TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/13 W156 2235264-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.08.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

13.08.2021

Norm

ASVG §735
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W156 2235264-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alexandra KREBITZ als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , XXXX , gegen den Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse, Landesstelle Wien, vom 14.08.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse, Landesstellte Wien (in weiterer Folge: belangte Behörde) vom 14.08.2020, Zl. XXXX , wurde der Antrag der XXXX (in weiterer Folge: Beschwerdeführerin, kurz: BF), BKNR XXXX , auf Erstattung gemäß § 735 Abs. 4 ASVG betreffend die Freistellung von Frau XXXX , VSNR XXXX , für den Zeitraum von 20.05.2020 bis 30.06.2020 abgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, dass die BF mangels eigener Rechtspersönlichkeit der XXXX als juristische Person des öffentlichen Rechts zuzurechnen sei. Die XXXX sei jedoch als juristische Person öffentlichen Rechts von der Erstattung nach § 735 Abs. 4 Satz 2 ASVG ausgeschlossen.

2. Gegen diesen Bescheid erhob die BF mit Schreiben vom 11.09.2020 fristgerecht Beschwerde.

Darin wurde zusammengefasst ausgeführt, dass die BF unzweifelhaft im Sinne des § 735 Abs. 4 ASVG am Wirtschaftsleben teilnehme. Selbst wenn die BF der XXXX zur Gänze zuzurechnen wäre, sei sie aber im Hinblick auf die Finanzierung ihrer Leistung rechtlich und wirtschaftlich gesondert von dieser zu betrachten. Das Gesetz enthalte keine näheren Ausführungen, was unter dem Begriff „wesentliche Teile“ zu verstehen sei. Dieser Begriff könne sich ebenso auf bestimmte Bereiche einer einzelnen Unternehmung einer juristischen Person öffentlichen Rechts beziehen. Würde man der Bestimmung des § 735 Abs. 4 ASVG unterstellen, dass die Frage, wie die Leistungen der juristischen Personen öffentlichen Rechts konkret finanziert werden, irrelevant sei, liefe das auf eine sachlich nicht begründete Ungleichbehandlung hinaus.

3. Am 22.09.2020 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem BVwG zur Entscheidung vor.

4. Mit Parteiengehör vom 03.03.2021 erging seitens des erkennenden Gerichts der Auftrag an die BF binnen vier Wochen geeignete Nachweise anher zu übermitteln, aus denen unbedenklich hervorgehe, dass sie die wesentlichen Teile ihrer Kosten über Leistungsentgelte finanziere und somit am Wirtschaftsleben teilnehme.

5. Mit Schreiben vom 30.03.2021 des rechtsfreundlichen Vertreters wurde mitgeteilt, dass aufgrund der aktuellen pandemiebedingten Situation es bis dato nicht möglich gewesen wäre, die geeigneten Unterlagen zusammenzustellen und werde um eine Fristerstreckung ersucht. Die Fristerstreckung wurde für die Vorlage geeigneter Nachweise der Jahre bis inklusive 2019 bis zum 15.04.2021 und für das Kalenderjahr 2020 bis zum 30.06.2021 gewährt.

6. Mit Schriftsatz vom 15.04.2021 legte die BF zum Nachweis, dass sie die wesentlichen Teile ihrer Kosten über Leistungsentgelte finanziere und somit am Wirtschaftsleben teilnehme das „ Statut XXXX “, die Hausabrechnungen 2019 und 2020 sowie eine Betriebskosten- und Hauptmietzinsabrechnung für ein Bestandobjekt in der Wohnhausanlage der BF. Weiters wurde seitens der BF die Einvernahme des Zeugen XXXX beantragt.

7. Am 14.05.2021 übermittelte das erkennende Gericht der belangten Behörde die von der BF übermittelten Unterlagen betreffend Teilnahme am Wirtschaftsleben zur schriftlichen Stellungnahme binnen vier Wochen.

8. Mit Schriftsatz vom 26.05.2021 führte die belangte Behörde dazu zusammengefasst aus, dass die BF über keine Rechtspersönlichkeit verfüge, weshalb sie - mangels Fähigkeit Trägerin von Rechten und Pflichten zu sein – nicht Dienstgeberin sein könne. Folglich stehe fest, dass ausschließlich die XXXX als Dienstgeber in Frage komme, welche jedoch gemäß § 735 Abs. 4 ASVG nicht am Wirtschaftsleben teilnehme und somit von der Erstattung ausgeschlossen sei.

