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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art131 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, in der Beschwerdesache der X-AG in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 21. Juni 1996, Zl. V/1-BA-9615, betreffend Verfahren gemäß § 77 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: Y-AG in Z, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. A in W), den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 11. Dezember 1995 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt der mitbeteiligten Partei gemäß den §§ 77, 74 Abs. 2, 82 b, 356 Abs. 2 und 359 GewO 1994 sowie § 93 Abs. 2 ASchG die gewerbebehördliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Betriebsanlage für die Ausübung des Handelsgewerbes an einem näher bezeichneten Standort unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen. Die Auflagen Punkt 48) bis 50) haben folgenden Wortlaut:
"48) Die Sperrlinie ist im Bereich der Y-Zufahrt nicht zu unterbrechen, sondern durchzuführen. Die auf der Seite der Tankstelle zugelegte Leitlinie hat von der südwestlichen Tankstellenausfahrt über die Y-Zufahrt bis zur Grundstückseinfahrt Nr. 126/9, KG. O (Rudolf K und Miteigentümer), zu reichen.
49) Auf der Bundesstraße n1 ist für die Fahrtrichtung aus Z kommend eine Verordnung für ein Linksabbiegeverbot zu erwirken und durch Aufstellung des Verkehrszeichens (§ 52/3a StVO 1960) "Einbiegen nach links verboten" kundzumachen.
50) Für die Zufahrt auf der Bundesstraße B n1 von Z kommend in die B-Straße ist die B n1 so zu verbreitern, daß auch für diesen Linksabbiegevorgang eine verdeckte Linksabbiegespur in einer Breite von 4,75 m entsteht.
In weiterer Folge ist die B n1 Richtung E wieder auf den Bestand zu verziehen."
Gegen diesen Bescheid erhoben sowohl die Beschwerdeführerin als auch die mitbeteiligte Partei Berufung.
Mit Spruchpunkt 1. des Bescheides vom 21. Juni 1996 wies der Landeshauptmann den Antrag der Beschwerdeführerin auf Einholung eines Sachverständigengutachtens betreffend eine existenzbedrohende Umsatzminderung infolge des Linksabbiegeverbotes gemäß Auflagepunkt 49) des angefochtenen Bescheides ab. Mit Spruchpunkt 2. wies er die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab. Mit Spruchpunkt 3. wurden die Auflagenpunkte 48) bis 50) des erstbehördlichen Bescheides von Amts wegen ersatzlos behoben. In den Spruchpunkten 4. und 5. wurde über Berufung der mitbeteiligten Partei eine weitere Auflage behoben und die Betriebsbeschreibung "präzisiert bzw. das Projekt modifiziert". Zur Begründung der Spruchpunkte 1. bis 3. führte der Landeshauptmann nach Darstellung des Verfahrensganges und der maßgeblichen Rechtslage im wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin habe mit ihrem Vorbringen, durch das auf der B n1 angeordnete Linksabbiegeverbot sei ein Rückgang im Umsatz ihrer benachbarten Tankstelle zu befürchten vermeint, eine Beeinträchtigung des Eigentums belegen zu können. Sie übersehe dabei jedoch, daß sich dieses Vorbringen lediglich auf eine behauptete Erwerbsminderung beziehe. Eine solche sei jedoch im Verfahren über die Genehmigung einer Betriebsanlage nicht zu beachten. Von einer Gefährdung des Eigentums könne nach der Rechtsprechung nur gesprochen werden, wenn körperliche Beschädigungen bzw. die substantielle Gefährdung des Rechtsgutes Eigentum in seinem Bestand aufträten. Es könne daher den Ausführungen der Beschwerdeführerin wegen rechtlicher Unbeachtlichkeit nicht gefolgt werden, zumal sie ja selbst in ihrer Berufung davon ausgehe, daß jedenfalls auch weiterhin Kunden ihre Tankstelle frequentieren würden und somit ihr Eigentum weiterhin sinnvoll nutzbar bleibe. Eine darüber hinausgehende Beeinträchtigung des Eigentums durch den angefochtenen