Entscheidungsdatum
02.09.2021Index
82/02 Gesundheitsrecht allgemeinNorm
COVID-19-MG §5Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Vizepräsidenten Dr. Larcher über die Beschwerde des AA, Adresse 1, **** Z, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 15.06.2021, Zl ***, betreffend eine Übertretung nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz,
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 15.06.2021, Zl ***, wurde dem Beschwerdeführer nachstehender Sachverhalt zur Last gelegt:
„AA, geb. am **.**.****, hat am 31.12.2020 seinen privaten Wohnbereich in **** Z, Adresse 1 verlassen und sich gegen 23:30 Uhr in **** Z, Adresse 2 aufgehalten, obwohl zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 und zur Verhinderung eines Zusammenbruchs der medizinischen Versorgung das Verlassen des eigenen privaten Wohnbereichs und der Aufenthalt außerhalb des eigenen privaten Wohnbereichs gemäß 2. COVID-19-Notmaßnahmenverordnung - 2. COVID-19-NotMV, BGBl. II Nr. 598/2020 in der Zeit vom 26.12.2020 bis 04.01.2021 nur zu folgenden Zwecken zulässig war:
1. Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leib, Leben und Eigentum,
2. Betreuung von und Hilfeleistung für unterstützungsbedürftige Personen sowie Ausübung familiärer Rechte und Erfüllung familiärer Pflichten,
3. Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens, wie insbesondere
a.) der Kontakt mit
aa.) dem nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Lebenspartner,
bb.) einzelnen engsten Angehörigen (Eltern, Kinder und Geschwister),
cc.) einzelnen wichtigen Bezugspersonen, mit denen in der Regel mehrmals wöchentlich physischer Kontakt oder nicht physischer Kontakt gepflegt wird,
b.) die Versorgung mit Grundgütern des täglichen Lebens,
c.) die Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen oder die Vornahme einer Testung auf SARSCoV-2 im Rahmen von Screeningprogrammen,
d.) die Deckung eines Wohnbedürfnisses,
e.) die Befriedigung religiöser Grundbedürfnisse, wie Friedhofsbesuche und individuelle Besuche von Orten der Religionsausübung, sowie
f.) die Versorgung von Tieren,
4. berufliche Zwecke und Ausbildungszwecke, sofern dies erforderlich ist,
5. Aufenthalt im Freien alleine, mit Personen aus dem gemeinsamen Haushalt oder Personen gem. Z. 3 lit. a zur körperlichen und psychischen Erholung,
6. zur Wahrnehmung von unaufschiebbaren behördlichen oder gerichtlichen Wegen, einschließlich der Teilnahme an öffentlichen Sitzungen der allgemeinen Vertretungskörper und an mündlichen Verhandlungen der Gerichte und Verwaltungsbehörden zur Wahrung des Grundsatzes der Öffentlichkeit,
7. zur Teilnahme an gesetzlich vorgesehenen Wahlen und zum Gebrauch von gesetzlich vorgesehenen Instrumenten der direkten Demokratie,
8. zum Zweck des zulässigen Betretens von Kundenbereichen von Betriebsstätten oder des zulässigen Erwerbs vorbestellter Waren gemäß den §§ 5, 7 und 8, bestimmten Orten gemäß den §§ 9, 10 und 11 sowie Einrichtungen gem. § 15 Abs. 1 Z. 1 und 2, und
9. zur Teilnahme an Veranstaltungen gemäß den §§ 12 und 13.
Es lag jedoch keiner der angeführten Gründe im gegenständlichen Fall vor.“
Dadurch habe er eine Verwaltungsübertretung nach den §§ 8 Abs 5 und 5 Abs 1 des COVID-19-Maßnahmengesetz (COVID-19-MG), BGBl I Nr 12/2020, in der Fassung (idF) BGBl I Nr 138/2020 in Verbindung mit § 1 Abs 1 der 2. COVID-19-Notmaßnahmenverordnung (2. COVID-19-NotMV), BGBl II Nr. 598/2020, begangen.
