Entscheidungsdatum
28.04.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z5Spruch
W233 2236791-1/4E
W233 2236792-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Andreas FELLNER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörige von Georgien und 2.) XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehöriger von Georgien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 12.10.2020, Zl. 1199830110/200548033 (ad 1.) und 1199830001-180686560 (ad 2.) zu Recht:
A) Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Die Erstbeschwerdeführerin ist die Ehefrau des Zweitbeschwerdeführers. Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige der Republik Georgien.
II.1. Vorverfahren
Die Beschwerdeführer reisten gemeinsam mit ihrem Sohn XXXX , geboren am XXXX , in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am 20.07.2018 für sich und ihren Sohn einen Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag erfolgte ihre Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes. In der Folge wurden sie am 27.07.2018 niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen.
Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wurden mit den Bescheiden vom 12.10.2018 ihre Anträge hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 34 Abs. 3 AsylG 2005 wurde ihnen der Status der subsidiär Schutzberechtigen zuerkannt (Spruchpunkt II.) und eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 12.10.2019 erteilt (Spruchpunkt III.).
Mit den Bescheiden vom 07.10.2019 wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung der Beschwerdeführer bis zum 12.10.2021 verlängert.
II.2. Gegenständliches Verfahren
I.2.1. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl leitete amtswegig ein Verfahren zur Aberkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten ein und führte am 03.09.2020 die niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführer durch. Im Rahmen der Einvernahme wurde ihnen die Möglichkeit eingeräumt, in das Länderinformationsblatt Georgien Einsicht zu nehmen.
I.2.2. Mit den im Spruch angeführten Bescheiden vom 12.10.2020 wurde den Beschwerdeführern der Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und die mit Bescheid vom 07.10.2019 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ihnen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung nach § 46 FPG nach Georgien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde den Beschwerdeführern eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für ihre freiwillige Ausreise eingeräumt.
I.2.3. Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer im Wege ihrer Vertretung fristgerecht am 09.11.2020 vollinhaltlich Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
I.2.4. Am 11.11.2020 langten die Beschwerden und die Bezug habenden Verwaltungsakte beim Bundesverwaltungsgericht ein.
I.2.5. Am 30.03.2021 stellten die Beschwerdeführer einen Antrag für Unterstützungsleistungen im Rahmen der unterstützten freiwilligen Rückkehr und reisten daraufhin am 09.04.2021 freiwillig aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Georgien aus.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen
II.1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:
II.1.1.1. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Ehefrau des Zweitbeschwerdeführers. Die Beschwerdeführer führen jeweils den im Spruch genannten Namen, sind Staatsangehörige Georgiens und bekennen sich zum orthodoxen Glauben. Neben ihrer Erstsprache Georgisch sprechen die Beschwerdeführer Russisch. Sie sind gesund und arbeitsfähig.
Die Erstbeschwerdeführerin wurde am XXXX in XXXX geboren. Sie hat im Herkunftsstaat das Studium der Biologie absolviert. In der Folge hat sie an einem Gymnasium zunächst zwei Jahre als Sekretärin und in der Folge drei Jahre als Biologielehrerin gearbeitet. Vor ihrer endgültigen Ausreise aus dem Herkunftsstaat ist sie rund acht Jahre als Schulleiterin eines Gymnasiums tätig gewesen. Der Zweitbeschwerdeführer wurde am XXXX in XXXX geboren und hat im Herkunftsstaat 10 Jahre die Schule besucht. Zuletzt hat er in Georgien als Förster gearbeitet.
Die Beschwerdeführer haben im Herkunftsstaat bei der Mutter des Zweitbeschwerdeführers gelebt, welche in einem Dorf in XXXX über ein eigenes Haus verfügt. Am XXXX wurde der gemeinsame Sohn der Beschwerdeführer, XXXX , geboren.
Im Herkunftsstaat leben noch die Eltern der Erstbeschwerdeführerin sowie ihr Bruder, ihre Schwester, ihr Onkel und ihre drei Tanten. Die Mutter des Zweitbeschwerdeführers wohnt nach wie vor in ihrem Haus in XXXX . Auch die drei Schwestern des Zweitbeschwerdeführers leben in Georgien. Sein Bruder hält sich in Griechenland auf. Zwischen den Beschwerdeführern und ihren Angehörigen ist der Kontakt aufrecht.
Die Beschwerdeführer haben keine individuellen gefahrenerhöhenden Umstände aufgezeigt, die unter Beachtung ihrer persönlichen Situation innewohnenden Umständen eine Gewährung von subsidiärem Schutz angezeigt hätten.
II.1.1.2. Die Beschwerdeführer reisten gemeinsam mit ihrem Sohn XXXX in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am 20.07.2018 für sich und ihren Sohn jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz.
Mit den Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.10.2018 wurde den Beschwerdeführern der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 12.10.2019 erteilt. Begründend wurde ausgeführt, dass ihrem Sohn XXXX der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen gewesen sei und ihnen daher gemäß § 34 Abs. 3 AsylG 2005 der gleiche Schutzstatus zukomme.
Ihre befristeten Aufenthaltsberechtigungen wurden mit den Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.10.2019 bis zum 12.10.2021 verlängert.
Am 23.06.2020 verstarb ihr Sohn XXXX in Österreich.
Die Beschwerdeführer stellten am 30.03.2021 einen Antrag für Unterstützungsleistungen im Rahmen der unterstützten freiwilligen Rückkehr und reisten daraufhin am 09.04.2021 freiwillig aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Georgien aus.
II.1.1.3. Die Beschwerdeführer haben in Österreich keine familiären Anknüpfungspunkte. Sie sind keiner rechtmäßigen Erwerbstätigkeit nachgegangen, sondern haben ihren Lebensunterhalt aus staatlichen Mitteln bestritten.
Die Erstbeschwerdeführerin hat die Integrationsprüfung, bestehend aus Inhalten zur Sprachkompetenz auf dem Sprachniveau A2 sowie zu Werte- und Orientierungswissen, absolviert. Der Zweitbeschwerdeführer hat an einem Werte- und Orientierungskurs teilgenommen, verfügt jedoch über keine nennenswerten Deutschkenntnisse.
Die Beschwerdeführer sind in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
II.1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat:
II.1.2.1. Auszüge aus dem Länderinformationsblatt Georgien
„Sicherheitslage
Letzte Änderung am 13.7.2020
Die Lage kann in den meisten Landesteilen als stabil bezeichnet werden. Die Konflikte um die beiden separatistischen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien sind indes ungelöst und verursachen Spannungen (EDA 23.3.2020; vgl. BMEIA 13.5.2020). Die Kriminalität ist gering (MSZ 25.5.2020; vgl. EDA 23.3.2020).
Die EU unterstützt durch die Arbeit des EU-Sonderbeauftragten für den Südkaukasus und die EU-Beobachtermission (EUMM) aktiv die Bemühungen um Konfliktlösung. 2009 wurde der Incident Prevention and Response Mechanism (IPRM) geschaffen, der Risiko- und Sicherheitsfragen der Gemeinden in den abtrünnigen Regionen Abchasiens und Südossetiens erörtern soll (EC 30.1.2019). […]“
„Frauen
Letzte Änderung am 13.7.2020
Die Gleichstellung der Geschlechter stellt nach wie vor eine Herausforderung dar. Frauen zählen zu den vulnerabelsten Gruppen (PD 2.4.2020).