9. Mit Parteiengehör vom 17.06.2021 wurden die schriftlichen Ausführungen der belangten Behörde der BF zur Stellungnahme binnen zwei Wochen übermittelt. Weiters wurde die BF dahingehend informiert, dass nach der derzeitigen Sachlage ihre Dienstgebereigenschaft mangels Rechtspersönlichkeit nicht gegeben scheine und das Dienstverhältnis der XXXX zuzurechnen sei. Dafür spreche auch, dass die XXXX als Dienstgeberin in ihrem Personalbericht den Personalstand der BF im Gesamtpersonalstand der XXXX aufweise.

10. Am 30.06.2021 legte die BF die Betriebskosten- und Hauptmietzinsabrechnung für das Jahr 2020 für die Wohnung Stiege2, Top 2 sowie den Jahresabschluss zum 31.12.2019 vor. Weiters führte die BF aus, dass sie aus sämtlich angeführten Gründen als eigenständige Person im Sinne des § 735 Abs. 4 ASVG zu betrachten sei, allenfalls sei die Bestimmung des
§ 735 ASVG zumindest verfassungskonform so auszulegen, dass die BF in den Kreis der Anspruchsberechtigten falle.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Frau XXXX ist Hausbetreuerin der XXXX .

Mit Covid-19-Risikoattest von Dr. XXXX (Arzt für Allgemeinmedizin) vom 12.05.2020 wurde Frau XXXX , VSNR XXXX , die Zugehörigkeit zu einer Covid-19 Risikogruppe bestätigt.

Frau XXXX wurde daraufhin von der BF im Zeitraum 20.05.2020 bis 30.06.2020 von ihrer Arbeitsleistung zu 100% freigestellt. Die Freistellung der XXXX endete am 30.06.2020.

Die BF leistete XXXX in diesem Zeitraum (20.05.2020 bis 30.06.2020) eine Entgeltfortzahlung in voller Höhe.

Mit Antrag vom 30.06.2020 begehrte die BF gemäß § 735 Abs. 4 ASVG die Erstattung des zu leistenden Entgelts, der für diesen Zeitraum abzuführenden Steuern und Abgaben sowie der zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge, Arbeitslosenversicherungsbeiträge und sonstigen Beiträge durch die ÖGK betreffend die Freistellung der XXXX für den Zeitraum 20.05.2020 bis 30.06.2020.

Die BF ist eine Unternehmung der XXXX und besitzt keine Rechtspersönlichkeit.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt, insbesondere dem Verfahrensakt der belangten Behörde, dem angefochtenen Bescheid sowie der Beschwerde und ist unbestritten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

Rechtliche Grundlagen:

Gemäß § 735 Abs. 1 ASVG hat der Dachverband einen Dienstnehmer, eine geringfügig beschäftigte Person oder einen Lehrling (im Folgenden: betroffene Person) über seine Zuordnung zur COVID-19-Risikogruppe zu informieren. Die Definition dieser allgemeinen Risikogruppe, die insbesondere schwere Erkrankungen zu berücksichtigen hat und sich aus medizinischen Erkenntnissen und wenn möglich aus der Einnahme von Arzneimitteln herleitet, ist durch Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf Grundlage der Empfehlung einer Expertengruppe, die das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz und das Bundesministerium für Arbeit, Familie und Jugend einrichten, festzulegen. Der Expertengruppe gehören jeweils drei Experten des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, des Dachverbandes und der Österreichischen Ärztekammer sowie ein Experte des Bundesministeriums für Arbeit, Familie und Jugend an. Die Verordnung kann rückwirkend mit dem Tag der Kundmachung dieses Bundesgesetzes in Kraft treten.

