Entscheidungsdatum
30.08.2021Index
32/01 Finanzverfahren, allgemeines AbgabenrechtNorm
FWAG Tir 2019 §3 Abs3Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Priv.-Doz. Dr. Heißl, E.MA, über die Beschwerde von AA, vertreten durch BB, Rechtsanwalt in **** Z, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Y (belangte Behörde) vom 14.10.2020, ***, Konto Nr **** (BVE 3.12.2020), betreffend die Festsetzung der Freizeitwohnsitzabgabe nach dem Tiroler Freizeitwohnsitzabgabegesetz (TFWAG),
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
2. Die ordentliche Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang
Mit dem angefochtenen, an die Beschwerdeführerin adressierten Bescheid setzte die belangte Behörde – zusammengefasst – die Freizeitwohnsitzabgabe für das Objekt Adresse 1, GSt **1, mit € 700 (84 m2) fest.
In der dagegen erhobenen Beschwerde rügte die Beschwerdeführerin – wiederum zusammengefasst –, die Behörde hätte für sämtliche Freizeitwohnsitze im gesamten Gemeindegebiet jeweils die gesetzlich maximal mögliche Freizeitwohnsitzabgabe festgesetzt, ohne für die im gegenständlichen Ortsteil bestehenden Freizeitwohnsitze eine unterschiedliche Abgabenhöhe festzusetzen. Das Objekt werde mehrjährig an CC vermietet. Abschließend regte die Beschwerdeführerin an, das Landesverwaltungsgericht Tirol möge beim Verfassungsgerichtshof eine Prüfung der Verordnung der Gemeinde Y einleiten, und beantragte – neben der Durchführung einer mündlichen Verhandlung – den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben, in eventu der belangten Behörde die neuerliche Entscheidung aufzutragen.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 3.12.2020, wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Das im Spruch angeführte Objekt scheine im Freizeitwohnsitzverzeichnis der Gemeinde Y mit 84 m² auf und werde tatsächlich als Freizeitwohnsitz verwendet. Der Gemeinderat hätte sehr wohl unter anderem auf den Immobilienpreisspiegel sowie den Erschließungskostenfaktor der Gemeinde und damit auf den Verkehrswert der Liegenschaften Rücksicht genommen. Von der „Kann-Bestimmung“ des § 4 Abs 3 letzter Satz TFWAG hätte der Gemeinderat keinen Gebrauch gemacht. Das TFWAG gebe keinerlei Anlass zu einer Gewichtung bei einzelnen Freizeitwohnsitzen.
Im Vorlageantrag vom 9.12.2020 führte die Beschwerdeführerin keine weiteren Argumente ins Treffen.
II. Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin ist grundbücherliche Eigentümerin des Objekts Adresse 1, GSt **1, **** Y.
Das Objekt ist im Freizeitwohnsitzverzeichnis der Gemeinde Y eingetragen. Es wurde vom 1.10.2019 bis 30.9.2020 und wird nunmehr vom 1.10.2020 bis 30.9.2025 an CC, geboren xx.xx.xxxx, Adresse 2, ***** X, Deutschland, vermietet. Beide Mietverträge enthalten folgenden Passus: „Der Tourismusverband Kitzbühel bzw. das Amt der Tiroler Landesregierung erhebt für Ferienwohnungen eine Freizeitwohnsitzabgabe, die vom Mieter zu bezahlen ist, ebenso wie allfällige weitere Steuern, Gebühren und Abgaben für Freizeitwohnsitze.“
III. Beweiswürdigung
Die Eigentumsverhältnisse ergeben sich aus dem Grundbuch. Die Mietverträge vom 8.6.2019 und vom 10.9.2020 legte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 12.4.2021 nach entsprechender Aufforderung des Landesverwaltungsgericht Tirols vor. Auch in dem von der belangten Behörde vorgelegten Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 14.10.2020 scheint CC mit seit 21.10.2019 gemeldeten Nebenwohnsitz in dem Objekt auf.