Daher sei er gemäß § 8 Abs 5 COVID-19-MG, BGBl I Nr 12/2020, idF BGBl I Nr 138/2020, mit einer Geldstrafe in Höhe von Euro 140,00 bzw einer Ersatzfreiheitsstrafe in Höhe von 64 Stunden zu bestrafen. Zusätzlich habe er gemäß § 64 VStG einen Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von Euro 14,00 zu leisten. Der Gesamtbetrag (Strafe und Kosten) wurde sohin mit Euro 154,00 festgesetzt.
Dagegen hat der Beschuldigte mit E-Mail vom 28.06.2021 fristgerecht eine aufgrund der seiner Formulierung „Bitte sie um Überprüfung“ als Beschwerde zu wertende Eingabe erhoben. In dieser führt der Beschwerdeführer zusammengefasst aus wie folgt:
Der Vorfall habe sich zu Silvester ereignet und die „netten Herrschaften“ der Polizei hätten ihm angeboten, vor Ort Euro 25,00 zu bezahlen, sodass die Polizeibeamten den Vorfall nicht zur „Corona Anzeige“ bringen würden. Daraufhin habe er die Euro 25,00 bezahlt. Jedoch habe er trotzdem die „Anzeige mit der Covid-19 Strafe“ (gemeint: das Straferkenntnis) erhalten.
Dem E-Mail des Beschwerdeführers vom 28.06.2021 angehängt war das nachstehende Lichtbild der Organstrafverfügung vom 31.12.2020, Block-Nr. ***, auf welches der Beschwerdeführer Bezug nimmt:
Lichtbild Organstrafverfügung als pdf ersichtlich
Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Y vom 06.07.2021, Zl ***, wurde die gegenständliche Beschwerde vorgelegt. Seitens der Bezirkshauptmannschaft Y wurde auf den beigeschlossenen Behördenakt und die Begründung im angefochtenen Bescheid hingewiesen. Auf die Teilnahme an einer allfälligen mündlichen Verhandlung wurde verzichtet.
II. Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer hat sich am 31.12.2020 um 23:30 Uhr in **** Z, Adresse 2 und somit außerhalb seines privaten Wohnbereiches aufgehalten, um gemeinsam mit anderen – nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden – Personen die Silvesternacht zu feiern und das Feuerwerk zu betrachten. Diese Verwaltungsübertretung liegt dem Straferkenntnis vom 15.06.2021, Zl ***, zugrunde.
Ebenfalls am 31.12.2020 bezahlte der Beschwerdeführer nachweislich Euro 25,00 auf Grundlage der Organstrafverfügung gemäß § 50 VStG, Block-Nr. ***. Dieser Organstrafverfügung liegt gemäß den Angaben auf der Organstrafverfügung die Verwaltungsübertretung „keine MNS im Fzg“ zugrunde. Der Tatzeitpunkt ist mit 23:00 Uhr angegeben und als Tatort wird der „Adresse 3“ in **** Z angeführt. Hierzu ist festzuhalten, dass die Straßenbezeichnung „Adresse 3“ weder bei der Abfrage im tiris noch bei Google-Maps ein Ergebnis erzielt. Es steht fest, dass es sich dabei um die in dem Straferkenntnis angeführte Örtlichkeit „Adresse 4“ handelt.
Die Orte der Begehung der Verwaltungsübertretungen befinden sich in unmittelbarer räumlicher Nähe zueinander, wie den nachstehenden Abbildungen zu entnehmen ist.
Abbildung 1 – Auszug Google Maps
Abbildung 2 – Auszug tirisMaps
Der Beschwerdeführer macht keine Angaben über seine Vermögensverhältnisse.
III. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem Strafakt der belangten Behörde. Das Zusammenkommen zum Zwecke der gemeinsamen Feier und der Besichtigung des Feuerwerkes ergibt sich insbesondere aus der Anzeige der Polizeiinspektion Z vom 15.01.2021, Zahl ***, und den darin wiedergegebenen Angaben des Beschwerdeführers, welcher den vorgeworfenen Sachverhalt nicht bestreitet.