Georgien hat seine innerstaatlichen Rechtsvorschriften zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt überarbeitet, um sie an die Standards des Europarates (Übereinkommen von Istanbul) anzunähern. Anzeigen von Fällen häuslicher Gewalt haben infolge verstärkter Sensibilisierungskampagnen zugenommen (EC 30.1.2019; vgl. USDOS 11.3.2020, HRC 2019). 2019 wurden 4.185 Fälle häuslicher Gewalt von den Behörden strafrechtlich verfolgt, verglichen mit 3.232 im Jahr 2018 und 1.986 im Jahr 2017. Im Jahr 2019 wurden 51% der Beschuldigten in Untersuchungshaft genommen. Laut NGOs zeigten sowohl Strafverfolgungsbehörden als auch die Staatsanwälte in Tiflis eine verbesserte Professionalität bei der Bekämpfung von Verbrechen in Verbindung mit häuslicher Gewalt (USDOS 11.3.2020). Eine deutliche Veränderung der öffentlichen Einstellung und die Einführung einer Abteilung für den Schutz der Menschenrechte durch das Innenministerium im Januar 2018 sind gleichfalls zu vermerken. Die genannte Abteilung arbeitet daran, die Kapazität zur Untersuchung von häuslicher Gewalt und Hassverbrechen zu erhöhen. Dennoch besteht nach wie vor eine hohe Zahl von Fällen zu Gewalttaten gegen Frauen (EC 30.1.2019).
Im Jahr 2019 wurden 19 Morde an Frauen gemeldet, von denen zehn Anzeichen von häuslicher Gewalt aufwiesen. Darüber hinaus wurden 22 versuchte Morde an Frauen gemeldet, davon 18 aufgrund häuslicher Gewalt (PD 2.4.2020).
Gesetze über häusliche Gewalt schreiben die Anordnung vorübergehender Schutzmaßnahmen vor, einschließlich einstweilige Verfügungen, die es einem Täter verbieten, sich dem Opfer für sechs Monate zu nähern und Gemeinschaftseigentum, wie beispielsweise einen Wohnsitz oder ein Fahrzeug, zu nutzen. Das Büro der Ombudsperson erklärte, dass die Opfer oft berichteten, dass sie unangemessene Antworten von Strafverfolgungsbeamten auf Verstöße gegen einstweilige Verfügungen erhielten. Seit August 2018 gilt die Verletzung einer einstweiligen Verfügung als Straftat (USDOS 11.3.2020).
Lokale NGOs und die Regierung betreiben gemeinsam eine 24-Stunden-Hotline und Unterkünfte für misshandelte Frauen und ihre minderjährigen Kinder. Plätze in Schutzeinrichtungen sind begrenzt und nur vier der zehn Regionen des Landes verfügen über solche Einrichtungen (USDOS 11.3.2020). Häusliche Gewalt wird oft nur mit bedingten Strafen geahndet und es gibt Fälle, in denen die Polizei versucht, zwischen Opfer und Täter zu vermitteln, anstatt eine Anzeige aufzunehmen; insbesondere wenn Täter und Polizist sich kennen (ifact 12.7.2018).
Der Global-Gender-Gap-Index des World Economic Forums sah Georgien 2020 auf Rang 74 (2018: 99) von 153 Ländern in Hinblick auf die Gesamtlage der Frauen. Beim Subindex „political empowerment“ lag das Land 2020 auf Rang 94 (WEF 2020). […]“
„Bewegungsfreiheit
Letzte Änderung am 13.7.2020
Georgier können im Allgemeinen frei ins Ausland und innerhalb des von der Regierung kontrollierten Territoriums reisen. Sie können ihren Wohnsitz, ihre Beschäftigung oder ihre Ausbildung ohne unangemessene Einmischung wechseln (FH 10.3.2020).
Es ist nach dem georgischen Recht illegal, von Russland aus über Südossetien oder Abchasien nach Georgien einzureisen. Wenn man auf diese Weise nach Georgien kommt, kann man mit Strafverfolgung rechnen, die mit potenziell hohen Bußgeldern und/oder einer Freiheitsstrafe von bis zu vier Jahren verbunden ist. Wenn der Reisepass mit Ein-/Ausreisestempeln der separatistischen Behörden versehen ist, können die georgischen Behörden dies als illegale Einreise über einen nicht anerkannten Grenzübergang betrachten (Gov.UK 28.8.2019).
Bei der Ausreise aus Georgien erfolgt dem Anschein nach eine strenge Pass- und Identitätskontrolle. Ziel ist es, aufenthaltsrechtliche Verstöße, insbesondere aber mit Haftbefehl gesuchte Straftäter zu identifizieren. Die wiederholten Festnahmen von Personen, die mit internationalem Haftbefehl gesucht werden, lassen eine gründliche Durchführung von Kontrollen erkennen (AA 19.10.2019).
Die de-facto-Behörden und die russischen Streitkräfte in den von Russland besetzten Gebieten Abchasien und Südossetien schränken auch die Mobilität der lokalen Bevölkerung über die administrative Grenze ein, obwohl sie Flexibilität bei Reisen für medizinische Versorgung, Pensionsleistungen, Gottesdienste und Bildung zeigen (USDOS 11.3.2020; vgl. FH 10.3.2020). Dorfbewohner, die sich der Grenze oder den Grenzübergängen nähern, riskieren die Inhaftierung durch den Grenzschutz der Russischen Föderation (USDOS 11.3.2020; vgl. AI 3.7.2019, FH 10.3.2020). Der Übertritt über offizielle Kontrollpunkte an den de-facto-Grenzen zu Abchasien und Südossetien wird seitens der separatistischen Behörden immer wieder gesperrt oder eingeschränkt (Agenda 28.6.2019; vgl. AI 3.7.2019, Agenda 22.8.2019, KU 16.9.2019, DFW 28.9.2019, AI 22.11.2019, ATV 30.12.2019).
In Georgien gibt es keine Meldepflicht und eine Änderung des Wohnsitzes wird nicht angezeigt (z.B. bei Änderung des Wohnsitzes, ungenauer Anschrift – auch wegen eines fehlenden zentralen Melderegisters, veralteter Daten in den Melderegistern der Behörden und häufiger Wechsel von Straßennamen) (AA 19.10.2019).
Straßensperren aufgrund von Muren, Schnee oder Steinschlag, die bis zu mehreren Wochen dauern können, kommen immer wieder vor und betreffen auch internationale Hauptverbindungen (MSZ 25.5.2020).