Bescheid sei weder behauptet worden noch sei eine solche ersichtlich. Aus diesen Gründen sei zu Recht eine weitere Beweisaufnahme in dieser Hinsicht unterblieben und es sei auch der Antrag auf Beiziehung eines Sachverständigen zum Beweis der existenzbedrohenden Umsatzminderung infolge des beanstandeten Linksabbiegeverbotes wegen rechtlicher Unerheblichkeit des Beweisthemas abzuweisen gewesen. Die Beschwerdeführerin verkenne das Wesen der Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage als eines antragsbedürftigen Verwaltungsaktes, wenn sie meine, es wäre Sache der Behörde gewesen, allfällige andere Varianten einer Verkehrslösung ins Kalkül zu ziehen. Nicht nachvollziehbar für die Berufungsbehörde sei auch das Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin zur Frage gewesen, ob das Projekt der mitbeteiligten Partei im öffentlichen Interesse gelegen wäre und die gegenständliche Verkehrslösung rechtfertige. Zum einen seien straßenverkehrspolizeiliche Verfahren den Gewerbebehörden nicht zugänglich, zum anderen sei dem Betriebsanlagenrecht der Gewerbeordnung jegliche Bedarfsprüfung im Zusammenhang mit dem Antrag auf Genehmigung zur Errichtung und des Betriebes einer Betriebsanlage fremd. Weder § 77 Abs. 1 noch irgendeine andere Bestimmung des Betriebsanlagenrechtes statuiere den absoluten Schutz bzw. Vorrang bestehender Betriebe und sonstiger Einrichtungen im Hinblick auf deren wirtschaftlichen Erfolg. Im Lichte der ständigen Judikatur zum Grundrecht der Freiheit des Eigentums könne auch nicht ersehen werden, warum der angefochtene Bescheid eine indirekte Enteignung darstelle, zumal die Beschwerdeführerin selbst lediglich Umsatzeinbußen für möglich halte. Die völlige Unbrauchbarkeit des Eigentumsrechtes bzw. des daraus zu ziehenden Nutzens sei zudem niemals von der Beschwerdeführerin behauptet worden. Die Gewerbebehörden könnten nach § 74 Abs. 2 Z. 4 in Verbindung mit § 77 Abs. 1 GewO 1994 nur derartige Auflagen zum Bestandteil des Spruches eines Bescheides nach den §§ 74 ff GewO 1994 erheben, die Parteien des Verfahrens verpflichteten und neben den sonstigen Kriterien einer Auflage auch in deren Disposition stünden, um die behördliche Erzwingbarkeit der Auflagen zu sichern. Erfülle eine Auflage diese Kriterien nicht, so sei sie rechtswidrig. Da die Auflagenpunkte 48. bis 50. des erstbehördlichen Bescheides nicht an die mitbeteiligte Partei, sondern an den Straßenerhalter der B n1 gerichtet seien, im Hinblick auf die Abwehr von Gefahren bzw. Belästigungen durch den Betrieb der Betriebsanlage nicht erforderlich seien und nur als Verordnung durch die Bezirkshauptmannschaft als Straßenverkehrsbehörde erster Instanz hätten erlassen werden können, sei die Vorschreibung dieser Auflagen in rechtswidriger Weise erfolgt, weshalb sie gemäß § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos aufzuheben gewesen seien.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Die mitbeteiligte Partei beantragt in ihrer Gegenschrift, die Beschwerde kostenpflichtig zurück-, allenfalls abzuweisen.
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin
"in unserem Recht darauf, daß nicht trotz von uns nach § 74 Abs. 2 Ziff. 1 GewO 1994 erhobenen Einwendungen eine Betriebsanlagengenehmigung erteilt wird und damit in unserem aus der vorbezeichneten Norm hervorgehenden Recht darauf, daß unser Eigentum an einer Tankstelle nicht durch gewerberechtliche Genehmigung (Betriebsanlagengenehmigung) zugunsten eines anderen (benachbarten) Gewerbebetriebes gefährdet wird, durch unrichtige Anwendungen der Bestimmungen der GewO 1994, insbesondere der vorbezeichneten Norm in Verbindung mit §§ 75 und 77 dieses Gesetzes sowie durch unrichtige Anwendung der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung (§§ 37, 39, 58, 60 AVG) verletzt".
