicht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Am 12.11.2020 um 8:55 Uhr wurden im Zuge einer Kontrolle durch die Organe der Finanzpolizei Team XXXX in XXXX , XXXX , Herr XXXX , VSNR XXXX , und Herr XXXX , VSNR XXXX , im Auftrag der Beschwerdeführerin bei Fassadenarbeiten am Haus an gegenständlicher Liegenschaft angetroffen, ohne vor Arbeitsantritt zur Sozialversicherung angemeldet worden zu sein.
1.2. Die beiden Betretenen waren seit 05.11.2020 für die Beschwerdeführerin tätig und erhielten für ihre Tätigkeit Essen, Trinken und Unterkunft von der Beschwerdeführerin. Die oben genannten Personen waren in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit für die Beschwerdeführerin tätig.
1.3. Mit rechtskräftigem Straferkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 21.04.2021, Zl. XXXX , wurde das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom 29.12.2020, Zl. XXXX , nach § 111 ASVG dem Grunde nach bestätigt und über die Beschwerdeführer eine Geldstrafe von zweimal € 365,-- verhängt. Die diesbezügliche Beschwerde hat sich ausschließlich gegen die Höhe der verhängten Strafe gerichtet.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Ausführungen zum Verfahrensgang und zu den Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts.
2.2. Beweiswürdigend ist vor allem auf das rechtskräftige Straferkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 21.04.2021 zu verweisen, welches das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft XXXX dem Grunde nach bestätigt. In diesem Strafverfahren wurde am 15.04.2021 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, innerhalb derer die Beschwerdeführerin die Beschwerde auf eine solche, die sich ausschließlich gegen das verhängte Strafmaß richtet, einschränkt. Im Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft XXXX wurde festgestellt, dass die Betretenen für die Beschwerdeführerin Fassadenarbeiten durchgeführt haben, ohne von dieser zur Sozialversicherung angemeldet gewesen zu sein, weshalb eine Verwaltungsübertretung nach § 111 Abs. 1 Z 1 iVm § 33 Abs. 1 ASVG begangen wurde. Dieses Erkenntnis weist den vollkommen – sprich 1:1 – identischen Sachverhalt auf, der Grundlage für das beim Bundesverwaltungsgericht anhängige gegenständliche Verfahren ist.
Es ist auszuführen, dass das Straferkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich für das gegenständliche Verfahren Indizwirkung hat und nach dem ASVG eine unangemeldete Beschäftigung (als Dienstnehmer nach § 4 Abs. 2 ASVG) der Herren XXXX und XXXX feststellt. Aus dieser rechtskräftigen Entscheidung ist für das Bundesverwaltungsgericht sohin entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin die von der belangten Behörde im gegenständlichen Verfahren festgestellte Tatsache, dass die Herrn XXXX und XXXX als Dienstnehmer der Beschwerdeführerin iS eines persönlichen und wirtschaftlich abhängigen Dienstverhältnisses gegen (angemessenes) Entgelt nach dem ASVG und AlVG beschäftigt gewesen sind, eindeutig belegt.
2.3. Entfall der mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag, oder wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Nach der Rechtsprechung des EGMR kann eine mündliche Verhandlung in Verfahren gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK unterbleiben, wenn besondere beziehungsweise außergewöhnliche Umstände dies rechtsfertigen (vgl. EGMR 05.09.2002, Speil/Österreich, Appl. 42057/98, VwGH 17.09.2009, 2008/07/0015). Derartige außergewöhnliche Umstände hat der EGMR etwa bei Entscheidungen über sozialversicherungsrechtliche Ansprüche, die ausschließlich rechtliche oder in hohem Maße technische Fragen aufwerfen, als gegeben erachtet. Hier kann das Gericht unter Berücksichtigung der Anforderungen an die Verfahrensökonomie und Effektivität von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn der Fall auf Grundlage der Akten und schriftlichen Stellungnahmen der Parteien als angemessen entschieden werden kann (vgl. EGMR 12.11.2002, Fall Döry, Appl. 28.394/95, Z. 37 ff.; EGMR 8.2.2005, Fall Miller Appl. 55.853/00).
