TE Lvwg Erkenntnis 2021/3/1 LVwG 46.23-2025/2020

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Veröffentlicht am 01.03.2021
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Entscheidungsdatum

01.03.2021

Index

83 Naturschutz Umweltschutz

Norm

AWG 2002 §2
AWG 2002 §2 Abs4 Z2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch die Richterin Mag. Dr. Rath über die Beschwerde der A GmbH, vertreten durch B, Rechtsanwalt Dr. C D, Mgasse, G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 21.07.2020, GZ: ABT13-38.00-770/2020-11,

z u R e c h t e r k a n n t:

I. Gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (im Folgenden VwGVG) wird die Beschwerde betreffend die Feststellung gemäß Antrag der Firma A GmbH vom 15.05.2020, ergänzt mit Eingabe vom 04.06.2020, ob analoge Datenträger (Papierakten) mit sensiblen personenbezogenen Daten, die von diversen Kunden im Großraum Graz übernommen und einer irreversiblen Datenlöschung in Form der Vernichtung zugeführt werden,

1.  Abfälle im Sinne des § 2 Abs 1 bis 3 Abfallwirtschaftsgesetz (AWG) 2002 sind,

2.  welcher Abfallart diese Sachen gegebenenfalls zuzuordnen sind und jedenfalls

3.  ob es sich bei den näher beschriebenen Akten um Siedlungsabfall im Sinne des § 2 Abs 4 Z 2 AWG 2002 handelt mit der Maßgabe

a b g e w i e s e n ,

als konkretisiert wird, dass diese vor Vernichtung - wie bereits von der belangten Behörde abgesprochen - keine Abfälle im Sinne § 2 Abs 1 bis 3 AWG darstellen.II. Gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (im Folgenden VwGVG) wird der Beschwerde betreffend die Feststellung gemäß Antrag der Firma A GmbH vom 15.05.2020, ergänzt mit Eingabe vom 04.06.2020, ob

4. die nach der Datenvernichtung (Datenlöschung) verbleibende Fraktion Papierpartikeln „Siedlungsabfall“ im Sinne des § 2 Abs 4 Z 2 AWG 2002 darstellt, mit der Maßgabe

F o l g e g e g e b e n ,

als der Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 21.07.2020, GZ: ABT13-38.00-770/2020-11, abgeändert wird und festgestellt wird:

4. die nach der Datenvernichtung (Datenlöschung) verbleibende Fraktion an Papierpartikeln stellt keinen Siedlungsabfall im Sinne des § 2 Abs 4 Z 2 AWG 2002, dar.“

II.    Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz (im Folgenden VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Sachverhalt:

Mit Antrag vom 15.05.2020, ergänzt mit Eingabe vom 04.06.2020, begehrte die Firma A GmbH gemäß § 6 Abs 1 AWG die Feststellung, ob analoge Datenträger (Papierakte) mit sensiblen personenbezogenen Daten, die bei diversen Kunden im Großraum Graz angefallen sind und einer Aktenvernichtung zugeführt werden

1.  Abfälle im Sinne des § 2 Abs 1 bis 3 Abfallwirtschaftsgesetz (AWG) 2002 sind,

2.  welcher Abfallart diese Sachen gegebenenfalls zuzuordnen sind und jedenfalls

3.  ob es sich bei den näher beschriebenen Akten um Siedlungsabfall im Sinne des § 2 Abs 4 Z 2 AWG 2002 handelt sowie jedenfalls

4.  ob die nach der Datenvernichtung (Datenlöschung) verbleibente Fraktion Papierpartikeln „Siedlungsabfall“ im Sinne des § 2 Abs 4 Z 2 AWG 2002 darstellt.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes vom 21.07.2020, GZ: ABT13-38.00-770/2020-11, wurde aufgrund des oben angeführten Antrages festgestellt, dass die antragsgegenständlichen zur Vernichtung gelangenden Papierakten von Kunden der Antragsstellerin spätestens zum Zeitpunkt der Vernichtung:

1.       Abfälle im Sinne des § 2 Abs 1 bis 3 Abfallwirtschaftsgesetz (AWG) 2002
         BGBl I 102/2002 idgF

2.       Die antragsgegenständlichen Datenträger, in Form von Papierdokumenten,  werden gemäß Anlage 5 der Abfallverzeichnisverordnung, BGBl II 89/2005 idgF  der Abfallschlüsselnummer 18718, Altpapier, Papier und Pappe, unbeschichtet,  zugeordnet.