Die Feststellungen betreffend die Organstrafverfügung und die Bezahlung von Euro 25,00, ergeben sich aus der seitens des Beschwerdeführers mit E-Mail vom 28.06.2021 vorgelegten Organstrafverfügung mit der Nummer ***.
Von der belangten Behörde wurde im angefochtenen Straferkenntnis geschätzt, dass der Beschwerdeführer über durchschnittliche bis eher geringe Vermögensverhältnisse verfügt. Der Beschwerdeführer hat in seiner als Beschwerde zu wertenden Eingabe vom 28.06.2021 nichts Gegenteiliges behauptet, sodass auch die Vermögensverhältnisse als unbestritten feststehen.
IV. Rechtslage:
1. COVID-19-Maßnahmengesetz:
Die relevanten Bestimmungen des COVID-19-Maßnahmengesetzes (COVID-19-MG), BGBl I Nr 12/2020, in der Fassung BGBl I Nr 138/2020, lauten zum Zeitpunkt der Begehung der Verwaltungsübertretung samt Überschrift auszugsweise wie folgt:
„Ausgangsregelung
§ 5 (1) Sofern es zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 unerlässlich ist, um einen drohenden Zusammenbruch der medizinischen Versorgung oder ähnlich gelagerte Notsituationen zu verhindern, und Maßnahmen gemäß den §§ 3 und 4 nicht ausreichen, kann durch Verordnung angeordnet werden, dass das Verlassen des privaten Wohnbereichs nur zu bestimmten Zwecken zulässig ist.
(2) Zwecke gemäß Abs. 1, zu denen ein Verlassen des privaten Wohnbereichs jedenfalls zulässig ist, sind:
1. Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leib, Leben und Eigentum,
2. Betreuung von und Hilfeleistung für unterstützungsbedürftige Personen sowie Ausübung familiärer Rechte und Erfüllung familiärer Pflichten,
3. Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens,
4. berufliche Zwecke, sofern dies erforderlich ist, und
5. Aufenthalt im Freien zur körperlichen und psychischen Erholung.“
„Strafbestimmungen
§ 8
(…)
(5) Wer einer Verordnung gemäß § 5 zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 1.450 Euro, im Nichteinbringungsfall mit Freiheitsstrafe von bis zu vier Wochen, zu bestrafen.
(…)“
2. 2. COVID-19-Notmaßnahmenverordnung:
Die maßgebliche Bestimmung der 2. COVID-19-Notmaßnahmenverordnung (2. COVID-19-NotMaV), BGBl II Nr 598/2020 in der Stammfassung, lautet samt Überschrift wie folgt:
„Ausgangsregelung§ 1 (1) Zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 und zur Verhinderung eines Zusammenbruchs der medizinischen Versorgung sind das Verlassen des eigenen privaten Wohnbereichs und der Aufenthalt außerhalb des eigenen privaten Wohnbereichs nur zu folgenden Zwecken zulässig:
1.
Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leib, Leben und Eigentum,
2. Betreuung von und Hilfeleistung für unterstützungsbedürftige Personen sowie Ausübung familiärer Rechte und Erfüllung familiärer Pflichten,
3.
Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens, wie insbesondere
a)
der Kontakt mit
aa)
dem nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Lebenspartner,
bb)
einzelnen engsten Angehörigen (Eltern, Kinder und Geschwister),
cc)
einzelnen wichtigen Bezugspersonen, mit denen in der Regel mehrmals wöchentlich physischer Kontakt oder nicht physischer Kontakt gepflegt wird,
b)
die Versorgung mit Grundgütern des täglichen Lebens,
c)
die Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen oder die Vornahme einer Testung auf SARS-CoV-2 im Rahmen von Screeningprogrammen,
d)
die Deckung eines Wohnbedürfnisses,
e)
die Befriedigung religiöser Grundbedürfnisse, wie Friedhofsbesuche und individuelle Besuche von Orten der Religionsausübung, sowie
f)
die Versorgung von Tieren,
4.