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteienantrages von der Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und der Entfall der mündlichen Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1985, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Abl. Nr. 83 vom 30.03.2010, S. 389 entgegenstehen. Im gegenständlichen Fall ergab sich klar aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache mehr zu erwarten war und sich der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als hinreichend geklärt darstellte. Die belangte Behörde führte ein ordnungsgemäßes Beweisverfahren durch. Der Sachverhalt war weder in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig. Es wurden keine Rechts- und Tatfragen aufgeworfen, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte (vgl. ua VwGH 18.06.2012, B 155/12, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt unbestritten und die Rechtsfrage von keiner besonderen Komplexität ist).
Dem Entfall der mündlichen Verhandlung stehen weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen Bescheide einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Nach § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat – vorliegend die Österreichische Gesundheitskasse.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sondern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag einer Partei durch einen Senat; dies gilt auch für Verfahren, in denen die zitierten Angelegenheiten als Vorfrage zu beurteilen ist. Da über eine Sache nach § 410 Abs. 1 Z 5 entschieden wird, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache somit die Entscheidung der nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichts zuständigen Einzelrichterin.
3.2. Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.3. Beschwerdegegenstand
Gemäß § 14 VwGVG steht es der Behörde im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). § 27 ist sinngemäß anzuwenden. Abweichend dazu normiert § 56 Abs. 2 AlVG in Verfahren betreffend Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung eine Frist zur Erlassung der Beschwerdevorentscheidung von zehn Wochen.
Gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG kann jede Partei binnen zwei Wochen ab Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Die Beschwerdevorentscheidung tritt mangels einer gesetzlichen Regelung nicht außer Krafft, sondern wird zum Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (vgl. Dünser, ZUV 2013/1, 17; Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 15 VwGVG, K 2; Hauer, Verwaltungsgerichtsbarkeit, Rz. 178; jeweils unter Hinweis auf den diesbezüglich ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, vgl. RV 2009 BlgNR 24. GP, 5). Gemäß zweiter Satz des § 15 Abs. 1 hat ein Vorlageantrag, der von einer anderen Partei als dem Beschwerdeführer gestellt wird, die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (§ 9 Abs. 1 Z 3) und ein Begehren (§ 9 Abs. 1 Z 4) zu enthalten. Im Umkehrschluss folgt dieser Vorschrift, dass der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag nicht zu begründen hat, ihn aber begründen kann (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 8 zu § 15 VwGVG unter Hinweis auf AB 2112 BlgNR 24. GP 3).
3.4. Prüfungsumfang und Entscheidungsbefugnis des Bundesverwaltungsgerichts
§ 27 VwGVG legt den Prüfungsumfang fest und beschränkt diesen insoweit, als das Verwaltungsgericht (Bei Bescheidbeschwerden) prinzipiell (Ausnahme: Unzuständigkeit der Behörde) an das Beschwerdevorbringen gebunden ist (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 1 zu § 27 VwGVG). Konkret normiert die zitierte Bestimmung: „Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid, die angefochtenen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.“
Die zentrale Regelung zur Frage der Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte bildet § 28 VwGVG. Die vorliegend relevanten Abs. 1 und 2 dieser Bestimmung lauten wie folgt:
"§ 28 (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gegenständlich steht der maßgebliche Sachverhalt im Sinne von § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG fest. Das Bundesverwaltungsgericht hat folglich in der Sache selbst zu entscheiden.
3.5. Zu A) Abweisung der Beschwerde
Gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG sind die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 ASVG von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 ASVG nur eine Teilversicherung begründet.
Gemäß § 4 Abs. 2 1. Satz ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.
Gemäß § 35 Abs. 1 1. Satz ASVG gilt als Dienstnehmer im Sinne des ASVG unter anderem derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmern durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgelts verweist.
Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.
Gemäß § 113 Abs. 1 ASVG können unter anderem Dienstgebern Beitragszuschläge vorgeschrieben werden, wenn
1. die Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht vor Arbeitsantritt erstattet wurde oder
2. die vollständige Anmeldung zur Pflichtversicherung nach § 33 Abs. 1 a Z 2 nicht oder verspätet erstattet wurde oder
3. das Entgelt nicht oder verspätet gemeldet wurde oder
4. ein zu niedriges Entgelt gemeldet wurde.
