Entscheidungsdatum
16.08.2021Norm
BBG §42Spruch
W141 2240234-1/28E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard HÖLLERER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Stephan WAGNER sowie den fachkundigen Laienrichter Robert ARTHOFER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , VN XXXX , bevollmächtigt vertreten durch Verein CHRONISCH KRANK, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich vom 11.01.2021, OB: XXXX betreffend die Abweisung der Anträge auf Vornahme der Zusatzeintragungen „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“, „Der Inhaber/die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson“ und „Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 dritter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor“ in den Behindertenpass gemäß § 42 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), beschlossen:
A)
Das Verfahren wird eingestellt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin hat am 07.01.2020 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) unter Vorlage eines Befundkonvolutes einen Antrag auf die Neuausstellung des Behindertenpasses wegen Ungültigkeit und Eintragung der Zusatzvermerke „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass, „Der Inhaber/die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson“, „Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 dritter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor“ und „Der Inhaber/die Inhaberin kann die Fahrpreisermäßigung nach dem Bundesbehindertengesetz in Anspruch nehmen“ gestellt. Die Beschwerdeführerin stellte am selben Tag den Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gem. § 29b der Straßenverkehrsordnung.
1.1. Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin, basierend auf der Aktenlage, mit dem Ergebnis eingeholt, dass ein Grad der Behinderung in Höhe von 60 vH vorliegt und, dass die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzvermerkes „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ sowie „Der Inhaber/die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson“ in den Behindertenpass nicht vorliegen.
1.2. Mit Parteiengehör vom 05.03.2020 hat die belangte Behörde der Beschwerdeführerin die Möglichkeit eingeräumt zu diesem Sachverständigengutachten binnen zwei Wochen nach Zustellung eine Stellungnahme abzugeben.
1.3. Mit Schreiben, eingelangt bei der belangten Behörde am 06.10.2020, brachte der bevollmächtigte Vertreter der Beschwerdeführerin unter Vorlage eines Befundkonvolutes vor, die Herabsetzung des Gesamtgrades der Behinderung von 80 vH auf 60 vH sei nicht nachvollziehbar. Die Beschwerdeführerin könne öffentliche Verkehrsmittel sehr oft nicht benützen und sei auf eine Begleitperson angewiesen.
1.4. Zur Überprüfung der Einwendungen wurde eine Stellungnahme einer Allgemeinmedizinerin mit dem Ergebnis eingeholt, dass die Einwendungen der Beschwerdeführerin keine Änderung der Einschätzung ergeben würden.
1.5. Mit Schreiben vom 14.01.2021 wurde der Beschwerdeführerin ein Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 60 vH und der Zusatzeintragung „Der Inhaber/die Inhaberin kann die Fahrpreisermäßigung nach dem Bundesbehindertengesetz in Anspruch nehmen“ ausgestellt.
1.6. Mit angefochtenem Bescheid vom 11.01.2021 hat die belangte Behörde die Anträge auf Vornahme der Zusatzeintragungen „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“, „Der Inhaber/die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson“ und „Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 dritter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor“ in den Behindertenpass gemäß § 42 und § 45 BBG abgewiesen.
2. Gegen diesen Bescheid wurde vom bevollmächtigten Vertreter der Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde erhoben. Unter Vorlage von Beweismitteln wurde vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin in ihrer Gehfähigkeit und Mobilität hochgradig eingeschränkt sei. Aufgrund der vorliegenden Knieverletzung und der Sturzgefahr sei der sichere Transport mit einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht gegeben. Darüber hinaus sei ihr die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund ihres Paniksyndroms und Panikzuständen bei Menschenansammlungen und in engen Räumen nicht möglich. Sie benötige ihre Mutter zur Bewältigung einer Bahnfahrt und sei eine Begleitperson daher erforderlich.
2.1. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurden vom Bundesverwaltungsgericht ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 17.05.2021 und ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 04.05.2021, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung mit 60 vH bewertet wurde und die Voraussetzungen für die die beantragten Zusatzeintragungen nicht vorliegen.