berufliche Zwecke und Ausbildungszwecke, sofern dies erforderlich ist,
5. Aufenthalt im Freien alleine, mit Personen aus dem gemeinsamen Haushalt oder Personen gemäß Z 3 lit. a zur körperlichen und psychischen Erholung,
6. zur Wahrnehmung von unaufschiebbaren behördlichen oder gerichtlichen Wegen, einschließlich der Teilnahme an öffentlichen Sitzungen der allgemeinen Vertretungskörper und an mündlichen Verhandlungen der Gerichte und Verwaltungsbehörden zur Wahrung des Grundsatzes der Öffentlichkeit,
7. zur Teilnahme an gesetzlich vorgesehenen Wahlen und zum Gebrauch von gesetzlich vorgesehenen Instrumenten der direkten Demokratie,
8. zum Zweck des zulässigen Betretens von Kundenbereichen von Betriebsstätten oder des zulässigen Erwerbs vorbestellter Waren gemäß den §§ 5, 7 und 8, bestimmten Orten gemäß den §§ 9, 10 und 11 sowie Einrichtungen gemäß § 15 Abs. 1 Z 1 und 2, und
9.
zur Teilnahme an Veranstaltungen gemäß den §§ 12 und 13.“
3. Verwaltungsstrafgesetz 1991:
Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG), BGBl Nr 52/1991, idF BGBl I Nr 58/2018, lauten samt Überschriften auszugsweise wie folgt:
„Zusammentreffen von strafbaren Handlungen
§ 22 (1) Soweit die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, ist eine Tat als Verwaltungsübertretung nur dann strafbar, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.
(2) Hat jemand durch mehrere selbstständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen oder fällt eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen, so sind die Strafen nebeneinander zu verhängen. Dasselbe gilt bei einem Zusammentreffen von Verwaltungsübertretungen mit anderen von einer Verwaltungsbehörde zu ahndenden strafbaren Handlungen.“
„§ 45 (1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn
1. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;
[…]“
V. Erwägungen:
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, sich am 31.12.2020 in Z im Bereich Adresse 2 mit Freunden getroffen zu haben, um die Silvesternacht zu feiern und das Feuerwerk zu betrachten. Hierdurch hat der Beschwerdeführer seinen eigenen privaten Wohnbereich verlassen und sich außerhalb desselbigen aufgehalten, ohne dass dies durch eine der in § 1 Abs 1 der 2. COVID-19-NotMV angeführten Ausnahmen gerechtfertigt war.
Der gemeinsamen Feier/Zusammenkunft um 23:30 Uhr unmittelbar vorgelagert war die Anhaltung des Beschwerdeführers im Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen **-***** um 23:00 Uhr, im Zuge derer die Organstrafverfügung ausgestellt wurde. In der Organstrafverfügung wurde als Übertretungshandlung angeführt, dass „keine MNS im Fzg“ getragen wurde. Das Antreffen des Beschwerdeführers im Kraftfahrzeug impliziert jedoch gleichermaßen ein zwingend damit einhergehendes Verlassen des eigenen Wohnbereiches durch den Beschwerdeführer sowie dessen Aufenthalt außerhalb des eigenen privaten Wohnbereiches.
Der Beschwerdeführer vertritt daher die Ansicht, die ihm mit Straferkenntnis vom 15.06.2021 vorgeworfene Verwaltungsübertretung sei bereits mit der Zahlung des Betrages von Euro 25,00, welcher mittels Organstrafverfügung vom 31.12.2020 vorgeschrieben wurde, abschließend erledigt worden.
Im Zentrum des gegenständlichen Verfahrens steht sohin die Frage, ob eine unzulässige Doppelbestrafung des Beschwerdeführers vorliegt oder der Beschwerdeführer tatsächlich zwei selbständige voneinander unabhängig zu beurteilende Verwaltungsübertretungen begangen hat.