Im Zuge der Eindämmung der COVID-19-Pandemie wurde in Georgien ab 21.3.2020 die Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Bei Verletzung der Ausgangssperre, Selbstisolierung und Quarantäne sowie anderer Bestimmungen wurden hohe Geldstrafen verhängt (USEMB 15.4.2020; vgl. GE-Gov o.D., KP 11.4.2020).? Der Ausnahmezustand wurde am 22. Mai aufgehoben, einzelne Sperrmaßnahmen bleiben bis zum 15. Juli in Kraft (EN 3.6.2020). Der öffentliche Personenverkehr wurde am 29. Mai (innerstädtisch) bzw. 8. Juni (Überland) wieder aufgenommen (OC 29.5.2020; vgl. Agenda 8.6.2020). […]“
„Grundversorgung
Letzte Änderung am 13.7.2020
Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet (AA 19.10.2019), wobei zwei Drittel der Lebensmittel importiert werden (KP 16.6.2020). Die staatliche Sozialhilfe liegt bei GEL 180 (ca. EUR 60) im Monat, bei Rentnern bei GEL 200 [ca. EUR 70]. Die soziale Absicherung erfolgt in aller Regel durch den Familienverband. Eine große Rolle spielen die Geldtransfers der georgischen Diaspora im Ausland (AA 19.10.2019).
Trotz der beachtlichen wirtschaftlichen Entwicklung seit 2003 sind große Teile der georgischen Bevölkerung unterbeschäftigt oder arbeitslos. Knapp 22% der Georgier leben in Armut. Vor allem die Bewohner der ländlichen Bergregionen sind betroffen, aber auch städtische Arbeitslose sowie zumeist in Isolation lebende Binnenvertriebene und Alleinerzieherinnen. Ländliche Armut führt meist zu Landflucht oder Emigration. Die Rücküberweisungen von saisonalen und permanenten Auslandsmigranten machen mit rund 11,8% einen nennenswerten Anteil des Bruttoinlandsprodukts aus (ADA 11.2018).
Die Arbeitslosenquote betrug 2018 12,7% (2017: 13,9%) (GeoStat 17.5.2019). Laut der Daten des nationalen Statistikamtes von 2018 sind 63,9% der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter erwerbstätig (Geostat 17.5.2019; vgl. GT 21.10.2019). Die Arbeitslosenrate ist im ländlichen Raum (2018: 5,8%) geringer als im städtischen Raum (2018: 19,3%) (Geostat 17.5.2019). Die hohe Zahl Erwerbstätiger in ländlichen Gegenden ist mit den gering vergüteten Jobs im Agrarsektor zu erklären. Viele Pensionisten sind noch erwerbstätig, da die Pension alleine zum Überleben nicht ausreicht. Dagegen ist die Arbeitslosigkeit unter 15-25-Jährigen recht hoch. Die meisten Erwerbstätigen befinden sich im Alter von 40 bis 60 Jahren (IOM 2020). Es wird davon ausgegangen, dass sich die Zahl der ca. 220.000 Arbeitslosen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie mindestens verdoppeln wird (KvP 20.4.2020).
Zu Jahresbeginn 2020 nahm eine Agentur zur Beschäftigungsförderung (Employment Support Agency), die im Ministerium für Binnenflüchtlinge aus den besetzten Gebieten, Arbeit, Gesundheit und Soziales angesiedelt ist (MOH 24.12.2019; vgl. KP 1.2020, GT 21.10.2019). Die neue Agentur soll u.a. durch Fortbildungen, Umschulungen, Beratung und Karriereplanung die Beschäftigung im Land fördern (KP 1.2020). Die Agentur soll auch legale Arbeitsmigration fördern (GT 21.10.2019; vgl. KP 1.2020). Eine Priorität der Agentur ist es, Arbeitsmöglichkeiten für sozial benachteiligte Personen zu erschließen (GT 21.10.2019).
Die meisten Arbeitsplätze gibt es im Groß- und Einzelhandel sowie in Autowerkstätten und im Kleinwarengeschäft, in der Industrie und im Bauwesen (IOM 2019). Das Durchschnittseinkommen (nominal) der unselbständig Beschäftigten lag im ersten Quartal 2019 bei den Männern bei GEL 1.294 [rund EUR 400] und bei den Frauen bei GEL 876 [rund EUR 270] (GeoStat 2019).
Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie wird ein Rückgang des BIP um 5,5% im Jahr 2020 prognostiziert. Der Tourismus (ca. 20% der Wirtschaftsleistung) und Überweisungen aus dem Ausland werden am stärksten betroffen sein (ChH 4.6.2020). Der Wert des Georgischen Lari kann sich trotz der Wirtschaftskrise einigermaßen halten (KP 16.6.2020). […]“
„Sozialbeihilfen
Letzte Änderung am 13.7.2020
Das Sozialsystem in Georgien umfasst die folgenden finanziellen Zuschüsse:
? Existenzhilfe
? Re-Integrationshilfe
? Pflegehilfe
? Familienhilfe
? Soziale Sachleistungen
? Sozialpakete
Menschen unterhalb der Armutsgrenze können zum Beispiel mit einer Unterstützung von GEL 10-60 pro Familienmitglied rechnen. Der Sozialdienst ist für Personen unterhalb der Armutsgrenze verantwortlich. Der staatliche Fond zum Schutz und Unterstützung für Opfer von Menschenhandel hilft schutzbedürftigen Personen, wie z.B. Opfern häuslicher Gewalt, Personen mit Einschränkungen, Alten und Waisen. Dabei bietet er: Kinderheime, Pflegeheime für Personen mit Einschränkungen, Unterkünfte für Opfer von Menschenhandel, Krisenzentren und Unterkünfte für Opfer häuslicher Gewalt (IOM 2019).
Eine Arbeitslosenunterstützung gibt es nicht (IOM 2019). Laut einer Erklärung des Internationalen Währungsfonds (IWF) werden vom Staat 150 GEL an Personen bezahlt, die im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie ihren Arbeitsplatz verloren haben und zuvor Einkommenssteuer bezahlt hatten (Fortuna 13.4.2020).
Familien, die unter der Armutsgrenze leben, können um Sozialhilfe ansuchen. Dafür muss der Vertreter der Familie zunächst ein Ansuchen für sich und alle übrigen Familienmitglieder stellen, um in das staatliche Register für besonders schutzbedürftige Familien aufgenommen zu werden. Danach besucht ein Vertreter des Sozialamtes die Familie vor Ort, wobei in der „Familiendeklaration“ der sozioökonomische Stand der Familie festgestellt wird. Mittels eines Punktevergabesystems wird die Bedürftigkeit festgestellt. Bis zu einem Wert von 57.000 Punkten besteht der Anspruch auf finanzielle Unterstützung wie folgt: GEL 60 für Alleinstehende; ab zwei Personen erhält das älteste Familienmitglied GEL 60 und alle anderen GEL 48 pro Monat. Ausschlussgründe sind insbesondere die Arbeitsaufnahme eines Familienmitgliedes, Gefängnishaft, Militärdienst oder ein Auslandsaufenthalt von mehr als drei Monaten. Die Sozialhilfe kann nicht gleichzeitig mit der staatlichen „Haushaltsunterstützung“ oder der monatlichen Zahlung an Flüchtlinge bezogen werden (SSA o.D.a.).
Es gibt ein staatliches Pensionssystem. Bezugsberechtigt sind Männer über 65 und Frauen über 60 Jahre. Für die Registrierung der Pension ist ein Antrag beim zuständigen Sozialamt (Social Service Centre) nötig. Die Entscheidung fällt innerhalb von zehn Tagen. Personen, die bereits aus dem Ausland eine Pension beziehen, sind vom georgischen Pensionssystem ausgeschlossen (IOM 2019).
Die staatliche Alterspension (universal) beträgt GEL180 pro Monat. Die Leistungen werden ad hoc angepasst. Eine Invaliditätsleistung als Sozialhilfe beträgt GEL 180 pro Monat für eine Invalidität erster Stufe und GEL 100 für eine zweite Stufe, wobei die Leistungen ad hoc angepasst werden (US-SSA 3.2019).
Seit dem 1.1.2019 ist das kumulierte Pensionssystem für Beschäftigte unter 40 Jahren verpflichtend, d.h., sie werden automatisch registriert. Für Selbständige und Personen über 40 Jahren ist die Aufnahme in das Programm freiwillig. Dieses System gilt sowohl für Mitarbeiter des öffentlichen als auch des privaten Sektors. Das System wird nach einem 2+2+2-Schema arbeiten. Jeder Arbeitnehmer, der Arbeitgeber und der Staat leisten einen Beitrag von je 2% des Bruttoeinkommens des Arbeitnehmers auf ein individuelles Pensionskonto. Selbständige müssen eine Einlage von 4% ihres Einkommens leisten und der Staat schießt weitere 2% zu. Das neue Pensionsgesetz sieht keine Aufhebung des bestehenden Pensionssystems vor. Am 1.1.2018 stiegen die staatlichen Pensionen um GEL 20 und beliefen sich auf GEL 200 pro Monat (Agenda.ge 3.1.2019).
Angesichts der Tatsache, dass Georgien bislang nur eine Pensionsersatzrate von 18% aufweist und über 44% der Erwerbstätigen Selbständige sind, insbesondere in der einkommensschwachen Landwirtschaft, bestehen Zweifel am Funktionieren des neuen Systems (OCM 14.12.2018).
Das Recht auf Mutterschaftskarenz- und Pflegeurlaub gewährleistet 730 Tage Freistellung, von denen 183 Tage bezahlt sind. Bei Geburtskomplikationen oder der Geburt von Zwillingen werden 200 Tage bezahlt. Das Mutterschaftsgeld, auch im Falle einer Adoption, beträgt maximal GEL 1.000 (SSA o.D.b; vgl. US-SSA 3.2019). […]“
„Medizinische Versorgung
Letzte Änderung am 13.7.2020
Im Jahr 2013 wurde das Universal Health Care (UHC) Program eingeführt. Es ist ein staatlich geleitetes, hauptsächlich staatlich finanziertes, allgemeines Gesundheitssystem mit überwiegend privaten medizinischen Institutionen. Diese staatliche Krankenkasse soll den finanziellen Zugang zur medizinischen Grundversorgung für alle Georgier sicherstellen, die noch nicht durch private Versicherungen oder über den Arbeitgeber versichert sind. Da Versicherte bei bestimmten Leistungen einen Teil der Kosten selbst bezahlen müssen, spricht man von einem co-payment System. Über die UHC sind grundsätzlich alle georgischen Staatsbürger automatisch krankenversichert. Eingeschlossen sind alle Bewohner der de facto unabhängigen Republiken Abchasien und Südossetien, denen der georgische Staat neutrale Identitäts- und Reisepapiere ausstellt. Offiziell anerkannte Staatenlose haben ebenfalls Anrecht auf UHC. Nur einen Teil der Leistungen erhält, wer vor dem 1.1.2017 eine private Krankenversicherung besaß oder über den Arbeitgeber krankenversichert war. Seit 1.5.2017 wird bei der Kostenübernahme zudem nach Einkommen differenziert. Personen mit hohem Einkommen sind von der UHC ausgeschlossen. Personen mit mittlerem Einkommen erhalten nur einen Teil der Leistungen. Für sozial schwache Gruppen, Kinder und Rentner bleiben die Leistungen wie gehabt bestehen (SEM 21.3.2018; vgl. MedCOI 2019).
Im Notfall wendet sich ein georgischer Bürger an eine beliebige medizinische Einrichtung. Alle medizinischen Einrichtungen sind an der UHC beteiligt. Für geplante stationäre Behandlungen wendet man sich mit einem gültigen Ausweis und einer Überweisung eines Allgemeinmediziners an die Abteilung Social Service Agency. Die Social Service Agency betreibt eine Hotline unter der Nummer 1505. Die Social Service Agency stellt einen Gutschein (Voucher) oder einen „Letter of Garantee“ (dt. Garantiebrief) über die von ihr berechneten Kosten für die beantragte medizinische Dienstleistung aus (SEM 21.3.2018; vgl. MedCOI 2019).
Das staatliche Gesundheitssystem (UHC) umfasst ambulante und stationäre Behandlung für Begünstigte verschiedener Alters- und Sozialgruppen, wie folgt:
? Offen für alle Staatsbürger, sowie Asylsuchende (während des Verfahrens) und Personen mit Flüchtlingsstatus
? Stationäre und ambulante Behandlung sind vollständig gedeckt
? Behandlung von HIV und TB ist kostenfrei, sowie Insulin für Diabetespatienten
? Dialyse ist ebenfalls gewährleistet
? Für Drogenabhängige ist ein staatlich gefördertes Methadon-Ersatzprogramm kostenfrei verfügbar. Lediglich eine einmalige Registrierungsgebühr von GEL 70 muss entrichtet werden.
? Kosten für die Behandlung von Kindern bis zu 5 Jahren ist teilweise gedeckt, abhängig von der Krankheit.
Kontaktinformationen erhält man beim Ministerium für Gesundheit (Ministry of Health). Informationen über Anbieter finden sich hier: http://cloud.moh.gov.ge/Default.aspx?languagePair=en-US (IOM 2019).
Hat man Anrecht auf die gesamten Leistungen der UHC, werden Kosten in den drei Bereichen Notfallbehandlung, stationäre Behandlung und ambulante Behandlungen ganz oder zum Teil übernommen. Eine Kostenübernahme von 100% bedeutet in den meisten Fällen, dass der Staat der medizinischen Institution einen fixen Betrag zurückerstattet. Für die Berechnung dieses Betrags analysiert der Staat, wie viel die Dienstleistung in der Vergangenheit kostete und nimmt davon einen tiefen Durchschnittswert. Kommt die Behandlung teurer, muss der Patient die Differenz selber bezahlen (SEM 21.3.2018; vgl. MedCOI 2019, IOM 2019). Ambulante und einige stationäre Notfallbehandlungen werden zu 100% übernommen (SEM 21.3.2018; vgl. IOM 2019). Behandlungen spezialisierter Ärzte nach Überweisung durch den Hausarzt werden zu 70-100% übernommen, einige Notfallbehandlungen zu 100% (IOM 2019). Von den stationären Behandlungen werden spezifische Operationen und die stationäre Nachbetreuung zu 100% übernommen. Andere Leistungen werden zu 70% übernommen (SEM 21.3.2018). Notwendige Operationen werden zu 70% übernommen (IOM 2019). Divergierende Angaben gibt es beim Thema Chemotherapie und Geburten. So werden laut SEM onkologische Behandlungen und Geburten zu 100% übernommen (SEM 21.3.2018), laut IOM hingegen werden bei Chemotherapie 80% bis zu Gesamtkosten von GEL 12.000, und bei Geburten Kosten nur bis zu GEL 500 bzw. bei Kaiserschnitten nur bis zu GEL 800 übernommen (IOM 2019).
Bei Kostenübernahmen von weniger als 100% kommt der Patient für den Rest auf. Für Pensionisten zahlt der Staat zusätzlich monatlich GEL 100 für drei Monate, erstattet bei den Bürgerämtern (IOM 2019).
Medizinische Einrichtungen gibt es landesweit, jedoch mit stark voneinander abweichender Qualität. In der Hauptstadt Tiflis und weiteren städtischen Zentren (Kutaissi, Batumi) bieten private Einrichtungen umfassende und moderne Behandlungen an; staatliche Einrichtungen, wie sie primär in den ländlichen Regionen anzutreffen sind, haben deutlichen Rückstand an technischer und personeller Ausstattung. Für manche überlebensnotwendigen Eingriffe und Maßnahmen ist daher allein eine Behandlung in Tiflis möglich. Medikamente werden weitgehend importiert, zumeist aus der Türkei und Russland, aber auch aus EU-Ländern (AA 19.10.2019).
Georgische Staatsbürger sind automatisch versichert. Allerdings ist eine Registrierung notwendig, um alle Leistungen des Programms beanspruchen zu können. In diesem Zusammenhang sollten Rückkehrer die 15-05 Hotline des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales anrufen oder sich direkt an die nächstgelegene Poliklinik oder Krankenhaus wenden (IOM 2019).
Alle Kliniken in Georgien sind privatisiert. Obwohl die allgemeine Krankenversicherung nicht alle Bereiche abdeckt, können georgische Staatsbürger zu jeder Zeit jede Klinik aufsuchen, jedoch müssen die Leistungen dann bezahlt werden. Vorzugsweise sollten Termine vereinbart werden. Bei Notfällen ist eine Behandlung ohne Termin mit Wartezeiten möglich. Patienten können einen Termin vereinbaren, für die staatliche Versicherung muss der Hausarzt kontaktiert werden, welcher eine Überweisung zu spezialisierten Ärzten verfassen kann. Große Apotheken stellen eine Vielzahl von Medikamenten. Die Verfügbarkeit gewisser Medikamente kann anhand ihrer Handelsbezeichnung online oder telefonisch überprüft werden: Medical Information Service http://www.mis.ge/ka/FindDrug.jsp?Clear=True; TEL: +995 032 2 252233. Die meisten Medikamente werden nicht vom staatlichen Programm erfasst. Daher müssen die Patienten die Kosten für diese selbst tragen. Für einige Medikamente ist eine Verschreibung nötig. In diesem Fall, sollte zunächst ein zuständiger Arzt aufgesucht werden, um von diesem das Rezept zu erhalten (IOM 2019).
Für Behandlungskosten, die von Patienten selber getragen werden müssen, kann bei der zuständigen Kommission des Ministeriums um Kostenersatz angesucht werden. Dazu muss das erforderliche Formular ausgefüllt werden. Als Beilagen müssen neben den gesicherten Personalien des Antragstellers (Kopie des Reisepasses oder Personalausweises) auch die im laufenden Jahr angefallenen Rechnungen und vorhandenen Kalkulationen, bzw. im Falle der Beantragung von Kostenersatz für Medikamente die Originalrechnung, vorgelegt werden. Zusätzlich ist noch der soziale Status des Antragstellers (Pensionisten, sozial bedürftige Personen, Binnenvertriebene, Personen mit eingeschränktem Status) und die entsprechenden Zeugnisse vorzulegen. Die Kommission entscheidet dann (mindestens zweimal im Monat) über eine allfällige Finanzierung der vorgelegten Kosten, wobei hier keine generelle Festlegung über die Höhe der Rückerstattung besteht und diese Entscheidungen individuell, von Fall zu Fall, getroffen werden (VB 31.5.2018).
Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie wurden in Georgien bereits frühzeitig und konsequent umgesetzt und somit konnte die Ausbreitung weitgehend unter Kontrolle gehalten (EE 6.4.2020; vgl. ES 3.4.2020, EN 21.5.2020, ChH 4.6.202). Die Infektions- und Sterblichkeitsraten konnten niedrig gehalten werden (CEIP 8.7.2020). Die Pandemie war für das Gesundheitssystem stets bewältigbar, allerdings zu einem hohen wirtschaftlichen Preis (EN 21.5.2020;) Georgien weist Stand Ende Mai 2020 die niedrigste COVID-19-Todesrate in Europa auf (drei Todesfälle pro einer Million Einwohner). Tests sind ausreichend verfügbar und es gibt keine Hinweise auf eine Untererfassung der Krankheits- und Todesfälle (EN 21.5.2020). Allerdings waren in Folge des strengen Lockdowns Behandlungen für andere Krankheiten nur eingeschränkt verfügbar (IOM 24.4.2020).
Die EU hat das wegen der COVID-19-Pandemie verhängte Einreiseverbot gegen Georgien sowie 14 weitere Drittstaaten ab 1. Juli aufgehoben, wobei die genaue Umsetzung den Mitgliedsstaaten obliegt. Hauptkriterium für eine Aufhebung der Beschränkungen war, dass die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in den vorangegangenen 14 Tagen mindestens so niedrig wie im EU-Durchschnitt war. Zudem muss es bei den Infektionen einen "stabilen oder sich verringernden Trend" geben und die Maßnahmen der jeweiligen Regierungen auf die Pandemie müssen gewissen Standards entsprechen. Die Länderliste soll alle zwei Wochen aktualisiert werden (Standard 30.6.2020). […]“
„Rückkehr
Letzte Änderung am 13.7.2020
Rückkehrer und Rückkehrerinnen, die Unterstützung benötigen, sind bislang vor allem auf Familie und Freunde angewiesen. Internationale Organisationen bieten ebenfalls Unterstützung an. Das Ministerium für Binnenvertriebene, Arbeit, Gesundheit und Soziales koordiniert das staatliche Reintegrationsprogramm (State Reintegration Programme). Hier wird Beratung und auch finanzielle Hilfe zur Reintegration in den Arbeitsmarkt (auch Hilfe zur Selbständigkeit) und bei Bedarf auch Erst- bzw. Zwischenunterkunft zur Verfügung gestellt. Staatliche Repressalien gegen Rückkehrer sind nicht bekannt. Auch die Tatsache einer Asylantragstellung im Ausland ist für die Behandlung durch staatliche Stellen ohne Bedeutung. Georgien hat Rückübernahme-Abkommen mit der EU und weiteren europäischen Ländern geschlossen (AA 19.10.2019).
Um die Reintegration der zurückgekehrten georgischen Migranten zu unterstützen, wurden GEL 650.000 (ca. EUR 216.460) aus dem Staatshaushalt 2018 bereitgestellt, die an förderungswürdige NGOs verteilt werden. Um den Wiedereingliederungsprozess der zurückgekehrten georgischen Migranten zu unterstützen, sollen die NGOs für das gesamte Staatsgebiet folgende Dienstleistungen für die Begünstigten erbringen: Bereitstellung von medizinischer Behandlung und Medikamenten, Finanzierung einkommensgenerierender Projekte, Unterstützung der beruflichen Weiterbildung/Umschulung und Qualifizierung der Begünstigten und die Bereitstellung von temporären Unterkünften (SCMI 9.3.2018). Am staatlichen Programm sind jene teilnahmeberechtigt, die georgische Bürger oder staatenlos sind und über eine Aufenthaltsbewilligung verfügen; sich mehr als ein Jahr illegal im Ausland aufgehalten haben oder im Ausland um Asyl angesucht haben, und seit weniger als einem Jahr in Georgien sind (MRA o.D.).
Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie wurden alle Grenzübergänge geschlossen und sind nur für georgische Staatsbürger, die ins Heimatland zurückreisen, passierbar (USEMB 1.7.2020). Der Flugverkehr soll ab 1.8.2020 wiederaufgenommen werden (GCAA 26.6.2020; vgl. Agenda 25.6.2020a). Die Wiedereröffnung der Landgrenzen ist von bilateralen Abkommen mit den Nachbarstaaten abhängig (N/LS 28.5.2020). Alle Personen, die nach Georgien einreisen, müssen zwei Wochen in Quarantäne, bzw. Selbstisolation (Agenda 30.6.2020; vgl. 1TV 30.6.2020, GE-GOV o.D.), für die der Staat die Kosten übernimmt (Jam 8.7.2020). Gemäß Angaben des Gesundheitsministeriums wird der Quarantänemechanismus noch lange bestehen bleiben (1TV 30.6.2020). […]“.
II.1.2.2. Zur Situation aufgrund der Covid-19-Pandemie
Mit Stichtag 27.04.2021 werden von der World Health Organization (WHO) in Georgien 304.272 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei diesbezügliche 4.043 Todesfall bestätigt wurden. Auch eine von der „Johns Hopkins University“ veröffentlichte Statistik zeigt, dass mit Stichtag 27.04.2021, in Georgien 305.850 bestätigte COVID-Erkrankungen gezählt werden bzw. 4.060 Todesfälle in diesem Zusammenhang zu beklagen sind.
II.2. Beweiswürdigung:
II.2.1. Zum Aufenthalt der Beschwerdeführer in Österreich sowie zum Verfahrensgang
Die Feststellungen betreffend die Einreise in Österreich, das Verfahren der Beschwerdeführer über ihre Anträge auf internationalen Schutz (Antragstellung und Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bzw. Bescheide vom 12.10.2018 zu den Zln. 1199830110/180686683 (ad Erstbeschwerdeführerin) und 1199830001/180686560 (ad Zweitbeschwerdeführer), sowie das Verfahren über die Verlängerung ihrer befristeten Aufenthaltsberechtigungen ergeben sich zweifelsfrei aus den vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten, deren Inhalt im Übrigen nicht bestritten wurde.
Ferner stützen sich die Feststellungen zur Ausreise der Beschwerdeführer im Rahmen der unterstützten freiwilligen Rückkehr in den Herkunftsstaat auf das Antragsformular für Unterstützungsleistungen im Rahmen der „Unterstützten freiwilligen Rückkehr“ vom 30.03.2021 sowie auf die Ausreisebestätigungen der Internationalen Organisation für Migration (IOM) vom 12.04.2021.
II.2.2. Zur Person der Beschwerdeführer
Die Identität der Beschwerdeführer (Name, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit) kann aufgrund der in Kopie vorgelegten Auszüge aus ihren Reisedokumenten (georgische Reisepässe) festgestellt werden.
Die Feststellungen zu Familienstand, Religionsbekenntnis, Sprachkenntnissen, den Lebensumständen der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat, zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates, zu ihren Angehörigen in Georgien sowie zum bestehenden Kontakt zu diesen werden aufgrund ihrer eigenen Angaben getroffen, an denen das Bundesverwaltungsgericht keine Zweifel hegt. Ebenso gründen die Feststellungen zur universitären Ausbildung sowie zur Berufserfahrung der Erstbeschwerdeführerin auf ihrem schlüssigen Vorbringen in Verbindung mit dem von ihr in Vorlage gebrachten Lebenslauf. Auch das Vorbringen des Zweitbeschwerdeführers zu seiner Schulbildung sowie zu seiner Berufserfahrung als Förster wird aufgrund seiner konsistenten Angaben in seinen Verfahren als glaubhaft erachtet und der gegenständlichen Entscheidung als Sachverhalt zugrunde gelegt.
Ferner basieren die Feststellungen zum Sohn der Beschwerdeführer auf ihren dahingehend übereinstimmenden Angaben im Verfahren in Verbindung mit dem vorgelegten Auszug aus dem Sterbeeintrag.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführer stützen sich auf ihre Angaben in der Einvernahme vor dem Bundesamt am 03.09.2020, im Rahmen welcher sie anführten, gesund zu sein. Anhaltspunkte, dass sich ihr Gesundheitszustand zwischenzeitlich entscheidungswesentlich geändert hätte, sind nicht hervorgekommen und wurde ein solcher Sachverhalt auch nicht in der Beschwerde behauptet. Ebenso wenig haben sich im Verfahren Anhaltspunkte für eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführer ergeben.
II.2.3. Zu den Gründen, welche einer Rückkehr in den Herkunftsstaat entgegenstehen, führten die Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass sie im Herkunftsstaat nichts mehr besitzen würden. Ferner würden ihre Verwandten in Georgien darauf bestehen, dass sie noch ein Kind bekommen, was jedoch nicht ihrem Wunsch entsprechen würde.
Dem Vorbringen der Beschwerdeführer ist jedoch nicht zu entnehmen, dass sie im Herkunftsstaat eine Verletzung ihrer nach Art. 2 EMRK oder Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte zu gewärtigen hätten, beschränkt sich doch der von ihren Angehörigen ausgehende Druck lediglich auf die Aufforderung, ein weiteres Kind zu bekommen, ohne dass konkrete Drohungen ausgesprochen worden wären oder es zu psychischen Misshandlungen gekommen wäre.
Im Übrigen ist aufgrund der allgemeinen Sicherheits- und Versorgungslage sowie der individuellen Umstände der Beschwerdeführer davon auszugehen, dass sie sich in Georgien eigenständig ihren Lebensunterhalt sichern können und in keine existenzbedrohende Notlage geraten werden, zumal sie den überwiegenden Teil ihres Lebens im Herkunftsstaat verbracht haben, gesund sowie arbeitsfähig sind und über umfassende Berufserfahrung verfügen.
Insgesamt war daher festzustellen, dass die Beschwerdeführer keine individuellen gefahrenerhöhenden Umstände aufgezeigt haben, die unter Beachtung ihrer persönlichen Situation innewohnenden Umständen eine Gewährung von subsidiärem Schutz angezeigt hätten.
II.2.4. Die Feststellungen zum Privat- und Familienleben der Beschwerdeführer ergeben sich aus ihrem schlüssigen Vorbringen. Die Beschwerdeführer gaben übereinstimmend an, in Österreich noch nie einer Erwerbstätigkeit nachgegangen zu sein, sondern ihren Lebensunterhalt aus staatlichen Mitteln bestritten zu haben. Ferner ist ihrem Vorbringen zu entnehmen, dass sie über keine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich verfügen.
Die Erstbeschwerdeführerin brachte als Nachweis der von ihr gesetzten Integrationsschritte ein Zertifikat über die positive Absolvierung der Integrationsprüfung vom 19.07.2019 in Vorlage. Ferner legte der Zweitbeschwerdeführer ein Zertifikat über die Absolvierung eines Werte- und Orientierungskurs vom 27.06.2019 vor. Sonstige Hinweise auf eine Integrationsverfestigung der Beschwerdeführer sind im Verfahren nicht hervorgekommen.
Die Feststellung zu den Deutschkenntnissen des Zweitbeschwerdeführers stützt sich auf seine nachvollziehbaren Angaben, wonach er lediglich ein bisschen Deutsch beherrsche und seinen Deutschkurs seinerzeit abbrechen habe müssen, da er sich um seinen kranken Sohn kümmern habe müssen.
Die Feststellung zur Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsicht in das Strafregister.
II.2.5. Zu den Länderfeststellungen
Die diesem Erkenntnis zugrundeliegenden Länderfeststellungen gründen sich auf Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Georgien ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Insoweit sich diese Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat auf Berichte älteren Datums beziehen, ist auszuführen, dass sich die darin angeführten Umstände für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation in Hinblick auf das Vorbringen der Beschwerdeführer nicht wesentlich geändert haben.
Den Beschwerdeführern wurde im Zuge ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt am 03.09.2020 die Möglichkeit geboten, Einsicht in das Länderinformationsblatt Georgien zu nehmen, wovon sie jedoch keinen Gebrauch machten. Auch in der Beschwerde sind sie den Länderinformationen, welche den angefochtenen Bescheiden zugrunde gelegt wurden, nicht konkret entgegengetreten.
Die unstrittigen Feststellungen zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus ergeben sich aus den unbedenklichen tagesaktuellen Berichten und Informationen (s. jeweils mit einer Vielzahl weiterer Hinweise u.a.):
https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus.html
https://www.ages.at/themen/krankheitserreger/coronavirus/
https://coronavirus.jhu.edu/map.html
https://covid19.who.int/
(Zugriff jeweils am 27.04.2021).
II.3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A:
II.3.1. Zur Aberkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten
II.3.1.1. Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes lauten (auszugsweise) wie folgt:
§ 8 (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offensteht.
[…]
(4) Einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, ist vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist. […]
§ 9. (1) Einem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn
1. die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen;
2. er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder
3. er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn
1. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;
2. der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder
3. der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.
In diesen Fällen ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(3) Ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist jedenfalls einzuleiten, wenn der Fremde straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3) und das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 oder 2 wahrscheinlich ist.
(4) Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden. Der Fremde hat nach Rechtskraft der Aberkennung Karten, die den Status des subsidiär Schutzberechtigten bestätigen, der Behörde zurückzustellen.
II.3.1.2. Dem Bundesamt ist im gegenständlichen Fall nicht entgegenzutreten, wenn es in der rechtlichen Beurteilung der angefochtenen Bescheide zu dem Ergebnis kommt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten im Fall der Beschwerdeführer nicht mehr vorliegen, und die Aberkennung des Schutzstatus somit erkennbar auf den zweiten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG stützt (vgl. Bescheid der Erstbeschwerdeführerin, S. 29; Bescheid des Zweitbeschwerdeführers, S. 28).
Den Beschwerdeführern wurde im konkreten Fall mit jeweiligem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.10.2018 der Status der subsidiär Schutzberechtigten im Familienverfahren gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 34 Abs. 3 AsylG 2005 zuerkannt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass weder aus dem Vorbringen der Beschwerdeführer noch aus der allgemeinen Situation in Georgien ersichtlich sei, dass ihnen im Fall der Rückkehr eine reale Gefahr der Verletzung ihrer nach Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention gewährleisten Rechte drohe. Eine Rückkehr würde für sie als Zivilpersonen auch keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen. Da ihrem minderjährigen Sohn XXXX jedoch der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden sei, komme den Beschwerdeführern gemäß § 34 Abs. 3 AsylG 2005 der gleiche Schutzstatus zu.
Der Verwaltungsgerichtshof hielt in seiner rezenten Entscheidung vom 07.01.2021, Ra 2020/18/0491, fest, dass es für die Aberkennung des einem Familienangehörigen im Familienverfahren (bzw. durch Asylerstreckung) zuerkannten Status des Asylberechtigten wegen Wegfalls der fluchtauslösenden Umstände darauf ankommt, ob die Umstände, auf Grund deren die Bezugsperson als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und es diese daher nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen. […] Gelangt die Behörde (bzw. das VwG) in so einem Fall zu der Beurteilung, dass die genannten Umstände nicht mehr vorliegen, ist der Asylstatus eines Familienangehörigen, dem dieser Status im Familienverfahren (bzw. durch Asylerstreckung) zuerkannt worden ist, abzuerkennen, sofern im Entscheidungszeitpunkt hinsichtlich des Familienangehörigen nicht die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (drohende Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK) vorliegen (vgl. in diesem Sinn auch EuGH 2.3.2010, C-175/08 u.a., Aydin Salahadin Abdulla u.a., Rn. 81 ff).
Nach Ansicht des erkennenden Gerichts trifft dies sinngemäß auch auf die Aberkennung des einem Familienangehörigen im Familienverfahren zuerkannten Status des subsidiär Schutzberechtigten zu.
Im gegenständlichen Fall ist die Bezugsperson der Beschwerdeführer, ihr Sohn XXXX , am 26.03.2020 in Österreich verstorben.
Folglich ist zu prüfen, ob in Bezug auf die Beschwerdeführer im Entscheidungszeitpunkt die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten vorliegen.
Nach der Judikatur des EGMR obliegt es den betroffenen Personen, die eine Verletzung von Art. 3 EMRK im Falle einer Abschiebung behaupten, so weit als möglich Informationen vorzulegen, die den innerstaatlichen Behörden und dem Gericht eine Bewertung der mit einer Abschiebung verbundenen Gefahr erlauben (vgl. EGMR 05.07.2005, 2345/02, Said gg. Niederlande). Bezüglich der Berufung auf eine allgemeine Gefahrensituation im Heimatstaat, haben die betroffenen Personen auch darzulegen, dass ihre Situation schlechter sei, als jene der übrigen Bewohner des Staates (vgl. EGMR 26.07.2005, 38885/02, N. gg. Finnland).
Das Vorliegen eines tatsächlichen Risikos ist von der Behörde im Zeitpunkt der Entscheidung zu prüfen (vgl. EKMR 15.11.1996, 22414/93, Chahal gg. Vereinigtes Königreich).
Das Bundesverwaltungsgericht hatte somit zu klären, ob im Falle der Verbringung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter) oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass die Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen haben, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person der Fremden betreffende, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (vgl. VwGH 26.06.1997, 95/18/1291). Diese Mitwirkungspflicht der Antragsteller bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre der Asylwerber gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann.
Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen, die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu gelangen.
Weder aus den Angaben der Beschwerdeführer zu ihrer Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat noch aus den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens ist im konkreten Fall ersichtlich, dass jene, gemäß der Judikatur des EGMR geforderte Exzeptionalität der Umstände vorliegen würde, um die Außerlandesschaffung des Beschwerdeführers im Hinblick auf außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegender Gegebenheiten im Zielstaat im Widerspruch zu Art. 3 EMRK erscheinen zu lassen (VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443).
Ausgehend von den dargestellten allgemeinen Länderberichten zum Herkunftsstaat besteht auch kein Grund davon auszugehen, dass jeder zurückgekehrte Staatsangehörige Georgiens einer reellen Gefahr einer Gefährdung gemäß Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre.
Das Vorbringen der Beschwerdeführer, wonach ihre Angehörigen insoweit Druck auf sie ausüben würden, als sie fordern, dass sie ein Kind bekommen, stellt keine Gefährdung gemäß Art. 2 oder Art. 3 EMRK dar, zumal ihre Angehörigen keine Drohungen gegen sie ausgesprochen haben und auch sonst keine Hinweise auf eine von ihren Angehörigen ausgehenden Gefahr hervorgekommen sind. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer im Fall ihrer Rückkehr nach Georgien neuerlich im Haus der Mutter des Zweitbeschwerdeführers Unterkunft nehmen und von ihren Familien Unterstützung erhalten können.
Selbst wenn sie aber keine Unterstützung von ihren Angehörigen erhalten, kann eine völlige Perspektivenlosigkeit für die Beschwerdeführer im Herkunftsstaat nicht erkannt werden. Die Beschwerdeführer haben den überwiegenden Teil ihres Lebens in Georgien verbracht und sind gesund sowie arbeitsfähig. In Bezug auf die Situation der Erstbeschwerdeführerin ist weiter festzuhalten, dass sie das Studium der Biologie abgeschlossen und Berufserfahrung als Gymnasiallehrerin sowie als Schulleiterin gesammelt hat. Der Zweitbeschwerdeführer verfügt über eine zehnjährige Schulbildung sowie über Berufserfahrung als Förster. Folglich ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer in der Lage sind, im Herkunftsstaat neuerlich Fuß zu fassen und ihre Existenz eigenständig zu sichern.
Für den erkennenden Richter des Bundesverwaltungsgerichtes haben sich unter diesen Aspekten keine Hinweise ergeben, wonach die Beschwerdeführer für den Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine existenzbedrohende Situation geraten würden.
Ziel des Refoulementschutzes ist es nicht, Menschen vor unangenehmen Lebenssituationen, wie es die Rückkehr nach Georgien ist, zu beschützen, sondern einzig und allein, Schutz vor exzeptionellen Lebenssituationen zu geben.
Unter Verweis auf die zitierten Länderinformationen kann für das gesamte Staatsgebiet Georgiens zum gegenwärtigen Zeitpunkt schlichtweg nicht festgestellt werden, dass dort eine dermaßen schlechte wirtschaftliche Lage bzw. eine allgemeine politische Situation herrschen würde, die für sich genommen bereits die Zulässigkeit der Rückbringung in den Herkunftsstaat iSd. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen ließe. Es sind keine Umstände amtsbekannt, wonach in Georgien eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung iSd Art. 2 und Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Die Situation in Georgien ist auch nicht dergestalt, dass eine Rückkehr der Beschwerdeführer für diese als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde; in Georgien ist aktuell eine Zivilperson nicht alleine aufgrund ihrer Anwesenheit einer solchen Bedrohung ausgesetzt.
Wie in der Beweiswürdigung dargelegt, vermag auch die derzeit bestehende Covid-19 – Pandemie die Situation der Beschwerdeführer nicht entscheidungswesentlich zu ändern, zumal die 43-jährige Erstbeschwerdeführerin und der 54-jährige Zweitbeschwerdeführer an keinen schwerwiegenden Erkrankungen leiden und sohin nicht unter die Risikogruppe der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen fallen. Zwar waren zum Entscheidungszeitpunkt der belangten Behörde in Georgien die absoluten Zahlen von an mit Sars-CoV-2 infizierten Personen mit rund 305.000 Erkranken relativ hoch. Allerdings standen die verzeichneten Todesfälle (rund 4.000 Personen, die an oder mit dem Virus gestorben sind) in keiner überwiegenden Relation dazu. Abgesehen davon ist die durchgerechnete Zahl der Erkrankungen pro 100.000 Einwohner noch davon entfernt, ein für eine Gewährung subsidiären Schutzes signifikantes Risiko aufzuzeigen, in Georgien an COVID-19 mit schweren Verlauf zu erkranken. Den allgemeinen Länderberichten ist im Übrigen zu entnehmen, dass der Zugang zu medizinischer Versorgung in Georgien gewährleistet ist.
Im Hinblick auf die gegebenen Umstände kann daher ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 EMRK oder Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erkannt werden.
Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Schutzstatus der subsidiär Schutzberechtigten liegt sohin im gegenständlichen Fall nicht vor und ist daher der Aberkennungstatbestand des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 erfüllt.
II.3.1.3. Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführer während des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens einen Antrag für Rückkehrunterstützung stellten und am 09.04.2021 im Rahmen der unterstützten freiwilligen Rückkehr aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Georgien ausreisten. Durch die Inanspruchnahme von Rückkehrunterstützung sowie die tatsächliche Ausreise haben die Beschwerdeführer zu erkennen gegeben, dass sie Österreich endgültig verlassen wollen. Ausgehend davon kann auf die Wahl eines neuen Lebensmittelpunktes in Georgien geschlossen werden. Im gegenständlichen Fall ist sohin auch der Aberkennungstatbestand des § 9 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 erfüllt.
II.3.1.4. Die Aberkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden. Als Rechtsfolge daraus ist auch die im Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide verfügte Entziehung der befristet erteilten Aufenthaltsberechtigungen als subsidiär Schutzberechtigte nicht zu beanstanden. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. der angefochtenen Bescheide waren sohin als unbegründet abzuweisen.
II.3.2. Zur Beschwerde gegen die Spruchpunkte III. der angefochtenen Bescheide