Index
50/01 Gewerbeordnung;Norm
GewO 1994 §87 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des K in A, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 9. Februar 1995, Zl. VI/1-134/4-1995, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 9. Februar 1995 wurde dem Beschwerdeführer die Gewerbeberechtigung für das Gewerbe "Marktfahrer (Fieranten), eingeschränkt auf den Kleinhandel mit Obst, Gemüse, Agrumen, Kartoffeln, Eiern, Südfrüchten, Naturblumen, Reisig, Mistelzweigen, Tannenzapfen, Christbäumen, Waldbeeren, Schwämmen und Textilien" an einem näher bezeichneten Standort gemäß § 87 Abs. 1 Z. 2 Gewerbeordnung 1994 entzogen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, mit Beschluß des Landesgerichtes Eisenstadt vom 4. Februar 1993, GZ n1/92-7, sei ein Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Beschwerdeführers mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens abgewiesen worden. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, daß der Beschwerdeführer eine mit der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft geschlossene Zahlungsvereinbarung einhalte. Die Wirtschaftskammer Burgenland habe mitgeteilt, daß der Beschwerdeführer die Grundumlage für das Jahr 1994 (in Höhe von S 1.282,--) schulde. Aus den vom Bezirksgericht Neusiedl am See übermittelten Exekutionsakten sei ersichtlich, daß verschiedene Gläubiger seit Anfang 1994 laufend Exekutionsanträge gegen den Beschwerdeführer gestellt hätten; diese Exekutionsanträge seien vom zuständigen Exekutionsgericht (Bezirksgericht Neusiedl am See) bewilligt worden. Die aushaftenden Forderungen dieser betreibenden Gläubiger würden sich auf insgesamt ca. S 87.000,-- belaufen. Einer der genannten Gläubiger habe sich auch ausdrücklich für die Entziehung der Gewerbeberechtigung ausgesprochen. Der gesamte aushaftende Zahlungsrückstand sei "nicht als sehr hoch anzusehen", es handle sich teilweise bei einzelnen Verbindlichkeiten um "relativ niedrige Beträge". Das Verhalten des Beschwerdeführers lasse erkennen, daß seine Zahlungsmoral nicht der eines ordentlichen Gewerbetreibenden entspreche. Obwohl der Beschwerdeführer versucht habe, seinen Zahlungswillen zu zeigen, erlaube es seine wirtschaftliche Lage aber anscheinend nicht, die Gesamtheit des aushaftenden Zahlungsrückstandes auszugleichen. Es könne nicht erwartet werden, daß der Beschwerdeführer den mit der Gewerbeausübung verbundenen laufenden Zahlungspflichten in Hinkunft nachkommen könne. Die Voraussetzungen gemäß § 87 Abs. 2 GewO 1994 seien daher nicht gegeben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf "Durchführung eines ordentlichen und rechtmäßigen Verfahrens nach der Gewerbeordnung sowie auf ein gesetzmäßiges und mangelfreies Verfahren nach den Bestimmungen des AVG 1991, insbesondere im Hinblick auf die §§ 40 ff, 45, 58 und 66 AVG" verletzt. Dieser Erklärung ist unter Bedachtnahme auf das weitere Beschwerdevorbringen ein Beschwerdepunkt dahingehend zu entnehmen, daß sich der Beschwerdeführer in dem Recht auf Nichtentziehung der Gewerbeberechtigung gemäß § 87 Abs. 2 GewO 1994 bei Erfüllung der dort angeführten Tatbestandsvoraussetzungen verletzt erachtet. Er bringt hiezu im wesentlichen vor, die belangte Behörde habe es unterlassen, eine mündliche Verhandlung gemäß § 40 AVG durchzuführen. Die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See als Behörde erster Instanz sei richtigerweise von einem Schuldenstand von S 20.861,-- ausgegangen. Die belangte Behörde gehe jedoch ohne nähere Begründung von einem Zahlungsrückstand von S 87.000,-- aus. Diese Feststellung sei aktenwidrig und auch wesentlich, weil bei einem Schuldenstand von S 20.861,-- die Gewerbeberechtigung keinesfalls zu entziehen gewesen wäre. Das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens sei ihm - aufgrund einer gesetzwidrigen Hinterlegung - nicht zur Kenntnis gebracht worden. Durch diese Verletzung seines Parteiengehörs habe die belangte Behörde "wesentliche Verfahrensvorschriften verletzt". Die belangte Behörde habe aber auch ihre Begründungspflicht dadurch verletzt, daß sie nicht festgestellt habe, ob er entsprechend seinem Berufungsvorbringen "den Schuldenstand entsprechend verringert habe und fristgerecht vereinbarte Ratenzahlungen an Gläubiger leiste". Die von der belangten Behörde durchgeführte Gläubigerbefragung sei denkunmöglich und "widerstreitet sämtlichen Rechtsgrundsätzen". Der festgestellte Sachverhalt sei ergänzungsbedürftig, da nicht begründet worden sei, warum die belangte Behörde nicht einen Zahlungsrückstand in Höhe von ca. S 21.000,-- sondern in Höhe von S 87.000,-- annehme. Die belangte Behörde habe nicht geprüft, wodurch es zu dem finanziellen Engpaß gekommen sei. Die Auskunft eines Gläubigers, der sich für die Entziehung ausgesprochen habe, sei noch nicht ausreichend. Eine Schuldenregulierung sei ihm nur dann möglich, wenn ihm die Möglichkeit gegeben werde, Einnahmen zu erwirtschaften. Aus dem Akteninhalt ergebe sich sehr wohl, daß die Fortführung seines Gewerbebetriebes im Interesse der Gläubiger sei. Von einem "Gläubigerinteresse" könne nicht gesprochen werden, wenn ihm die Möglichkeit genommen werde, deren Forderungen zu tilgen. Die belangte Behörde habe auch nicht geprüft, ob nicht eine bloß teilweise Entziehung der Gewerbeberechtigung oder eine Entziehung nur für bestimmte Zeit ausreichend gewesen wären.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Beschwerde zum Erfolg zu führen.
Gemäß § 87 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 hat die Behörde (§ 361) die Gewerbeberechtigung zu entziehen, wenn einer der im § 13 Abs. 3 und 5 angeführten Umstände, die den Gewerbeausschluß bewirken, vorliegt.
Zunächst ist festzuhalten, daß das Vorliegen der Voraussetzung für die Entziehung der Gewerbeberechtigung des Beschwerdeführers gemäß § 87 Abs. 1 Z. 2 in Verbindung mit § 13 Abs. 3 GewO 1994 in der Beschwerde nicht bestritten wird und sich auch aus dem angefochtenen Bescheid und dem Beschwerdevorbringen kein Anhaltspunkt für die Annahme ergibt, daß dies nicht der Fall wäre. Es geht daher im vorliegenden Beschwerdefall ausschließlich darum, ob die belangte Behörde die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 87 Abs. 2 GewO 1994 anzunehmen gehabt hätte.
Nach der genannten Gesetzesstelle kann die Behörde von der im Abs. 1 Z. 2 vorgeschriebenen Entziehung der Gewerbeberechtigung wegen Eröffnung des Konkurses oder Abweisung eines Antrages auf Konkurseröffnung mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens absehen, wenn die Gewerbeausübung vorwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen ist.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat, ist - ausgehend vom normativen Gehalt der zitierten Bestimmung - die Gewerbeausübung nur dann "vorwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen", wenn aufgrund seiner nunmehrigen wirtschaftlichen Lage erwartet werden kann, daß der Gewerbetreibende auch den mit der Ausübung des den Gegenstand der ausgesprochenen Entziehung bildenden Gewerbes verbundenen Zahlungspflichten nachkommen wird, was jedenfalls voraussetzt, daß die erforderlichen liquiden Mittel zur Abeckung der diesbezüglichen Verbindlichkeiten vorhanden sind. Hingegen ist es nicht schon alleine entscheidungsrelevant, daß das entzogene Gewerbe ausgeübt wird, damit die vorhandenen Forderungen berichtigt werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 16. Juli 1996, Zl. 96/04/0098, und vom 8. Oktober 1996, Zl. 96/04/0178).
Bei der Beurteilung, ob das Absehen von der Entziehung der Gewerbeberechtigung gemäß § 87 Abs. 2 leg. cit. vorwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen ist, geht es ausschließlich darum, daß die Zahlungspflichten gegenüber allen Gläubigern gleichermaßen bei Fälligkeit erfüllt werden. Es muß also die pünktliche Erfüllung aller Zahlungspflichten bei Fälligkeit erwartet werden können. Solange eine solche Erwartung nicht besteht, kommt einer, den Abbau von Schulden in sich schließenden Unternehmensentwicklung keine Relevanz zu. Die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 87 Abs. 2 leg. cit. ist - wie der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls bereits wiederholt dargelegt hat - nach objektiven Kriterien zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. November 1996, Zl. 96/04/0074, und die darin zitierte Vorjudikatur).
Im Beschwerdefall hat das von der belangten Behörde durchgeführte Ermittlungsverfahren aufgrund der beim zuständigen Exekutionsgericht (Bezirksgericht Neusiedl am See) eingeholten Auskünfte im Zusammenhalt mit der ausdrücklichen Erklärung eines betreibenden Gläubigers (S) nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten ergeben, daß gegen den Beschwerdeführer offene und fällige Forderungen bestehen. Daß solche Zahlungsrückstände bestehen, wird auch in der Beschwerde nicht bestritten. Den Beschwerdeausführungen ist jedoch nicht zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer hinsichtlich aller gegen ihn bestehenden Forderungen Zahlungsvereinbarungen mit den jeweiligen Gläubigern abgeschlossen hat, bzw. daß seine Zahlungspflichten gegenüber allen Gläubigern gleichermaßen bei Fälligkeit erfüllt werden. Vielmehr hat der Beschwerdeführer bereits in seiner Berufung ausdrücklich zugestanden, daß "auch die offenen Forderungen, welche durch das Bezirksgericht Neusiedl am See exekutiert werden, werden soweit als möglich beglichen werden".
Ausgehend von dieser vom Beschwerdeführer selbst zugestandenen Sachlage vermag der Verwaltungsgerichtshof aber die erfolgte Entziehung der Gewerbeberechtigung im Hinblick auf die nicht erwiesenen Tatbestandsvoraussetzungen des § 87 Abs. 2 GewO 1994 nicht als rechtswidrig zu erkennen. Damit mangelt es den nach den Behauptungen in der Beschwerde der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensverstößen an der erforderlichen Relevanz, da die belangte Behörde auch bei deren Vermeidung zu keinem anderen Bescheid hätte kommen können (§ 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG). Der Beschwerdeführer unterläßt es zudem auch, die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel darzutun (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 8. Oktober 1996, Zl. 96/04/0178, und vom 12. November 1996, Zl. 96/04/0074).
Soweit der Beschwerdeführer schließlich die Nichtanwendung der Bestimmungen des § 87 Abs. 3 und Abs. 6 GewO 1994 rügt, ist zu erwidern, daß bei Nichtvorliegen eines vorwiegenden Gläubigerinteresses an der Gewerbeausübung im Sinne des § 87 Abs. 2 GewO 1994 keine gesetzliche Handhabe für die Heranziehung der Regelung des § 87 Abs. 3 leg. cit. besteht. In der Beschwerde wird aber auch nicht einmal behauptungsgemäß dargetan, inwiefern in Ansehung des entzogenen Gewerbes (Marktfahrer) die Voraussetzungen für eine Entziehung nur hinsichtlich eines Teiles der gewerblichen Tätigkeit (§ 87 Abs. 6 leg. cit.) in Betracht kämen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis des verstärkten Senates vom 15. Juni 1987, Zl. 86/04/0186, Slg. NF Nr. 12.490/A, und das hg. Erkenntnis vom 30. März 1993, Zl. 92/04/0254).
Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995040085.X00Im RIS seit
20.11.2000