IV. Rechtslage
Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl 1961/194 idF I 2019/103
§ 4 Entstehung des Abgabenanspruches
(1) Der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft. …
(3) In Abgabenvorschriften enthaltene Bestimmungen über den Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches (der Steuerschuld) bleiben unberührt.
(4) Der Zeitpunkt der Festsetzung und der Fälligkeit einer Abgabe ist ohne Einfluß auf die Entstehung des Abgabenanspruches.
§ 77 (1) Abgabepflichtiger im Sinne dieses Bundesgesetzes ist, wer nach den Abgabenvorschriften als Abgabenschuldner in Betracht kommt.
(2) Die für die Abgabepflichtigen getroffenen Anordnungen gelten, soweit nicht anderes bestimmt ist, sinngemäß auch für die kraft abgabenrechtlicher Vorschriften persönlich für eine Abgabe Haftenden.
Tiroler Freizeitwohnsitzabgabegesetz (TFWAG), LGBl 2019/79 idF 2020/46
§ 3 Abgabenschuldner
(1) Abgabenschuldner ist der Eigentümer des Grundstücks, auf dem sich der Freizeitwohnsitz befindet. Miteigentümer schulden die Abgabe zur ungeteilten Hand; dies gilt nicht im Fall von Wohnungseigentum.
(2) Abweichend vom Abs. 1 ist bei Freizeitwohnsitzen auf fremdem Grund der Eigentümer des Freizeitwohnsitzes, im Fall eines Baurechtes der Bauberechtigte Abgabenschuldner.
(3) Wird ein Freizeitwohnsitz unbefristet oder für einen längeren Zeitraum als einem Jahr an ein und dieselbe Person vermietet, verpachtet oder sonst überlassen, so ist der Inhaber des Freizeitwohnsitzes Abgabenschuldner. Der Eigentümer bzw. Bauberechtigte haftet neben dem Inhaber des Freizeitwohnsitzes als Gesamtschuldner.
(4) Änderungen in Bezug auf die Person des Abgabenschuldners sind von diesem der Gemeinde binnen eines Monats ab dem Eintritt der Änderung zu melden.
V. Erwägungen
A. Entstehen des Abgabenanspruchs
Gemäß § 4 Abs 1 BAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft. Gemäß dessen Abs 3 bleiben in Abgabenvorschriften enthaltene Bestimmungen über den Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches (der Steuerschuld) unberührt. Gemäß Abs 4 ist der Zeitpunkt der Festsetzung und der Fälligkeit einer Abgabe ohne Einfluss auf die Entstehung des Abgabenanspruches.
Diesem Grundsatz der Zeitbezogenheit von Abgabenvorschriften entsprechend hat das Landesverwaltungsgericht Tirol die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Verwirklichung des Abgabentatbestandes seiner Entscheidung zu Grunde zu legen (VwGH 31.8.2016, Ro 2014/17/0103).
Der Abgabenanspruch entsteht durch die Tatbestandsverwirklichung ohne weiteres Zutun der Behörde oder der Partei (§ 4 BAO). Dem Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches kommt in mehrfacher Hinsicht abgabenrechtlich Bedeutung zu, zB um den Beginn des Laufes der Bemessungs- oder Festsetzungsverjährung zu bestimmen (LVwG 16.9.2020, LVwG-2020/29/0286).
Der Abgabenanspruch entsteht gemäß § 5 Abs 1 erster Satz TFWAG jeweils mit Beginn des Kalenderjahres. Das TFWAG trat mit 1.1.2020 in Kraft. Somit entstand an diesem Tag der verfahrensgegenständliche Abgabenanspruch.