Der Beitragszuschlag setzt sich gemäß § 113 Abs. 2 ASVG im Falle des Abs. 1 Z 1 nach einer unmittelbaren Betretung im Sinne des § 111a [Abgabenbehörde des Bundes, deren Prüforgane Personen betreten haben] aus zwei Teilbeträgen zusammen, mit denen die Kosten für die gesonderte Bearbeitung und für den Prüfeinsatz pauschal abgegolten wird. Der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung beläuft sich auf EUR 400,-- je nicht vor Arbeitsantritt gemeldeter Person; der Teilbetrag für den Prüfeinsatz beläuft sich EUR 600,--.
Gemäß § 113 Abs. 3 ASVG kann bei erstmaliger verspäteter Anmeldung mit unbedeutenden Folgen der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung entfallen und der Teilbetrag für den Prüfeinsatz auf bis zu EUR 300,-- herabgesetzt werden. in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen kann auch der Teilbetrag für den Prüfeinsatz entfallen.
Im Beschwerdefall betreffend die Vorschreibung eines Betragszuschlages gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG ist als Vorfrage zu klären, ob eine gemäß § 33 ASVG meldepflichtige Beschäftigung der Betretenen vorlag und die Beschwerdeführerin als Dienstgeberin daher verpflichtet gewesen wäre, diese vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger zu melden.
Ob bei der Beschäftigung die Merkmale persönlicher Abhängigkeit des Beschäftigten vom Empfänger der Arbeitsleistung gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen und somit persönliche Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG gegeben ist, hängt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes davon ab, ob nach dem Gesamtbild dieser konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch diese und während dieser Beschäftigung weitestgehend ausgeschaltet oder – wie bei anderen Formen der Gestaltung einer Beschäftigung (z.B. aufgrund eines Werkvertrages oder eines freien Dienstvertrages) – nur beschränkt ist (VwGH 19.02.2014, 2013/08/0267; vgl. verstärkter Senat 10.12.1986, 83/08/0200).
Im gegenständlichen Fall ist hinsichtlich der Feststellung der Umstände der Beschäftigung in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen. Nach dieser gilt, dass die Behörde berechtigt ist, von einem Dienstverhältnis auszugehe, wenn jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen arbeitend unter solchen Umständen angetroffen wird, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen (vgl. VwGH 21.04.2004, Zl. 2003/08/0182; VwGH 08.08.2008, Zl. 2008/09/0119). Spricht die Vermutung also fü ein Dienstverhältnis, dann muss die Partei ein ausreichend substantiiertes Vorbringen erstatten, aus dem man anderes ableiten könnte (vgl. auch VwGH 26.05.2014, Zl. 2013/08/0165). Weiters kann bei einfachen manuellen Tätigkeiten oder Hilfsarbeiten, die in Bezug auf die Art der Arbeitsausführung und auf die Verwertbarkeit keinen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum des Dienstnehmers erlauben, bei Integration des Beschäftigten in den Betrieb des Beschäftigers in Ermangelung gegenläufiger Anhaltspunkte das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG ohne weitere Untersuchung vorausgesetzt werden (vgl. VwGH 20.09.2006, Zl. 2003/08/0274).
Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt wird verfahrensgegenständlich die Dienstnehmereigenschaft der Betretenen als erwiesen angesehen. Herr XXXX und Herr XXXX wurden bei Fassadenarbeiten an dem Haus der Beschwerdeführerin angetroffen und waren nicht zur Sozialversicherung angemeldet. Bei dieser Art von Arbeit handelt es sich um eine solche einfache manuelle Tätigkeit, bei der nach der Lebenserfahrung kein ins Gewicht fallender Gestaltungsspielraum des Dienstnehmers vorhanden ist und nach der Lebenserfahrung üblicherweise im Rahmen eines Dienstverhältnisses im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG erbracht wird. Demnach war ohne weiters vom Vorliegen einer Tätigkeit in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit auszugehen.
Die wirtschaftliche Abhängigkeit, die nach der Rechtsprechung ihren sinnfälligen Ausdruck im Fehlen der im eigenen Namen auszuübenden Verfügungsmacht über die nach dem Einzelfall wesentlichen organisatorischen Einrichtungen und Betriebsmittel findet, ist bei entgeltlichen Arbeitsverhältnissen die zwangsläufige Folge persönlicher Abhängigkeit (vgl. VwGH 02.12.2013, 2013/08/0191; 21.02.2001, 96/08/0028).
In einer Gesamtbetrachtung des vorliegenden Falles ist daher – wie auch vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich festgestellt - vom Vorliegen eines sozialversicherungspflichtigen Dienstverhältnisses iSd § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG von Herrn XXXX und Herrn XXXX zur Beschwerdeführerin auszugehen.
Nach dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmungen sowie der Materialien (EBRV BlgNR 23. GP 77) ist Zweck der Beitragszuschläge, den wegen der Säumigkeit des Meldepflichtigen verursachten Mehraufwand in der Verwaltung („Bearbeitungskosten“) auszugleichen, sohin einen Kostenbeitrag demjenigen vorzuschreiben, der diese Kosten auch verursacht hat („Verursacherprinzip“) und damit als Sicherungsmittel für das ordnungsgemäße Funktionieren der Sozialversicherung zu werten (vgl. VwGH 07.08.2002, 99/08/0074).
Zufolge der einschlägigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 10.07.2013, 2013/08/0117) ist die Vorschreibung eines Beitragszuschlages nicht als Verwaltungsstrafe zu werten, sondern als eine wegen des durch die Säumigkeit des Meldepflichtigen verursachten Mehraufwandes und damit als ein Sicherungsmittel für das ordnungsgemäße Funktionieren der Sozialversicherung, ist die Frage des subjektiven Verschuldens am Meldeverstoß gleichgültig aus welchen Gründen. Die Frage des subjektiven Verschuldens ist aus diesem Grunde auch nicht näher zu untersuchen.
Die belangte Behörde hat daher den Beitragszuschlag zu Recht vorgeschrieben die Beschwerdeführerin als Dienstgeberin hat es unterlassen, den betretenen Dienstnehmer vor Arbeitsantritt zur Sozialversicherung anzumelden. Sie hat daher gegen die ihr obliegenden sozialversicherungsrechtlichen Meldepflichten verstoßen und den Tatbestand des § 113 Abs. 1 Z 1 ASVG erfüllt. Somit ist der vorgeschriebene Beitragszuschlag dem Grunde nach berechtigt.
Der in einem solchen Fall für die gesonderte Bearbeitung gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG vorzuschreibende Teilbetrag von € 400,-- je nicht angemeldeter Person und der Teilbetrag für den Prüfeinsatz von € 600,--, somit insgesamt € 1.400,--, wurde daher von der belangten Behörde zu Recht eingefordert.
Es entspricht zudem der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass das typische Bild eines Meldeverstoßes vorliegt, wenn die Anmeldung des Dienstnehmers im Zeitpunkt der Kontrolle noch nicht nachgeholt worden ist, und dass die Folgen des Meldeverstoßes in einem solchen Fall nicht (iSd § 111 Abs. 1 letzter Satz bzw. iSd § 113 Abs. 2 ASVG) als unbedeutend anzusehen sind (vgl. VwGH 14.03.2013, Zl. 2011/08/0187 und Zl. 2012/08/0125; 10.04.2013, Zl. 2013/08/0041). Deshalb ist der belangten Behörde nicht entgegenzutreten, wenn sie gemäß § 113 Abs. 2 ASVG den Teilbetrag für den Prüfeinsatz nicht bis auf € 300,-- herabsetzte bzw. den Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung nicht entfallen ließ.
Die Vorschreibung des gegenständlichen Beitragszuschlages erfolgte demnach auch der Höhe nach zu Recht.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
3.6 Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die Abweisung der Beschwerde ergeht in Anlehnung an die oben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum ASVG. Die gegenständliche Entscheidung weicht daher weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch mangelt es an einer derartigen Rechtsprechung; sie ist auch nicht uneinheitlich. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.
Schlagworte
Beitragszuschlag Dienstnehmereigenschaft Dienstverhältnis Meldeverstoß StraferkenntnisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W145.2240290.1.00Im RIS seit
27.09.2021Zuletzt aktualisiert am
27.09.2021