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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
AVG §56Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth und die Hofräte Dr. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, 1. über den Antrag des K S in G, vertreten durch Mag. Bertram Schneeberger, Rechtsanwalt in 8230 Hartberg, Ressavarstraße 54, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Revision gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 3. September 2019, Zl. LVwG 46.24-1339/2019-2, betreffend wasserrechtliche Bewilligung, und 2. in dieser Revisionssache gegen das genannte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Hartberg-Fürstenfeld), den Beschluss gefasst:
Spruch
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 1. Mit Bescheid vom 12. April 2019 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Hartberg-Fürstenfeld (belangte Behörde) dem Revisionswerber auf den Grundstücken Nr. 241 und 242, KG O., die wasserrechtliche Bewilligung „für die Änderung der bewilligten Wasserentnahme aus dem Grundwasser (...) zur Anpassung an den Stand der Technik“, zum Zweck der Trink- und Nutzwasserversorgung. Das Maß der Wasserbenutzung wurde mit 0,86 l/min bzw. 1,25 m3/Tag, die Bewilligungsdauer mit 30. April 2059 festgesetzt.
2 Demnach sollte der mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hartberg vom 23. Februar 1954 bewilligte, auf dem Grundstück Nr. 242 bestehende artesische Brunnen dauerhaft verschlossen und im Nahbereich (6 m entfernt) auf dem angrenzenden Grundstück Nr. 241 eine Ersatzbohrung hergestellt werden. Das Maß der Wasserbenutzung wurde neu festgesetzt, weil sich der Bedarf gegenüber dem ursprünglichen Bewilligungsbescheid aus dem Jahr 1954 verringert hatte.
3 Dem Bescheid vom 12. April 2019 ist unter anderem zu entnehmen, dass mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark (LVwG) vom 23. Jänner 2018 (gemäß § 21a WRG 1959) dem Revisionswerber und einer weiteren Person aufgetragen worden sei, fachkundig erstellte Projektunterlagen über die Anpassung des auf Grundstück Nr. 242 situierten artesischen Brunnens an den Stand der Technik vorzulegen.
4 In seiner gegen den Bescheid vom 12. April 2019 erhobenen Beschwerde bekämpfte der Revisionswerber lediglich die befristete Bewilligungsdauer.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des LVwG wurde diese Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.
6 In seinen Erwägungen hielt das LVwG fest, der Beschwerde sei darin Recht zu geben, dass nach dem Wortlaut des § 21 Abs. 5 WRG 1959 bei einer Bewilligung von Änderungen bestehender Wasserbenutzungen zur Anpassung an den Stand der Technik oder an die wasserwirtschaftlichen Verhältnisse oder verbunden mit der Änderung des Maßes oder Art der Wasserbenutzung eine Bewilligungsfrist nur dann neu bestimmt werden könne, wenn bereits im ursprünglichen Wasserrechtsbescheid eine Befristung vorgesehen gewesen sei. Im Bescheid aus dem Jahr 1954 sei eine solche Befristung nicht vorgesehen gewesen.
7 Jedoch handle es sich gegenständlich - wenngleich die belangte Behörde die wasserrechtliche Bewilligung für die Änderung der bewilligten Wasserentnahme zur Anpassung an den Stand der Technik erteilt habe - nicht bloß um eine Anpassung an den Stand der Technik oder die geänderten wasserwirtschaftlichen Verhältnisse. So solle der bestehende artesische Brunnen nach dem Stand der Technik verschlossen werden und es solle im Nahbereich des bestehenden Brunnens (ca. 6 m entfernt) auf einem anderen Grundstück ein neuer Brunnen durch Abteufen einer Ersatzbohrung entstehen. Damit sei im Vergleich zum Ursprungsbescheid aus 1954 auch eine Einschränkung des Maßes der Wasserbenutzung verbunden. Wenngleich die belangte Behörde mit dem Bescheid vom 12. April 2019 formal die Bewilligung von Änderungen einer bestehenden Wasserbenutzung erteilt habe, sei inhaltlich doch eine Maßnahme bewilligt worden, für die ein neues Wasserbenutzungsrecht verliehen hätte werden müssen (Verweis auf VwGH 23.10.2014, Ro 2014/07/0039). In einem solchen Fall könne sich daher die Behörde auf § 21 Abs. 1 WRG 1959 stützen und die wasserrechtliche Bewilligung nach Abwägung des Bedarfes des Antragstellers mit den wasserwirtschaftlichen Interessen sowie der wasserwirtschaftlichen und technischen Entwicklung auch (neu) befristen.
8 Nach Ausweis der Verwaltungsakten wurde das in Revision gezogene Erkenntnis dem Rechtsvertreter des Revisionswerbers am 3. September 2019 elektronisch (E-Mail) mit einem Link zur Abholung übermittelt und entsprechend der Übernahmebestätigung am selben Tag auch abgeholt (ausgefolgt).
9 2. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, mit einem Wiedereinsetzungsantrag verbundene, am 16. Oktober 2019 eingebrachte außerordentliche Revision.