3.       Die unter 2. angeführten Datenträger – Papierdokumente – stellen spätestens zum  Zeitpunkt der Vernichtung, Siedlungsabfall im Sinne § 2 Abs 4 Z 2 AWG 2002 dar  und

4.       die nach der Datenvernichtung verbleibende Fraktion an Papierpartikeln stellt  Siedlungsabfall im Sinne des § 2 Abs 4 Z 2 AWG 2002 dar.

Gegen diesen Bescheid wurde Beschwerde durch die A GmbH am 10.08.2020, eingelangt bei der Abteilung 13 der Steiermärkischen Landesregierung am 13.08.2020, erhoben.

In dieser Beschwerde wird durch den Rechtsvertreter im Wesentlichen ausgeführt, dass der Bescheid an formeller Rechtswidrigkeit leiden würde, da ein mangelhafter, zu unbestimmter Bescheidspruch vorliegen würde. Die Feststellung, dass „spätestens zum Zeitpunkt der Vernichtung“ Siedlungsabfall vorliege, lässt die verfahrensrelevante Frage nach der Abfalleigenschaft der gegenständlichen Akten (Dateisysteme im Sinne der DSGVO) vor diesem Zeitpunkt unbeantwortet. Über verfahrensrelevante strittige Rechtsfragen – nämlich die fehlende Abfall- bzw. Siedlungsabfalleigenschaft der Akten vor dem Zeitpunkt der Vernichtung – sei nicht abgesprochen worden.

Dem bekämpften Bescheid würden wesentliche Feststellungen fehlen, insbesondere Ausführungen über die Entledigungsabsicht im Sinne des AWG, Ausführungen betreffend den subjektiven Abfallbegriff sowie zusammengefasst nähere Ausführungen zum Begriff „Siedlungsabfall“.

Entgegen der Ausführung der belangten Behörde, sei nicht vom Vorliegen des subjektiven und/oder objektiven Abfallbegriffs auszugehen, weil die Voraussetzungen hiefür nicht vorliegen würden. Auch der eindeutige Wortlaut des § 3 zweiter Satz StAWG ergibt, dass das StAWG nicht anwendbar ist, wenn bundesgesetzliche Bestimmungen dagegenstehen. In dieser Bestimmung werde nicht festgehalten, dass abfallrechtliche Bestimmungen dagegenstehen müssten. Auch das DSG würde eine derartige bundesgesetzliche Bestimmung darstellen, welche die Anwendung des StAWG ausschließen würde. In weiterer Folge werden Ausführungen über den Abfallbegriff und vor allem über das Nichtvorliegen von Abfall getätigt. Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, dass ausschließlich datenschutzrechtliche Bestimmungen für die verfahrensgegenständlichen Akten maßgeblich seien. Bei der Verarbeitung der gegenständlichen Akten hätte der Verantwortliche im Sinne des § 46 DSG iVm mit Art. 4 Nr. 7, Art. 5f DSGVO die Grundsätze nach den Art. 5f, 24, 25 und 32 DSGVO einzuhalten. Der Verantwortliche hätte dabei die Verpflichtung Daten so zu vernichten, dass sie dem unberechtigten Zugriff durch Dritte entzogen sind. Diese Vernichtung (Löschung) von Daten stelle eine Verarbeitung gemäß Art. 4 Z 2 DSGVO dar. Ein einfaches abfallrechtliches Entsorgen der gegenständlichen personenbezogenen Daten auf Papier über die Altpapierentsorgung sei nicht DSG bzw. DSGVO konform. Die Aktenvernichtung sei unter Einsatz von ÖNORM S 2109-1 zertifizierten Methoden in Papierpartikeln als geeignete Maßnahme der Datenvernichtung bzw. Datenlöschung oder Verarbeiten im Sinne der DSGVO anzusehen. Die Verarbeitung müsste so erfolgen, dass eine Wiederherstellbarkeit verhindert ist. Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, dass das AWG aufgrund der sich aus dem DSG bzw. der DSGVO ergebenden Verpflichtungen nicht anzuwenden wäre. Es liege keine Entsorgung im Sinne des AWG vor. Zum Zeitpunkt der Übergabe der Akten an die Beschwerdeführerin bestehe keinesfalls Entledigungsabsicht durch die Auftraggeber bzw. Kunden der Beschwerdeführerin. Eine Entledigungsabsicht könnte erst mit der Vernichtung der verbleibenden Kleinstpapierpartikeln unterstellt werden.

