Entscheidungsdatum
16.08.2021Index
50/01 GewerbeordnungNorm
GewO 1994 §19Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Hohenhorst über die Beschwerde von AA, geb am **.**.****, wohnhaft in Adresse 1, **** Z, vom 15.07.2021, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 17.06.2021, Zl ***, betreffend Verfahren nach § 19 GewO 1994, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben und gemäß § 19 GewO 1994 festgestellt, dass AA, geb am **.**.****, die individuelle Befähigung für die Ausübung des Gewerbes „Karosseriebauer einschließlich Karosseriespengler und Karosserielackierer, eingeschränkt auf Karosseriebauer und weiters eingeschränkt auf den Einbau (Montage) von Kippeinrichtungen, Be- und Entladehilfen (Kränen, Ladebordwände, Hebebühnen und Kippeinrichtungen)“ erbringt.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Mit dem angefochtenen Bescheid stellte die Bezirkshauptmannschaft Z gemäß § 19 GewO fest, dass die individuelle Befähigung von AA zur Ausübung des Gewerbes „Karosseriebauer einschließlich Karosseriespengler und Karosserielackierer, eingeschränkt auf Karosseriebauer und weiters eingeschränkt auf den Einbau (Montage) von Kippeinrichtungen, Be- und Entladehilfen (Kränen, Ladebordwände, Hebebühnen und Kippeinrichtungen)“ nicht vorliegt.
Dagegen richtet sich die fristgerechte und zulässige Beschwerde, in welcher AA Rechtswidrigkeit und falsche Beweiswürdigung rügt. Insbesondere richtet sich das Rechtsmittel gegen die Feststellung, dass er den Befähigungsnachweis nicht erbracht hätte. Verwiesen werde in diesem Zusammenhang auf die Bestimmungen von § 18 GewO 1994 und § 2 Z 5 der Befähigungsnachweisverordnung. Seit 09.03.2014 sei er Betriebsleiter des Gesamtunternehmens BB GmbH und trage sowohl die kaufmännische als auch die technische Verantwortung. Es handle sich um ein gesamtheitliches Handwerksunternehmen aus Maschinen- und Fertigungstechnik in Verbindung mit Karosseriebau. Er trage als Stellvertreter seines Vaters und Betriebsleiter sowohl kaufmännisch als auch technisch die unternehmerische Verantwortung seit mindestens 7 Jahren. Es werde deshalb ersatzlose Bescheidbehebung beantragt und die Feststellung der formellen Befähigung, in eventu Ergänzung des Beweisverfahrens durch zeugenschaftliche Einvernahme der Betriebsvorgänger sowie des Steuerberaters zum Nachweis einer vollumfänglichen Betriebsleitertätigkeit.
In der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 11.08.2021 führte AA darüberhinausgehend Folgendes aus:
„Nach der Absolvierung von Volksschule und Hauptschule besuchte ich 2 Jahre die Handelsschule und absolvierte nachher die Lehre als bautechnischer Zeichner, die ich mit der Lehrabschlussprüfung abschloss. Nach Abschluss der Lehre bin ich direkt in den Betrieb meines Vaters gewechselt und habe im Betrieb von meinem Vater die Planung für den Maschinenbau übernommen. Dazu zählte auch die Planung für den Karosseriebau und von Anhängern.
Wenn mich der Verhandlungsleiter fragt, wie ich mit meiner bisherigen Ausbildung bereits die Fertigkeiten und Fähigkeiten zur Planung der Wagen hatte, führe ich an, dass wir relativ einfache Anhänger für die Holzwirtschaft herstellen. Das war im Jahr 2005 und ich bin Schritt für Schritt in das Unternehmen hineingewachsen. Es gibt Tabellenbücher für den Stahlbau, welche auch mein Vater verwendet, wo zB drinnen steht, dass ein Träger mit bestimmten Maßen und Wandstärken gewisse Lasten erfüllt. Wir arbeiten bei unserem Projekt mit Zivilingenieuren zusammen, die die Produkte auch von Fall zu Fall abnehmen.
Wenn sich aus dem Sozialversicherungsauszug ergibt, dass ich vom 02. bis zum 31.08.2000 als Arbeiter im Gewerbebetrieb meines Vaters angemeldet war, so führe ich dazu an, dass ich während der Sommerferien immer im Betrieb meines Vaters gearbeitet habe. Damals habe ich in der Werkstätte mitgeholfen. Dort habe ich einfache Arbeiten gemacht, wie zB Löcher bohren ins Metall und Gewinde schneiden.
Wenn ich vom 09.07. bis 23.11.2001 als Arbeiter der BB GmbH gemeldet war, so muss dies in der Zeit gewesen sein, nach der ich die Handelsschule abgebrochen habe. Damals habe ich auch in der Werkstätte und im Verkauf mitgeholfen. Handels- und gewerberechtlicher Gesellschafter war damals mein Vater, soweit ich mich erinnere, war meine Mutter damals auch als Gesellschafterin beteiligt. Danach absolvierte ich die Lehrausbildung als bautechnischer Zeichner bei der Firma CC in Z.
Seit 04.04.2005 bin ich als Angestellter der BB GmbH gemeldet. Ich wurde seither von meinem Vater ausgebildet und bin gleichsam Schritt für Schritt in das Unternehmen hineingewachsen.
Wenn ich gefragt werde, worin der Unterschied der Tätigkeiten zwischen meinem Vater, der das Karosseriebaugewerbe hat, und der BB GmbH mit dem Gewerbe Maschinen- und Fertigungstechniker besteht, führe ich aus, dass mein Vater alles macht, von Büroarbeit, Kunden besuchen über die Planung; wir sind ein Familienunternehmen. Inzwischen mache ich genau dieselben Tätigkeiten wie mein Vater. De facto gibt es zwischen diesen beiden Gewerbeberechtigungen in unserem Unternehmen keinen Unterschied, sie greifen ineinander. Das letzte Projekt, welches ich beispielsweise alleine durchgeführt habe, waren die Entlüftungsklappen im Y-tunnel, welche sowohl maschinen- als auch karosseriebautechnische Elemente enthalten; gleiches gilt beispielsweise für Sonderaufbauten für Raupen der Firma DD, wo zB maschinenbautechnisch die Hydraulikanlagen gegeben sind und karosseriebautechnisch die Stahlaufbauten auf der Raupe. Ich habe die Planung und den Verkauf dieses Produktes durchgeführt. In der Werkstätte arbeite ich normalerweise nicht, das machen unsere Angestellten. Sollten die Arbeiter auf ein Problem stoßen, dann ist es so, dass sie mich rufen und wir zusammen besprechen, wie das Problem zu lösen ist.
Das Unternehmen wurde vor über 30 Jahren von meinem Vater gegründet und angefangen hat er mit Betonschneidarbeiten. Mein Vater ist im Prinzip ein Erfinder, der für das Betonschneiden dann Maschinen entworfen hat für ganz spezielle Einsätze. Wir haben zB damals eine Bandsäge konstruiert, damit man bei der Y-schnellstraße eine Brücke abschneiden konnte. Diese Maschinen waren mit Hydraulik betrieben, das hat mein Vater konstruiert und gebaut. Dies erwähne ich in dem Zusammenhang, nachdem der Verhandlungsleiter erwähnt, dass mein Vater bezüglich seiner Befähigung auch eine Nachsicht vom Befähigungsnachweis erhalten hatte. Auch wenn ich diesbezüglich nie eine Berufsschule besucht habe, da ich die entsprechende Lehre nicht absolvierte, wurden mir sämtliche auch theoretischen Fertigkeiten von meinem Vater beigebracht.
Beispielsweise fertigen wir auch die Materialien für den Bau von Klettersteigen, wir produzieren beispielsweise die Anker und Haken; die Maschinen zur Fertigung dieser Produkte haben auch wir selbst gefertigt. Wir beliefern mit diesen Materialien beispielsweise das Land Tirol, die Firmen EE, FF, GG, JJ. Diese Firmen verwenden unsere Materialien beispielsweise für die Errichtung von Felssturzsicherungen. Beispielsweise beliefern wir auch die Alpenvereine in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit Klettersteigmaterialien. Unsere Firma bezieht von den Stahlwerken das Rohmaterial, welches in unserer Firma dann entsprechend verarbeitet wird. In den Karosseriebau fallen nicht nur Fahrzeuge, sondern beispielsweise auch Wasserkraftanlagen. Wir bauen beispielsweise das sogenannte Tiroler Wehr bei der Wasserfassung für Kraftwerke. Diese Sandfänge sind je nach Anlage beispielsweise 12 m lang, 2 m breit und 1,50 m hoch. Dies wird dann im Erdreich einbetoniert und muss so gebaut sein, dass es statisch die Lasten hält. Dies lässt sich aus den Stahltabellen berechnen. Diese Sachen werden uns von Statikern noch abgenommen, damit alles passt. Beispielsweise haben wir beim X jetzt gerade eine Hängebrücke konstruiert und auch selbst eingebaut; diese Brücke ist 15 m lang. Gestern war ich mit dem Statiker bei dieser Brücke, der den statischen Nachweis für diese Brücke erbracht hat. Sämtliche unternehmerischen Tätigkeiten werden in kaufmännischer Hinsicht der BB GmbH zugerechnet und von dieser versteuert. Mein Vater und ich werden als Arbeitnehmer von der GmbH entlohnt. Es gab in der Vergangenheit niemals Schadenersatzansprüche gegen unsere Firma wegen fehlerhafter Produkte.
Die BB GmbH beschäftigt neben meinem Vater und mir im Büro 3 Vollzeitkräfte und in der Werkstätte inklusive eines derzeitigen Ferialpraktikanten 4 Personen. Wenn wir beispielsweise Klettersteige montieren, engagieren wir dafür Fremdpersonal, welches über die entsprechenden alpinistischen Fähigkeiten verfügt. Die 3 Facharbeiter in der Werkstätte haben die Lehren Maschinenbau bzw Schweißer abgeschlossen. Sämtliche Mitarbeiter werden von der BB GmbH zur Sozialversicherung gemeldet. Darin liegt auch der Grund, dass ich seit 2005 immer bei der BB GmbH zur Sozialversicherung gemeldet war.
Ich bin seit 01.05.2020 handelsrechtlicher Geschäftsführer und seit 16.09.2020 gewerberechtlicher Geschäftsführer der BB GmbH. Davor war dies mein Vater. Anlass für meine Geschäftsführerbestellung war ein schwerer Unfall meines Vaters im Jahr 2014, wo er lange ausgefallen ist bzw ist seine Hand bis heute noch beeinträchtigt. Da mein Vater bereits das nötige Alter für die Pensionierung hätte, ist geplant, das Unternehmen auf mich zu übertragen. Wenn ich das Unternehmen nicht übernehmen würde, müsste man es zusperren, da es sonst keinen Interessenten für die Übernahme gäbe.
Mein Vater erlitt am 09.03.2014 einen schweren Kletterunfall, wobei er sich die Schulter, Arm und Handgelenk mehrfach brach. Mein Vater ist dann dadurch lange ausgefallen und ich musste mich von heute auf morgen um alles im Unternehmen kümmern. Dies hat auch funktioniert, es musste schließlich funktionieren. Erst seit ca einem Jahr arbeitet mein Vater wieder normal in der Firma. Mein Vater war schon davor auch verfügbar, konnte aber nicht selbst anpacken. Eine förmliche Bestellung zum Stellvertreter meines Vaters durch diesen gibt es nicht. Dies ist faktisch erfolgt. Seit dem Jahr 2014 ist es so, dass ich sämtliche Tätigkeiten in der Firma erledige, eben sowohl kaufmännische als auch technische, wie es mein Vater davor gemacht hat. Dies mache ich seither ununterbrochen. Mein Vater konnte beispielsweise mit seiner Hand nicht einmal mehr Autofahren. So musste ich auch die ganzen Kundenbesuche übernehmen und mich um den Einkauf für die Bestandteile kümmern.
Wenn ich gefragt werde, warum die Konstruktion besteht, dass das Karosseriebaugewerbe mein Vater hat und das Maschinen- und Fertigungstechnikergewerbe die BB GmbH gebe ich an, dass das heute eigentlich niemand mehr genau weiß, und mein Vater sich auch nicht sicher ist, ob nicht damals im Zuge der Gewerbeanmeldung bei der Bezirkshauptmannschaft Z etwas falsch aufgefasst wurde.
Wenn ich in meinem Rechtsmittelbescheid Behebung und Stattgabe des Begehrens auf Feststellung der formellen Befähigung beantragt habe, mir der Verhandlungsleiter mitteilt, dass mein Antrag vom 19.03.2021 und der bekämpfte Bescheid auf Feststellung der individuellen Befähigung (§ 19 GewO) lauten, teile ich mit, dass meine Intension in der Richtung besteht, dass festgestellt wird, dass die individuelle Befähigung des von mir angeführten Gewerbes vorliegt.
Abschließend darf ich noch anführen, dass unser Unternehmen über eine gute Auftragslage verfügt und wir deswegen ab 01.09. des heurigen Jahres einen weiteren Mitarbeiter beschäftigen können.“
II. Sachverhalt:
KK, der Vater des Beschwerdeführers, gründete vor ca 30 Jahren ein Unternehmen, welches Betonschneidearbeiten durchführte. Er entwarf Betonschneidemaschinen für spezielle Einsätze und so kam es zur Gründung der BB GmbH in W. Diese GmbH, deren handels- und gewerberechtlicher Geschäftsführer KK bis ins Jahr 2020 war, verfügt seit dem 01.05.2002 über das reglementierte Gewerbe des Maschinen- und Fertigungstechniker gemäß § 94b Z 12 GewO 1994, eingeschränkt auf die Planung, Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung und Prüfung von mechanischen/hydraulischen und pneumatischen Maschinen und Maschinenteilen, Pumpen, Verdichtern, Förderanlagen, Apparaten und Werkzeugen. KK als natürliche Person verfügt seit dem selben Tag über das reglementierte Gewerbe „Karosseriebauer einschließlich Karosseriespengler und Karosserielackierer, eingeschränkt auf Karosseriebauer und weiters eingeschränkt auf den Einbau (Montage) von Kippeinrichtungen, Be- und Entladehilfen (Kränen, Ladebordwände, Hebebühnen und Kippeinrichtungen)“. Warum das eine Gewerbe auf die GmbH eingetragen wurde und das andere Gewerbe auf KK als natürliche Person, ist nicht mehr feststellbar, Tatsache ist, dass sämtliche Unternehmenstätigkeiten in kaufmännischer, sozialversicherungsrechtlicher und steuerrechtlicher Hinsicht durch die BB GmbH erfolgen. Sämtliche dort tätige Personen, einschließlich KK und AA sowie die derzeit drei Büroarbeitskräfte und vier Personen in der Werkstätte, sind Arbeitnehmer der BB GmbH. AA besuchte nach Absolvierung von Volks- und Hauptschule zwei Jahre die Handelsschule. Während der Sommerferien arbeitete er in der BB GmbH und half dort in der Werkstätte mit einfachen Arbeiten mit. Nach Abbruch der Handelsschule absolvierte er die Lehre als bautechnischer Zeichner, welche er mit der Lehrabschlussprüfung vom 02.09.2005 abschloss. Am 22.11.2006 legte AA die Abschlussprüfung für das Führen von Staplern mit Erfolg ab. Seit 04.04.2005 ist er als Angestellter der BB GmbH beschäftigt. Er wurde von seinem Vater in die praktischen und theoretischen Kenntnisse der beiden in diesem Unternehmen praktizierten Gewerbeberechtigungen eingeführt und wuchs so schrittweise in das Unternehmen hinein.
Die BB GmbH stellt verschiedene Produkte im Bereich des Karosseriebaus und von mechanischen, hydraulischen und pneumatischen Maschinen her. Darunter fallen beispielsweise Anhänger für die Holzwirtschaft, Sonderaufbauten für Raupenfahrzeuge und Lüftungsklappen für Tunnel, Materialien für den Bau von Klettersteigen, die Herstellung von alpinen Hängebrücken, der Bau von Bandsägen einschließlich der Konstruktion und des Baus der dafür nötigen Fertigungsmaschinen, die Herstellung von Materialien für die Errichtung von Felssturzsicherungen, der Bau von Sandfängen für die Wasserfassung von Kraftwerken und dergleichen. Für die Konstruktion und Berechnung der Festigkeit bzw Stabilität derartiger Produkte gibt es Tabellenbücher für den Stahlbau, aus denen sich die Maße, Wandstärken usw für die geforderten Lasten und Kräfte entnehmen lassen. Diese Produkte werden von KK und AA geplant. Vor Übergabe an die Kunden bzw Einbau werden die Produkte von Zivilingenieuren bzw Statikern abgenommen. Schadenersatzansprüche wegen fehlerhafter Produkte hat es gegen die BB GmbH in der Vergangenheit nie gegeben.
Am 09.03.2014 erlitt KK einen schweren Kletterunfall, bei dem er mehrere Brüche von Schulter, Arm und Handgelenk erlitt und erst wieder seit ca einem Jahr normal im Unternehmen mitarbeiten kann. Nach dem Unfall konnte er lange Zeit überhaupt nichts arbeiten und musste AA sämtliche Tätigkeiten seines Vaters übernehmen, so neben der Büroarbeit und der Planung auch die Kundenbesuche. Seit diesem Unfall seines Vaters im Jahr 2014 erledigt AA sämtliche Arbeiten des Unternehmensleiters, sowohl in kaufmännischer als auch in technischer Hinsicht, und das ununterbrochen. Da KK inzwischen das Pensionsalter erreicht hat, ist geplant, das Unternehmen auf AA zu übertragen. Aus diesem Grund wurde AA am 01.05.2020 als handelsrechtlicher Geschäftsführer und am 16.09.2020 als gewerberechtlicher Geschäftsführer der BB GmbH bestellt.
III. Beweiswürdigung:
Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den Akten der Bezirkshauptmannschaft Z und des Landesverwaltungsgerichts Tirol und dabei wieder insbesondere aus der Aussage des Beschwerdeführers AA im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht. Dort legte der Rechtsmittelwerber in glaubwürdiger und nachvollziehbarer Weise die Unternehmensstruktur dar, beschrieb die Produktpalette und seine Tätigkeitsbereiche im Unternehmen. Aufgrund der authentischen und lebensnahen Schilderung des Beschwerdeführers hat für das Landesverwaltungsgericht kein Grund für die Annahme bestanden, dass die Schilderungen des Beschwerdeführers nicht der Realität entsprechen würden. So hat sich beispielsweise erklärt, warum AA seit dem 04.04.2005 als Angestellter der BB GmbH und nicht bei seinem Vater als Person zur Sozialversicherung gemeldet ist, weil sämtliche Tätigkeiten von dieser GmbH ausgeübt werden und nicht nur die Mitarbeiter, sondern auch KK selbst als Dienstnehmer dieser GmbH beschäftigt und gemeldet sind. Es kann dem Beschwerdeführer deshalb nicht unterstellt werden, erst seit seiner Bestellung zum Geschäftsführer im vergangenen Jahr eine entsprechend leitende Tätigkeit in dieser ausgeübt zu haben.
Auch wenn es zu keiner formellen Bestellung von AA durch seinen Vater KK zu seinem Stellvertreter gekommen ist, konnte der Beschwerdeführer in glaubwürdiger Weise darlegen, dass er seit dem schweren Unfall seines Vaters am 09.03.2014 sämtliche Tätigkeiten des Unternehmens in leitender Stellung mit kaufmännischen und technischen Aufgaben mit der damit verbundenen Verantwortung übernehmen musste. Der Beschwerdeführer konnte auch nachvollziehbar darlegen, dass die auf seinen Vater lautende Gewerbeberechtigung des Karosseriebauers von diesem immer im Rahmen seiner Tätigkeit in der BB GmbH ausgeübt wurde und an keiner anderen Betriebsstätte.
IV. Rechtslage:
Im gegenständlichen Fall ist folgende Bestimmung der Gewerbeordnung 1994 anzuwenden:
„§ 19 Gewerbeordnung
Individueller Befähigungsnachweis
§ 19. Kann der nach § 18 Abs. 1 vorgeschriebene Befähigungsnachweis nicht erbracht werden, so hat die Behörde unter Bedachtnahme auf Vorschriften gemäß § 18 Abs. 4 das Vorliegen der individuellen Befähigung festzustellen, wenn durch die beigebrachten Beweismittel die für die jeweilige Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen nachgewiesen werden. Die Behörde hat das Vorliegen der individuellen Befähigung mit der Beschränkung auf Teiltätigkeiten des betreffenden Gewerbes auszusprechen, wenn die Befähigung nur in diesem Umfang vorliegt. § 373d Abs. 5 ist sinngemäß anzuwenden.“
Weiters anzuwenden ist in diesem Fall die Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über das verbundene Handwerk der Kraftfahrzeugtechnik und der Karosseriebauer einschließlich Karosseriespengler und Karosserielackierer, BGBl II Nr 64/2003 in der Fassung Artikel 27 BGBl II Nr 399/2008, welche folgendermaßen lautet:
„Auf Grund des § 18 Abs. 1 der Gewerbeordnung 1994, BGBl. Nr. 194, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 111/2002, wird verordnet:
§ 1 Durch die im Folgenden angeführten Belege ist die fachliche Qualifikation zum Antritt des Handwerks der Kraftfahrzeugtechniker (§ 94 Z 43 GewO 1994) als erfüllt anzusehen:
1. Zeugnis über die erfolgreich abgelegte Meisterprüfung oder
2. Zeugnisse über
a) den erfolgreichen Abschluss einer Studienrichtung oder eines Fachhochschul- Studienganges, deren/dessen schwerpunktmäßige Ausbildung im Bereich Maschinenbau liegt, und
b) eine mindestens einjährige fachliche Tätigkeit (§18 Abs. 3 GewO 1994) oder
3. Zeugnisse über
a) den erfolgreichen Besuch einer berufsbildenden höheren Schule oder deren Sonderformen, deren Ausbildung im Bereich Maschineningenieurwesen oder Maschinenbau mit einem für das Handwerk spezifischen Schwerpunkt liegt, und
b) eine mindestens eineinhalbjährige fachliche Tätigkeit oder
4. Zeugnisse über
a) den erfolgreichen Besuch einer Werkmeisterschule für Berufstätige oder einer Fachakademie, deren Ausbildung im Bereich Maschinenbau mit einem für das Handwerk spezifischen Schwerpunkt liegt, und
b) die erfolgreich abgelegte Unternehmerprüfung, sofern diese nicht auf Grund einer Verordnung gemäß § 23 Abs. 3 GewO 1994 entfällt, und
c) eine mindestens zweijährige fachliche Tätigkeit oder
5. Zeugnis über eine ununterbrochene, mindestens sechsjährige einschlägige Tätigkeit als Selbständiger oder Betriebsleiter (§ 18 Abs. 3 GewO 1994) oder
6. Zeugnisse über
a) die erfolgreich abgelegte Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf Kraftfahrzeugmechaniker oder Kraftfahrzeugtechnik oder in einem mindestens zweijährig verwandten Lehrberuf oder den erfolgreichen Besuch einer mindestens dreijährigen berufsbildenden Schule, deren Ausbildung im Bereich Maschineningenieurwesen oder Maschinenbau mit einem für das Handwerk spezifischen Schwerpunkt liegt, und
b) eine nachfolgende ununterbrochene, mindestens dreijährige einschlägige Tätigkeit als Selbständiger oder Betriebsleiter (§ 18 Abs. 3 GewO 1994) oder
7. Zeugnisse über
a) den erfolgreichen Abschluss einer mindestens zweijährigen staatlich oder von einer zuständigen Berufs- oder Handelsinstitution als vollwertig anerkannten Ausbildung, durch die schwerpunktmäßig die für das Handwerk spezifischen Qualifikationen vermittelt werden, und
b) eine nachfolgende ununterbrochene, mindestens vierjährige einschlägige Tätigkeit als Selbständiger oder Betriebsleiter (§ 18 Abs. 3 GewO 1994) oder
8. Zeugnisse über
a) eine ununterbrochene, mindestens dreijährige einschlägige Tätigkeit als Selbständiger und
b) eine mindestens fünfjährige einschlägige Tätigkeit als Unselbständiger oder
9. Zeugnisse über
a) die erfolgreich abgelegte Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf Kraftfahrzeugmechaniker oder Kraftfahrzeugtechnik oder in einem mindestens zweijährig verwandten Lehrberuf oder den erfolgreichen Besuch einer mindestens dreijährigen berufsbildenden Schule, deren Ausbildung im Bereich Maschineningenieurwesen oder Maschinenbau mit einem für das Handwerk spezifischen Schwerpunkt liegt, und
b) eine nachfolgende ununterbrochene, mindestens fünfjährige fachspezifische Tätigkeit in leitender Stellung (§ 18 Abs. 3 GewO 1994).
§ 2. Durch die im Folgenden angeführten Belege ist die fachliche Qualifikation zum Antritt des Handwerks der Karosseriebauer einschließlich Karosseriespengler und Karosserielackierer (§ 94 Z 43 GewO 1994) als erfüllt anzusehen:
1. Zeugnis über die erfolgreich abgelegte Meisterprüfung oder
2. Zeugnisse über
a) den erfolgreichen Abschluss einer Studienrichtung oder eines Fachhochschul- Studienganges, deren/dessen schwerpunktmäßige Ausbildung im Bereich Maschinenbau liegt, und
b) eine mindestens einjährige fachliche Tätigkeit (§ 18 Abs. 3 GewO 1994) oder
3. Zeugnisse über
a) den erfolgreichen Besuch einer berufsbildenden höheren Schule, deren Ausbildung im Bereich Maschineningenieurwesen oder Maschinenbau mit einem für das Handwerk spezifischen Schwerpunkt liegt, und
b) eine mindestens eineinhalbjährige fachliche Tätigkeit oder
4. Zeugnisse über
a) den erfolgreichen Besuch einer Werkmeisterschule für Berufstätige oder einer Fachakademie, deren Ausbildung im Bereich Maschinenbau mit einem für das Handwerk spezifischen Schwerpunkt liegt, und
b) die erfolgreich abgelegte Unternehmerprüfung, sofern diese nicht auf Grund einer Verordnung gemäß § 23 Abs. 3 GewO 1994 entfällt, und
c) eine mindestens zweijährige fachliche Tätigkeit oder
5. Zeugnis über eine ununterbrochene, mindestens sechsjährige einschlägige Tätigkeit als Selbständiger oder Betriebsleiter (§ 18 Abs. 3 GewO 1994) oder
6. Zeugnisse über
a) die erfolgreich abgelegte Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf Karosseur oder Karosseriebautechnik oder in einem mindestens zweijährig verwandten Lehrberuf oder den erfolgreichen Besuch einer mindestens dreijährigen berufsbildenden Schule, deren Ausbildung im Bereich Maschineningenieurwesen oder Maschinenbau mit einem für das Handwerk spezifischen Schwerpunkt liegt, und
b) eine nachfolgende ununterbrochene, mindestens dreijährige einschlägige Tätigkeit als Selbständiger oder Betriebsleiter (§18 Abs. 3 GewO 1994) oder
7. Zeugnisse über
a) den erfolgreichen Abschluss einer mindestens zweijährigen staatlich oder von einer zuständigen Berufs oder Handelsinstitution als vollwertig anerkannten Ausbildung, durch die schwerpunktmäßig die für das Handwerk spezifischen Qualifikationen vermittelt werden, und
b) eine nachfolgende ununterbrochene, mindestens vierjährige einschlägige Tätigkeit als Selbständiger oder Betriebsleiter (§ 18 Abs. 3 GewO 1994) oder
8. Zeugnisse über
a) eine ununterbrochene, mindestens dreijährige einschlägige Tätigkeit als Selbständiger und
b) eine mindestens fünfjährige einschlägige Tätigkeit als Unselbständiger oder
9. Zeugnisse über
a) die erfolgreich abgelegte Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf Karosseur oder Karosseriebautechnik oder in einem mindestens zweijährig verwandten Lehrberuf oder den erfolgreichen Besuch einer mindestens dreijährigen berufsbildenden Schule, deren Ausbildung im Bereich Maschineningenieurwesen oder Maschinenbau mit einem für das Handwerk spezifischen Schwerpunkt liegt, und
b) eine nachfolgende ununterbrochene, mindestens fünfjährige fachspezifische Tätigkeit in
leitender Stellung (§ 18 Abs. 3 GewO 1994).“
V. Erwägungen:
AA übte seit dem schweren Unfall seines Vaters am 09.03.2014 sämtliche leitende Tätigkeiten in der BB GmbH aus, er führte die Planung der Produkte durch, besorgte den Einkauf der Vorprodukte und Rohstoffe, absolvierte die Kundenbesuche und leitete die Büroarbeit. Aufgrund der jahrelangen Beeinträchtigung seines Vaters durch die Unfallfolgen übt er diese Tätigkeit seit nunmehr über 7 Jahren ununterbrochen aus. Aufgrund der breit gestreuten Produktpalette der BB GmbH, des Umstandes, dass neu konstruierte Produkte von Zivilingenieuren bzw Statikern vor Übergabe an die Kunden abgenommen werden und es noch nie zu Schadenersatzansprüchen gegen das Unternehmen infolge fehlerhafter Produkte gekommen ist, ist die Annahme gerechtfertigt, dass AA, der seit dem 04.04.2005 im Unternehmen tätig ist und von seinem Vater in die theoretischen und praktischen Fertigkeiten eingeschult wurde, über so viele Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen verfügt, die als erforderlich erachtet werden, um die Leistungen erbringen zu können, welche in der Regel von Inhabern des betreffenden Gewerbes verlangt werden und somit sein Ausbildungsziel in der gleichen Weise verwirklicht wurde, wie jene in den Vorschriften über den Befähigungsnachweis.
§ 2 Z 5 der Befähigungsnachweisverordnung, BGBl II Nr 64/2003 idF BGBl II Nr 399/2008, sieht die fachliche Qualifikation zum Antritt des Handwerks der Karosseriebauer einschließlich Karosseriespengler und Karosserielackierer als erfüllt an durch ein Zeugnis über eine ununterbrochene, mindestens sechsjährige einschlägige Tätigkeit als Selbständiger oder Betriebsleiter (§ 18 Abs 3 GewO 1994).
Gemäß § 18 Abs 3 GewO 1994 ist unter einer Tätigkeit als Betriebsleiter eine Tätigkeit zu verstehen, die unter anderem in einer der Funktionen als Unternehmensleiter oder Stellvertreter des Unternehmers, wenn mit dieser Stellung eine Verantwortung verbunden ist, die der des vertretenen Unternehmers entspricht oder in leitender Stellung je nach der Eigenart des betreffenden Gewerbes mit kaufmännischen oder mit kaufmännischen und technischen Aufgaben und mit der Verantwortung für mindestens eine Abteilung des Unternehmens ausgeübt wurde. Da AA seit nunmehr 7 Jahren in leitender Stellung der BB GmbH tätig ist und er mit den kaufmännischen und technischen Aufgaben mit der Verantwortung eines Unternehmensleiters befasst ist, kann darauf gestützt seine fachliche Qualifikation für das gegenständliche reglementierte Gewerbe als erfüllt angesehen werden. Damit war seiner Beschwerde stattzugeben und der bekämpfte Bescheid dahingehend abzuändern, dass das Vorliegen der individuellen Befähigung für das im Spruch erwähnte Gewerbe gemäß § 94 Z 43 GewO 1994 festgestellt wird.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr. Hohenhorst
(Richter)
Schlagworte
Individueller BefähigungsnachweisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.25.1895.3Zuletzt aktualisiert am
24.09.2021