10 Darin wird zunächst zur Rechtzeitigkeit der Revision ausgeführt, der Vertreter des Revisionswerbers sei vom LVwG mit E-Mail vom 3. September 2019 um 12:57 Uhr über eine elektronische Zustellung des angefochtenen Erkenntnisses benachrichtigt worden. Wann das Erkenntnis tatsächlich über den bereitgestellten Link abgeholt worden sei, sei kanzleiintern mangels diesbezüglicher elektronischer Bestätigung nicht mehr nachvollziehbar. Diesbezüglich sei nur nachvollziehbar, dass die Frist zur Erhebung der Revision mit 16. Oktober 2019 eingetragen worden und somit von einem Abhol- und Zustelldatum 4. September 2019 ausgegangen worden sei. Im Sinne des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. September 2018, Ro 2017/12/0010, lasse sich durch den Revisionswerbervertreter nicht mehr feststellen, wann auf das Erkenntnis tatsächlich elektronisch zugegriffen worden sei, was fristauslösend sei. Es werde der Zustellungszeitpunkt mit 4. September 2019 angenommen.
11 Für den Fall der Verspätung der Revision wird im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorgebracht, der gegenständliche Akt sei dem Vertreter des Revisionswerbers am heutigen Tag (Anmerkung: 16. Oktober 2019) zur Verfassung der Revision vorgelegt worden, weil aus zeitlichen Gründen eine frühere Bearbeitung nicht möglich gewesen sei, und es seien bei der obligatorischen Fristüberprüfung Bedenken aufgetreten, ob die eingetragene Revisionsfrist tatsächlich richtig sei, weil der Zustellzeitpunkt aus den genannten Gründen nicht verifizierbar sei. Die 14-tägige Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages sei damit gewahrt.
12 In der Kanzlei des Revisionswerbervertreters würden aufgrund des § 89d Abs. 2 GOG die Fristen dergestalt eingetragen und berechnet, dass als Zustellungszeitpunkt elektronisch übermittelter gerichtlicher Erledigungen und Eingaben jeweils der auf das Einlangen in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers folgende Werktag gelte. Diese Vorgangsweise sei auf Weisung des Revisionswerbervertreters seit Inkrafttreten der gegenständlichen gesetzlichen Bestimmung erfolgt und von den Kanzleimitarbeitern auch penibelst eingehalten und auch vom Revisionswerbervertreter persönlich kontrolliert worden.
13 Die Kanzlei habe aufgrund dieser erteilten Weisung leider irrtümlich auch den Zustellzeitpunkt bei elektronisch übermittelten Erledigungen des Landesverwaltungsgerichts Steiermark bzw. auch anderer Landesverwaltungsgerichte im Sinne des § 89d Abs. 2 GOG mit dem Werktag nach dem Einlangen in den elektronischen Verfügungsbereich (Zustellung per E-Mail bzw. Übermittlung des Links) festgesetzt und danach die Frist berechnet, was auch dem Revisionswerbervertreter nicht aufgefallen sei, weil einerseits seine Mitarbeiterinnen diesbezüglich extrem zuverlässig seien und üblicherweise mit der Festlegung (Stempel im Akt) des Zustellzeitpunktes der verantwortliche Anwalt einer Kanzlei nicht direkt zu tun habe.
14 So sei auch im gegenständlichen Fall von der zuverlässigen Mitarbeiterin V., die diese Revision zur Bestätigung dieses Vorbringens an Eides statt mitunterfertigt habe, der Zustellzeitpunkt mit 4. September 2019 festgelegt und die Frist mit 16. Oktober 2019 eingetragen worden.
15 Es liege daher sowohl beim Revisionswerbervertreter als auch bei der genannten Mitarbeiterin (durch die Festlegung des falschen Zustellzeitpunktes) nur ein minderer Grad des Versehens vor, weil es sich ja auch um eine Gerichtsentscheidung gehandelt habe und die Diskrepanz zwischen Zustellungen der Zivilgerichte und der elektronischen Zustellung durch das Landesverwaltungsgericht bis jetzt mangels eines konkreten Fristversäumnisses nicht aufgefallen sei.
16 3. Gemäß § 26 Abs. 1 VwGG beträgt die Frist zur Erhebung einer Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes (Revisionsfrist) sechs Wochen. Sie beginnt nach Abs. 1 Z 1 leg. cit. in den Fällen des Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG dann, wenn das Erkenntnis dem Revisionswerber zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn das Erkenntnis dem Revisionswerber nur mündlich verkündet wurde, jedoch mit dem Tag der Verkündung.
17 Selbst bei Vorliegen eines Zustellmangels (wofür es gegenständlich allerdings keinen Anhaltspunkt gibt) gälte gemäß § 7 Zustellgesetz die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dies bei einer elektronischen Zustellung jener Zeitpunkt, in dem der Empfänger durch Zugriff auf das elektronisch bereitgehaltene Dokument Kenntnis davon erlangt hat (vgl. etwa VwGH 5.9.2018, Ro 2017/12/0010; 5.3.2020, Ra 2019/19/0386, jeweils mwN).