Das Vorliegen einer Genehmigung gemäß § 24a AWG sei bei der Übernahme der gegenständlichen Akten durch die Beschwerdeführerin nicht relevant, da keine Abfälle gesammelt werden, sondern eine Bearbeitung von Sachen durchgeführt wird.

Siedlungsabfall könne ebenfalls nicht vorliegend sein, da die Siedlungsabfalleigenschaft unweigerlich an die Kriterien der Abfalleigenschaft des § 2 Abs 1 AWG anknüpft und somit vorerst Abfall vorliegen müsste, damit dieser Siedlungsabfall sein könne. Da die verfahrensgegenständlichen Akten sensible personenbezogene Daten enthalten und als Dateisystem im Sinne der DSGVO zu qualifizieren sind, können, auch wenn sie aus Papier sind, nicht unter den Begriff des Siedlungsabfalls subsumiert werden, weil in Privathaushalten regelmäßig keine derartigen Akten mit sensiblen personenbezogenen Inhalt oder anderen Inhalten vorkommen bzw. anfallen.

Auch nach der Datenverarbeitung bzw. Datenlöschung durch Zerkleinerung, würden diese verbleibenden Kleinstpapierpartikeln keinen Siedlungsabfall darstellen. Für die übergebenen Akten besteht die Verpflichtung zur nach dem Stand der Technik entsprechenden Verarbeitung (Löschung) was bei Papierakten, welche üblicherweise aus Privathaushalten stammen, keinesfalls gegeben sei. Da somit kein Siedlungsabfall gegeben ist, könne auch eine Andienungspflicht an die kommunale Abfallwirtschaft nicht gegeben sein.

Am 26.02.2021 hat vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark eine öffentliche mündliche Verhandlung stattgefunden, an welcher ein Vertreter der Beschwerdeführerin, der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin sowie ein Vertreter der belangten Behörde teilgenommen haben.

Im Zuge dieser Verhandlung war wie vom Verwaltungsgerichtshof gefordert, der Feststellungsgegenstand zu konkretisieren (vgl. VwGH 24.04.2018, Ra 2017/05/0215-6). Es war nicht klar, für welche Zeiträume der Feststellungsantrag gestellt worden ist. Insbesondere ist offengeblieben, ob eine Feststellung hinsichtlich der Fragen 1 bis 3 für den Zeitraum vor der Vernichtung, somit vom Zeitpunkt der Übernahme der Akten bis zur Datenverarbeitung (Schreddern, Verwirbelung) begehrt worden ist. Im Spruch des bekämpften Bescheides war eindeutig als Zeitpunkt „spätestens zum Zeitpunkt der Vernichtung“ die Feststellung getroffen worden.

Im Zuge der Verhandlung wurden folgende Äußerungen und Klarstellungen getätigt:

Stellungnahme des Vertreters der Beschwerdeführerin:

Die Frage des Zeitraumes für den der Antrag gestellt wurde, ist aus Sicht der antragstellenden Partei aus dem Antrag erkennbar. Durch die Wortfolge „Die im Großraum G auftragskonform von Kunden übernommen werden“ ist erkennbar, dass es sich um den Zeitraum der Übergabe bis zur Datenvernichtung handelt. Konkret hat die antragstellende Partei die Frage gestellt, ob zum Zeitpunkt der Übernahme der Akten diese Akten Abfälle im Sinne des § 2 Abs 1 bis 3 AWG 2002 darstellen, wenn diese Frage bejaht werden würde, welcher Abfallart diese Akten zuzuordnen wären und ob es sich bei den Akten bei Übergabe im Falle der Feststellung der Abfalleigenschaft um Siedlungsabfall handeln würde.