B. Abgabenschuldner
Grundsätzlich ist der Eigentümer des Grundstücks, auf dem sich der Freizeitwohnsitz befindet, Abgabenschuldner (§ 3 Abs 1 TFWAG; dazu LVwG Tirol 22.1.2021, LVwG-2020/20/2551). Wird jedoch ein Freizeitwohnsitz unbefristet oder für einen längeren Zeitraum als einem Jahr an ein und dieselbe Person vermietet, verpachtet oder sonst überlassen, so ist der Inhaber des Freizeitwohnsitzes gemäß § 3 Abs 3 TFWAG Abgabenschuldner. In solchen Fällen haftet der Eigentümer bzw Bauberechtigte neben dem Inhaber des Freizeitwohnsitzes als Gesamtschuldner.
Die Beschwerdeführerin ist zwar Eigentümerin des Grundstücks und wäre somit gemäß § 3 Abs 1 TFWAG Abgabenschuldnerin. Allerdings vermietete sie den Freizeitwohnsitz seit 1.10.2019. Der Mieter ist als Inhaber dieses Freizeitwohnsitzes somit – zum Zeitpunkt des Entstehens des Abgabeanspruchs – gemäß § 3 Abs 3 TFWAG Abgabenschuldner. Wer nach den Abgabenvorschriften als Abgabenschuldner in Betracht kommt, ist Abgabepflichtiger im Sinn des § 77 Abs 1 BAO (VwGH 28.6.2012, 2011/16/0119).
Die Beschwerdeführerin als Eigentümerin haftet zwar neben dem Inhaber als Gesamtschuldnerin. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Abgabenfestsetzungsbescheid primär an den Abgabepflichtigen ergehen muss, nicht an die subsidiär haftende Gesamtschuldnerin.
Die belangte Behörde hätte somit den Mieter des Freizeitwohnsitzes als Abgabenschuldner heranziehen müssen. Der angefochtene Bescheid ist aufzuheben.
C. Mündliche Verhandlung
Eine mündliche Verhandlung hält das Landesverwaltungsgericht Tirol gemäß § 274 Abs 1 Z 2 BAO nicht für erforderlich, da der zugrundeliegende Sachverhalt unstrittig ist und sich aus den vorgelegten Unterlagen zweifelsfrei ergibt.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Es fehlen die Voraussetzungen für die Erhebung einer Revision – so VwGH 7.4.2021, Ra 2021/09/0051 – zum einen etwa, wenn sich das Verwaltungsgericht auf einen klaren Gesetzeswortlaut stützen kann. Ist somit die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art 133 Abs 4 B-VG vor, und zwar selbst dann, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen wäre (dazu VwGH 6.8.2020, Ra 2020/09/0040; 20.12.2017, Ra 2017/12/0124).
B e l e h r u n g u n d H i n w e i s e
Den Parteien des Beschwerdeverfahrens steht das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung, wenn das Landesverwaltungsgericht Tirol dies in seinem Spruch zugelassen hat, eine ordentliche, ansonsten eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Die Revision ist schriftlich innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung der Entscheidung beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Sie ist – abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen – durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt, von einer Steuerberaterin bzw einem Steuerberater oder einer Wirtschaftsprüferin bzw einem Wirtschaftsprüfer abzufassen und einzubringen.
Beschwerdeführenden Parteien und den im Beschwerdeverfahren Beigetretenen steht weiters das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde ist direkt beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss – abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen – durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Wird die Verfahrenshilfe bewilligt, entfällt die Eingabengebühr und es wird eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt bestellt, die oder der den Schriftsatz verfasst.
Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Zur Vorgangsweise für die elektronische Einbringung und zu weiteren Informationen wird auf die Website des Verfassungsgerichtshofes verwiesen.
Die für eine allfällige Beschwerde oder Revision zu entrichtenden Eingabengebühr beträgt € 240 (§ 17a VfGG, § 24a VwGG).
Landesverwaltungsgericht Tirol
Priv.-Doz. Dr. Gregor Heißl, E.MA
(Richter)
Schlagworte
FreizeitwohnsitzabgabeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2020.14.2716.2Zuletzt aktualisiert am
24.09.2021