18 Wie bereits ausgeführt - und auch vom Revisionswerber trotz des Vorbringens seines Rechtsvertreters, der Zeitpunkt des Abholens des Erkenntnisses über den elektronisch bereitgestellten Link sei kanzleiintern nicht mehr nachvollziehbar, für möglich erachtet - wurde das angefochtene Erkenntnis vom Rechtsvertreter des Revisionswerbers am 3. September 2019 (dem Tag der Übermittlung des Links per E-Mail und der bestätigten Übernahme) elektronisch abgeholt und somit jedenfalls an diesem Tag zugestellt.
19 Ausgehend vom Beginn der Revisionsfrist am 3. September 2019 endete die sechswöchige Frist des § 26 Abs. 1 VwGG mit Ablauf des Dienstags, 15. Oktober 2019. Die am 16. Oktober 2019 eingebrachte außerordentliche Revision erweist sich somit - vorbehaltlich der nachfolgenden Beurteilung des Wiedereinsetzungsantrages - als verspätet.
20 4. Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:
21 Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Ein minderer Grad des Versehens hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht.
22 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten, nicht jedoch ein Verschulden anderer Personen (VwGH 21.6.2018, Ra 2018/07/0355, mwN).
23 Das Verschulden eines Kanzleibediensteten stellt für den Vertreter dann ein unvorhergesehenes oder ein unabwendbares Ereignis dar, wenn der Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber den Kanzleibediensteten nachgekommen ist. Dabei wird durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen sein, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Der Vertreter verstößt demnach auch dann gegen die ihm obliegende Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Fall des Versagens einer Kanzleikraft Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind (vgl. erneut VwGH Ra 2018/07/0355, mwN).
24 Ein beruflicher rechtskundiger Parteienvertreter hat seine Kanzlei so zu organisieren, dass nach menschlichem Ermessen die Versäumung von Fristen ausgeschlossen ist (vgl. nochmals VwGH Ra 2018/07/0355, mwN). Ferner bedarf die Frage, binnen welcher Frist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof einzubringen ist, jedenfalls einer Beurteilung durch den einschreitenden Rechtsanwalt selbst (VwGH 30.6.2016, Ra 2015/19/0155, mwN).
25 Nach der Begründung des vorliegenden Wiedereinsetzungsantrages habe die näher genannte Kanzleikraft „irrtümlich auch den Zustellzeitpunkt bei elektronisch übermittelten Erledigungen des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark bzw. auch anderer Landesverwaltungsgerichte im Sinne des § 89d Abs. 2 GOG mit dem Werktag nach dem Einlangen in den elektronischen Verfügungsbereich (Zustellung per E-Mail bzw. Übermittlung des Links) festgesetzt und danach die Frist berechnet, was auch (dem Revisionswerbervertreter) nicht aufgefallen ist“.
26 Daraus erschließt sich aber, dass in der Kanzlei des Rechtsvertreters des Revisionswerbers offenbar bereits in mehreren Fällen der elektronischen Zustellung von Erledigungen von Landesverwaltungsgerichten eine unrichtige Eintragung des Zustellzeitpunktes erfolgte, ohne dass dies dem Revisionswerbervertreter aufgefallen wäre, was gegen das Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems im Sinne der zitierten Rechtsprechung spricht.
27 Darüber hinaus erfolgt nach dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag in der Kanzlei des Revisionswerbervertreters im Zusammenhang mit elektronisch übermittelten gerichtlichen Eingaben die Eintragung und Berechnung von Fristen aufgrund der Bestimmung des § 89d Abs. 2 GOG auf Weisung des Revisionswerbervertreters. Dass in dieser Weisung auf Unterschiede der Zustellzeitpunkte bei Zustellungen von Zivilgerichten einerseits und der elektronischen Zustellung durch Landesverwaltungsgerichte andererseits hingewiesen worden wäre, wird im Wiedereinsetzungsantrag nicht vorgebracht.
28 Angesichts der dargelegten Umstände und vor dem Hintergrund der bereits zitierten Judikatur, wonach die Frage, binnen welcher Frist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof einzubringen ist, jedenfalls einer Beurteilung durch den einschreitenden Rechtsanwalt selbst bedarf, wurde somit mit dem Wiedereinsetzungsantrag nicht dargetan, dass dem Revisionswerber an der Versäumung der Revisionsfrist kein Verschulden oder ein lediglich minderer Grad des Versehens anzulasten ist.
29 Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher gemäß § 46 Abs. 1 und Abs. 4 VwGG abzuweisen.
30 5. Da sich die Revision somit aus den bereits dargelegten Erwägungen als verspätet erweist, war sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 30. August 2021
Schlagworte
Zeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der RechtswirkungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019070114.L00Im RIS seit
27.09.2021Zuletzt aktualisiert am
18.10.2021