Gemäß § 735 Abs. 2 ASVG hat der die betroffene Person behandelnde Arzt nach Vorlage des Informationsschreibens auf der Grundlage der Definition der COVID-19-Risikogruppe nach Abs. 1 die individuelle Risikosituation der betroffenen Person zu beurteilen und ein Attest ohne Angabe von Diagnosen über die Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zur Risikogruppe auszustellen (COVID-19-Risiko-Attest). Die Beurteilung der individuellen Risikosituation auf der Grundlage der Definition der COVID-19-Risikogruppe nach Abs. 1 und die damit zusammenhängende Ausstellung eines COVID-19-Risiko-Attests ist auch unabhängig davon zulässig, dass die betroffene Person ein Informationsschreiben durch den Dachverband nach Abs. 1 erhalten hat.

Gemäß § 735 Abs. 3 ASVG hat - legt eine betroffene Person ihrem Dienstgeber dieses COVID-19-Risiko-Attest vor - sie Anspruch auf Freistellung von der Arbeitsleistung und Fortzahlung des Entgelts, außer

1. die betroffene Person kann ihre Arbeitsleistung in der Wohnung erbringen (Homeoffice) oder

2. die Bedingungen für die Erbringung ihrer Arbeitsleistung in der Arbeitsstätte können durch geeignete Maßnahmen so gestaltet werden, dass eine Ansteckung mit COVID-19 mit größtmöglicher Sicherheit ausgeschlossen ist; dabei sind auch Maßnahmen für den Arbeitsweg mit einzubeziehen.

Gemäß § 735 Abs. 4 ASVG hat der Dienstgeber Anspruch auf Erstattung des an den Dienstnehmer, die geringfügig beschäftigte Person bzw. den Lehrling zu leistenden Entgelts, der für diesen Zeitraum abzuführenden Steuern und Abgaben sowie der zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge, Arbeitslosenversicherungsbeiträge und sonstigen Beiträge durch den Krankenversicherungsträger, unabhängig davon, von welcher Stelle diese einzuheben bzw. an welche Stelle diese abzuführen sind. Von diesem Erstattungsanspruch sind politische Parteien und sonstige juristische Personen öffentlichen Rechts, ausgenommen jene, die wesentliche Teile ihrer Kosten über Leistungsentgelte finanzieren und am Wirtschaftsleben teilnehmen, ausgeschlossen. Der Antrag auf Ersatz ist spätestens sechs Wochen nach dem Ende der Freistellung unter Vorlage der entsprechenden Nachweise beim Krankenversicherungsträger einzubringen. Der Bund hat dem Krankenversicherungsträger die daraus resultierenden Aufwendungen aus dem COVID-19 Krisenbewältigungsfonds zu ersetzen.

Auf den Beschwerdefall bezogen:

Gemäß § 11 Abs. 1 des Statuts für die Unternehmung „ XXXX “ wird die Unternehmung „ XXXX “ jeweils selbständig vom Bürgermeister, vom zuständigen amtsführenden Stadtrat, vom Direktor und von den nach der Organisation der Unternehmung „ XXXX “ zuständigen leitenden Bediensteten, von diesen jeweils innerhalb ihres Aufgabenkreises, nach außen vertreten.

Aufgrund dieser Bestimmung war die BF zur Antragstellung nach § 753 ASVG legitimiert.

Im gegenständlichen Fall war hingegen strittig, ob hinsichtlich der BF eine der in § 735 ASVG normierten Ausnahme vom Anspruch auf Erstattung vorlag. Gemäß § 735 Abs. 4 Satz 2 ASVG sind bestimmte Beschäftigter von der Erstattung ausgeschlossen. Es war daher vorweg festzustellen, wer Dienstgeber der Frau XXXX ist. Dazu war auszuführen, dass sowohl in der E-Mail vom 30.07.2020 als auch in der Antragstellung vom 03.08.2020 als Dienstgeberin die BF angeführt ist, weshalb im ersten Schritt eine rechtliche Qualifikation dieses Gebildes durchzuführen war.

Nach der geltenden Geschäftseinteilung für den Magistrat der XXXX (GEM) umfassen die Geschäftsgruppen derzeit insgesamt 57 Magistratsabteilungen (MA). Neben den Magistratsabteilungen bestehen im Magistrat auf Grund von Gemeinderatsbeschlüssen drei gemäß § 71 der XXXX 3 als Unternehmung organisierte Dienststellen: der Wiener XXXX ), XXXX ) und XXXX ).