In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes macht sie geltend, durch den angefochtenen Bescheid sei zwar der ein Linksabbiegeverbot auf der Bundesstraße vorschreibende Auflagenpunkt des erstbehördlichen Bescheides beseitigt worden, es komme aber im angefochtenen Bescheid insgesamt zum Ausdruck, daß es bei dem strittigen Linksabbiegeverbot bleiben werde. Es sei somit unbeschadet der Aufhebung dieses Auflagenpunktes weiterhin davon auszugehen, daß eine zwingende Folge der Genehmigung der in Rede stehenden Betriebsanlage das besagte Linksabbiegeverbot zur Tankstelle der Beschwerdeführerin sei. Durch das strittige Linksabbiegeverbot würde sie die Lkw zur Gänze und die Pkw zu einem überwiegenden Teil als Kunden verlieren, woraus ein Umsatzrückgang von mindestens einem Drittel entstünde. In tatsächlicher Hinsicht bestreite dies die belangte Behörde nicht, sie sehe es aber deshalb als unerheblich an, weil das Eigentum der Beschwerdeführerin dadurch nur im Wert gemindert, nicht an der Substanz gefährdet werden könnte. Diese Annahme beruhe auf an sich verfehlten Überlegungen, wie noch dargestellt werden werde. Hier sei zunächst festzuhalten, daß die Beschwerdeführerin zu diesem Vorbringen auch einen Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens gestellt habe. Das dazu angegebene Beweisthema laute ausdrücklich darauf, daß eine "existenzbedrohende Umsatzminderung" eintreten würde bzw. zu befürchten wäre. Damit sei unzweifelhaft die Substanz des Eigentums angesprochen und es stelle sich davon ausgehend eindeutig als verfehlt dar, daß die belangte Behörde ihre vorerwähnte Annahme getroffen habe, ohne diesem Beweisantrag entsprochen und ohne diesen Beweisantrag ausdrücklich abgewiesen zu haben. Die Einholung des Gutachtens hätte zweifellos ergeben, daß ein so starker Umsatzrückgang zu erwarten sei, daß eine wirtschaftliche Weiterführung der Tankstelle unmöglich werden werde. Auch mit dem weiteren Vorbringen, daß eine die Beschwerdeführerin nicht belastende Verkehrslösung möglich sei, setze sich die belangte Behörde nicht ausreichend auseinander. Es gehe um die zwingenden Auswirkungen des Projektes der mitbeteiligten Partei auf den Verkehr und dadurch auf die Tankstelle der Beschwerdeführerin. Hätte die belangte Behörde die entsprechenden Überlegungen angestellt, so wäre sie zu dem Ergebnis gelangt, daß eine solche Gestaltung der Zu- und Abfahrten zum Objekt der mitbeteiligten Partei möglich sei, wodurch die besagten verkehrsmäßigen Auswirkungen auf die Tankstelle nicht einträten, konkret also das bezughabende Linksabbiegeverbot nicht erforderlich wäre. Es hätte davon ausgehend die Betriebsanlagengenehmigung nicht erteilt werden dürfen, solange keine dementsprechende Gestaltung der Zu- und Abfahrten zum Objekt der mitbeteiligten Partei gewährleistet sei. Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit legt die Beschwerdeführerin dar, der Tankstellensektor sei durch einen Umsatzrückgang um 11 % gekennzeichnet, was auch auf die gegenständliche Tankstelle zutreffe. Das sei zwar verkraftbar, nicht aber ein zusätzlicher spezifischer Umsatzrückgang um ein Drittel, wobei dies noch dazu das Minimum des zu Erwartenden sei. Die Tankstelle laufe schon jetzt mit dem absoluten Minimum an notwendigem Personal, eine diesbezügliche Reduzierung sei daher nicht mehr möglich. Auch ansonsten wäre der Umsatzrückgang von keiner nennenswerten Reduzierung von Fixkosten begleitet. Damit würden aber die Ausgaben