Dazu hat das Landesverwaltungsgericht erwogen wie folgt:
Gemäß § 22 Abs 2 VStG sind Strafen nebeneinander zu verhängen, wenn jemand durch mehrere selbstständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen hat (Realkonkurrenz) oder eine Tat unter mehrere, einander nicht ausschließende Strafdrohungen fällt (Idealkonkurrenz).
Dem Handeln des Beschwerdeführers lag der Entschluss zugrunde, seinen Wohnsitz zu verlassen und sich außerhalb desselbigen aufzuhalten, um gemeinsam mit anderen Personen die Silvesternacht zu verbringen. Um dieses Vorhaben umzusetzen, bediente sich der Beschwerdeführer des in der Organstrafverfügung angeführten Fahrzeuges in welchem er um 23:00 Uhr angehalten wurde. Es lag sohin ein einheitlicher Willensentschluss vor, welcher sich auf das Verlassen des eigenen Wohnsitzes und den Aufenthalt außerhalb desselbigen zum Zwecke der gemeinsamen Feier/Zusammenkunft sowie die vorherige Benutzung des Fahrzeuges erstreckte.
Der Beschwerdeführer hat zum Zeitpunkt der ersten Anhaltung um ca. 23:00 Uhr aufgrund einer Organstrafverfügung den Betrag in Höhe von Euro 25,00 entrichtet. Das Nicht-Tragen der MNS-Maske im Fahrzeug und damit einhergehend das Verlassen des eigenen Wohnbereiches und der Aufenthalt außerhalb desselbigen sowie das Treffen mit mehreren nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen zum gemeinsamen Feiern der Silvesternacht und dem damit wiederum einhergehenden Verlassen des eigenen Wohnsitzes und Aufenthalt außerhalb des privaten Wohnbereichs, stellen eine Beeinträchtigung desselben Rechtsgutes (Schutz der Gesundheit) dar. Zudem wird jeweils derselbe Unrechtsgehalt, nämlich das Verlassen des eigenen Wohnbereiches und der Aufenthalt außerhalb desselbigen, ohne dass eine der im § 1 der 2. COVID-19-NotMV angeführten Ausnahmen vorgelegen hätte, sanktioniert.
Festzuhalten ist daher, dass der Beschwerdeführer bereits zum Zeitpunkt der ersten Anhaltung durch die Polizeibeamten und der daraus resultierenden Organstrafverfügung seinen Wohnsitz verlassen hatte bzw sich außerhalb desselbigen aufhielt. Mit der Bezahlung des Betrages von Euro 25,00 wurde sohin die bereits ab diesem Zeitpunkt vorliegende Verwaltungsübertretung, konkret das Verlassen des eigenen privaten Wohnbereiches und der Aufenthalt außerhalb des Wohnbereiches, abschließend durch die Organstrafverfügung geahndet.
Die mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 15.06.2021, Zl ***, neuerlich sanktionierte Verwaltungsübertretung des Verlassens des eigenen Wohnsitzes und der Aufenthalt außerhalb desselbigen ohne wichtigen Grund, wurde dem Beschwerdeführer zu Unrecht neuerlich zu Last gelegt und stellt daher eine unzulässige Doppelbestrafung dar.
Auch aufgrund der Ähnlichkeit der äußeren Begleitumstände, insbesondere der örtlichen Naheverhältnisse, und dem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zwischen dem dem Straferkenntnis und dem der Organstrafverfügung zugrundeliegenden Handeln (Zeitabstand von einer halben Stunde), wird der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Pkw und das gemeinsame Treffen mit nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen als ein einheitliches Tatgeschehen beurteilt, welches nur einmal als Verwaltungsübertretung vorgeworfen werden kann.
Die Beschwerde erweist sich somit als zulässig und war ihr Folge zu geben.
Da der Beschwerde Folge gegeben wurde, waren dem Beschwerdeführer keine Kosten vorzuschreiben.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.
Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr. Larcher
(Vizepräsident)
Schlagworte
DoppelbestrafungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.23.1783.1Zuletzt aktualisiert am
24.09.2021