Als 4. Frage, die nur dann zu beantworten wäre, wenn die 1. Frage mit Ja beantwortet werden würde, wurde die Feststellung ob es sich in diesem Fall nach der Datenvernichtung um Siedlungsabfall handeln würde. Aus Sicht der antragstellenden Partei wurden die Fragen 1 bis 3 von der belangten Behörde insofern entschieden, als die (Siedlungs)abfalleigenschaft mit der Datenvernichtung, also dem Herstellen der Kleinstpapierpartikel festgestellt wurde, was im Umkehrschluss bedeutet, dass es sich vor der Datenvernichtung um keine Abfälle handeln kann.

Stellungnahme des Vertreters der belangten Behörde:

Aus der Sicht der belangten Behörde ergibt sich, dass im Antrag vom 15.05.2020 als auch in der ergänzenden Eingabe vom 04.06.2020 keine exakten Zeitpunkte bezüglich der Feststellung zur Abfalleigenschaft vorzufinden sind. Am heutigen Tage wurde von der rechtsfreundlichen Vertretung der Antragstellerin eine Präzisierung vorgenommen.

Die belangte Behörde ging bei ihrer Entscheidung vom 21.07.2020 davon aus, dass die Papierakte mit datenschutzbezogenen Inhalten zum Zeitpunkt der Vernichtung erstmals die Abfalleigenschaft aufweisen und daher § 59 AVG 1991 nicht verletzt ist. Die belangte Behörde würde bei neuerlicher Entscheidung im Spruch statt „spätestens“ den Zeitpunkt der Vernichtung bzw. „nach“ Vernichtung als Zeitpunkt der Abfalleigenschaft definieren.

Die belangte Behörde ist daher der Auffassung, dass über den Antrag vom 15.05.2020, ergänzt vom 04.06.2020, umfassend und abschließend abgesprochen worden ist.

Stellungnahme des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin:

Aufgrund der heutigen Stellungnahme der belangten Behörde ist für die antragstellende Partei nunmehr klargestellt, dass es sich bei den übernommenen Akten bis zur Datenvernichtung um keinen Abfall im Sinne des AWG 2002 handelt und die Abfalleigenschaft damit erst nach der Datenvernichtung eintritt. Diese von der antragstellenden Partei stets vertretene Rechtsansicht wurde damit im Bescheid der belangten Behörde vom 21.07.2020 bestätigt.

Die für die Entscheidung wesentlichen rechtlichen Bestimmungen:

§ 2 AWG:

„(1) Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind bewegliche Sachen,

         1.       deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat oder

         2.       deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) nicht zu beeinträchtigen.

(2) Als Abfälle gelten Sachen, deren ordnungsgemäße Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse erforderlich ist, auch dann, wenn sie eine die Umwelt beeinträchtigende Verbindung mit dem Boden eingegangen sind. Die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse kann auch dann erforderlich sein, wenn für eine bewegliche Sache ein Entgelt erzielt werden kann.

(3) Eine geordnete Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist jedenfalls solange nicht im öffentlichen Interesse
(§ 1 Abs. 3) erforderlich, solange

         1.       eine Sache nach allgemeiner Verkehrsauffassung neu ist oder

         2.       sie in einer nach allgemeiner Verkehrsauffassung für sie bestimmungsgemäßen Verwendung steht.

Die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung von Mist, Jauche, Gülle und organisch kompostierbarem Material als Abfall ist dann nicht im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs. 3) erforderlich, wenn diese im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs anfallen und im unmittelbaren Bereich eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs einer zulässigen Verwendung zugeführt werden.