unter die Einnahmen sinken und die Tankstelle müßte aufgegeben werden. Die belangte Behörde gehe von einem falschen Begriff des Eigentums aus. Sie argumentiere, es könnten ja noch weiterhin Kunden zur Tankstelle kommen und das Eigentum sei somit weiterhin nutzbar. Sie übersehe dabei, daß es sich bei der Tankstelle nicht um eine körperliche Sache, sondern um ein Unternehmen handle, dessen Existenz von seiner Lebensfähigkeit, das heiße davon, daß durch die wirtschaftlichen Aktivitäten ein Ertrag erzielt werde, der die Eigenkosten mindestens decke, abhänge. Die Existenzgefährdung trete demzufolge ein, wenn diese Voraussetzung - mittel- oder längerfristig - nicht mehr erfüllt sei. In diesem Fall komme es nicht bloß zu einer Wertminderung, sondern die Gesamtsache Unternehmen gehe zugrunde und es verbleibe eine Liquidationsmasse, die gerade bei einer Tankstelle relativ gering sei. Die Erstbehörde habe auch ein überwiegendes öffentliches Interesse am Objekt der mitbeteiligten Partei angenommen. Dies sei zweifellos nicht der Fall. Es würden dadurch keine zusätzlichen Arbeitsplätze geschaffen, sondern es sei im Gegenteil regional ein Arbeitsplatzverlust zu erwarten. Es würden zusätzliche Verkehrsströme herbeigeführt, die zusätzliche Kosten und eine zusätzliche Umweltbelastung bedeuteten, sodaß nationalökonomisch kein positiver Effekt zu erwarten sei.
Die Beschwerde ist nicht zulässig.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine auf Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG gestützte Beschwerde nur dann zulässig, wenn zumindest die Möglichkeit besteht, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid im Rahmen des von ihm geltend gemachten Beschwerdepunktes in einem gesetzlich normierten subjektiven Recht verletzt wurde (vgl. z.B. den hg. Beschluß eines verstärkten Senates vom 2. Juli 1981, Slg. N. F. Nr. 10.511/A).
Dem Beschwerdepunkt kommt in diesem Zusammenhang entscheidende Bedeutung zu, weil der Verwaltungsgerichtshof nach der Anordnung des § 41 Abs. 1 VwGG nicht zu prüfen hat, ob irgendein subjektives Recht des Beschwerdeführers, sondern nur ob jenes verletzt wurde, dessen Verletzung er behauptet. Durch den Beschwerdepunkt wird der Prozeßgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides gebunden ist (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. September 1984, Slg. N. F. Nr. 11.525/A).
Im vorliegenden Fall erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem als Beschwerdepunkt bezeichneten Recht, wie sich aus den Ausführungen in der Beschwerde ergibt, dadurch verletzt, daß mit der Errichtung und dem Betrieb der in Rede stehenden Betriebsanlage auf der vorbeiführenden Straße ein Linksabbiegeverbot zu ihrer Tankstelle verbunden sei.
Wie sich aus der eingangs gegebenen Darstellung des Verfahrensganges ergibt, enthält der angefochtene Bescheid eine in diese Richtung weisende Auflage nicht mehr.
Damit kann die Beschwerdeführerin - ungeachtet der Frage nach der Qualität der von ihr in diesem Zusammenhang behaupteten Eigentumsgefährdung im Sinne des § 75 Abs. 1 GewO 1994 (vgl. die in Kobzina/Hrdlicka, Gewerbeordnung 1994, S. 246 f, zitierte hg. Judikatur) - durch den angefochtenen Bescheid im Rahmen des von ihr geltend gemachten Beschwerdepunktes in einem gesetzlich normierten subjektiven Recht nicht verletzt sein.
Die Beschwerde war daher mangels Beschwerdeberechtigung gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996040184.X00Im RIS seit
20.11.2000