2.2. Im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 17 VwGVG iVm
§ 45 Abs. 3 AVG mit Hinweis auf die Neuerungsbeschränkung gemäß § 46 BBG erteilten Parteiengehörs brachte der bevollmächtigte Vertreter der Beschwerdeführerin vor, dass aus den vorliegenden Befunden hervorgehe, dass keine deutliche und anhaltende Besserung des Zustandes der Beschwerdeführerin vorliege und diese die öffentlichen Verkehrsmittel nicht benützen könne. Darüber hinaus sei eine Begleitperson notwendig.
2.3. Am 27.07.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher die Beschwerdeführerin, die gewillkürte Vertreterin der Beschwerdeführerin und der medizinische Sachverständige Dr. Peter STRAKA teilnahmen. Der bevollmächtigte Vertreter der Beschwerdeführerin und die belangte Behörde haben nicht an der Verhandlung teilgenommen.
Eingangs wurde das Ergebnis des bisherigen Ermittlungsverfahrens besprochen. Die Beschwerdeführerin hatte die Möglichkeit ihr Anliegen zu erläutern.
Der medizinische Sachverständige nahm zu den von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwendungen ausführlich Stellung und erstattete diesbezüglich ein ergänzendes Sachverständigengutachten.
Zum Schluss der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin die Beschwerden gegen den Behindertenpass und gegen die Abweisung der Anträge auf Vornahme der Zusatzeintragungen „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“, „Der Inhaber/die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson“ und „Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 dritter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor“ in den Behindertenpass zurückgezogen.
2.4. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.08.2021 wurde dem bevollmächtigten Vertreter, der belangten Behörde und der Beschwerdeführerin das Langprotokoll der mündlichen Verhandlung zur Kenntnisnahme übermittelt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin hat in der mündlichen Verhandlung am 27.07.2021 sowohl die Beschwerde gegen den Behindertenpass, ausgestellt am 14.01.2021, als auch gegen den Bescheid vom 11.01.2021 betreffend Abweisung der Anträge auf Vornahme der Zusatzeintragungen „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“, „Der Inhaber/die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson“ und „Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 dritter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor“ in den Behindertenpass, zurückgezogen.
2. Beweiswürdigung
Die Ausführungen in der mündlichen Verhandlung am 27.07.2021 durch die Beschwerdeführerin sind eindeutig formuliert und lassen keinen Zweifel am Willen der Beschwerdeführerin offen, die Beschwerden gegen den Behindertenpass, ausgestellt am 14.01.2021, als auch gegen den Bescheid vom 11.01.2021 betreffend Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“, „Der Inhaber/die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson“ und „Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 dritter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor“ in den Behindertenpass, zurückzuziehen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Zu A)
1. Zur Entscheidung in der Sache:
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 63 Abs. 4 AVG ist die Zurückziehung einer Berufung zulässig und wird diese mit dem Zeitpunkt ihres Einlangens bei der Behörde wirksam. Ab diesem Zeitpunkt ist – mangels einer aufrechten Berufung – die Pflicht der Berufungsbehörde zur Entscheidung weggefallen und das Berufungsverfahren ist einzustellen (siehe etwa VwGH E vom 25.07.2013, Zl. 2013/07/0106). Dies muss grundsätzlich auch für die Zurückziehung einer Beschwerde, die beim Bundesverwaltungsgericht anhängig ist, gelten (siehe Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 7 K 6). Allerdings ist das Verfahren diesfalls gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm § 31 VwGVG mit Beschluss einzustellen, dieser Beschluss ist allen Verfahrensparteien zur Kenntnis zu bringen (siehe Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 28 K 3).
Da die Beschwerdeführerin die Beschwerde gegen den Bescheid vom 11.01.2021 betreffend Abweisung der Anträge auf Vornahme der Zusatzeintragungen „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“, „Der Inhaber/die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson“ und „Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 dritter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor“ in den Behindertenpass, in der mündlichen Verhandlung am 27.07.2021 zurückgezogen hat, war das eingeleitete Verfahren durch das Bundesverwaltungsgericht einzustellen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Verfahrenseinstellung ZurückziehungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W141.2240234.1.00Im RIS seit
27.09.2021Zuletzt aktualisiert am
27.09.2021