Gemäß § 1 der Verordnung des Gemeinderates, mit der ein Statut für die BF erlassen wird, ist die BF eine wirtschaftliche Einrichtung, der der Gemeinderat die Eigenschaft einer Unternehmung zuerkannt hat.

Gemäß § 3 Abs. 1 Geschäftsordnung für den Magistrat der XXXX gelten unter anderem für die BF die Anhänge 3, 4 bzw. 5. Hiernach handelt es sich bei der BF um eine Unternehmung der XXXX , welche gemäß § 71 Abs. 2 der XXXX keine Rechtspersönlichkeit besitzt.

Auch dem Prüfbericht des Rechnungshofes, GZ XXXX , ist auf Seite 22 zu entnehmen, dass die BF gemäß § 71 der XXXX eine „Unternehmung“ ohne eigene Rechtspersönlichkeit ist, die nach wirtschaftlichen Grundsätzen zu führen und Teil der Stadt XXXX ist. Die Stadt XXXX verwaltet das Vermögen der Unternehmung getrennt vom übrigen Vermögen der Gemeinde.

Dem Verwaltungsgerichtshof zufolge (Erkenntnis vom 26.06.2008, Ra 2005/12/0056) ist der Umstand einer Beschäftigung in einem "Unternehmen" für sich allein nicht aussagekräftig, vielmehr kommt es (auch abgesehen von der Möglichkeit einer Zuweisung öffentlich Bediensteter zur Dienstleistung an andere Rechtsträger) darauf an, in welcher Rechtsform dieses Unternehmen betrieben wird, und wer daher Eigentümer dieses Unternehmens und Dienstgeber der dort angestellten Bediensteten ist. Handelt es sich um "Eigenunternehmen" einer (inländischen) Gebietskörperschaft, stehen die Bediensteten dieses Unternehmens dennoch in einem Dienstverhältnis zur Gebietskörperschaft. Dies gilt nicht nur, wenn das Eigenunternehmen in Form eines "Regiebetriebes" durch die allgemeinen Einrichtungen der betreffenden Gebietskörperschaft geführt wird, sondern auch für "selbständige Wirtschaftskörper", die - ohne eigene Rechtspersönlichkeit aufzuweisen - eine organisatorische Verselbständigung aufweisen und im Geschäftsleben unter Umständen unter einem eigenen Namen (Firma) auftreten (vgl. zu diesen Unterscheidungen etwa Adamovich/Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Auflage, 1987, S. 206ff). Nur dann, wenn das öffentliche Unternehmen durch einen (privaten oder öffentlichen) Rechtsträger mit eigener Rechtspersönlichkeit geführt wird, stehen dessen Bedienstete nicht in einem Dienstverhältnis zu einer (inländischen) Gebietskörperschaft.

Die Dienstgebereigenschaft der BF ist somit mangels Rechtspersönlichkeit nicht gegeben und das Dienstverhältnis der Frau XXXX daher der Stadt XXXX als Gebietskörperschaft zuzurechnen.

Schließlich enthält die Bundesrichtlinie zur Kurzarbeitshilfe, GZ: BGS/AMF/0722/9985/2021, im Punkt 6.2. eine mit dem § 735 Abs. 4 ASVG idente Ausnahmeregelung hinsichtlich förderbarer Arbeitgeber. Dazu führte der Österreichische Gemeindebund in einem Schreiben vom 26.03.2020, GZ: 520/260320/HA, aus, dass mangels rechtlicher Selbständigkeit Gemeinden hinsichtlich ihrer kommunalen Eigenbetriebe nicht von der Kurzarbeitshilfe umfasst seien, sehr wohl aber ausgegliederte Einheiten der Gemeinden (GmbH, AG). Die BF ist daher aufgrund ihrer Eigenschaft als Unternehmung der Stadt XXXX und mangels rechtlicher Selbständigkeit der Gemeinde XXXX zuzurechnen und daher von der Ausnahme des § 735 Abs. 4 ASVG umfasst.