(4) Im Sinne dieses Bundesgesetzes sind

         2.       „Siedlungsabfälle“ Abfälle aus privaten Haushalten und andere Abfälle, die auf Grund ihrer Beschaffenheit oder Zusammensetzung den Abfällen aus privaten Haushalten ähnlich sind; bei der Zuordnung ist das Europäische Abfallverzeichnis im Sinne des Art. 7 der Richtlinie 2008/98/EG über Abfälle, ABl. Nr. L 312 vom 22. 11. 2008 S 3 berichtigt durch ABl. Nr. L 127 vom 26. 5. 2009 S 24, zu berücksichtigen. Gemischte Siedlungsabfälle im Sinne des Europäischen Abfallverzeichnisses gelten auch dann weiterhin als gemischte Siedlungsabfälle, wenn sie einem Behandlungsverfahren unterzogen worden sind, das ihre Eigenschaften nicht wesentlich verändert hat.“

§ 6 AWG:

„(1) Bestehen begründete Zweifel,

         1.       ob eine Sache Abfall im Sinne dieses Bundesgesetzes ist,

         2.       welcher Abfallart diese Sache gegebenenfalls zuzuordnen ist oder

         3.       ob eine Sache gemäß den unionsrechtlichen Abfallvorschriften, insbesondere der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 über die Verbringung von Abfällen (im Folgenden: EG-VerbringungsV), ABl. Nr. L 190 vom 12.07.2006 S. 1, bei der Verbringung notifizierungspflichtiger Abfall ist,

hat der Landeshauptmann dies entweder von Amts wegen oder auf Antrag des Verfügungsberechtigten oder auf Veranlassung der Bundespolizei nach Maßgabe des § 82 oder der Zollorgane nach Maßgabe des § 83 mit Bescheid festzustellen. Ein Feststellungsbescheid gemäß Z 2 darf nur beantragt werden, sofern nicht § 7 zur Anwendung kommt.

(4) Die Behörde hat den Bescheid samt einer Kopie der diesbezüglichen Akten gleichzeitig mit der Zustellung an die Partei an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde zu übermitteln. Unbeschadet des § 68 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, kann ein Feststellungsbescheid von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde innerhalb von sechs Wochen nach Einlangen abgeändert oder aufgehoben werden, wenn

         1.       der dem Bescheid zugrunde liegende Sachverhalt unrichtig festgestellt oder aktenwidrig angenommen wurde oder

         2.       der Inhalt des Bescheides rechtswidrig ist.

Die Zeit des Parteiengehörs ist nicht in die Frist einzurechnen.“

Erwägungen:

Die Firma A GmbH stellt ein Unternehmen, welches im Bereich der Akten- und Datenträgervernichtung tätig ist, dar. Der Kundenkreis umfasst Banken, Versicherungen, Steuerberater, Arztpraxen und sonstige Unternehmen. Die Beschwerdeführerin übernimmt von Kunden Papierakten, auf welchen sich personenbezogene Daten befinden zur Vernichtung bzw. Verarbeitung. Die Vernichtung erfolgt mit modernsten Technologien (Zertifizierung gemäß ÖNORM S 2109-1). Von Seiten der Stadt G wurde der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass die vorhin geschilderte Vorgangsweise nicht zulässig sei, dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass es sich bei den entgegengenommenen Akten um Siedlungsabfall (Altpapier) handeln würde. Zu den im Feststellungsantrag formulierten Fragen 1. bis 3.:

„Stellen die Akten, die bisweilen sensible aber jedenfalls personenbezogene Daten enthalten und als Datensystem im Sinne des Art. 2 Abs 1 DSGVO zu qualifizieren sind, einer irreversiblen Datenlöschung in Form der Vernichtung zugeführt werden:

1.       Abfälle im Sinne des § 2 Abs 1 bis 3 Abfallwirtschaftsgesetz (AWG) 2002 dar.

2.       welcher Abfallart diese Sachen gegebenenfalls zuzuordnen und

3.       handelt es sich bei den näher beschriebenen Akten (Datensysteme) um  Siedlungsabfall im Sinne des § 2 Abs 4 Z 2 AWG 2002.“

wird wie folgt ausgeführt:

Im bekämpften Bescheid es Landeshauptmannes von Steiermark wird ausdrücklich festgehalten, dass die gegenständlichen zur Vernichtung gelangenden Papierakten von Kunden der Beschwerdeführerin spätestens zum Zeitpunkt der Vernichtung

1.       Abfälle im Sinne des § 2 Abs 1 bis 3 Abfallwirtschaftsgesetz (AWG) 2002 BGBl I 102/2002 idgF

2.       Die antragsgegenständlichen Datenträger, in Form von Papierdokumenten,  werden gemäß Anlage 5 der Abfallverzeichnisverordnung, BGBl II 2/2005/89 idgF  der Abfallart Schlüsselnummer 18718, Altpapier, Papier und Pappe,  unbeschichtet, zugeordnet.

3.       Die unter 2. angeführten Datenträger – Papierdokumente – stellen spätestens zum  Zeitpunkt der Vernichtung, Siedlungsabfall im Sinne § 2 Abs 4 Z 2 AWG 2002 dar

Der Antrag der Beschwerdeführerin vom 15.05.2020, ergänzt um die Eingabe vom 04.06.2020, konkretisiert in der Verhandlung vom 26.02.2021, ist eindeutig dahingehend zu verstehen, dass die Feststellung begehrt wurde, ob die analogen Datenträger mit sensiblen personenbezogenen Daten, welche zur Datenvernichtung übergeben werden, zum Zeitpunkt der Übergabe Abfall darstellen, welcher Abfallart sie zuzuordnen sind und ob sie Siedlungsabfall darstellen.

Die belangte Behörde hat im Spruch des bekämpften Bescheides über Abfalleigenschaft zum Zeitpunkt der Übergabe nicht ausdrücklich abgesprochen. Es hatte den Anschein, als ob die belangte Behörde nur über einen Teil des Feststellungsbegehrens abgesprochen hätte und somit nicht gemäß § 59 Abs 1 letzter Satz AVG die in Verhandlung stehende Angelegenheit zur Gänze erledigt hat.

Im Zuge der am 26.02.2021 durchgeführten Verhandlung wurde einerseits der Antragsumfang durch die Beschwerdeführerin klar konkretisiert und ergab sich für das Gericht, wie bereits angenommen, dass auch eine Feststellung der Abfalleigenschaft für den Zeitraum vor der Vernichtung der sensiblen jedenfalls personenbezogenen Daten begehrt worden ist.

Den Ausführungen des Vertreters der belangten Behörde folgend, ist im bekämpften Bescheid über den gesamten Feststellungsantrag umfassend und abschließend abgesprochen worden. Die belangte Behörde hat in ihrer Stellungnahme dargelegt, dass sie in ihrer Entscheidung davon ausging, dass die Papierakte mit datenschutzbezogenen Inhalten zum Zeitpunkt der Vernichtung erstmals die Abfalleigenschaft aufweisen. Dies lässt eindeutig den Umkehrschluss zu, dass für die sensiblen jedenfalls personenbezogenen Daten vor dem Zeitpunkt der Vernichtung keine Abfalleigenschaft gegeben ist und somit auch keine Zuordnung zu einer Schlüsselnummer gemäß Abfallverzeichnisverordnung vorgenommen werden kann. Sie sind somit auch nicht als Siedlungsabfall (Frage 3) zu qualifizieren

Die im Feststellungsbegehren gestellten Fragen 1 bis 3 sind abschließend im Sinne der Beschwerdeführerin beantwortet worden. Im Beschwerdevorbringen und –begehren wurde beantragt festzustellen, dass die gegenständlichen Papierakte keine Abfälle im Sinne des § 2 Abs 1-3 AWG darstellen und vor der Vernichtung nicht Siedlungsabfall darstellen.

Gerade dies ist aber von der belangten Behörde bereits festgestellt worden, weshalb die Beschwerde gegen die Fragen 1 bis 3 mangels Beschwer abzuweisen war.

Von der belangten Behörde wurde der Feststellungsantrag abschließend behandelt und durch den Ausdruck im Spruch „spätestens zum Zeitpunkt der Vernichtung“ ist im Umkehrschluss klar und eindeutig festgestellt, dass vor dem Zeitpunkt der Vernichtung keine Abfalleigenschaft der von der Beschwerdeführerin abgeholten und übernommenen Akten mit datenschutzrechtlich relevanten Inhalten gegeben ist.

Zum vierten Feststellungsantrag, ob die nach der Datenvernichtung (Datenlöschung) verbleibende Fraktion an „Kleinst“ Papierpartikeln „Siedlungsabfall“ im Sinne des § 2 Abs 4 Z 2 AWG 2002 darstellt, wird ausgeführt:

Mit dem Zeitpunkt der Vernichtung der personenbezogenen Daten durch die gemäß ÖNÖRM S 2109-1 vorgeschriebenen Maßnahmen, entstehen aus den personenbezogenen Papierakten Kleinstpapierpartikel, welche unter den Abfallbegriff des § 2 Abs 2 AWG fallen. Demnach gelten Sachen als Abfälle, deren ordnungsgemäße Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse erforderlich ist. Das Produkt der Zerkleinerung (Vernichtung) der Papierakten, stellt Kleinstpapierpartikel dar und sind diese jedenfalls einer geordneten Sammlung, Lagerung, Beförderung und auch Behandlung im öffentlichen Interesse zuzuführen. Das heißt ab dem Zeitpunkt der Vernichtung, stellen die Kleinstpartikel im Sinne des § 2 Abs 2 AWG Abfall dar.

Unter 4. wurde die Feststellung begehrt, „die nach der Datenvernichtung (Datenlöschung) verbleibende Fraktion an Papierpartikeln stellt keinen Siedlungsabfall im Sinne des § 2 Abs 4 Z 2 AWG 2002, dar“

Zum Begehren, dass diese Abfälle nicht unter die Begriffsbestimmung des § 2 Abs 4 Z 2 AWG fallen und damit keine Siedlungsabfälle darstellen, wird ausgeführt:

Bereits aus der Begriffsbestimmung des § 2 Abs 4 Z 2 AWG 2002 ergibt sich, dass „Siedlungsabfälle“ Abfälle aus privaten Haushalten und andere Abfälle, die aufgrund ihrer Beschaffenheit oder Zusammensetzung den Abfällen aus privaten Haushalten ähnlich sind, darstellen.

Zur Frage, ob die nach der Datenvernichtung verbleibende Fraktion einen Siedlungsabfall darstellt, wird ausgeführt, dass derartige Kleinstpartikel keinesfalls üblicherweise in Privathaushalten als Abfall anfallen. Wenn in Haushalten private Daten auf Papier vernichtet werden, werden diese mit einem herkömmlichen Aktenvernichter geschreddert, aber nicht in einer derartigen Art, wie dies entsprechend der ÖNORM S 2109 vorgegeben ist (Kleinste Papierteilchen, welche auch meist verwirbelt werden müssen). Die Verpflichtung zur Vernichtung entsprechend den Vorgaben der ÖNORM S 2109 ist für Privathaushalte nicht gegeben und kann daher auch nicht das Produkt dieser technisch hochwertigen Zerkleinerung als Siedlungsabfall und als üblicherweise in einem Privathaushalt anfallend bzw. auf Grund ihrer Beschaffenheit oder Zusammensetzung den Abfällen aus privaten Haushalten ähnlich, angesehen werden.

Siedlungsabfall liegt nicht vor.

Aufgrund obiger Ausführungen war spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Abfall, Datenvernichtung, Datenträger, Abfalleigenschaft, Siedlungsabfall, Datenlöschung, Zerkleinerung, schreddern, Beschaffenheit der Abfälle, Privathaushalte, Papierpartikel, sensible Daten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGST:2021:LVwG.46.23.2025.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.09.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Steiermark LVwg Steiermark, http://www.lvwg-stmk.gv.at
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