Entscheidungsdatum
24.08.2021Index
90/02 FührerscheingesetzNorm
FSG §26 Abs3Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Visinteiner über die Beschwerde von AA, vertreten durch Rechtsanwalt BB, Adresse 1, **** Z, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 29.04.2021, Zl ***, betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung nach dem FSG,
zu Recht:
1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 29.04.2021, Zl ***, wurde dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für alle Klassen für einen Zeitraum von sechs Monaten und sechs Wochen, gerechnet ab dem Tag der Rechtskraft des Bescheides, entzogen und das Recht aberkannt von einer allfällig erteilten ausländischen Lenkberechtigung auf die Dauer des Entzuges der Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer am 24.04.2020 in Y das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen **-***** gelenkt habe und dabei die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb des Ortsgebietes um 82 km/h überschritten habe. Wegen dieser Verwaltungsübertretung sei der Beschwerdeführer bestraft worden. Außerdem habe der Beschwerdeführer am 21.10.2020 in Z das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen **-**** gelenkt und habe dabei die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb des Ortsgebietes um 66 km/h überschritten. Auch wegen dieser Verwaltungsübertretung sei er bestraft worden. Damit sei die Verkehrszuverlässigkeit nach § 7 Abs 3 Z 4 FSG nicht mehr gegeben und sei gemäß § 26 Abs 3 FSG die Lenkberechtigung für mindestens sechs Monate zu entziehen.
Dagegen hat AA fristgerecht Beschwerde erhoben und darin ausgeführt wie folgt:
„Ich, AA, erhebe fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 29.04.2021 zur Zahl *** und begründe dies wie folgt:
Die erste mir in der Begründung des Bescheides vorgeworfene Geschwindigkeitsüberschreitung wurde bereits vor mehr als einem Jahr, nämlich am 24.04.2020 begangen.
Daher geht die Behörde zu Unrecht (vgl. ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) von einem Mangel an Verkehrszuverlässigkeit nach Ablauf eines Jahres seit Tatbegehung aus.
Es ergeht daher der Antrag den angefochtenen Bescheid zu beheben. In eventuell die Entzugszeit auf sechs Wochen zu verkürzen.
Mit freundlichen Grüßen
AA“
Mit Schreiben des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 26.07.2021 wurde dem Beschwerdeführer ein Verbesserungsauftrag erteilt.
Mit Schriftsatz vom 10.08.2021 hat der Beschwerdeführer nunmehr rechtsfreundlich vertreten die Mängel behoben. In diesem Schriftsatz wurde ausgeführt wie folgt:
„1.
Mit Entzugsbescheid der belangten Behörde vom 29.04.2021 zu *** wurde dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für alle Klassen für einen Zeitraum von 6 Monaten + 6 Wochen, gerechnet ab dem Tag der Rechtskraft des Bescheides, entzogen und ihm das Recht aberkannt, von einer allfällig erteilten ausländischen Lenkberechtigung für die Dauer des Entzuges der Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen. Die belangte Behörde ist hierbei von der Bestimmung des § 26 Abs 3 FSG ausgegangen.
Der bekämpfte Bescheid ist aus folgenden Gründen mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes behaftet:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes rechtfertigt eine Übertretung nach § 7 Abs 2 Z 4 FSG dann nicht mehr die Entziehung der Lenkberechtigung, wenn zwischen der Tat (in concreto: 24.04.2020) und der Einleitung des Ent-ziehungsverfahrens (in concreto: durch den bekämpften Bescheid der belangten Behörde vom 29.04.2021) mehr als 1 Jahr verstrichen ist und der Betreffende in dieser Zeit im Verkehr nicht nachteilig in Erscheinung getreten ist (vgl. Erkenntnisse vom 24.04.2001, 2001/11/0056 und vom 17.03.2005, 2005/11/0016, jeweils mwN).
Unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer am 21.10.2020 in Z mit dem Kraftfahrzeug (Kennzeichen **-****) die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb des Ortsgebietes um 66 km/h überschritten hat. Diesem Umstand ist jedoch indes keine Nachteiligkeit in jenem Ausmaß zuzuerkennen, welcher eine Entzugsdauer im Ausmaß von 6 Monaten + 6 Wochen rechtfertigen würde. Allfällige besonders gefährliche Verhältnisse, welche eine Nachteiligkeit im Sinne der Rechtsprechung begründen würden, liegen nicht vor.
Die belangte Behörde hätte daher im Sinne des § 26 Abs 3 FSG mit einer Entzugsdauer im Ausmaß von 2 Wochen, in eventu von 6 Wochen das Auslangen finden müssen, zumal zwischen Begehung des ersten Deliktes und der Einleitung des Entziehungsverfahrens mehr als 1 Jahr vergangen ist und das weitere vom Beschwerdeführer gesetzte Delikt nicht geeignet ist, eine Nachteiligkeit im Sinne der Rechtsprechung bzw. besonders gefährliche Verhältnisse bzw. eine besondere Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern herbeizuführen.
2.
Es wird daher
beantragt,
das Landesverwaltungsgericht Tirol wolle der Beschwerde Folge geben und den bekämpften Bescheid dergestalt abändern, als dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung nicht für einen Zeitraum von 6 Monaten + 6 Wochen, sondern für einen Zeitraum von 2 Wochen, in eventu für einen Zeitraum von 6 Wochen, gerechnet ab dem Tag der Rechtskraft des Bescheides, entzogen wird.
Z, am 10.08.2021 für AA“
Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde zu Zl ***, insbesondere in die Anzeige der Polizeiinspektion Pradl vom 09.11.2020, Zl ***. Weiters wurde Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Z zu Zl *** betreffend eine Geschwindigkeitsüberschreitung nach § 52 lit a Z 10a StVO vom 24.04.2020 sowie durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Z zu Zl *** betreffend eine Geschwindigkeitsüberschreitung nach § 20 Abs 2 StVO vom 21.10.2020.
II. Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer lenkte am 24.04.2020 um 21.45 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen **-***** in der Gemeinde Y auf der B*** bei km ***und hat in diesem Bereich, welcher außerhalb eines Ortsgebietes liegt, die durch Straßenverkehrszeichen in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 82 km/h überschritten, wobei die in Betracht kommende Messtoleranz bereits zu seinen Gunsten abgezogen worden ist. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 900,00 verhängt. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde zurückgezogen und wurde mit Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 17.11.2020, Zl LVwG-***, das Beschwerdeverfahren eingestellt. Das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Z vom 29.09.2020 wurde somit rechtskräftig. Ein Entzugsverfahren wurde nicht eingeleitet, lediglich eine Anmerkung im Führerscheinregister.
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Z vom 02.03.2021, Zl ***, wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, er habe am 21.10.2020 um 21.50 Uhr in der Gemeinde Z auf der L**, Höhe Adresse 2, die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 66 km/h überschritten, wobei die in Betracht kommende Messtoleranz bereits zu seinen Gunsten abgezogen worden ist. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 1.000,00 verhängt. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Schriftsatz vom 26.03.2021 zurückgezogen und mit Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 29.03.2021, Zl LVwG-***, wurde das Beschwerdeverfahren eingestellt. Das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Z vom 02.03.2021 ist somit rechtskräftig.
Aufgrund der beiden rechtskräftigen Bestrafungen hat die Bezirkshauptmannschaft Z den nunmehr angefochtenen Bescheid erlassen, mit dem dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für alle Klassen für den Zeitraum von sechs Monaten und sechs Wochen entzogen wurde.
III. Beweiswürdigung:
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich unzweifelhaft aus dem Akt der belangten Behörde zu Zl ***. Die Feststellungen betreffend die Verwaltungsübertretungen betreffend die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ergeben sich aus dem Akt der belangten Behörde zu Zl *** sowie ***.
Die festgestellten Verwaltungsübertretungen – Geschwindigkeitsüberschreitungen werden vom Beschwerdeführer dem Grunde nach nicht bestritten. Beide Strafverfahren sind durch Zurückziehung der Beschwerde rechtskräftig geworden. Der Beschwerdeführer hat daher am 24.04.2020 um 21.45 Uhr in der Gemeinde Y auf der B*** bei km ***, die in diesem Bereich, welcher außerhalb eines Ortsgebietes liegt, die durch Straßenverkehrszeichen in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 82 km/h überschritten. Weiters hat der Beschwerdeführer am 21.10.2020 um 21.50 Uhr in der Gemeinde Z auf der L**, Höhe Adresse 2, die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 66 km/h überschritten. In beiden Fällen wurden bei dem Vorwurf die in Betracht kommende Messtoleranz bereits zu seinen Gunsten abgezogen.
Mit dem angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 29.04.2021 wurde aufgrund der zweiten rechtskräftigen Bestrafung dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für alle Klassen für einen Zeitraum von sechs Monaten und sechs Wochen entzogen.
IV. Rechtsgrundlagen:
Die hier relevanten Bestimmungen des Führerscheingesetzes lauten wie folgt:
„§ 7
Verkehrszuverlässigkeit
(1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen
1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder
2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.
(…)
(3) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:
(…)
4. die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h oder außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 50 km/h überschritten hat und diese Überschreitung mit einem technischen Hilfsmittel festgestellt wurde;
(…)
(4) Für die Wertung der in Abs. 1 genannten und in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend, wobei bei den in Abs. 3 Z 14 und 15 genannten bestimmten Tatsachen die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit nicht zu berücksichtigen ist.
§ 24
Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung
(1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs. 5 ein neuer Führerschein auszustellen.
Für den Zeitraum einer Entziehung der Lenkberechtigung für die Klassen A1, A2, A, B oder F ist auch das Lenken von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen unzulässig, es sei denn es handelt sich
1. um eine Entziehung gemäß § 24 Abs. 3 achter Satz oder
2. um eine Entziehung der Klasse A mangels gesundheitlicher Eignung, die ausschließlich mit dem Lenken von einspurigen Kraftfahrzeugen zusammenhängt.
Bei besonders berücksichtigungswürdigen Gründen kann von der Entziehung der Klasse AM hinsichtlich der Berechtigung zum Lenken von Motorfahrrädern abgesehen werden. Dies ist auch dann möglich, wenn der Betreffende die Lenkberechtigung für die Klasse AM nur im Wege des § 2 Abs. 3 Z 7 besitzt.
(…)
(3) Bei der Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung kann die Behörde begleitende Maßnahmen (Nachschulung und dgl.) oder die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung anordnen. Die Behörde hat unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 3a eine Nachschulung anzuordnen:
1. wenn die Entziehung in der Probezeit (§ 4) erfolgt,
2. wegen einer zweiten in § 7 Abs. 3 Z 4 genannten Übertretung innerhalb von zwei Jahren oder
3. wegen einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 oder 1a StVO 1960.
Die Behörde hat unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 3a und sofern es sich nicht um einen Probeführerscheinbesitzer handelt, bei der erstmaligen Übertretung gemäß § 99 Abs. 1b StVO 1960 ein Verkehrscoaching zur Bewusstmachung der besonderen Gefahren des Lenkens von Kraftfahrzeugen unter Alkoholeinfluss oder Suchtgiftbeeinträchtigung und dessen Folgen, bei Begehung einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1b StVO 1960 innerhalb von fünf Jahren ab der Begehung einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 bis 1b StVO 1960 jedoch eine Nachschulung anzuordnen. Im Rahmen des amtsärztlichen Gutachtens kann die Beibringung der erforderlichen fachärztlichen oder einer verkehrspsychologischen Stellungnahme aufgetragen werden. Bei einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 ist unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 3a zusätzlich die Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens über die gesundheitliche Eignung gemäß § 8 sowie die Beibringung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme anzuordnen. Wurde eine dieser Anordnungen innerhalb der festgesetzten Frist nicht befolgt oder wurden die zur Erstellung des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde nicht beigebracht oder wurde die Mitarbeit bei Absolvierung der begleitenden Maßnahme unterlassen, so endet die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung. Wurde von einem Probeführerscheinbesitzer die Anordnung der Nachschulung nicht befolgt oder die Mitarbeit bei dieser unterlassen, so ist die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen. Wurde die Anordnung der Absolvierung der fehlenden Stufe(n) gemäß § 4c Abs. 2 nicht befolgt oder wurde dabei die Mitarbeit unterlassen, so ist die Lenkberechtigung jener Klasse, für die die angeordnete(n) Stufe(n) nicht absolviert wurde(n), bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen. Eine diesbezügliche Entziehung der Klasse B zieht jedenfalls eine Entziehung der Klassen C(C1), CE(C1E), D(D1) und DE(D1E) nach sich. Die Anordnung der begleitenden Maßnahme oder des ärztlichen Gutachtens hat entweder im Bescheid, mit dem die Entziehung oder Einschränkung ausgesprochen wird, oder in einem gesonderten Bescheid zugleich mit dem Entziehungsbescheid zu erfolgen. Die Behörde hat eine angemessene Frist zu setzen, innerhalb derer das Verkehrscoaching zu absolvieren ist. Wird das Verkehrscoaching nicht innerhalb dieser Frist absolviert, hat die Behörde die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.
(…)
§ 25
Dauer der Entziehung
(1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen. Endet die Gültigkeit der Lenkberechtigung vor dem Ende der von der Behörde prognostizierten Entziehungsdauer, so hat die Behörde auch auszusprechen, für welche Zeit nach Ablauf der Gültigkeit der Lenkberechtigung keine neue Lenkberechtigung erteilt werden darf.
(…)
(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens 3 Monaten festzusetzen. Sind für die Person, der die Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit zu entziehen ist, zum Zeitpunkt der Entziehung im Vormerksystem (§ 30a) Delikte vorgemerkt, so ist für jede dieser im Zeitpunkt der Entziehung bereits eingetragenen Vormerkungen die Entziehungsdauer um zwei Wochen zu verlängern; davon ausgenommen sind Entziehungen auf Grund des § 7 Abs. 3 Z 14 und 15.
§ 26
Sonderfälle der Entziehung
(…)
(3) Im Falle der erstmaligen Begehung einer in § 7 Abs. 3 Z 4 genannten Übertretung – sofern die Übertretung nicht geeignet war, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen oder nicht mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern begangen wurde (§ 7 Abs. 3 Z 3) oder auch eine Übertretung gemäß Abs. 1 oder 2 vorliegt – hat die Entziehungsdauer
1. zwei Wochen,
2. wenn die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 60 km/h oder außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 70 km/h überschritten worden ist, sechs Wochen,
3. wenn die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 80 km/h oder außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 90 km/h überschritten worden ist, drei Monate
zu betragen. Bei wiederholter Begehung einer derartigen Übertretung innerhalb von zwei Jahren hat die Entziehungsdauer, sofern in keinem Fall eine Qualifizierung im Sinne der Z 2 oder 3 gegeben ist sechs Wochen, sonst mindestens sechs Monate zu betragen. Eine nach Ablauf von zwei Jahren seit der letzten Übertretung begangene derartige Übertretung gilt als erstmalig begangen.
(…)“
V. Rechtliche Erwägungen:
Der Beschwerdeführer hat am 24.04.2020 außerhalb des Ortsgebietes die durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 82 km/h überschritten, wobei die in Betracht kommende Messtoleranz bereits zu seinen Gunsten abgezogen worden ist. Weiters hat der Beschwerdeführer am 21.10.2020 die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 66 km/h überschritten, wobei auch hier die Messtoleranz zu seinen Gunsten bereits abgezogen worden ist. Beide Strafverfahren sind rechtskräftig. Nach Rechtskraft des Strafverfahrens betreffend die Verwaltungsübertretung vom 21.10.2020 wurde von der belangten Behörde der nunmehr angefochtene Bescheid betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung erlassen.
Aufgrund der rechtskräftigen Bestrafungen ist davon auszugehen, dass die Verkehrszuverlässigkeit nach § 7 Abs 3 Z 4 FSG beim Beschwerdeführer nicht mehr gegeben ist.
Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Verkehrszuverlässigkeit nicht mehr gegeben ist, ist von der Behörde die Lenkberechtigung entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit, zu entziehen.
Die Entziehung der Lenkberechtigung wegen Verkehrsunzuverlässigkeit (§ 7 FSG) ist als administrative Sicherungsmaßnahme und nicht als Strafe zu qualifizieren (vgl VwGH vom 25.11.2003, Zl 2002/11/0124).
§ 26 FSG sieht ein Sonderregime von (Mindest-)Entziehungsdauern vor, die von der Grundregel des § 25 Abs 3 FSG abweichen. Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde ihre Entscheidung auf § 26 Abs 3 FSG gestützt. Danach ist bei wiederholter Begehung einer derartigen Übertretung innerhalb von zwei Jahren die Entziehungsdauer, sofern in keinem Fall eine Qualifizierung im Sinne der Z 2 oder 3 gegeben ist sechs Wochen, sonst mindestens sechs Monate zu betragen. Eine nach Ablauf von zwei Jahren seit der letzten Übertretung begangene derartige Übertretung gilt als erstmalig begangen.
Dazu ist auszuführen, dass die belangte Behörde die Entziehung der Lenkberechtigung mit dem angefochtenen Bescheid erst ausgesprochen hat, nach dem die Verwaltungsübertretung bzw das Strafverfahren betreffend die Übertretung vom 21.10.2020 rechtskräftig geworden ist. Die erste derartige Begehung war am 24.04.2020 und liegt somit innerhalb von zwei Jahren. Der Beschwerdeführer hat in beiden Fällen eine sehr qualifizierte Geschwindigkeitsüberschreitung begangen. Er hat einerseits die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb des Ortsgebietes um mehr als 70 km/h, nämlich um 82 km/h, überschritten und bei der zweiten Übertretung am 21.10.2020 die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 66 km/h überschritten. Also liegt hier jeweils eine Qualifizierung im Sinne des § 26 Abs 3 Z 2 FSG vor und bedingt eine Mindestentziehung der Lenkberechtigung auf die Dauer von 6 Monaten.
Die belangte Behörde hat daher zu Recht die Entziehung der Lenkberechtigung auf § 26 Abs 3 FSG gestützt. Da der Beschwerdeführer innerhalb kurzer Zeit nämlich nach nicht einmal sechs Monaten nach der ersten Begehung eine weitere derartige qualifizierte Begehung und Verwaltungsübertretung begangen hat, ist davon auszugehen, dass beim Beschwerdeführer die Verkehrszuverlässigkeit erst nach einem Zeitraum von sechs Monaten und sechs Wochen wiedergegeben ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einer Vielzahl von Entscheidungen ausgesprochen, dass berufliche und private Umstände bei der Entziehung der Lenkberechtigung aus Gründen des öffentlichen Interesses – unter anderem verkehrsunzuverlässige Lenker – von der Teilnahme am Straßenverkehr auszuschließen, außer Betracht zu bleiben haben (siehe VwGH 24.08.1999, 99/11/0166; 25.02.2013, 2013/11/0017).
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
VI. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde zu beantragen. Auf den Anspruch auf Durchführung einer Verhandlung kann zwar verzichtet werden, was dann angenommen werden kann, wenn der Beschwerdeführer keinen Verhandlungsantrag im Sinne des § 24 Abs 3 VwGVG stellt. Ein schlüssiger Verzicht liegt aber nach der höchstgerichtlichen Judikatur nicht vor, wenn eine unvertretene Partei weder über die Möglichkeit einer Antragstellung belehrt wurde, noch Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie von dieser Möglichkeit hätte wissen müssen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 12.08.2010, 2008/10/0315, und vom 19.03.2013, 2011/21/0267 zu § 67d Abs 3 AVG).
Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt. Seit der Mängelbehebung vom 10.08.2021 ist der Beschwerdeführer rechtsfreundlich vertreten und wurde er aber auch in der Rechtsmittelbelehrung des bekämpften Bescheides ausdrücklich über die Möglichkeit der Antragstellung belehrt.
Aus der Sicht des Landesverwaltungsgerichtes war aber auch gemäß § 24 Abs 4 VwGVG eine Verhandlung nicht erforderlich, da der maßgebliche – vom Beschwerdeführer auch nicht bestrittene – Sachverhalt aufgrund der vorliegenden Akten hinreichend feststeht und die Akten erkennen lassen, dass eine Verhandlung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.
VII. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr. Visinteiner
(Richter)
Schlagworte
Entziehung der LenkerberechtigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.33.1534.3Zuletzt aktualisiert am
24.09.2021