Es war daher im weiteren Schritt zu beurteilen, ob die Stadt XXXX – da nur diese Rechtspersönlichkeit besitzt – im Sinne des § 735 Abs. 4 als juristische Person öffentlichen Rechts, die wesentliche Teile ihrer Kosten über Leistungsentgelte finanziert und am Wirtschaftsleben teilnimmt, zu qualifizieren ist, wodurch sie nicht vom Erstattungsanspruch ausgeschlossen wäre. Dazu ist zunächst auszuführen, dass seitens der belangten Behörde nicht bestritten wurde, dass sich die BF über Leistungsentgelte finanziert werde. Strittig war vielmehr, ob die Stadt XXXX als Ganzes wesentliche Teile ihrer Kosten über Leistungsentgelte finanziere und am Wirtschaftsleben teilnehme. Dazu brachte die BF vor, dass die Formulierung „wesentliche Teile“ auch dahingehend auszulegen sei, dass sie sich auf bestimmte Bereiche einzelner Unternehmung einer juristischen Person öffentlichen Rechts beziehen könne. Diesen Ausführungen ist jedoch insofern entgegenzutreten, als § 735 Abs. 4 Satz 2 ASVG die Erstattungsfähigkeit einzelner Dienstgeber generell ausschließt. Dem Wortlaut der Bestimmung kann eine juristische Person öffentlichen Rechts nur zur Gänze von der Erstattung ausgenommen sein. Die Auslegung, dass ein und dieselbe juristische Person öffentlichen Rechts hinsichtlich einzelner Bereiche von der Erstattung ausgeschlossen sein, während sie für andere Bereiche die Erstattung beantragen könne – im gegenständlichen Fall: für die BF – widerspricht insofern dem Wortlaut der Bestimmung, als diese ausdrücklich auf die juristische Person als Ganzes abstellt. Das erkennende Gericht schließt sich den Ausführungen der belangten Behörde dahingehend an, dass der Umstand, dass die Stadt XXXX einzelne Unternehmungen betreibt, welche am Wirtschaftsleben teilnehmen, dazu führen würde, dass die gesamte Stadt XXXX Anspruch auf Erstattung im Sinne des § 735 ASVG hätte, wodurch es zu einer Aushöhlung der in dieser Bestimmung enthaltenen Ausnahme der juristischen Person öffentlichen Rechts kommen würde, da beinahe jede juristische Person öffentlichen Rechts einzelne Unternehmungen führt, die am Wirtschaftsleben teilnehmen. Schließlich ist auch den vorgelegten Unterlagen zu entnehmen, dass der durch die BF finanzierte Anteil der Stadt XXXX ( XXXX Budget) als relativ gering zu beurteilen ist. Dass die Stadt XXXX sonst wesentliche Teile ihrer Kosten über Leistungsentgelte finanziert, entspricht nicht der allgemeinen Lebenserfahrung, vielmehr war davon auszugehen, dass die Stadt XXXX eine typische juristische Person öffentlichen Rechts ist, welche vom Erstattungsanspruch des § 735 Abs. 4 ASVG ausgeschlossen ist.

Im Ergebnis ist daher ebenso der Erstattungsanspruch der Stadt XXXX zu verneinen und war aus den angeführten Gründen daher spruchgemäß zu entscheiden.

4. Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Die BF hat zwar einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt.

Das erkennende Gericht erachtete die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht für erforderlich, weil der festgestellte Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt erschien und durch die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war.

Da keine Fragen der Beweiswürdigung auftraten, welche die Durchführung einer mündlichen Verhandlung notwendig gemacht hätten, stehen dem Entfall der Verhandlung auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen (vgl. u.a. VwGH 07.08.2017, Ra 2016/08/0140).

Aus den angeführten Gründen war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Bestimmungen des § 735 Abs. 4 ASVG erst mit dem 9. COVID-19-Gesetz, BGBl. I Nr. 23/2020, eingefügt wurden und zur Auslegung der Ausnahmeregelung des § 735 Abs. 4 ASVG und insbesondere ob eine Unternehmung einer juristischen Person öffentlichen Rechts, die sich zur Gänze selbst finanziert unter die Ausnahmeregelung dieser Bestimmung zu subsumieren oder gesondert von der juristischen Person öffentlichen Rechts zu beurteilen wäre, noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ergangen ist.

Es bestehen somit im gegenständlichen Fall Hinweise auf eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung.

Schlagworte

Ausnahmebestimmung Erstattungsantrag Freistellungsanspruch juristische Person Pandemie Revision zulässig Risikogruppe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W156.2235264.1.00

Im RIS seit

27.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

27.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten